Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 4, v. 14-16. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
nemlich aus Liebe zur Welt Paulum verlassen,und nach Thessalonich gezogen sey. O wie viele Brüder hat Demas nicht noch heute zu Tage! Darum, wer in dem gemeinschaftlichen Bande der Bruder-Liebe mit andern wahren Gliedern CHristi sich befindet, der sehe ja zu, daß er nicht auch ein Demas werde, der sein Saltz lasse tumm werden! 3. Wir haben bisher gesehen, was für Grüsse Paulus von Rom aus bestellet habe. Wäre nun Petrus, wie die Papisten vorgeben, zu dieser Zeit zu Rom, ja Bischof der Römischen Kirche, gewesen, so würde er ja sonderlich von ihm einen Gruß an die Colosser bestellet haben. Er ist demnach nicht da gewesen. Wie denn auch der Apostel in keinem andern aus Rom ge- schriebenen Briefe des Petri mit einem eintzigen Worte gedencket, auch, da er den grossen Brief vorhin nach Rom schrieb, und darinn so viele Personen der Römischen Kirche Namentlich grüsset, Petri gleichfals gar keine Meldung thut, und Lucas in der Apostel-Geschicht, in der Be- schreibung der Ankunft und des Aufenthalts Pau- li zu Rom seiner eben so wenig gedencket. V. 15. Grüsset die Brüder zu Laodicea, und Anmerckungen. 1. Der angenehme Bruder-Name grün- det sich in dem noch angenehmern Namen der Kindschaft und der Kinder GOttes. Die geistliche Brüderschaft bestehet ewig: da die leib- liche unter manchen also zerrissen wird, daß, wenn sie nicht schon im Leben erkaltet, doch im Tode aufhöret, wenn unter leiblichen Brüdern der ei- ne ein Kind GOttes ist, der andere nicht. Ein Kind GOTTes stehet mit einem andern Kinde GOttes, wenn es ihn gleich dem Fleische nach nichts angehet, in einem viel innigern Bande der Liebe, als mit einem bloß leiblichen Bruder. 2. Der Nymphas muß wol zu Laodicea vor andern seines rechtschaffnen Wesens wegen seyn bekant und beliebet gewesen, weil ihn der Apostel gantz besonders grüßt. Vielleicht ist er einer von den Lehrern der Kirche daselbst gewe- sen; zumal da seiner besondern Haus-Kirche gedacht wird. Denn weil die ersten Christen noch keine grosse Gebäude zu ihren Zusammen- künften hatten, so haben sie sich der Privat-Häu- ser, und also mehrer als eines, wo die Gemei- ne anwuchse, dazu bedienet. Dazu denn die Lehrer die ihrigen, wo sie dazu bequem gewesen sind, gerne werden hergegeben haben. Von solchen Haus-Gemeinen sehe man Rom. 16, 5. 1 Cor. 16, 15. Philem. v. 2. 3. Ein ieglicher Christlicher Haus-Va- ter soll billig an seiner Familie eine rechte Haus- Kirche haben: davon sich auch bey dem Nym- pha diese Worte verstehen lassen. Es hat es zwar keiner in seinem Vermögen, es bey allen Haus-Genossen dahin zu bringen; doch thut ein gutes Exempel viel dabey. V. 16. Und wenn die Epistel bey euch gelesen Anmerckungen. 1. Der articulus e, e epistole, heisset al- hier, wie sonst mehrmal, so viel als das prono- men demonstrativum aute, diese. Eben also stehet er 1 Cor. 5, 9. Jch habe euch geschrie- ben en te epistole, in dem, das ist, in die- sem Briefe. Deßgleichen 1 Thess. 5, 27. Jch beschwere euch bey dem HErrn, daß ihr ten epistolen, diese Epistel lesen lasset allen heiligen Brüdern. Also auch Off. 1, 3. Se- lig ist, der da lieset und die da hören die Worte tes propheteias, der, das ist, dieser Weissagung. 