Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 4, 5-10 an die Römer. [Spaltenumbruch]
hie redet: ein anders, seinen Glauben durch dieLiebe in guten Wercken thätig erweisen; darauf der Apostel nach dem Exempel Abrahams in ei- nem grossen Theile dieses Briefes dringet. So ist es auch ein anders, in diesem Verstande als ein gottloser gerecht werden, daß man sei- ne Gottlosigkeit erkennet und bekennet, auch schon wircklich in der Bekehrung davon ablässet: ein anders gottlos seyn und bleiben, und sich dabey doch für einen gerechtfertigten und glau- bigen halten: da die beharrliche Gottlosig- keit nimmermehr mit dem Glauben bestehen kan. 2. Zurechnen ist ein verbum forense, ein V. 6. 7. 8. Nach welcher Weise auch David (im Anmerckungen. 1. Paulus behält in den Davidischen Wor- ten die alte Griechische Version; als darinnen die Hebraismi mit unverrücktem Wort-Verstan- de nach der Griechischen Mund-Art gegeben sind. 2. Gleichwie die Sünde ihrer Grösse und Vielheit wegen mit unterschiedlichen Worten bezeichnet wird: so wird auch die Rechtferti- gung oder Lossprechung von derselben, ihres grossen Nachdrucks wegen, oder da sie so viel auf sich hat, mit drey Worten erläutert: ver- geben, bedecken, nicht zurechnen. 3. Es ist aber dieses die Eigenschaft der Hei- ligen Schrift, daß, wenn sie von dem privativo, Sünde vergeben oder nicht zurechnen, redet, sie auch das positivum, die Gerechtigkeit Christi zurechnen, darunter mit begreifet: gleichwie, so oft dieser positiven Zurechnung gedacht wird, auch die Vergebung der Sünden darunter mit [Spaltenumbruch] zu verstehen ist: sintemal eines ohne das andere nicht ist noch seyn kan. Davon haben wir alhie ein deutliches Exempel. Denn da David die Sache nur negative ausspricht und saget: Die Sünde nicht zurechnet, so spricht es Paulus von dem Gegentheil positive aus, wenn ersaget: Die Gerechtigkeit zurechnet. Jm übrigen ist alhier wohl zu mercken, daß David bey der so nachdrücklichen Beschreibung der Rechtferti- gung auch die Eigenschaft des Menschen, dem sie zu theil wird, bezeichnet, wenn er saget: in des Geist kein falsch ist, d. i. der zu einer un- geheuchelten Busse gebracht ist, daß er keinen bö- sen Vorsatz mehr bey sich heget, in der Sünde, sonderlich in dieser und jener, deren er am mei- sten gewohnet ist, und dazu er die meiste Rei- tzung und Gelegenheit hat, zu beharren. Denn wo dieses ist, da ist die Vergebung der Sünde nur eine blosse Einbildung. 4. Die von David und Paulo angepriese- ne Seligkeit bestehet in der Gerechtigkeit Chri- sti und in allen übrigen zum Reiche der Gnaden und der Seligkeit gehörigen Heils-Gütern: da- von es hernach c. 5, 1. u. f. heißt: Nachdem wir gerecht worden sind, haben wir Friede mit GOtt. u. s. w. V. 9. Nun diese Seligkeit (makarismos) Se- Anmerckung. Es nimmt demnach Paulus aus dem, was V. 10. Wie (in welchem äusserlichen Stande, der schnei- H 3
Cap. 4, 5-10 an die Roͤmer. [Spaltenumbruch]
