Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 2, 14. 15. [Spaltenumbruch]
Leistung. Denn eben damit, daß GOtt dieOpfer zur Abthuung der Schuld verordnete und foderte, klagete er das Gewissen an, daß es seine Schuld erkennen und bekennen solte. Und wenn der Mensch ein Opfer brachte, so war dieses so viel, als stellete er eine gerichtli- che Handschrift von sich, damit er seine Schuld bekennete, auch zwar zugleich einen Abtrag that, der doch aber auf den rechten Abtrag des Meßiä sich gründete, und also den in einem fremden Löse-Geld gesetzten Abtrag mehr suchete, als brachte. b. Diese Handschrift war wider den Schuld- ner: sintemal er dadurch immer seiner Schuld erinnert wurde, mit Vorhaltung der gerechten Strafe, welche er verdienet hätte. Und dis ist es, was Paulus bezeuget Hebr. 10, 1-3. Das Gesetz hat den Schatten von den zukünftigen Gütern, nicht das We- sen der Güter selbst: sonst hätte das Opfern aufgehöret, wo die, so am Got- tesdienst sind, kein Gewissen mehr hät- ten von den Sünden, wenn sie einmal gereiniget sind: sondern es geschiehet nur durch dieselbigen ein Gedächtniß der Sünden alle Jahr. Denn es ist un- möglich durch Ochsen- und Bocks-Blut Sünde wegnehmen. c. Es war doch aber diese Handschrift nicht schlechterdinge, oder gantz wider den Schuldner, also, daß sie auf GOttes Sei- ten nur bloß auf die Forderung und auf Sei- ten des Menschen nur bloß auf die Bekäntniß des schuldigen Abtrages gegangen wäre: sondern sie war auch zugleich für den Schuldner, und wiese ihm den Abtrag des Meßiä an, der ihm solte zugerechnet werden: und also war die Handschrift in der That fast mehr für ihn, als wider ihn. Welches der Apostel damit anzeiget, daß er sie nennet upenantion, das ist, eine solche, welche dem Sünder nur einiger massen entgegen war, und in der That mehr vom Evangelio, als vom Gesetze in sich hielte. 6. Von dieser Handschrift heißt es nun: er hat sie ausgetilget, aus dem Mittel ge- than, und an das Creutz geheftet. Wel- che drey Redens-Arten auf eins gehen, und zu dem Ende alle drey gesetzet sind, daß damit die Gewißheit und Gültigkeit der Abthuung so viel mehr bezeuget würde. Doch findet sich bey einer jeden eine besondere Absicht. a. Das austilgen ist eine verblümte Redens- Art, und schicket sich zu dem figürlichen Wor- te von der Handschrift. Denn wenn die darauf verzeichnete Schuld bezahlet wird, so wird sie durchstrichen und cassiret, und da- durch so gut, als ausgelöschet, für ungeschrie- ben erkläret, und also damit die Schuld für getilget gehalten. b. Die Worte: aus dem Mittel, oder aus dem Wege räumen, zeigen das an, was aus dem Abtrag und der Durchstreichung der Handschrift erfolget: nemlich ihre gäntzli- che Ungültigkeit und Abthuung: wie [Spaltenumbruch] denn eine gerichtlich cassirte Handschrift ohne Bedencken der Verantwortung kan zerrissen, oder ins Feuer geworfen und also völlig hin- weg gethan werden. c. Durch die Worte: und ans Creutz gehef- tet, werden wir gewiesen auf die Art und Weise, wie die Handschrift ausgetilget und aus dem Wege geräumet sey; nemlich durch den Versöhnungs-Tod am Creutze: als wodurch Christus ist ein solches Opfer für die Sünde geworden, welches durch alle Opfer des alten Testaments war vorgebildet wor- den. Da nun aber das Opfer abgethan war, so fiel das gantze levitische Priesterthum hinweg, und mit demselben das gantze Cere- monial-Gesetze. Denn also spricht Paulus Hebr. 7, 12. Wo das Priesterthum ver- ändert wird, (also, daß es gar abgethan wird) da muß auch das Gesetz geändert werden, (also, daß es abgethan werde: welche Veränderung des Gesetzes v. 18. athe- tesis, eine Abthuung genennet wird.) V. 15. Und er hat ausgezogen die Fürsten- Anmerckungen. 