2. Die Laodiceische Gemeine muß wol mit der von Colossen gleiche Gefahr gehabt haben von den falschen Lehrern, weil der Apostel diesen Brief ihnen will communiciret wissen. Nun würde die Communication zwar wol ohne das geschehen seyn: allein es solte die Erinnerung der Laodiceischen Gemeine zu so viel mehrer Beob- achtung dienen. Was aber von dieser alhier ge- saget wird, ist auch wol ohne Zweifel von der zu Hierapoli zu verstehen gewesen, wie die Colos- senser selbst leichtlich erachten konten. Und hat Paulus etwa daher nur der von Laodicea allein gedacht, weil er von ihnen, oder ihrem Briefe, noch sonst etwas hinzu zu setzen hatte. 3. Sollen aber die Apostolischen Briefe gantzen Gemeinen zu lesen communiciret wer- den; wie will die papistische Clerisey es immer- mehr vor GOTT verantworten, daß sie allen übrigen Gliedern ihrer Kirche das gantze göttli- che Wort entziehet? Es ist dieses Verfahren kein Jrrthum, sondern die ärgste Gottlosigkeit, die nur auf Erden kan begangen werden. Der be- kante Grund davon ist das Geheimniß der cleri- calischen Bosheit und Finsterniß, welche man durch den Gebrauch des göttlichen Worts unge- rüget und unaufgedecket wissen will. 4. Daß Paulus einen Brief an die Gemei- ne zu Laodicea solte geschrieben haben, erhellet aus dem Griechischen Text nicht; man müste denn die Worte ten ek laodikeias, also verste- hen, daß sich die Colosser solten geben lassen den aus Laodicea, nemlich an die Laodiceer auch ge- sandten Brief: allein dieser sensus ist gezwun- gen. Richtiger aber ist er, wenn man die Wor- te also nimmt, wie sie im Griechischen liegen, daß nemlich die Laodiceische Gemeine an Paulum geschrieben habe. Da nun dieser Brief manches mochte in sich halten, welches der Colossensischen Gemeine zur sonderbaren Erbauung dienen kon- te; so hat ihn Paulus allem Ansehen nach ent- weder im original, oder in Abschrift mit nach Colossen gesandt, und desselben öffentliche Ver- lesung verlanget. V. 17.
Cap. 4, v. 14-16. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
nemlich aus Liebe zur Welt Paulum verlaſſen,und nach Theſſalonich gezogen ſey. O wie viele Bruͤder hat Demas nicht noch heute zu Tage! Darum, wer in dem gemeinſchaftlichen Bande der Bruder-Liebe mit andern wahren Gliedern CHriſti ſich befindet, der ſehe ja zu, daß er nicht auch ein Demas werde, der ſein Saltz laſſe tumm werden! 3. Wir haben bisher geſehen, was fuͤr Gruͤſſe Paulus von Rom aus beſtellet habe. Waͤre nun Petrus, wie die Papiſten vorgeben, zu dieſer Zeit zu Rom, ja Biſchof der Roͤmiſchen Kirche, geweſen, ſo wuͤrde er ja ſonderlich von ihm einen Gruß an die Coloſſer beſtellet haben. Er iſt demnach nicht da geweſen. Wie denn auch der Apoſtel in keinem andern aus Rom ge- ſchriebenen Briefe des Petri mit einem eintzigen Worte gedencket, auch, da er den groſſen Brief vorhin nach Rom ſchrieb, und darinn ſo viele Perſonen der Roͤmiſchen Kirche Namentlich gruͤſſet, Petri gleichfals gar keine Meldung thut, und Lucas in der Apoſtel-Geſchicht, in der Be- ſchreibung der Ankunft und des Aufenthalts Pau- li zu Rom ſeiner eben ſo wenig gedencket. V. 15. Gruͤſſet die Bruͤder zu Laodicea, und Anmerckungen. 1. Der angenehme Bruder-Name gruͤn- det ſich in dem noch angenehmern Namen der Kindſchaft und der Kinder GOttes. Die geiſtliche Bruͤderſchaft beſtehet ewig: da die leib- liche unter manchen alſo zerriſſen wird, daß, wenn ſie nicht ſchon im Leben erkaltet, doch im Tode aufhoͤret, wenn unter leiblichen Bruͤdern der ei- ne ein Kind GOttes iſt, der andere nicht. Ein Kind GOTTes ſtehet mit einem andern Kinde GOttes, wenn es ihn gleich dem Fleiſche nach nichts angehet, in einem viel innigern Bande der Liebe, als mit einem bloß leiblichen Bruder. 