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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 2, 13. 14. an die Colosser.
[Spaltenumbruch] von aller übernommenen Schuld absolviret,
oder dadurch declariret ist, daß sie abgethan sey,
also auch die Gläubigen in der Zueignung der
Auferstehung die Absolution von ihren Sünden
haben. Und diesen Verstand der Lebendigma-
chung erläutert der Apostel damit, daß er sa-
get: und hat uns geschencket, oder verge-
ben alle Sünde.
4. Man hat hiebey zu conferiren, was
der Apostel gesaget hat c. 1, 12. 13. von dem, daß
der Vater die Colosser tüchtig gemachet ha-
be zum Erbtheil der Heiligen im Lichte,

sie errettet von der Obrigkeit der Finster-
niß, und versetzet in das Reich seines lieben
Sohnes:
an welchem sie hätten die Erlö-
sung in seinem Blute, nemlich die Verge-
bung der Sünden.
Jmgleichen v. 22. daß
er sie versöhnet habe durch seinen Tod,
um sie vor ihm selbst darzustellen heilig und
unsträflich und ohne Tadel.
Sonderlich
aber gehöret hieher der Ort Eph. 2, 5. 6. da wir
todt waren in Sünden, hat uns GOTT
samt Christo lebendig gemachet, und hat
uns samt ihm auferwecket, und samt ihm
in das himmlische Wesen versetzet in Chri-
sto JEsu.
V. 14.

Und ausgetilget die Handschrift, so
wider uns war, welche durch Satzungen
entstund und uns entgegen war, und hat
sie aus dem Mittel gethan und an das
Creutz geheftet
(und damit gleichsam cassiret,
oder abgethan.)

Anmerckungen.
1. Die Verbindung mit dem vorherge-
henden Texte kan ein ieder leichtlich sehen.
Denn nachdem der Apostel vorher bezeuget hat,
daß die Gläubigen des Todes und der Aufer-
stehung Christi zu ihrer Gerechtigkeit, und zur
Vergebung der Sünden durch den Glauben
und durch die heilige Taufe theilhaftig werden,
so zeiget er an, woher solche Frucht der Verge-
bung der Sünde und der Seligkeit komme,
nemlich von einem solchen Versöhnungs-Tode,
wodurch die unsere Sünden-Schuld anzeigende
Handschrift abgethan sey.
2. Jn der Materie selbst haben wir zwey
Stücke zu mercken: erstlich die Handschrift,
und zwar worinnen sie bestanden, und wie sie
uns zuwider gewesen: und denn, wie sie Chri-
stus ausgetilget, und aus dem Mittel gethan
und an das Creutz geheftet habe.
3. Was das Wort Handschrift betrifft,
so ist es hergenommen von einer solchen mensch-
lichen Handlung, da einer dem andern schuldig
ist, und seine Schuld abtragen muß und will,
auch daher mit seiner eignen Hand eine solche
Schrift von sich stellet, darinnen er die Schuld
bekennet und die Bezahlung verspricht. Wel-
ches denn eine solche Obligation ist, dadurch er,
wenn sie in den Gerichten vorgezeiget wird, zur
Bezahlung kan angehalten werden: wie solches
bekant ist.
[Spaltenumbruch]
4. Damit man nun erkenne, was es mit
dieser Handschrift zu bedeuten habe, so müssen
wir zuvorderst erwegen, worinnen sie bestan-
den habe.
Und dieses zu erkennen kömmt es an
auf den richtigen Verstand des Worts dogma,
dogmata, Satzungen; sintemal sie genennet
wird kheirographon tei~s dogmasin, eine Hand-
schrift an oder in Satzungen;
da man bey
dem Worte dogmasin das Wörtlein en in zu
verstehen hat. Es verstehen einige Interpretes
das Wort dogmata vom Moral-Gesetze, aus
der Ursache, weil solches uns mit seiner scharfen
Forderung entgegen stehe, den Fluch dräue und
verdamme, und Christus dasselbe an unserer
statt erfüllet, und uns damit von desselben Flu-
che erlöset habe. Allein ob dieses gleich an sich
selbst eine Grund-Wahrheit ist, welche in die-
sem Briefe unter andern damit genugsam ist
bezeuget, daß die Versöhnung Christi darinnen
beschrieben wird: so lassen sich doch alhier die
Worte von der Handschrift in Satzungen
nicht füglich davon erklären: wohl aber vom
Ceremonial-Gesetze; und zwar aus folgenden
Ursachen:
a. Weil man vom Moral-Gesetze nicht wol
sagen kan, daß es ausgetilget und aus dem
Mittel gethan sey.
Denn ein anders ist
den Fluch, ein anders das Gesetz selbst abthun.
Die Handschrift aber lieget nicht im Fluche,
sondern im Gesetze selbst. Welches doch
aber, nemlich das Moral-Gesetze, nicht ab-
gethan oder aus dem Wege geräumet ist, oder
werden konte: sondern vielmehr erfüllet und
durch die Erfüllung bestätiget, und dabey den
Gliedern Christi solche Gnaden-Kräfte er-
worben sind und geschencket werden, nach
welchen sie können in allem, obgleich noch un-
vollkommenen, Gehorsam nach dem Gesetze
einhergehen.
b. Weil der gantze Context sonderlich gerichtet
ist wider die Jüdischen Gesetz-Eiferer, wel-
che die Beschneidung und noch andere jüdische
Ceremonial-Satzungen, als eine zur Selig-
keit nöthige Sache, trieben; und weil der
Apostel aus der geschehenen Austilgung der
Handschrift v. 16. diesen Schluß ziehet, daß
man sich über die Ceremonial-Sachen kein
Gewissen dürfe machen lassen.
c. Weil der Apostel wie hier das nomen dogma-
ta, also auch v. 20. das verbum dogmati-
zein vom Ceremonial-Gesetze gebrauchet.
Dabey man zu conferiren hat den Ort Eph.
2, 15. und die darüber gegebene Anmerckun-
gen: alwo das Ceremonial-Gesetze heist no-
mos entolon en dogmasi, das Gesetz, so in
(willkührlichen) geboten gestellet war.
5. Wenn nun alhier durch die in Satzun-
gen bestehende Handschrift das Ceremonial-Ge-
setz zu verstehen ist, so fraget sich, warum dis Ge-
setze heißt eine Handschrift, und warum davon
gesaget werde, daß es wider uns sey, und uns
entgegen stehe?