1. Nachdem der Apostel des Creutzes-To- des Christi gedacht, so thut er hinzu, was durch denselben für ein grosser Sieg erhalten worden, ob es gleich das Ansehen hatte, als wäre mit der Creutzigung alles aus gewesen. 2. Durch die Fürstenthüme und Ge- waltigen, arkhas kai exousias, Obrigkeitliche Herrschaften, verstehet der gelehrte Nieder- ländische Theologus, Johannes Braunius, in sei- nen selectis sacris L. I. c. 8. die Befehlshabere bey dem Levitischen GOttes-Dienste, als da waren die Priester und die Assessores in dem hohen Rathe zu Jerusalem, dem Synedrio, welche grossen Theils aus levitischen Priestern bestun- de, und unter andern sonderlich die Kirchen-Sa- chen besorgete: von welchem auch Christus und seine Apostel sind verdammet worden: und von welchem auch Saul zur Verfolgung der Chri- sten seine Vollmacht bekame: und erkläret ge- dachter Autor diesen Text ferner also, daß er sa- get, Christus habe ihnen durch seinen Creutzes- Tod alle Auctorität und Macht in Levitischen Kirchen-Sachen also benommen, daß sie keines Menschen Gewissen mehr daran mit Recht hät- ten verbinden können. Nun ist dieses nicht al- lein an sich wahr, und für die Worte des Textes nicht unfüglich, sondern es findet diese Ausle- gung auch nicht geringen Vorschub im Con- texte: a. Weil die Wörter arkhai kai exousiai alhier schwerlich anders genommen werden, als vor- her v. 10. da Christus genennet wird das Haupt pases kephales kai exousias, aller Obrigkeitlichen Gewalt. Nun ist es aber gar unförmlich, wenn man in dem ersten Or- te
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, 14. 15. [Spaltenumbruch]
Leiſtung. Denn eben damit, daß GOtt dieOpfer zur Abthuung der Schuld verordnete und foderte, klagete er das Gewiſſen an, daß es ſeine Schuld erkennen und bekennen ſolte. Und wenn der Menſch ein Opfer brachte, ſo war dieſes ſo viel, als ſtellete er eine gerichtli- che Handſchrift von ſich, damit er ſeine Schuld bekennete, auch zwar zugleich einen Abtrag that, der doch aber auf den rechten Abtrag des Meßiaͤ ſich gruͤndete, und alſo den in einem fremden Loͤſe-Geld geſetzten Abtrag mehr ſuchete, als brachte. b. Dieſe Handſchrift war wider den Schuld- ner: ſintemal er dadurch immer ſeiner Schuld erinnert wurde, mit Vorhaltung der gerechten Strafe, welche er verdienet haͤtte. Und dis iſt es, was Paulus bezeuget Hebr. 10, 1-3. Das Geſetz hat den Schatten von den zukuͤnftigen Guͤtern, nicht das We- ſen der Guͤter ſelbſt: ſonſt haͤtte das Opfern aufgehoͤret, wo die, ſo am Got- tesdienſt ſind, kein Gewiſſen mehr haͤt- ten von den Suͤnden, wenn ſie einmal gereiniget ſind: ſondern es geſchiehet nur durch dieſelbigen ein Gedaͤchtniß der Suͤnden alle Jahr. Denn es iſt un- moͤglich durch Ochſen- und Bocks-Blut Suͤnde wegnehmen. c. Es war doch aber dieſe Handſchrift nicht ſchlechterdinge, oder gantz wider den Schuldner, alſo, daß ſie auf GOttes Sei- ten nur bloß auf die Forderung und auf Sei- ten des Menſchen nur bloß auf die Bekaͤntniß des ſchuldigen Abtrages gegangen waͤre: ſondern ſie war auch zugleich fuͤr den Schuldner, und wieſe ihm den Abtrag des Meßiaͤ an, der ihm ſolte zugerechnet werden: und alſo war die Handſchrift in der That faſt mehr fuͤr ihn, als wider ihn. Welches der Apoſtel damit anzeiget, daß er ſie nennet ὑπεναντίον, das iſt, eine ſolche, welche dem Suͤnder nur einiger maſſen entgegen war, und in der That mehr vom Evangelio, als vom Geſetze in ſich hielte. 