2. Der Nymphas muß wol zu Laodicea vor andern ſeines rechtſchaffnen Weſens wegen ſeyn bekant und beliebet geweſen, weil ihn der Apoſtel gantz beſonders gruͤßt. Vielleicht iſt er einer von den Lehrern der Kirche daſelbſt gewe- ſen; zumal da ſeiner beſondern Haus-Kirche gedacht wird. Denn weil die erſten Chriſten noch keine groſſe Gebaͤude zu ihren Zuſammen- kuͤnften hatten, ſo haben ſie ſich der Privat-Haͤu- ſer, und alſo mehrer als eines, wo die Gemei- ne anwuchſe, dazu bedienet. Dazu denn die Lehrer die ihrigen, wo ſie dazu bequem geweſen ſind, gerne werden hergegeben haben. Von ſolchen Haus-Gemeinen ſehe man Rom. 16, 5. 1 Cor. 16, 15. Philem. v. 2. 3. Ein ieglicher Chriſtlicher Haus-Va- ter ſoll billig an ſeiner Familie eine rechte Haus- Kirche haben: davon ſich auch bey dem Nym- pha dieſe Worte verſtehen laſſen. Es hat es zwar keiner in ſeinem Vermoͤgen, es bey allen Haus-Genoſſen dahin zu bringen; doch thut ein gutes Exempel viel dabey. V. 16. Und wenn die Epiſtel bey euch geleſen Anmerckungen. 1. Der articulus ἡ, ἡ ἐπιστολὴ, heiſſet al- hier, wie ſonſt mehrmal, ſo viel als das prono- men demonſtrativum ἅυτη, dieſe. Eben alſo ſtehet er 1 Cor. 5, 9. Jch habe euch geſchrie- ben ἐν τῆ ἐπιστολῆ, in dem, das iſt, in die- ſem Briefe. Deßgleichen 1 Theſſ. 5, 27. Jch beſchwere euch bey dem HErrn, daß ihr τὴν ἐπιστολὴν, dieſe Epiſtel leſen laſſet allen heiligen Bruͤdern. Alſo auch Off. 1, 3. Se- lig iſt, der da lieſet und die da hoͤren die Worte τῆς προφητείας, der, das iſt, dieſer Weiſſagung. 2. Die Laodiceiſche Gemeine muß wol mit der von Coloſſen gleiche Gefahr gehabt haben von den falſchen Lehrern, weil der Apoſtel dieſen Brief ihnen will communiciret wiſſen. Nun wuͤrde die Communication zwar wol ohne das geſchehen ſeyn: allein es ſolte die Erinnerung der Laodiceiſchen Gemeine zu ſo viel mehrer Beob- achtung dienen. Was aber von dieſer alhier ge- ſaget wird, iſt auch wol ohne Zweifel von der zu Hierapoli zu verſtehen geweſen, wie die Coloſ- ſenſer ſelbſt leichtlich erachten konten. Und hat Paulus etwa daher nur der von Laodicea allein gedacht, weil er von ihnen, oder ihrem Briefe, noch ſonſt etwas hinzu zu ſetzen hatte. 3. Sollen aber die Apoſtoliſchen Briefe gantzen Gemeinen zu leſen communiciret wer- den; wie will die papiſtiſche Cleriſey es immer- mehr vor GOTT verantworten, daß ſie allen uͤbrigen Gliedern ihrer Kirche das gantze goͤttli- che Wort entziehet? Es iſt dieſes Verfahren kein Jrrthum, ſondern die aͤrgſte Gottloſigkeit, die nur auf Erden kan begangen werden. Der be- kante Grund davon iſt das Geheimniß der cleri- caliſchen Bosheit und Finſterniß, welche man durch den Gebrauch des goͤttlichen Worts unge- ruͤget und unaufgedecket wiſſen will. 4. Daß Paulus einen Brief an die Gemei- ne zu Laodicea ſolte geſchrieben haben, erhellet aus dem Griechiſchen Text nicht; man muͤſte denn die Worte τὴν ἐκ λαοδικείας, alſo verſte- hen, daß ſich die Coloſſer ſolten geben laſſen den aus Laodicea, nemlich an die Laodiceer auch ge- ſandten Brief: allein dieſer ſenſus iſt gezwun- gen. Richtiger aber iſt er, wenn man die Wor- te alſo nimmt, wie ſie im Griechiſchen liegen, daß nemlich die Laodiceiſche Gemeine an Paulum geſchrieben habe. Da nun dieſer Brief manches mochte in ſich halten, welches der Coloſſenſiſchen Gemeine zur ſonderbaren Erbauung dienen kon- te; ſo hat ihn Paulus allem Anſehen nach ent- weder im original, oder in Abſchrift mit nach Coloſſen geſandt, und deſſelben oͤffentliche Ver- leſung verlanget. V. 17.
