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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 3, v. 12. 13. an die Colosser.
[Spaltenumbruch] lig erweiset, also daß sie einen gerne um sich
haben mögen. Da denn eine solche Freund-
lichkeit das Mittel ist, dadurch man auch durch
die übrigen Tugenden, welche mit ihr ver-
bunden sind, andern erbaulich und nutzbar
wird; welches der Nachdruck des Worts
khrestos, khrestotes also mit sich bringet. Da
ist man denn recht eukhrestos, auf eine ange-
nehme Art brauchbar.
c. Das allervollkommenste Exempel der
nachzuahmenden Freundlichkeit: welches wir
haben, wie unsichtbar an GOTT, also sicht-
bar, oder nach der ehemaligen sichtbaren Ge-
genwart beschrieben, an unserm Heilande.
Denn gleichwie die Freundlichkeit und
Leutseligkeit GOTTes erschienen
ist in
CHristo Tit. 3, 4. und wir schmecken können,
wie freundlich der HErr ist 1 Petr. 2, 3.
also hat er sich im Umgange mit Menschen sehr
holdselig und freundlich erwiesen, sonderlich
gegen die Sünder, und diese auf eine Evan-
gelische Art zur Busse gelocket. Dahin un-
ter andern gehöret, daß er Matth. 11, 28.
spricht: Kommet her zu mir alle, die ihr
mühselig und beladen seyd, ich will euch
erquicken.
Und c. 23, 37. Wie oft habe
ich deine Kinder versammlen wollen, wie
eine Henne versammlet ihre Küchlein un-
ter ihre Flügel.
5. Die dritte Tugend ist die Demuth. Da
gleichfals zu mercken ist:
a. Der Unterscheid, welchen die alhier ge-
meinte Frucht des Geistes von der natürlichen
Demuth hat. Denn die natürliche ist ent-
weder eine blosse Niederträchtigkeit eines
knechtischen Gemüths, oder oder ein verstelle-
tes Wesen, welches sich auch wol bey dem
größten Stoltz des Gemüths und bey der herr-
schenden Eigen-Liebe befindet, und gemeinig-
lich einen unlautern Zweck hat.
b. Die wahre Beschaffenheit. Es ist die
wahre Demuth eine solche Tugend, da man
in der tiefen Erkäntniß seines natürlichen
Verderbens
aus sich selbst nichts machet,
auch nichts nur zum Schein und um eiteler
Ehre willen thut, und noch viel weniger un-
ter Menschen Titel-süchtig ist; sondern, mit
Verleugnung seiner selbst, alles lauterlich
nach dem Triebe seines Gewissens zu GOt-
tes Ehren richtet, und alles Gute, was man
an sich erkennet, nicht sich selbst, sondern GOtt
zuschreibet.
c. Das allervollkommenste Exempel zur
Nachfolge: welches wir haben in CHristo:
als der da Matth. 11, 28. nach der Wahrheit
saget: Lernet von mir, denn, oder daß
ich bin sanftmüthig und von Hertzen de-
müthig.
Daher Paulus Phil. 2, 5. 6.
spricht: Ein ieglicher sey gesinnet, wie
JEsus CHristus auch war: welcher,
ob er wol in göttlicher Gestalt war
u.
s. w.
6. Die Sanftmuth ist die vierte Tugend,
[Spaltenumbruch] welche Paulus alhier fodert: Davon zu mer-
cken ist:
a. Der Unterscheid, welchen sie hat von einer
natürlichen Kaltsinnigkeit, oder auch verstell-
ten Großmüthigkeit.
b. Die wahre Beschaffenheit. Es ist die
Sanftmuth eine solche Tugend, da man, bey
den Beleidigungen, oder auch bey ersehenem
Unrechte die in sich aufsteigende Begierde zum
Zorn und zur Heftigkeit aus der Gnaden-
Kraft GOttes dämpfet, und also eine recht
geistliche Großmüthigkeit und in derselben zu-
gleich eine rechte Lammes-Art beweiset.
c. Die genaueste Verbindung, welche sie hat
mit der Demuth und Geduld, darzwischen
sie alhier gesetzet wird. Denn gleichwie sie
sich auf die Demuth gründet: also erweiset
sie sich sonderlich durch die Geduld.
d. Das vollkommenste Exempel zur Nach-
folge an CHristo: wie sonderlich aus seinem
leiden zu ersehen ist. Darauf uns Petrus
weiset 1 Pet. 2, 21. u. f.