a. Eine Handschrift war es in Ansehung der
göttlichen Forderung, und der menschlichen
Lei-
G g g g g
Cap. 2, 13. 14. an die Coloſſer.
[Spaltenumbruch] von aller uͤbernommenen Schuld abſolviret,
oder dadurch declariret iſt, daß ſie abgethan ſey,
alſo auch die Glaͤubigen in der Zueignung der
Auferſtehung die Abſolution von ihren Suͤnden
haben. Und dieſen Verſtand der Lebendigma-
chung erlaͤutert der Apoſtel damit, daß er ſa-
get: und hat uns geſchencket, oder verge-
ben alle Suͤnde.
4. Man hat hiebey zu conferiren, was
der Apoſtel geſaget hat c. 1, 12. 13. von dem, daß
der Vater die Coloſſer tuͤchtig gemachet ha-
be zum Erbtheil der Heiligen im Lichte,

ſie errettet von der Obrigkeit der Finſter-
niß, und verſetzet in das Reich ſeines lieben
Sohnes:
an welchem ſie haͤtten die Erloͤ-
ſung in ſeinem Blute, nemlich die Verge-
bung der Suͤnden.
Jmgleichen v. 22. daß
er ſie verſoͤhnet habe durch ſeinen Tod,
um ſie vor ihm ſelbſt darzuſtellen heilig und
unſtraͤflich und ohne Tadel.
Sonderlich
aber gehoͤret hieher der Ort Eph. 2, 5. 6. da wir
todt waren in Suͤnden, hat uns GOTT
ſamt Chriſto lebendig gemachet, und hat
uns ſamt ihm auferwecket, und ſamt ihm
in das himmliſche Weſen verſetzet in Chri-
ſto JEſu.
V. 14.