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Cap. 4, v. 14-16. an die Coloſſer.
nemlich aus Liebe zur Welt Paulum verlaſſen,
und nach Theſſalonich gezogen ſey. O wie viele
Bruͤder hat Demas nicht noch heute zu Tage!
Darum, wer in dem gemeinſchaftlichen Bande
der Bruder-Liebe mit andern wahren Gliedern
CHriſti ſich befindet, der ſehe ja zu, daß er nicht
auch ein Demas werde, der ſein Saltz laſſe tumm
werden!
3. Wir haben bisher geſehen, was fuͤr
Gruͤſſe Paulus von Rom aus beſtellet habe.
Waͤre nun Petrus, wie die Papiſten vorgeben,
zu dieſer Zeit zu Rom, ja Biſchof der Roͤmiſchen
Kirche, geweſen, ſo wuͤrde er ja ſonderlich von
ihm einen Gruß an die Coloſſer beſtellet haben.
Er iſt demnach nicht da geweſen. Wie denn
auch der Apoſtel in keinem andern aus Rom ge-
ſchriebenen Briefe des Petri mit einem eintzigen
Worte gedencket, auch, da er den groſſen Brief
vorhin nach Rom ſchrieb, und darinn ſo viele
Perſonen der Roͤmiſchen Kirche Namentlich
gruͤſſet, Petri gleichfals gar keine Meldung thut,
und Lucas in der Apoſtel-Geſchicht, in der Be-
ſchreibung der Ankunft und des Aufenthalts Pau-
li zu Rom ſeiner eben ſo wenig gedencket.
V. 15.
Gruͤſſet die Bruͤder zu Laodicea, und
den Nymphan, und die Gemeine in ſeinem
Hauſe.
Anmerckungen.
1. Der angenehme Bruder-Name gruͤn-
det ſich in dem noch angenehmern Namen der
Kindſchaft und der Kinder GOttes. Die
geiſtliche Bruͤderſchaft beſtehet ewig: da die leib-
liche unter manchen alſo zerriſſen wird, daß, wenn
ſie nicht ſchon im Leben erkaltet, doch im Tode
aufhoͤret, wenn unter leiblichen Bruͤdern der ei-
ne ein Kind GOttes iſt, der andere nicht. Ein
Kind GOTTes ſtehet mit einem andern Kinde
GOttes, wenn es ihn gleich dem Fleiſche nach
nichts angehet, in einem viel innigern Bande der
Liebe, als mit einem bloß leiblichen Bruder.
2. Der Nymphas muß wol zu Laodicea
vor andern ſeines rechtſchaffnen Weſens wegen
ſeyn bekant und beliebet geweſen, weil ihn der
Apoſtel gantz beſonders gruͤßt. Vielleicht iſt er
einer von den Lehrern der Kirche daſelbſt gewe-
ſen; zumal da ſeiner beſondern Haus-Kirche
gedacht wird. Denn weil die erſten Chriſten
noch keine groſſe Gebaͤude zu ihren Zuſammen-
kuͤnften hatten, ſo haben ſie ſich der Privat-Haͤu-
ſer, und alſo mehrer als eines, wo die Gemei-
ne anwuchſe, dazu bedienet. Dazu denn die
Lehrer die ihrigen, wo ſie dazu bequem geweſen
ſind, gerne werden hergegeben haben. Von
ſolchen Haus-Gemeinen ſehe man Rom. 16, 5.