7. Die Geduld ist die fünfte alhier anbe-
fohlne Tugend: Davon zu mercken:
a. Der Unterscheid, welchen sie hat von einer
solchen gezwungenen Geduld, da man das
Ubel, oder Unrecht mit innerlichem Wider-
willen und Haß gegen den, der es einem zu-
füget, nur deßwegen erträget, weil es einem
am Vermögen, oder an Gelegenheit fehlet,
sich zu rächen, oder weil man von der Unge-
duld und von der Rache sich eines Schadens
befürchtet.
b. Die wahre Beschaffenheit. Die Geduld,
zumal wie sie mit dem Worte makrothumia
benennet wird, ist eine recht Christliche und
mit der Demuth verknüpfte Großmüthig-
keit,
da man das Ubel und Unrecht vermö-
ge einer Stärcke des Geistes also verträget,
daß man dabey gelassen ist, und sich der Ra-
che auch bey dem Vermögen, und bey der
Gelegenheit sie auszuüben, enthält.
c. Das vollkommenste Exempel zur Nach-
folge haben wir alhier gleichfals in CHristo.
8. Zum sechsten setzet der Apostel auch die
Verträglichkeit dazu: Dabey zu mercken ist:
a. Worinnen sie bestehe? Jn der Ubung der
vorhin bemeldeten Tugenden. Wer in der-
selben stehen wird, der wird mit einem ieden,
er sey, wer und mache, was er wolle, kön-
nen aus- und zu rechte kommen. Denn
wenn einer ist mitleidig, freundlich, demü-
thig, sanftmüthig und geduldig, so erweiset
er sich damit verträglich. Jnsonderheit ge-
höret die Christliche Verträglichkeit zur Ge-
duld und Großmüthigkeit.
Der Grund
ihrer nothwendigen Ubung lieget in der
menschlichen Schwachheit uud Unvoll-
kommenheit, dadurch man es bald auf diese,
bald auf jene Art versiehet; und zwar oft al-
so, daß dem Menschen daher einige Last und
Unlust
J i i i i 2
Cap. 3, v. 12. 13. an die Coloſſer.
[Spaltenumbruch] lig erweiſet, alſo daß ſie einen gerne um ſich
haben moͤgen. Da denn eine ſolche Freund-
lichkeit das Mittel iſt, dadurch man auch durch
die uͤbrigen Tugenden, welche mit ihr ver-
bunden ſind, andern erbaulich und nutzbar
wird; welches der Nachdruck des Worts
χρηστός, χρηστότης alſo mit ſich bringet. Da
iſt man denn recht ἔυχρηστος, auf eine ange-
nehme Art brauchbar.
c. Das allervollkommenſte Exempel der
nachzuahmenden Freundlichkeit: welches wir
haben, wie unſichtbar an GOTT, alſo ſicht-
bar, oder nach der ehemaligen ſichtbaren Ge-
genwart beſchrieben, an unſerm Heilande.
Denn gleichwie die Freundlichkeit und
Leutſeligkeit GOTTes erſchienen
iſt in
CHriſto Tit. 3, 4. und wir ſchmecken koͤnnen,
wie freundlich der HErr iſt 1 Petr. 2, 3.
alſo hat er ſich im Umgange mit Menſchen ſehr
holdſelig und freundlich erwieſen, ſonderlich
gegen die Suͤnder, und dieſe auf eine Evan-
geliſche Art zur Buſſe gelocket. Dahin un-
ter andern gehoͤret, daß er Matth. 11, 28.
ſpricht: Kommet her zu mir alle, die ihr
muͤhſelig und beladen ſeyd, ich will euch
erquicken.
Und c. 23, 37. Wie oft habe
ich deine Kinder verſammlen wollen, wie
eine Henne verſammlet ihre Kuͤchlein un-
ter ihre Fluͤgel.