6. Von dieſer Handſchrift heißt es nun: er hat ſie ausgetilget, aus dem Mittel ge- than, und an das Creutz geheftet. Wel- che drey Redens-Arten auf eins gehen, und zu dem Ende alle drey geſetzet ſind, daß damit die Gewißheit und Guͤltigkeit der Abthuung ſo viel mehr bezeuget wuͤrde. Doch findet ſich bey einer jeden eine beſondere Abſicht. a. Das austilgen iſt eine verbluͤmte Redens- Art, und ſchicket ſich zu dem figuͤrlichen Wor- te von der Handſchrift. Denn wenn die darauf verzeichnete Schuld bezahlet wird, ſo wird ſie durchſtrichen und caſſiret, und da- durch ſo gut, als ausgeloͤſchet, fuͤr ungeſchrie- ben erklaͤret, und alſo damit die Schuld fuͤr getilget gehalten. b. Die Worte: aus dem Mittel, oder aus dem Wege raͤumen, zeigen das an, was aus dem Abtrag und der Durchſtreichung der Handſchrift erfolget: nemlich ihre gaͤntzli- che Unguͤltigkeit und Abthuung: wie [Spaltenumbruch] denn eine gerichtlich casſirte Handſchrift ohne Bedencken der Verantwortung kan zerriſſen, oder ins Feuer geworfen und alſo voͤllig hin- weg gethan werden. c. Durch die Worte: und ans Creutz gehef- tet, werden wir gewieſen auf die Art und Weiſe, wie die Handſchrift ausgetilget und aus dem Wege geraͤumet ſey; nemlich durch den Verſoͤhnungs-Tod am Creutze: als wodurch Chriſtus iſt ein ſolches Opfer fuͤr die Suͤnde geworden, welches durch alle Opfer des alten Teſtaments war vorgebildet wor- den. Da nun aber das Opfer abgethan war, ſo fiel das gantze levitiſche Prieſterthum hinweg, und mit demſelben das gantze Cere- monial-Geſetze. Denn alſo ſpricht Paulus Hebr. 7, 12. Wo das Prieſterthum ver- aͤndert wird, (alſo, daß es gar abgethan wird) da muß auch das Geſetz geaͤndert werden, (alſo, daß es abgethan werde: welche Veraͤnderung des Geſetzes v. 18. ἀϑέ- τησις, eine Abthuung genennet wird.) V. 15. Und er hat ausgezogen die Fuͤrſten- Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel des Creutzes-To- des Chriſti gedacht, ſo thut er hinzu, was durch denſelben fuͤr ein groſſer Sieg erhalten worden, ob es gleich das Anſehen hatte, als waͤre mit der Creutzigung alles aus geweſen. 2. Durch die Fuͤrſtenthuͤme und Ge- waltigen, ἀρχὰς καὶ ἐξουσίας, Obrigkeitliche Herrſchaften, verſtehet der gelehrte Nieder- laͤndiſche Theologus, Johannes Braunius, in ſei- nen ſelectis ſacris L. I. c. 8. die Befehlshabere bey dem Levitiſchen GOttes-Dienſte, als da waren die Prieſter und die Aſſeſſores in dem hohen Rathe zu Jeruſalem, dem Synedrio, welche groſſen Theils aus levitiſchen Prieſtern beſtun- de, und unter andern ſonderlich die Kirchen-Sa- chen beſorgete: von welchem auch Chriſtus und ſeine Apoſtel ſind verdammet worden: und von welchem auch Saul zur Verfolgung der Chri- ſten ſeine Vollmacht bekame: und erklaͤret ge- dachter Autor dieſen Text ferner alſo, daß er ſa- get, Chriſtus habe ihnen durch ſeinen Creutzes- Tod alle Auctoritaͤt und Macht in Levitiſchen Kirchen-Sachen alſo benommen, daß ſie keines Menſchen Gewiſſen mehr daran mit Recht haͤt- ten verbinden koͤnnen. Nun iſt dieſes nicht al- lein an ſich wahr, und fuͤr die Worte des Textes nicht unfuͤglich, ſondern es findet dieſe Ausle- gung auch nicht geringen Vorſchub im Con- texte: a. Weil die Woͤrter ἀρχαὶ καὶ ἐξουσίαι alhier ſchwerlich anders genommen werden, als vor- her v. 10. da Chriſtus genennet wird das Haupt πάσης κεφαλῆς καὶ ἐξουσίας, aller Obrigkeitlichen Gewalt. Nun iſt es aber gar unfoͤrmlich, wenn man in dem erſten Or- te
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, 14. 15.