hie redet: ein anders, ſeinen Glauben durch dieLiebe in guten Wercken thaͤtig erweiſen; darauf der Apoſtel nach dem Exempel Abrahams in ei- nem groſſen Theile dieſes Briefes dringet. So iſt es auch ein anders, in dieſem Verſtande als ein gottloſer gerecht werden, daß man ſei- ne Gottloſigkeit erkennet und bekennet, auch ſchon wircklich in der Bekehrung davon ablaͤſſet: ein anders gottlos ſeyn und bleiben, und ſich dabey doch fuͤr einen gerechtfertigten und glau- bigen halten: da die beharrliche Gottloſig- keit nimmermehr mit dem Glauben beſtehen kan. 2. Zurechnen iſt ein verbum forenſe, ein V. 6. 7. 8. Nach welcher Weiſe auch David (im Anmerckungen. 1. Paulus behaͤlt in den Davidiſchen Wor- ten die alte Griechiſche Verſion; als darinnen die Hebraiſmi mit unverruͤcktem Wort-Verſtan- de nach der Griechiſchen Mund-Art gegeben ſind. 2. Gleichwie die Suͤnde ihrer Groͤſſe und Vielheit wegen mit unterſchiedlichen Worten bezeichnet wird: ſo wird auch die Rechtferti- gung oder Losſprechung von derſelben, ihres groſſen Nachdrucks wegen, oder da ſie ſo viel auf ſich hat, mit drey Worten erlaͤutert: ver- geben, bedecken, nicht zurechnen. 3. Es iſt aber dieſes die Eigenſchaft der Hei- ligen Schrift, daß, wenn ſie von dem privativo, Suͤnde vergeben oder nicht zurechnen, redet, ſie auch das poſitivum, die Gerechtigkeit Chriſti zurechnen, darunter mit begreifet: gleichwie, ſo oft dieſer poſitiven Zurechnung gedacht wird, auch die Vergebung der Suͤnden darunter mit [Spaltenumbruch] zu verſtehen iſt: ſintemal eines ohne das andere nicht iſt noch ſeyn kan. Davon haben wir alhie ein deutliches Exempel. Denn da David die Sache nur negative ausſpricht und ſaget: Die Suͤnde nicht zurechnet, ſo ſpricht es Paulus von dem Gegentheil poſitive aus, wenn erſaget: Die Gerechtigkeit zurechnet. Jm uͤbrigen iſt alhier wohl zu mercken, daß David bey der ſo nachdruͤcklichen Beſchreibung der Rechtferti- gung auch die Eigenſchaft des Menſchen, dem ſie zu theil wird, bezeichnet, wenn er ſaget: in des Geiſt kein falſch iſt, d. i. der zu einer un- geheuchelten Buſſe gebracht iſt, daß er keinen boͤ- ſen Vorſatz mehr bey ſich heget, in der Suͤnde, ſonderlich in dieſer und jener, deren er am mei- ſten gewohnet iſt, und dazu er die meiſte Rei- tzung und Gelegenheit hat, zu beharren. Denn wo dieſes iſt, da iſt die Vergebung der Suͤnde nur eine bloſſe Einbildung. 4. Die von David und Paulo angeprieſe- ne Seligkeit beſtehet in der Gerechtigkeit Chri- ſti und in allen uͤbrigen zum Reiche der Gnaden und der Seligkeit gehoͤrigen Heils-Guͤtern: da- von es hernach c. 5, 1. u. f. heißt: Nachdem wir gerecht worden ſind, haben wir Friede mit GOtt. u. ſ. w. V. 9. Nun dieſe Seligkeit (μακαρισμὸς) Se- Anmerckung. Es nimmt demnach Paulus aus dem, was V. 10. Wie (in welchem aͤuſſerlichen Stande, der ſchnei- H 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0089" n="61"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 4, 5-10 an die Roͤmer.</hi></fw><lb/><cb/> hie redet: ein anders, ſeinen Glauben durch die<lb/> Liebe in guten Wercken thaͤtig erweiſen; darauf<lb/> der Apoſtel nach dem Exempel Abrahams in ei-<lb/> nem groſſen Theile dieſes Briefes dringet. So<lb/> iſt es auch ein anders, in dieſem Verſtande als<lb/> ein <hi rendition="#fr">gottloſer gerecht werden,</hi> daß man ſei-<lb/> ne Gottloſigkeit erkennet und bekennet, auch<lb/> ſchon wircklich in der Bekehrung davon ablaͤſſet:<lb/> ein anders gottlos ſeyn und bleiben, und ſich<lb/> dabey doch fuͤr einen gerechtfertigten und glau-<lb/> bigen halten: da die beharrliche Gottloſig-<lb/> keit nimmermehr mit dem Glauben beſtehen<lb/> kan.