1 Cor. 16, 15. Philem. v. 2.
3. Ein ieglicher Chriſtlicher Haus-Va-
ter ſoll billig an ſeiner Familie eine rechte Haus-
Kirche haben: davon ſich auch bey dem Nym-
pha dieſe Worte verſtehen laſſen. Es hat es
zwar keiner in ſeinem Vermoͤgen, es bey allen
Haus-Genoſſen dahin zu bringen; doch thut ein
gutes Exempel viel dabey.
V. 16.
Und wenn die Epiſtel bey euch geleſen
iſt, ſo ſchaffet, daß ſie auch in der Gemei-
ne zu Laodicea geleſen werde, und daß ihr
die an die von Laodicea (Gr. die aus Laodi-
cea) auch leſet.
Anmerckungen.
1. Der articulus ἡ, ἡ ἐπιστολὴ, heiſſet al-
hier, wie ſonſt mehrmal, ſo viel als das prono-
men demonſtrativum ἅυτη, dieſe. Eben alſo
ſtehet er 1 Cor. 5, 9. Jch habe euch geſchrie-
ben ἐν τῆ ἐπιστολῆ, in dem, das iſt, in die-
ſem Briefe. Deßgleichen 1 Theſſ. 5, 27. Jch
beſchwere euch bey dem HErrn, daß ihr
τὴν ἐπιστολὴν, dieſe Epiſtel leſen laſſet allen
heiligen Bruͤdern. Alſo auch Off. 1, 3. Se-
lig iſt, der da lieſet und die da hoͤren die
Worte τῆς προφητείας, der, das iſt, dieſer
Weiſſagung.
2. Die Laodiceiſche Gemeine muß wol mit
der von Coloſſen gleiche Gefahr gehabt haben
von den falſchen Lehrern, weil der Apoſtel dieſen
Brief ihnen will communiciret wiſſen. Nun
wuͤrde die Communication zwar wol ohne das
geſchehen ſeyn: allein es ſolte die Erinnerung der
Laodiceiſchen Gemeine zu ſo viel mehrer Beob-
achtung dienen. Was aber von dieſer alhier ge-
ſaget wird, iſt auch wol ohne Zweifel von der zu
Hierapoli zu verſtehen geweſen, wie die Coloſ-
ſenſer ſelbſt leichtlich erachten konten. Und hat
Paulus etwa daher nur der von Laodicea allein
gedacht, weil er von ihnen, oder ihrem Briefe,
noch ſonſt etwas hinzu zu ſetzen hatte.
3. Sollen aber die Apoſtoliſchen Briefe
gantzen Gemeinen zu leſen communiciret wer-
den; wie will die papiſtiſche Cleriſey es immer-
mehr vor GOTT verantworten, daß ſie allen
uͤbrigen Gliedern ihrer Kirche das gantze goͤttli-
che Wort entziehet? Es iſt dieſes Verfahren kein
Jrrthum, ſondern die aͤrgſte Gottloſigkeit, die
nur auf Erden kan begangen werden. Der be-
kante Grund davon iſt das Geheimniß der cleri-
caliſchen Bosheit und Finſterniß, welche man
durch den Gebrauch des goͤttlichen Worts unge-
ruͤget und unaufgedecket wiſſen will.
4. Daß Paulus einen Brief an die Gemei-
ne zu Laodicea ſolte geſchrieben haben, erhellet
aus dem Griechiſchen Text nicht; man muͤſte
denn die Worte τὴν ἐκ λαοδικείας, alſo verſte-
hen, daß ſich die Coloſſer ſolten geben laſſen den
aus Laodicea, nemlich an die Laodiceer auch ge-
ſandten Brief: allein dieſer ſenſus iſt gezwun-
gen. Richtiger aber iſt er, wenn man die Wor-
te alſo nimmt, wie ſie im Griechiſchen liegen,
daß nemlich die Laodiceiſche Gemeine an Paulum
geſchrieben habe. Da nun dieſer Brief manches
mochte in ſich halten, welches der Coloſſenſiſchen
Gemeine zur ſonderbaren Erbauung dienen kon-
te; ſo hat ihn Paulus allem Anſehen nach ent-
weder im original, oder in Abſchrift mit nach
Coloſſen geſandt, und deſſelben oͤffentliche Ver-
leſung verlanget.
V. 17.
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