Und ausgetilget die Handſchrift, ſo
wider uns war, welche durch Satzungen
entſtund und uns entgegen war, und hat
ſie aus dem Mittel gethan und an das
Creutz geheftet
(und damit gleichſam caſſiret,
oder abgethan.)

Anmerckungen.
1. Die Verbindung mit dem vorherge-
henden Texte kan ein ieder leichtlich ſehen.
Denn nachdem der Apoſtel vorher bezeuget hat,
daß die Glaͤubigen des Todes und der Aufer-
ſtehung Chriſti zu ihrer Gerechtigkeit, und zur
Vergebung der Suͤnden durch den Glauben
und durch die heilige Taufe theilhaftig werden,
ſo zeiget er an, woher ſolche Frucht der Verge-
bung der Suͤnde und der Seligkeit komme,
nemlich von einem ſolchen Verſoͤhnungs-Tode,
wodurch die unſere Suͤnden-Schuld anzeigende
Handſchrift abgethan ſey.
2. Jn der Materie ſelbſt haben wir zwey
Stuͤcke zu mercken: erſtlich die Handſchrift,
und zwar worinnen ſie beſtanden, und wie ſie
uns zuwider geweſen: und denn, wie ſie Chri-
ſtus ausgetilget, und aus dem Mittel gethan
und an das Creutz geheftet habe.
3. Was das Wort Handſchrift betrifft,
ſo iſt es hergenommen von einer ſolchen menſch-
lichen Handlung, da einer dem andern ſchuldig
iſt, und ſeine Schuld abtragen muß und will,
auch daher mit ſeiner eignen Hand eine ſolche
Schrift von ſich ſtellet, darinnen er die Schuld
bekennet und die Bezahlung verſpricht. Wel-
ches denn eine ſolche Obligation iſt, dadurch er,
wenn ſie in den Gerichten vorgezeiget wird, zur
Bezahlung kan angehalten werden: wie ſolches
bekant iſt.
[Spaltenumbruch]
4. Damit man nun erkenne, was es mit
dieſer Handſchrift zu bedeuten habe, ſo muͤſſen
wir zuvorderſt erwegen, worinnen ſie beſtan-
den habe.
Und dieſes zu erkennen koͤmmt es an
auf den richtigen Verſtand des Worts δόγμα,
δόγματα, Satzungen; ſintemal ſie genennet
wird χειρόγραφον τει῀ς δόγμασιν, eine Hand-
ſchrift an oder in Satzungen;
da man bey
dem Worte δόγμασιν das Woͤrtlein ἐν in zu
verſtehen hat. Es verſtehen einige Interpretes
das Wort δόγματα vom Moral-Geſetze, aus
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Forderung entgegen ſtehe, den Fluch draͤue und
verdamme, und Chriſtus daſſelbe an unſerer
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che erloͤſet habe. Allein ob dieſes gleich an ſich
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ſem Briefe unter andern damit genugſam iſt
bezeuget, daß die Verſoͤhnung Chriſti darinnen
beſchrieben wird: ſo laſſen ſich doch alhier die
Worte von der Handſchrift in Satzungen
nicht fuͤglich davon erklaͤren: wohl aber vom
Ceremonial-Geſetze; und zwar aus folgenden
Urſachen:
a. Weil man vom Moral-Geſetze nicht wol
ſagen kan, daß es ausgetilget und aus dem
Mittel gethan ſey.
Denn ein anders iſt
den Fluch, ein anders das Geſetz ſelbſt abthun.
Die Handſchrift aber lieget nicht im Fluche,
ſondern im Geſetze ſelbſt. Welches doch
aber, nemlich das Moral-Geſetze, nicht ab-
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Gliedern Chriſti ſolche Gnaden-Kraͤfte er-
worben ſind und geſchencket werden, nach
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vollkommenen, Gehorſam nach dem Geſetze
einhergehen.
b. Weil der gantze Context ſonderlich gerichtet
iſt wider die Juͤdiſchen Geſetz-Eiferer, wel-
che die Beſchneidung und noch andere juͤdiſche
Ceremonial-Satzungen, als eine zur Selig-
keit noͤthige Sache, trieben; und weil der
Apoſtel aus der geſchehenen Austilgung der
Handſchrift v. 16. dieſen Schluß ziehet, daß
man ſich uͤber die Ceremonial-Sachen kein
Gewiſſen duͤrfe machen laſſen.
c. Weil der Apoſtel wie hier das nomen δόγμα-
τα, alſo auch v. 20. das verbum δογματί-
ζειν vom Ceremonial-Geſetze gebrauchet.
Dabey man zu conferiren hat den Ort Eph.
2, 15. und die daruͤber gegebene Anmerckun-
gen: alwo das Ceremonial-Geſetze heiſt νό-
μος ἐντολῶν ἐν δόγμασι, das Geſetz, ſo in
(willkuͤhrlichen) geboten geſtellet war.
5. Wenn nun alhier durch die in Satzun-
gen beſtehende Handſchrift das Ceremonial-Ge-
ſetz zu verſtehen iſt, ſo fraget ſich, warum dis Ge-
ſetze heißt eine Handſchrift, und warum davon
geſaget werde, daß es wider uns ſey, und uns
entgegen ſtehe?