Leiſtung. Denn eben damit, daß GOtt die
Opfer zur Abthuung der Schuld verordnete
und foderte, klagete er das Gewiſſen an, daß
es ſeine Schuld erkennen und bekennen ſolte.
Und wenn der Menſch ein Opfer brachte, ſo
war dieſes ſo viel, als ſtellete er eine gerichtli-
che Handſchrift von ſich, damit er ſeine
Schuld bekennete, auch zwar zugleich einen
Abtrag that, der doch aber auf den rechten
Abtrag des Meßiaͤ ſich gruͤndete, und alſo den
in einem fremden Loͤſe-Geld geſetzten Abtrag
mehr ſuchete, als brachte.
b. Dieſe Handſchrift war wider den Schuld-
ner: ſintemal er dadurch immer ſeiner
Schuld erinnert wurde, mit Vorhaltung der
gerechten Strafe, welche er verdienet haͤtte.
Und dis iſt es, was Paulus bezeuget Hebr. 10,
1-3. Das Geſetz hat den Schatten von
den zukuͤnftigen Guͤtern, nicht das We-
ſen der Guͤter ſelbſt: ſonſt haͤtte das
Opfern aufgehoͤret, wo die, ſo am Got-
tesdienſt ſind, kein Gewiſſen mehr haͤt-
ten von den Suͤnden, wenn ſie einmal
gereiniget ſind: ſondern es geſchiehet
nur durch dieſelbigen ein Gedaͤchtniß
der Suͤnden alle Jahr. Denn es iſt un-
moͤglich durch Ochſen- und Bocks-Blut
Suͤnde wegnehmen.
c. Es war doch aber dieſe Handſchrift nicht
ſchlechterdinge, oder gantz wider den
Schuldner, alſo, daß ſie auf GOttes Sei-
ten nur bloß auf die Forderung und auf Sei-
ten des Menſchen nur bloß auf die Bekaͤntniß
des ſchuldigen Abtrages gegangen waͤre:
ſondern ſie war auch zugleich fuͤr den
Schuldner, und wieſe ihm den Abtrag des
Meßiaͤ an, der ihm ſolte zugerechnet werden:
und alſo war die Handſchrift in der That faſt
mehr fuͤr ihn, als wider ihn. Welches
der Apoſtel damit anzeiget, daß er ſie nennet
ὑπεναντίον, das iſt, eine ſolche, welche dem
Suͤnder nur einiger maſſen entgegen war,
und in der That mehr vom Evangelio, als
vom Geſetze in ſich hielte.
6. Von dieſer Handſchrift heißt es nun:
er hat ſie ausgetilget, aus dem Mittel ge-
than, und an das Creutz geheftet. Wel-
che drey Redens-Arten auf eins gehen, und zu
dem Ende alle drey geſetzet ſind, daß damit die
Gewißheit und Guͤltigkeit der Abthuung
ſo viel mehr bezeuget wuͤrde. Doch findet ſich
bey einer jeden eine beſondere Abſicht.
a. Das austilgen iſt eine verbluͤmte Redens-
Art, und ſchicket ſich zu dem figuͤrlichen Wor-
te von der Handſchrift. Denn wenn die
darauf verzeichnete Schuld bezahlet wird, ſo
wird ſie durchſtrichen und caſſiret, und da-
durch ſo gut, als ausgeloͤſchet, fuͤr ungeſchrie-
ben erklaͤret, und alſo damit die Schuld fuͤr
getilget gehalten.