</p><lb/> <p>2. <hi rendition="#fr">Zurechnen</hi> iſt ein <hi rendition="#aq">verbum forenſe,</hi> <hi rendition="#fr">ein</hi><lb/> ſolches Wort, da vor Gerichte das Loͤſe-Geld,<lb/> was iemand fuͤr den andern zahlet, angeſehen<lb/> und geachtet wird, als habe es dieſer ſelbſt erle-<lb/> get, und alſo koͤmmt es gleichſam in ſeine Rech-<lb/> nung, alſo, daß ſeine Schuld damit getilget<lb/> wird. Da nun der Glaube das Loͤſe-Geld Chri-<lb/> ſti ergreifet und ſich zueignet, ſo wird es in Anſe-<lb/> hung dieſes Loͤſe-Geldes dem glaubenden zur<lb/> Gerechtigkeit, daß ſeine Schuld damit bezahlet<lb/> worden, zugerechnet. Wie alſo in dieſem Ver-<lb/> ſtande von dem Glauben auch geſaget wird, daß<lb/><hi rendition="#fr">er ſelig mache,</hi> ob es wol eigentlich Chriſtus<lb/> ſelbſt thut.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 6. 7. 8.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Nach welcher Weiſe auch David</hi> (im<lb/> 32 Pſalm, da er von der Art und Weiſe redet,<lb/> wie die Menſchen zur Seligkeit gelangen, aus<lb/> Eingeben des Heiligen Geiſtes) <hi rendition="#fr">ſaget, daß<lb/> die</hi> (Seligpreiſung mit der) <hi rendition="#fr">Seligkeit ſelbſt<lb/> ſey</hi> (nur allein) <hi rendition="#fr">des Menſchen, welchem<lb/> GOTT</hi> (aus lauter Gnaden, vermoͤge ſeines<lb/> Glaubens an den Meßiam und ſein Verſoͤhn-<lb/> Opfer) <hi rendition="#fr">zurechnet die</hi> (uns von ihm nach c. 3,<lb/> 24. 25. erworbene) <hi rendition="#fr">Gerechtigkeit, ohne Zu-<lb/> thun der Wercke</hi> (und die damit aufzurichten-<lb/> de eigne Gerechtigkeit:) v. 7. <hi rendition="#fr">da er ſpricht:<lb/> Selig ſind die, welchen ihre Ungerechtig-<lb/> keit vergeben ſind, und welchen ihre Suͤn-<lb/> den bedecket ſind: ſelig iſt der Mann, wel-<lb/> chem GOtt keine Suͤnde zurechnet.</hi></p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Paulus behaͤlt in den Davidiſchen Wor-<lb/> ten die alte Griechiſche <hi rendition="#aq">Verſion;</hi> als darinnen<lb/> die <hi rendition="#aq">Hebraiſmi</hi> mit unverruͤcktem Wort-Verſtan-<lb/> de nach der Griechiſchen Mund-Art gegeben<lb/> ſind.</item><lb/> <item>2. Gleichwie die Suͤnde ihrer Groͤſſe und<lb/> Vielheit wegen mit unterſchiedlichen Worten<lb/> bezeichnet wird: ſo wird auch die Rechtferti-<lb/> gung oder Losſprechung von derſelben, ihres<lb/> groſſen Nachdrucks wegen, oder da ſie ſo viel<lb/> auf ſich hat, mit drey Worten erlaͤutert: <hi rendition="#fr">ver-<lb/> geben, bedecken, nicht zurechnen.</hi></item><lb/> <item>3. Es iſt aber dieſes die Eigenſchaft der Hei-<lb/> ligen Schrift, daß, wenn ſie von dem <hi rendition="#aq">privativo,</hi><lb/><hi rendition="#fr">Suͤnde vergeben</hi> oder nicht zurechnen, redet, ſie<lb/> auch das <hi rendition="#aq">poſitivum,</hi> die <hi rendition="#fr">Gerechtigkeit Chriſti<lb/> zurechnen,</hi> darunter mit begreifet: gleichwie,<lb/> ſo oft dieſer <hi rendition="#aq">poſitiv</hi>en Zurechnung gedacht wird,<lb/> auch die Vergebung der Suͤnden darunter mit<lb/><cb/> zu verſtehen iſt: ſintemal eines ohne das andere<lb/> nicht iſt noch ſeyn kan. Davon haben wir alhie<lb/> ein deutliches Exempel. Denn da David die<lb/> Sache nur <hi rendition="#aq">negative</hi> ausſpricht und ſaget: <hi rendition="#fr">Die<lb/> Suͤnde nicht zurechnet,</hi> ſo ſpricht es Paulus<lb/> von dem Gegentheil <hi rendition="#aq">poſitive</hi> aus, wenn erſaget:<lb/><hi rendition="#fr">Die Gerechtigkeit zurechnet.