a. Eine Handſchrift war es in Anſehung der
goͤttlichen Forderung, und der menſchlichen
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[785/0813] Cap. 2, 13. 14. an die Coloſſer. von aller uͤbernommenen Schuld abſolviret, oder dadurch declariret iſt, daß ſie abgethan ſey, alſo auch die Glaͤubigen in der Zueignung der Auferſtehung die Abſolution von ihren Suͤnden haben. Und dieſen Verſtand der Lebendigma- chung erlaͤutert der Apoſtel damit, daß er ſa- get: und hat uns geſchencket, oder verge- ben alle Suͤnde. 4. Man hat hiebey zu conferiren, was der Apoſtel geſaget hat c. 1, 12. 13. von dem, daß der Vater die Coloſſer tuͤchtig gemachet ha- be zum Erbtheil der Heiligen im Lichte, ſie errettet von der Obrigkeit der Finſter- niß, und verſetzet in das Reich ſeines lieben Sohnes: an welchem ſie haͤtten die Erloͤ- ſung in ſeinem Blute, nemlich die Verge- bung der Suͤnden. Jmgleichen v. 22. daß er ſie verſoͤhnet habe durch ſeinen Tod, um ſie vor ihm ſelbſt darzuſtellen heilig und unſtraͤflich und ohne Tadel. Sonderlich aber gehoͤret hieher der Ort Eph. 2, 5. 6. da wir todt waren in Suͤnden, hat uns GOTT ſamt Chriſto lebendig gemachet, und hat uns ſamt ihm auferwecket, und ſamt ihm in das himmliſche Weſen verſetzet in Chri- ſto JEſu. V. 14. Und ausgetilget die Handſchrift, ſo wider uns war, welche durch Satzungen entſtund und uns entgegen war, und hat ſie aus dem Mittel gethan und an das Creutz geheftet (und damit gleichſam caſſiret, oder abgethan.) Anmerckungen. 1. Die Verbindung mit dem vorherge- henden Texte kan ein ieder leichtlich ſehen. Denn nachdem der Apoſtel vorher bezeuget hat, daß die Glaͤubigen des Todes und der Aufer- ſtehung Chriſti zu ihrer Gerechtigkeit, und zur Vergebung der Suͤnden durch den Glauben und durch die heilige Taufe theilhaftig werden, ſo zeiget er an, woher ſolche Frucht der Verge- bung der Suͤnde und der Seligkeit komme, nemlich von einem ſolchen Verſoͤhnungs-Tode, wodurch die unſere Suͤnden-Schuld anzeigende Handſchrift abgethan ſey. 2. Jn der Materie ſelbſt haben wir zwey Stuͤcke zu mercken: erſtlich die Handſchrift, und zwar worinnen ſie beſtanden, und wie ſie uns zuwider geweſen: und denn, wie ſie Chri- ſtus ausgetilget, und aus dem Mittel gethan und an das Creutz geheftet habe. 3. Was das Wort Handſchrift betrifft, ſo iſt es hergenommen von einer ſolchen menſch- lichen Handlung, da einer dem andern ſchuldig iſt, und ſeine Schuld abtragen muß und will, auch daher mit ſeiner eignen Hand eine ſolche Schrift von ſich ſtellet, darinnen er die Schuld bekennet und die Bezahlung verſpricht. Wel- ches denn eine ſolche Obligation iſt, dadurch er, wenn ſie in den Gerichten vorgezeiget wird, zur Bezahlung kan angehalten werden: wie ſolches bekant iſt. 4. Damit man nun erkenne, was es mit dieſer Handſchrift zu bedeuten habe, ſo