5. Die dritte Tugend iſt die Demuth. Da
gleichfals zu mercken iſt:
a. Der Unterſcheid, welchen die alhier ge-
meinte Frucht des Geiſtes von der natuͤrlichen
Demuth hat. Denn die natuͤrliche iſt ent-
weder eine bloſſe Niedertraͤchtigkeit eines
knechtiſchen Gemuͤths, oder oder ein verſtelle-
tes Weſen, welches ſich auch wol bey dem
groͤßten Stoltz des Gemuͤths und bey der herr-
ſchenden Eigen-Liebe befindet, und gemeinig-
lich einen unlautern Zweck hat.
b. Die wahre Beſchaffenheit. Es iſt die
wahre Demuth eine ſolche Tugend, da man
in der tiefen Erkaͤntniß ſeines natuͤrlichen
Verderbens
aus ſich ſelbſt nichts machet,
auch nichts nur zum Schein und um eiteler
Ehre willen thut, und noch viel weniger un-
ter Menſchen Titel-ſuͤchtig iſt; ſondern, mit
Verleugnung ſeiner ſelbſt, alles lauterlich
nach dem Triebe ſeines Gewiſſens zu GOt-
tes Ehren richtet, und alles Gute, was man
an ſich erkennet, nicht ſich ſelbſt, ſondern GOtt
zuſchreibet.
c. Das allervollkommenſte Exempel zur
Nachfolge: welches wir haben in CHriſto:
als der da Matth. 11, 28. nach der Wahrheit
ſaget: Lernet von mir, denn, oder daß
ich bin ſanftmuͤthig und von Hertzen de-
muͤthig.
Daher Paulus Phil. 2, 5. 6.
ſpricht: Ein ieglicher ſey geſinnet, wie
JEſus CHriſtus auch war: welcher,
ob er wol in goͤttlicher Geſtalt war
u.
ſ. w.
6. Die Sanftmuth iſt die vierte Tugend,
[Spaltenumbruch] welche Paulus alhier fodert: Davon zu mer-
cken iſt:
a. Der Unterſcheid, welchen ſie hat von einer
natuͤrlichen Kaltſinnigkeit, oder auch verſtell-
ten Großmuͤthigkeit.
b. Die wahre Beſchaffenheit. Es iſt die
Sanftmuth eine ſolche Tugend, da man, bey
den Beleidigungen, oder auch bey erſehenem
Unrechte die in ſich aufſteigende Begierde zum
Zorn und zur Heftigkeit aus der Gnaden-
Kraft GOttes daͤmpfet, und alſo eine recht
geiſtliche Großmuͤthigkeit und in derſelben zu-
gleich eine rechte Lammes-Art beweiſet.
c. Die genaueſte Verbindung, welche ſie hat
mit der Demuth und Geduld, darzwiſchen
ſie alhier geſetzet wird. Denn gleichwie ſie
ſich auf die Demuth gruͤndet: alſo erweiſet
ſie ſich ſonderlich durch die Geduld.
d. Das vollkommenſte Exempel zur Nach-
folge an CHriſto: wie ſonderlich aus ſeinem
leiden zu erſehen iſt. Darauf uns Petrus
weiſet 1 Pet. 2, 21. u. f.
7. Die Geduld iſt die fuͤnfte alhier anbe-
fohlne Tugend: Davon zu mercken:
a. Der Unterſcheid, welchen ſie hat von einer
ſolchen gezwungenen Geduld, da man das
Ubel, oder Unrecht mit innerlichem Wider-
willen und Haß gegen den, der es einem zu-
fuͤget, nur deßwegen ertraͤget, weil es einem
am Vermoͤgen, oder an Gelegenheit fehlet,
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duld und von der Rache ſich eines Schadens
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b. Die wahre Beſchaffenheit. Die Geduld,
zumal wie ſie mit dem Worte μακροϑυμία
benennet wird, iſt eine recht Chriſtliche und
mit der Demuth verknuͤpfte Großmuͤthig-
keit,
da man das Ubel und Unrecht vermoͤ-
ge einer Staͤrcke des Geiſtes alſo vertraͤget,
daß man dabey gelaſſen iſt, und ſich der Ra-
che auch bey dem Vermoͤgen, und bey der
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c. Das vollkommenſte Exempel zur Nach-
folge haben wir alhier gleichfals in CHriſto.