b. Die Worte: aus dem Mittel, oder aus
dem Wege raͤumen, zeigen das an, was
aus dem Abtrag und der Durchſtreichung der
Handſchrift erfolget: nemlich ihre gaͤntzli-
che Unguͤltigkeit und Abthuung: wie
denn eine gerichtlich casſirte Handſchrift ohne
Bedencken der Verantwortung kan zerriſſen,
oder ins Feuer geworfen und alſo voͤllig hin-
weg gethan werden.
c. Durch die Worte: und ans Creutz gehef-
tet, werden wir gewieſen auf die Art und
Weiſe, wie die Handſchrift ausgetilget und
aus dem Wege geraͤumet ſey; nemlich durch
den Verſoͤhnungs-Tod am Creutze: als
wodurch Chriſtus iſt ein ſolches Opfer fuͤr die
Suͤnde geworden, welches durch alle Opfer
des alten Teſtaments war vorgebildet wor-
den. Da nun aber das Opfer abgethan
war, ſo fiel das gantze levitiſche Prieſterthum
hinweg, und mit demſelben das gantze Cere-
monial-Geſetze. Denn alſo ſpricht Paulus
Hebr. 7, 12. Wo das Prieſterthum ver-
aͤndert wird, (alſo, daß es gar abgethan
wird) da muß auch das Geſetz geaͤndert
werden, (alſo, daß es abgethan werde:
welche Veraͤnderung des Geſetzes v. 18. ἀϑέ-
τησις, eine Abthuung genennet wird.)
V. 15.
Und er hat ausgezogen die Fuͤrſten-
thuͤme und die Gewaltigen, und ſie ſchau
getragen oͤffentlich, und einen Triumph
aus ihnen gemachet durch ſich ſelbſt.
Anmerckungen.
1. Nachdem der Apoſtel des Creutzes-To-
des Chriſti gedacht, ſo thut er hinzu, was durch
denſelben fuͤr ein groſſer Sieg erhalten worden,
ob es gleich das Anſehen hatte, als waͤre mit der
Creutzigung alles aus geweſen.
2. Durch die Fuͤrſtenthuͤme und Ge-
waltigen, ἀρχὰς καὶ ἐξουσίας, Obrigkeitliche
Herrſchaften, verſtehet der gelehrte Nieder-
laͤndiſche Theologus, Johannes Braunius, in ſei-
nen ſelectis ſacris L. I. c. 8. die Befehlshabere bey
dem Levitiſchen GOttes-Dienſte, als da waren
die Prieſter und die Aſſeſſores in dem hohen
Rathe zu Jeruſalem, dem Synedrio, welche
groſſen Theils aus levitiſchen Prieſtern beſtun-
de, und unter andern ſonderlich die Kirchen-Sa-
chen beſorgete: von welchem auch Chriſtus und
ſeine Apoſtel ſind verdammet worden: und von
welchem auch Saul zur Verfolgung der Chri-
ſten ſeine Vollmacht bekame: und erklaͤret ge-
dachter Autor dieſen Text ferner alſo, daß er ſa-
get, Chriſtus habe ihnen durch ſeinen Creutzes-
Tod alle Auctoritaͤt und Macht in Levitiſchen
Kirchen-Sachen alſo benommen, daß ſie keines
Menſchen Gewiſſen mehr daran mit Recht haͤt-
ten verbinden koͤnnen. Nun iſt dieſes nicht al-
lein an ſich wahr, und fuͤr die Worte des Textes
nicht unfuͤglich, ſondern es findet dieſe Ausle-
gung auch nicht geringen Vorſchub im Con-
texte:
a. Weil die Woͤrter ἀρχαὶ καὶ ἐξουσίαι alhier
ſchwerlich anders genommen werden, als vor-
her v. 10. da Chriſtus genennet wird das
Haupt πάσης κεφαλῆς καὶ ἐξουσίας, aller
Obrigkeitlichen Gewalt. Nun iſt es aber
gar unfoͤrmlich, wenn man in dem erſten Or-
te
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