muͤſſen wir zuvorderſt erwegen, worinnen ſie beſtan- den habe. Und dieſes zu erkennen koͤmmt es an auf den richtigen Verſtand des Worts δόγμα, δόγματα, Satzungen; ſintemal ſie genennet wird χειρόγραφον τει῀ς δόγμασιν, eine Hand- ſchrift an oder in Satzungen; da man bey dem Worte δόγμασιν das Woͤrtlein ἐν in zu verſtehen hat. Es verſtehen einige Interpretes das Wort δόγματα vom Moral-Geſetze, aus der Urſache, weil ſolches uns mit ſeiner ſcharfen Forderung entgegen ſtehe, den Fluch draͤue und verdamme, und Chriſtus daſſelbe an unſerer ſtatt erfuͤllet, und uns damit von deſſelben Flu- che erloͤſet habe. Allein ob dieſes gleich an ſich ſelbſt eine Grund-Wahrheit iſt, welche in die- ſem Briefe unter andern damit genugſam iſt bezeuget, daß die Verſoͤhnung Chriſti darinnen beſchrieben wird: ſo laſſen ſich doch alhier die Worte von der Handſchrift in Satzungen nicht fuͤglich davon erklaͤren: wohl aber vom Ceremonial-Geſetze; und zwar aus folgenden Urſachen: a. Weil man vom Moral-Geſetze nicht wol ſagen kan, daß es ausgetilget und aus dem Mittel gethan ſey. Denn ein anders iſt den Fluch, ein anders das Geſetz ſelbſt abthun. Die Handſchrift aber lieget nicht im Fluche, ſondern im Geſetze ſelbſt. Welches doch aber, nemlich das Moral-Geſetze, nicht ab- gethan oder aus dem Wege geraͤumet iſt, oder werden konte: ſondern vielmehr erfuͤllet und durch die Erfuͤllung beſtaͤtiget, und dabey den Gliedern Chriſti ſolche Gnaden-Kraͤfte er- worben ſind und geſchencket werden, nach welchen ſie koͤnnen in allem, obgleich noch un- vollkommenen, Gehorſam nach dem Geſetze einhergehen. b. Weil der gantze Context ſonderlich gerichtet iſt wider die Juͤdiſchen Geſetz-Eiferer, wel- che die Beſchneidung und noch andere juͤdiſche Ceremonial-Satzungen, als eine zur Selig- keit noͤthige Sache, trieben; und weil der Apoſtel aus der geſchehenen Austilgung der Handſchrift v. 16. dieſen Schluß ziehet, daß man ſich uͤber die Ceremonial-Sachen kein Gewiſſen duͤrfe machen laſſen. c. Weil der Apoſtel wie hier das nomen δόγμα- τα, alſo auch v. 20. das verbum δογματί- ζειν vom Ceremonial-Geſetze gebrauchet. Dabey man zu conferiren hat den Ort Eph. 2, 15. und die daruͤber gegebene Anmerckun- gen: alwo das Ceremonial-Geſetze heiſt νό- μος ἐντολῶν ἐν δόγμασι, das Geſetz, ſo in (willkuͤhrlichen) geboten geſtellet war. 5. Wenn nun alhier durch die in Satzun- gen beſtehende Handſchrift das Ceremonial-Ge- ſetz zu verſtehen iſt, ſo fraget ſich, warum dis Ge- ſetze heißt eine Handſchrift, und warum davon geſaget werde, daß es wider uns ſey, und uns entgegen ſtehe? a. Eine Handſchrift war es in Anſehung der goͤttlichen Forderung, und der menſchlichen Lei- G g g g g

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 785. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/813>, abgerufen am 24.11.2024.