</hi> Jm uͤbrigen<lb/> iſt alhier wohl zu mercken, daß David bey der ſo<lb/> nachdruͤcklichen Beſchreibung der Rechtferti-<lb/> gung auch die Eigenſchaft des Menſchen, dem<lb/> ſie zu theil wird, bezeichnet, wenn er ſaget: <hi rendition="#fr">in<lb/> des Geiſt kein falſch iſt,</hi> d. i. der zu einer un-<lb/> geheuchelten Buſſe gebracht iſt, daß er keinen boͤ-<lb/> ſen Vorſatz mehr bey ſich heget, in der Suͤnde,<lb/> ſonderlich in dieſer und jener, deren er am mei-<lb/> ſten gewohnet iſt, und dazu er die meiſte Rei-<lb/> tzung und Gelegenheit hat, zu beharren. Denn<lb/> wo dieſes iſt, da iſt die Vergebung der Suͤnde<lb/> nur eine bloſſe Einbildung.</item><lb/> <item>4. Die von David und Paulo angeprieſe-<lb/> ne <hi rendition="#fr">Seligkeit</hi> beſtehet in der Gerechtigkeit Chri-<lb/> ſti und in allen uͤbrigen zum Reiche der Gnaden<lb/> und der Seligkeit gehoͤrigen Heils-Guͤtern: da-<lb/> von es hernach c. 5, 1. u. f. heißt: <hi rendition="#fr">Nachdem<lb/> wir gerecht worden ſind, haben wir Friede<lb/> mit GOtt.</hi> u. ſ. w.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 9.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Nun dieſe Seligkeit</hi> (μακαρισμὸς) Se-<lb/> ligpreiſung) <hi rendition="#fr">gehet ſie uͤber die Beſchneidung</hi><lb/> (allein uͤber die glaͤubigen Juͤden,) <hi rendition="#fr">oder</hi> (auch<lb/> zugleich) <hi rendition="#fr">uͤber die Vorhaut</hi> (die glaͤubigen Hey-<lb/> den?) <hi rendition="#fr">Wir muͤſſen ja ſagen</hi> (Gr. Denn wir<lb/> ſagen) <hi rendition="#fr">daß Abraham ſey ſein Glaube zur<lb/> Gerechtigkeit gerechnet</hi> (daraus ein Juͤde<lb/> nun zwar erkennen kan, wie man zur Seligkeit<lb/> komme: aber weil er doch dabey noch wol ver-<lb/> meinen ſolte, daß dieſer Weg zur Gerechtigkeit<lb/> und Seligkeit, welcher alſo in dem Stammva-<lb/> ter der Juden angewieſen, nur die Juden, nicht<lb/> aber die Heiden angehe; ſo fraget ſich nun billig,<lb/> ob er nicht auch auf die Heyden zu <hi rendition="#aq">extendi</hi>ren<lb/> ſey?)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckung.</hi> </head><lb/> <p>Es nimmt demnach Paulus aus dem, was<lb/> vom Abraham geſaget worden, die Urſache,<lb/> oder Gelegenheit ſeiner Frage her, und beant-<lb/> wortet ſie hernach aus dem Exempel des Abra-<lb/> hams alſo, daß er zeiget, es ſehe dieſe Heils-<lb/> Ordnung ſo wol auf die Heiden, als auf die<lb/> Juͤden.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 10.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Wie</hi> (in welchem aͤuſſerlichen Stande, der<lb/> Beſchneidung, oder der Vorhaut) <hi rendition="#fr">iſt er</hi> (der die<lb/> Verheiſſung ergreifende Glaube) <hi rendition="#fr">ihm denn<lb/> zugerechnet? Jn der Beſchneidung</hi> (etwa<lb/> erſt alsdenn, da er bereits die Beſchneidung an-<lb/> genommen hatte?) <hi rendition="#fr">oder in der Vorhaut</hi> (vor<lb/> der Beſchneidung? als die er erſt, da er ſchon<lb/> 99 Jahr alt war, uͤberkommen hatte, nachdem er<lb/> die Verheiſſung vom Meßia ſchon bey die 24<lb/> Jahr vorher empfangen 1 B. Moſ. 12, 1. <hi rendition="#aq">ſeqq.</hi><lb/> c. 18, 21-24.) <hi rendition="#fr">ohn Zweifel nicht</hi> (erſt) <hi rendition="#fr">in der</hi><lb/> (oder nach der ſo ſpaͤt angenommenen) <hi rendition="#fr">Be-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">H 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ſchnei-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0089]
Cap. 4, 5-10 an die Roͤmer.