8. Zum ſechſten ſetzet der Apoſtel auch die
Vertraͤglichkeit dazu: Dabey zu mercken iſt:
a. Worinnen ſie beſtehe? Jn der Ubung der
vorhin bemeldeten Tugenden. Wer in der-
ſelben ſtehen wird, der wird mit einem ieden,
er ſey, wer und mache, was er wolle, koͤn-
nen aus- und zu rechte kommen. Denn
wenn einer iſt mitleidig, freundlich, demuͤ-
thig, ſanftmuͤthig und geduldig, ſo erweiſet
er ſich damit vertraͤglich. Jnſonderheit ge-
hoͤret die Chriſtliche Vertraͤglichkeit zur Ge-
duld und Großmuͤthigkeit.
Der Grund
ihrer nothwendigen Ubung lieget in der
menſchlichen Schwachheit uud Unvoll-
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[803/0831] Cap. 3, v. 12. 13. an die Coloſſer. lig erweiſet, alſo daß ſie einen gerne um ſich haben moͤgen. Da denn eine ſolche Freund- lichkeit das Mittel iſt, dadurch man auch durch die uͤbrigen Tugenden, welche mit ihr ver- bunden ſind, andern erbaulich und nutzbar wird; welches der Nachdruck des Worts χρηστός, χρηστότης alſo mit ſich bringet. Da iſt man denn recht ἔυχρηστος, auf eine ange- nehme Art brauchbar. c. Das allervollkommenſte Exempel der nachzuahmenden Freundlichkeit: welches wir haben, wie unſichtbar an GOTT, alſo ſicht- bar, oder nach der ehemaligen ſichtbaren Ge- genwart beſchrieben, an unſerm Heilande. Denn gleichwie die Freundlichkeit und Leutſeligkeit GOTTes erſchienen iſt in CHriſto Tit. 3, 4. und wir ſchmecken koͤnnen, wie freundlich der HErr iſt 1 Petr. 2, 3. alſo hat er ſich im Umgange mit Menſchen ſehr holdſelig und freundlich erwieſen, ſonderlich gegen die Suͤnder, und dieſe auf eine Evan- geliſche Art zur Buſſe gelocket. Dahin un- ter andern gehoͤret, daß er Matth. 11, 28. ſpricht: Kommet her zu mir alle, die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd, ich will euch erquicken. Und c. 23, 37. Wie oft habe ich deine Kinder verſammlen wollen, wie eine Henne verſammlet ihre Kuͤchlein un- ter ihre Fluͤgel. 5. Die dritte Tugend iſt die Demuth. Da gleichfals zu mercken iſt: a. Der Unterſcheid, welchen die alhier ge- meinte Frucht des Geiſtes von der natuͤrlichen Demuth hat. Denn die natuͤrliche iſt ent- weder eine bloſſe Niedertraͤchtigkeit eines knechtiſchen Gemuͤths, oder oder ein verſtelle- tes Weſen, welches ſich auch wol bey dem groͤßten Stoltz des Gemuͤths und bey der herr- ſchenden Eigen-Liebe befindet, und gemeinig- lich einen unlautern Zweck hat. b. Die wahre Beſchaffenheit. Es iſt die wahre Demuth eine ſolche Tugend, da man in der tiefen Erkaͤntniß ſeines natuͤrlichen Verderbens aus ſich ſelbſt nichts machet, auch nichts nur zum Schein und um eiteler Ehre willen thut, und noch viel weniger un- ter Menſchen Titel-ſuͤchtig iſt; ſondern, mit Verleugnung ſeiner ſelbſt, alles lauterlich nach dem Triebe ſeines Gewiſſens zu GOt- tes Ehren richtet, und alles Gute, was man an ſich erkennet, nicht ſich ſelbſt, ſondern GOtt zuſchreibet. c. Das allervollkommenſte Exempel zur Nachfolge: welches wir haben in CHriſto: als der da Matth. 11, 28. nach der Wahrheit ſaget: Lernet von mir, denn, oder daß ich bin ſanftmuͤthig und von Hertzen de- muͤthig. Daher Paulus Phil. 2, 5. 6. ſpricht: Ein ieglicher ſey geſinnet, wie JEſus CHriſtus auch war: welcher, ob er wol in goͤttlicher Geſtalt war u. ſ. w. 6. Die Sanftmuth iſt die vierte Tugend, welche Paulus alhier fodert: Davon zu mer- cken iſt: a. Der Unterſcheid, welchen ſie hat von einer natuͤrlichen Kaltſinnigkeit, oder auch verſtell- ten Großmuͤthigkeit. b. Die wahre Beſchaffenheit. Es iſt die Sanftmuth eine ſolche Tugend, da man, bey den Beleidigungen, oder auch bey erſehenem Unrechte die in ſich aufſteigende Begierde zum Zorn und zur Heftigkeit aus der Gnaden- Kraft GOttes daͤmpfet, und alſo eine recht geiſtliche Großmuͤthigkeit und in derſelben zu- gleich eine rechte Lammes-Art beweiſet. c. Die genaueſte Verbindung, welche ſie hat mit der Demuth und Geduld, darzwiſchen ſie alhier geſetzet wird. Denn gleichwie ſie ſich auf die Demuth gruͤndet: alſo erweiſet ſie ſich ſonderlich durch die Geduld. d. Das vollkommenſte Exempel zur Nach- folge an CHriſto: wie ſonderlich aus ſeinem leiden zu erſehen iſt. Darauf uns Petrus weiſet 1 Pet. 2, 21. u. f. 7. Die Geduld iſt die fuͤnfte alhier anbe- fohlne Tugend: Davon zu mercken: a. Der Unterſcheid, welchen ſie hat von einer ſolchen gezwungenen Geduld, da man das Ubel, oder Unrecht mit innerlichem Wider- willen und Haß gegen den, der es einem zu- fuͤget, nur deßwegen ertraͤget, weil es einem am Vermoͤgen, oder an Gelegenheit fehlet, ſich zu raͤchen, oder weil man von der Unge- duld und von der Rache ſich eines Schadens befuͤrchtet. b. Die wahre Beſchaffenheit. Die Geduld, zumal wie ſie mit dem Worte μακροϑυμία benennet wird, iſt eine recht Chriſtliche und mit der Demuth verknuͤpfte Großmuͤthig- keit, da man das Ubel und Unrecht vermoͤ- ge einer Staͤrcke des Geiſtes alſo vertraͤget, daß man dabey gelaſſen iſt, und ſich der Ra- che auch bey dem Vermoͤgen, und bey der Gelegenheit ſie auszuuͤben, enthaͤlt. c. Das vollkommenſte Exempel zur Nach- folge haben wir alhier gleichfals in CHriſto. 8. Zum ſechſten ſetzet der Apoſtel auch die Vertraͤglichkeit dazu: Dabey zu mercken iſt: a. Worinnen ſie beſtehe? Jn der Ubung der vorhin bemeldeten Tugenden. Wer in der- ſelben ſtehen wird, der wird mit einem ieden, er ſey, wer und mache, was er wolle, koͤn- nen aus- und zu rechte kommen. Denn wenn einer iſt mitleidig, freundlich, demuͤ- thig, ſanftmuͤthig und geduldig, ſo erweiſet er ſich damit vertraͤglich. Jnſonderheit ge- hoͤret die Chriſtliche Vertraͤglichkeit zur Ge- duld und Großmuͤthigkeit. Der Grund ihrer nothwendigen Ubung lieget in der menſchlichen Schwachheit uud Unvoll- kommenheit, dadurch man es bald auf dieſe, bald auf jene Art verſiehet; und zwar oft al- ſo, daß dem Menſchen daher einige Laſt und Unluſt J i i i i 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/831>, abgerufen am 24.11.2024.