hie redet: ein anders, ſeinen Glauben durch die
Liebe in guten Wercken thaͤtig erweiſen; darauf
der Apoſtel nach dem Exempel Abrahams in ei-
nem groſſen Theile dieſes Briefes dringet. So
iſt es auch ein anders, in dieſem Verſtande als
ein gottloſer gerecht werden, daß man ſei-
ne Gottloſigkeit erkennet und bekennet, auch
ſchon wircklich in der Bekehrung davon ablaͤſſet:
ein anders gottlos ſeyn und bleiben, und ſich
dabey doch fuͤr einen gerechtfertigten und glau-
bigen halten: da die beharrliche Gottloſig-
keit nimmermehr mit dem Glauben beſtehen
kan.
2. Zurechnen iſt ein verbum forenſe, ein
ſolches Wort, da vor Gerichte das Loͤſe-Geld,
was iemand fuͤr den andern zahlet, angeſehen
und geachtet wird, als habe es dieſer ſelbſt erle-
get, und alſo koͤmmt es gleichſam in ſeine Rech-
nung, alſo, daß ſeine Schuld damit getilget
wird. Da nun der Glaube das Loͤſe-Geld Chri-
ſti ergreifet und ſich zueignet, ſo wird es in Anſe-
hung dieſes Loͤſe-Geldes dem glaubenden zur
Gerechtigkeit, daß ſeine Schuld damit bezahlet
worden, zugerechnet. Wie alſo in dieſem Ver-
ſtande von dem Glauben auch geſaget wird, daß
er ſelig mache, ob es wol eigentlich Chriſtus
ſelbſt thut.
V. 6. 7. 8.
Nach welcher Weiſe auch David (im
32 Pſalm, da er von der Art und Weiſe redet,
wie die Menſchen zur Seligkeit gelangen, aus
Eingeben des Heiligen Geiſtes) ſaget, daß
die (Seligpreiſung mit der) Seligkeit ſelbſt
ſey (nur allein) des Menſchen, welchem
GOTT (aus lauter Gnaden, vermoͤge ſeines
Glaubens an den Meßiam und ſein Verſoͤhn-
Opfer) zurechnet die (uns von ihm nach c. 3,
24. 25. erworbene) Gerechtigkeit, ohne Zu-
thun der Wercke (und die damit aufzurichten-
de eigne Gerechtigkeit:) v. 7. da er ſpricht:
Selig ſind die, welchen ihre Ungerechtig-
keit vergeben ſind, und welchen ihre Suͤn-
den bedecket ſind: ſelig iſt der Mann, wel-
chem GOtt keine Suͤnde zurechnet.
Anmerckungen.
1. Paulus behaͤlt in den Davidiſchen Wor-
ten die alte Griechiſche Verſion; als darinnen
die Hebraiſmi mit unverruͤcktem Wort-Verſtan-
de nach der Griechiſchen Mund-Art gegeben
ſind.
2. Gleichwie die Suͤnde ihrer Groͤſſe und
Vielheit wegen mit unterſchiedlichen Worten
bezeichnet wird: ſo wird auch die Rechtferti-
gung oder Losſprechung von derſelben, ihres
groſſen Nachdrucks wegen, oder da ſie ſo viel
auf ſich hat, mit drey Worten erlaͤutert: ver-
geben, bedecken, nicht zurechnen.
3. Es iſt aber dieſes die Eigenſchaft der Hei-
ligen Schrift, daß, wenn ſie von dem privativo,
Suͤnde vergeben oder nicht zurechnen, redet, ſie
auch das poſitivum, die Gerechtigkeit Chriſti
zurechnen, darunter mit begreifet: gleichwie,
ſo oft dieſer poſitiven Zurechnung gedacht wird,
auch die Vergebung der Suͤnden darunter mit
zu verſtehen iſt: ſintemal eines ohne das andere
nicht iſt noch ſeyn kan. Davon haben wir alhie
ein deutliches Exempel. Denn da David die
Sache nur negative ausſpricht und ſaget: Die
Suͤnde nicht zurechnet, ſo ſpricht es Paulus
von dem Gegentheil poſitive aus, wenn erſaget:
Die Gerechtigkeit zurechnet. Jm uͤbrigen
iſt alhier wohl zu mercken, daß David bey der ſo
nachdruͤcklichen Beſchreibung der Rechtferti-
gung auch die Eigenſchaft des Menſchen, dem
ſie zu theil wird, bezeichnet, wenn er ſaget: in
des Geiſt kein falſch iſt, d. i. der zu einer un-
geheuchelten Buſſe gebracht iſt, daß er keinen boͤ-
ſen Vorſatz mehr bey ſich heget, in der Suͤnde,
ſonderlich in dieſer und jener, deren er am mei-
ſten gewohnet iſt, und dazu er die meiſte Rei-
tzung und Gelegenheit hat, zu beharren. Denn
wo dieſes iſt, da iſt die Vergebung der Suͤnde
nur eine bloſſe Einbildung.
4. Die von David und Paulo angeprieſe-
ne Seligkeit beſtehet in der Gerechtigkeit Chri-
ſti und in allen uͤbrigen zum Reiche der Gnaden
und der Seligkeit gehoͤrigen Heils-Guͤtern: da-
von es hernach c. 5, 1. u. f. heißt: Nachdem
wir gerecht worden ſind, haben wir Friede
mit GOtt. u. ſ. w.
V. 9.
Nun dieſe Seligkeit (μακαρισμὸς) Se-
ligpreiſung) gehet ſie uͤber die Beſchneidung
(allein uͤber die glaͤubigen Juͤden,) oder (auch
zugleich) uͤber die Vorhaut (die glaͤubigen Hey-
den?) Wir muͤſſen ja ſagen (Gr. Denn wir
ſagen) daß Abraham ſey ſein Glaube zur
Gerechtigkeit gerechnet (daraus ein Juͤde
nun zwar erkennen kan, wie man zur Seligkeit
komme: aber weil er doch dabey noch wol ver-
meinen ſolte, daß dieſer Weg zur Gerechtigkeit
und Seligkeit, welcher alſo in dem Stammva-
ter der Juden angewieſen, nur die Juden, nicht
aber die Heiden angehe; ſo fraget ſich nun billig,
ob er nicht auch auf die Heyden zu extendiren
ſey?)
Anmerckung.
Es nimmt demnach Paulus aus dem, was
vom Abraham geſaget worden, die Urſache,
oder Gelegenheit ſeiner Frage her, und beant-
wortet ſie hernach aus dem Exempel des Abra-
hams alſo, daß er zeiget, es ſehe dieſe Heils-
Ordnung ſo wol auf die Heiden, als auf die
Juͤden.
V. 10.
Wie (in welchem aͤuſſerlichen Stande, der
Beſchneidung, oder der Vorhaut) iſt er (der die
Verheiſſung ergreifende Glaube) ihm denn
zugerechnet? Jn der Beſchneidung (etwa
erſt alsdenn, da er bereits die Beſchneidung an-
genommen hatte?) oder in der Vorhaut (vor
der Beſchneidung? als die er erſt, da er ſchon
99 Jahr alt war, uͤberkommen hatte, nachdem er
die Verheiſſung vom Meßia ſchon bey die 24
Jahr vorher empfangen 1 B. Moſ. 12, 1. ſeqq.
c. 18, 21-24.) ohn Zweifel nicht (erſt) in der
(oder nach der ſo ſpaͤt angenommenen) Be-
ſchnei-
H 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |