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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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C. 3. v. 2. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] sittig, (in der Kleidung und Tracht, reinlich,
gravitaetisch und ehrbar c. 2, 9.) Gastfrey, (der
sich der Fremden, und sonderlich der Exulanten,
die um des Namens Christi willen anderwärtig
verjaget sind, nach Vermögen, unter dem Bey-
stande der Gemeine, liebreich annehme) lehr-
haftig,
(der die Gabe habe eines gründlichen,
deutlichen, odentlichen und erbaulichen Vor-
trages.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderst ist alhie die Verbindung die-
ses Verses mit dem vorhergehenden wohl zu mer-
cken. Sie wird uns angezeiget mit der Parti-
cula illativa
ou'~n, igitur, derohalben, welche
der selige Lutherus, ohne Grund, durch aber
übersetzet hat. Wenn wir nun dieses Wörtlein
in seiner eigentlichen Bedeutung stehen lassen, so
werden wir damit dergestalt auf den vorherge-
henden Vers zurück gewiesen, daß wir erkennen
müssen, Paulus habe darinnen die Worte: der
begehret ein köstlich Werck,
und sonderlich
das Wort kalon, köstlich das ist, vortref-
flich
und Wichtig, mit sonderbarem Nachdruck
gesetzet, und wenn er daraus den Schluß ziehe
von den Eigenschaften eines Bischofes, so sey es
soviel, als wolle er sagen: Weil denn nun das
Lehr-Amt von grosser Wichtigkeit ist, so muß
daher auch derjenige, der dazu sich kan und will
bestellen lassen, die nöthigen Qualitaeten an sich
haben: sintemal ie wichtiger ein Amt ist, und ie
mehr Verantwortung man dabey über sich hat, ie
geschickter man dazu seyn muß, auch in civilen
Bedienungen; und darum hier so vielmehr, da es
das ewige Heyl der Seelen betrift?

2. Von der Unsträflichkeit insgemein,
und von den dazu gehörigen Stücken saget der
Apostel: dei~, es muß, nicht nur prepei, es ge-
ziemet sich also; als wenn es auch wol daran feh-
len könte; denn wo es an der Unsträflichkeit fehlet,
da reisset ein solcher Lehrer nicht allein mit dem
Aergerlichen Leben mehr nieder, als er mit der
Lehre erbauet, sondern er ist dabey auch nicht in
dem Stande, den gantzen Rath GOttes in der
rechten Lauterkeit recht geistlich und lebendig zu
erkennen, und sowol der Application nach, als
auch überhaupt und in Thesi, mit geistlicher Or-
thotomia,
richtig und erbaulich vorzutragen:
ob er gleich viel wahres nach seiner Buchstäblichen
Erkänntniß reden, auch die Sacramentlichen
Handlungen, also daß ihnen wegen seiner Un-
würdigkeit an sich nichts abgehet, verrichten kan.
Und also gehet das muß auf eine solche Noth-
wendigkeit,
welche zur Ordnung gehöret, und
nicht allein die Person des Lehrers, daß er ohne
dieselbe nicht selig werden könne, sondern auch
sein Amt mit betrifft.

3. Gleichwie nun aber die Unsträflichkeit
nicht auch geringere menschliche Fehler oder
Schwachheits-Sünden ausschliesset, vielweni-
ger auf eine absolute Vollkommenheit, als die
bey niemanden zu finden ist, siehet, und man da-
her einen Lehrer, auch den besten, sich noch in man-
cher Unvollkommenheit vorzustellen hat: so muß
es doch hingegen an einem solchen Wandel nicht
[Spaltenumbruch] fehlen, der eines theils ohne merckliche Aergernis-
se ist, andern theils aber zur Erbauung dienet,
Tit. 1, 6. 1 Petr. 5, 3.

4. Damit, daß ein Bischof nur ei-
nes Weibes Mann seyn soll,
wird nicht an-
gezeiget, daß er nothwendig verheyrathet seyn
müsse; als darinnen ein ieglicher seine Freyheit
hat und behält, sondern daß er nicht mehrere, als
ein Weib haben soll; welches zu erinnern deßwe-
gen no hwendig war, weil die Juden, ausgött-
licher Zulassung, zum Theil mehrere als ein Weib
hatten, oder auch wol der einen, ohne gnugsame
Ursache, einen Scheidebrief gegeben, und eine
andere genommen hatten. Wenn nun solche mit
ihren Weibern sich zu Christo bekehreten, wurde
es zwar, als eine schon geschehene Sache, an ihnen
getragen, aber sie waren doch, des üblen Exempels
wegen dadurch untüchtig, zum öffentlichen Lehr-
Amte gezogen zu werden. Folglich siehet man
hieraus, daß die Polygamie, da man auf ein-
mal mehrere Weiber, als eine, zur Ehe hat, in
der ersten Kirche nicht statt gefunden habe; daß
aber ein Mann nach einander mehrere, als eine
Frau zur Ehe haben könne, wenn ihm durch den
Tod die Ehegattin von der Seite gereissen wird,
das ist eine offenbare richtige Sache; da es der
Zweck des Ehestandes also mit sich bringet, und
Paulus es nach solchem Grunde auch der Frey-
heit der Wittwen überlässet, sich wider zu verhey-
rathen, oder nicht Röm. 7, 2. 3. 1 Cor. 7, 8.
u. f. an welchem letztern Orte die Materie vom
Ehestande ausführlicher abgehandelt ist. Wolte
iemand sagen, die Polygamie sey nur den Leh-
rern, nicht aber den Zuhörern verboten; so wäre
es eben so ungereimt, als setzte man, die dabey den
Lehrern anbefohlne Nüchternheit, Mäßigkeit
u. s. w. liege nur allein den Lehrern ob.

5. Man erkennet hieraus auch, wie übel es
im Pabstthum gethan sey, wenn man den Bi-
schöfen verbietet ehelich zu werden. Siehe
Cap. 4, 3.

6. Jn Ansehung der Nüchternheit hat sich
ein Lehrer wie daheim, also noch vielmehr in einer
Gesellschaft wohl in acht zu nehmen, daß er sich
nicht mit Essen und Trincken überlade, und gese-
tzet auch, daß er vom starcken Geträncke ein meh-
rers vertragen könne; so hat er doch nur nach
Nothdurft zu trincken und bösen Schein der
Ubermasse zu meiden. Denn es pfleget ieder-
man auf die Lehrer zu sehen, und sich mancher ihr
Exempel zur Regel dienen zu lassen. Und wer
auch dieses nicht thut, der ärgert sich doch daran.
Jnsonderheit muß von einem Lehrer ein solches
also genannte Gesundheit-Trincken, welches in
einer Riege herumgehet, und leichtlich, wo nicht
zur gäntzlichen Völlerey, doch zur Erhitzung des
Geblüts gereichen kan, vermieden werden. Wel-
ches alles denn auch von Studiosis Theologiae
gilt, welche zu Lehrern bestellet werden sollen und
wollen. Daß aber auch andern damit nichts
zur Völlerey eingeräumet sey, verstehet ein ieder
leichtlich von sich selbst.

7. Gleichwie das Wort neph[fremdsprachliches Material]lios, nüch-
tern,
auf die Nüchternheit des Leibes gehet, also
gehet das Wort sophron auf die Nüchternheit

des

C. 3. v. 2. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] ſittig, (in der Kleidung und Tracht, reinlich,
gravitætiſch und ehrbar c. 2, 9.) Gaſtfrey, (der
ſich der Fremden, und ſonderlich der Exulanten,
die um des Namens Chriſti willen anderwaͤrtig
verjaget ſind, nach Vermoͤgen, unter dem Bey-
ſtande der Gemeine, liebreich annehme) lehr-
haftig,
(der die Gabe habe eines gruͤndlichen,
deutlichen, odentlichen und erbaulichen Vor-
trages.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderſt iſt alhie die Verbindung die-
ſes Verſes mit dem vorhergehenden wohl zu mer-
cken. Sie wird uns angezeiget mit der Parti-
cula illativa
ου῏ν, igitur, derohalben, welche
der ſelige Lutherus, ohne Grund, durch aber
uͤberſetzet hat. Wenn wir nun dieſes Woͤrtlein
in ſeiner eigentlichen Bedeutung ſtehen laſſen, ſo
werden wir damit dergeſtalt auf den vorherge-
henden Vers zuruͤck gewieſen, daß wir erkennen
muͤſſen, Paulus habe darinnen die Worte: der
begehret ein koͤſtlich Werck,
und ſonderlich
das Wort καλὸν, koͤſtlich das iſt, vortref-
flich
und Wichtig, mit ſonderbarem Nachdruck
geſetzet, und wenn er daraus den Schluß ziehe
von den Eigenſchaften eines Biſchofes, ſo ſey es
ſoviel, als wolle er ſagen: Weil denn nun das
Lehr-Amt von groſſer Wichtigkeit iſt, ſo muß
daher auch derjenige, der dazu ſich kan und will
beſtellen laſſen, die noͤthigen Qualitæten an ſich
haben: ſintemal ie wichtiger ein Amt iſt, und ie
mehr Verantwortung man dabey uͤber ſich hat, ie
geſchickter man dazu ſeyn muß, auch in civilen
Bedienungen; und darum hier ſo vielmehr, da es
das ewige Heyl der Seelen betrift?

2. Von der Unſtraͤflichkeit insgemein,
und von den dazu gehoͤrigen Stuͤcken ſaget der
Apoſtel: δει῀, es muß, nicht nur πρέπει, es ge-
ziemet ſich alſo; als wenn es auch wol daran feh-
len koͤnte; denn wo es an der Unſtraͤflichkeit fehlet,
da reiſſet ein ſolcher Lehrer nicht allein mit dem
Aergerlichen Leben mehr nieder, als er mit der
Lehre erbauet, ſondern er iſt dabey auch nicht in
dem Stande, den gantzen Rath GOttes in der
rechten Lauterkeit recht geiſtlich und lebendig zu
erkennen, und ſowol der Application nach, als
auch uͤberhaupt und in Theſi, mit geiſtlicher Or-
thotomia,
richtig und erbaulich vorzutragen:
ob er gleich viel wahres nach ſeiner Buchſtaͤblichen
Erkaͤnntniß reden, auch die Sacramentlichen
Handlungen, alſo daß ihnen wegen ſeiner Un-
wuͤrdigkeit an ſich nichts abgehet, verrichten kan.
Und alſo gehet das muß auf eine ſolche Noth-
wendigkeit,
welche zur Ordnung gehoͤret, und
nicht allein die Perſon des Lehrers, daß er ohne
dieſelbe nicht ſelig werden koͤnne, ſondern auch
ſein Amt mit betrifft.

3. Gleichwie nun aber die Unſtraͤflichkeit
nicht auch geringere menſchliche Fehler oder
Schwachheits-Suͤnden ausſchlieſſet, vielweni-
ger auf eine abſolute Vollkommenheit, als die
bey niemanden zu finden iſt, ſiehet, und man da-
her einen Lehrer, auch den beſten, ſich noch in man-
cher Unvollkommenheit vorzuſtellen hat: ſo muß
es doch hingegen an einem ſolchen Wandel nicht
[Spaltenumbruch] fehlen, der eines theils ohne merckliche Aergerniſ-
ſe iſt, andern theils aber zur Erbauung dienet,
Tit. 1, 6. 1 Petr. 5, 3.

4. Damit, daß ein Biſchof nur ei-
nes Weibes Mann ſeyn ſoll,
wird nicht an-
gezeiget, daß er nothwendig verheyrathet ſeyn
muͤſſe; als darinnen ein ieglicher ſeine Freyheit
hat und behaͤlt, ſondern daß er nicht mehrere, als
ein Weib haben ſoll; welches zu erinnern deßwe-
gen no hwendig war, weil die Juden, ausgoͤtt-
licher Zulaſſung, zum Theil mehrere als ein Weib
hatten, oder auch wol der einen, ohne gnugſame
Urſache, einen Scheidebrief gegeben, und eine
andere genommen hatten. Wenn nun ſolche mit
ihren Weibern ſich zu Chriſto bekehreten, wurde
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wegen dadurch untuͤchtig, zum oͤffentlichen Lehr-
Amte gezogen zu werden. Folglich ſiehet man
hieraus, daß die Polygamie, da man auf ein-
mal mehrere Weiber, als eine, zur Ehe hat, in
der erſten Kirche nicht ſtatt gefunden habe; daß
aber ein Mann nach einander mehrere, als eine
Frau zur Ehe haben koͤnne, wenn ihm durch den
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das iſt eine offenbare richtige Sache; da es der
Zweck des Eheſtandes alſo mit ſich bringet, und
Paulus es nach ſolchem Grunde auch der Frey-
heit der Wittwen uͤberlaͤſſet, ſich wider zu verhey-
rathen, oder nicht Roͤm. 7, 2. 3. 1 Cor. 7, 8.
u. f. an welchem letztern Orte die Materie vom
Eheſtande ausfuͤhrlicher abgehandelt iſt. Wolte
iemand ſagen, die Polygamie ſey nur den Leh-
rern, nicht aber den Zuhoͤrern verboten; ſo waͤre
es eben ſo ungereimt, als ſetzte man, die dabey den
Lehrern anbefohlne Nuͤchternheit, Maͤßigkeit
u. ſ. w. liege nur allein den Lehrern ob.

5. Man erkennet hieraus auch, wie uͤbel es
im Pabſtthum gethan ſey, wenn man den Bi-
ſchoͤfen verbietet ehelich zu werden. Siehe
Cap. 4, 3.

6. Jn Anſehung der Nuͤchternheit hat ſich
ein Lehrer wie daheim, alſo noch vielmehr in einer
Geſellſchaft wohl in acht zu nehmen, daß er ſich
nicht mit Eſſen und Trincken uͤberlade, und geſe-
tzet auch, daß er vom ſtarcken Getraͤncke ein meh-
rers vertragen koͤnne; ſo hat er doch nur nach
Nothdurft zu trincken und boͤſen Schein der
Ubermaſſe zu meiden. Denn es pfleget ieder-
man auf die Lehrer zu ſehen, und ſich mancher ihr
Exempel zur Regel dienen zu laſſen. Und wer
auch dieſes nicht thut, der aͤrgert ſich doch daran.
Jnſonderheit muß von einem Lehrer ein ſolches
alſo genannte Geſundheit-Trincken, welches in
einer Riege herumgehet, und leichtlich, wo nicht
zur gaͤntzlichen Voͤllerey, doch zur Erhitzung des
Gebluͤts gereichen kan, vermieden werden. Wel-
ches alles denn auch von Studioſis Theologiæ
gilt, welche zu Lehrern beſtellet werden ſollen und
wollen. Daß aber auch andern damit nichts
zur Voͤllerey eingeraͤumet ſey, verſtehet ein ieder
leichtlich von ſich ſelbſt.

7. Gleichwie das Wort νηϕ[fremdsprachliches Material]λιος, nuͤch-
tern,
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gehet das Wort σώφρων auf die Nuͤchternheit

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[111/0113] C. 3. v. 2. an den Timotheum. ſittig, (in der Kleidung und Tracht, reinlich, gravitætiſch und ehrbar c. 2, 9.) Gaſtfrey, (der ſich der Fremden, und ſonderlich der Exulanten, die um des Namens Chriſti willen anderwaͤrtig verjaget ſind, nach Vermoͤgen, unter dem Bey- ſtande der Gemeine, liebreich annehme) lehr- haftig, (der die Gabe habe eines gruͤndlichen, deutlichen, odentlichen und erbaulichen Vor- trages.) Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt alhie die Verbindung die- ſes Verſes mit dem vorhergehenden wohl zu mer- cken. Sie wird uns angezeiget mit der Parti- cula illativa ου῏ν, igitur, derohalben, welche der ſelige Lutherus, ohne Grund, durch aber uͤberſetzet hat. Wenn wir nun dieſes Woͤrtlein in ſeiner eigentlichen Bedeutung ſtehen laſſen, ſo werden wir damit dergeſtalt auf den vorherge- henden Vers zuruͤck gewieſen, daß wir erkennen muͤſſen, Paulus habe darinnen die Worte: der begehret ein koͤſtlich Werck, und ſonderlich das Wort καλὸν, koͤſtlich das iſt, vortref- flich und Wichtig, mit ſonderbarem Nachdruck geſetzet, und wenn er daraus den Schluß ziehe von den Eigenſchaften eines Biſchofes, ſo ſey es ſoviel, als wolle er ſagen: Weil denn nun das Lehr-Amt von groſſer Wichtigkeit iſt, ſo muß daher auch derjenige, der dazu ſich kan und will beſtellen laſſen, die noͤthigen Qualitæten an ſich haben: ſintemal ie wichtiger ein Amt iſt, und ie mehr Verantwortung man dabey uͤber ſich hat, ie geſchickter man dazu ſeyn muß, auch in civilen Bedienungen; und darum hier ſo vielmehr, da es das ewige Heyl der Seelen betrift? 2. Von der Unſtraͤflichkeit insgemein, und von den dazu gehoͤrigen Stuͤcken ſaget der Apoſtel: δει῀, es muß, nicht nur πρέπει, es ge- ziemet ſich alſo; als wenn es auch wol daran feh- len koͤnte; denn wo es an der Unſtraͤflichkeit fehlet, da reiſſet ein ſolcher Lehrer nicht allein mit dem Aergerlichen Leben mehr nieder, als er mit der Lehre erbauet, ſondern er iſt dabey auch nicht in dem Stande, den gantzen Rath GOttes in der rechten Lauterkeit recht geiſtlich und lebendig zu erkennen, und ſowol der Application nach, als auch uͤberhaupt und in Theſi, mit geiſtlicher Or- thotomia, richtig und erbaulich vorzutragen: ob er gleich viel wahres nach ſeiner Buchſtaͤblichen Erkaͤnntniß reden, auch die Sacramentlichen Handlungen, alſo daß ihnen wegen ſeiner Un- wuͤrdigkeit an ſich nichts abgehet, verrichten kan. Und alſo gehet das muß auf eine ſolche Noth- wendigkeit, welche zur Ordnung gehoͤret, und nicht allein die Perſon des Lehrers, daß er ohne dieſelbe nicht ſelig werden koͤnne, ſondern auch ſein Amt mit betrifft. 3. Gleichwie nun aber die Unſtraͤflichkeit nicht auch geringere menſchliche Fehler oder Schwachheits-Suͤnden ausſchlieſſet, vielweni- ger auf eine abſolute Vollkommenheit, als die bey niemanden zu finden iſt, ſiehet, und man da- her einen Lehrer, auch den beſten, ſich noch in man- cher Unvollkommenheit vorzuſtellen hat: ſo muß es doch hingegen an einem ſolchen Wandel nicht fehlen, der eines theils ohne merckliche Aergerniſ- ſe iſt, andern theils aber zur Erbauung dienet, Tit. 1, 6. 1 Petr. 5, 3. 4. Damit, daß ein Biſchof nur ei- nes Weibes Mann ſeyn ſoll, wird nicht an- gezeiget, daß er nothwendig verheyrathet ſeyn muͤſſe; als darinnen ein ieglicher ſeine Freyheit hat und behaͤlt, ſondern daß er nicht mehrere, als ein Weib haben ſoll; welches zu erinnern deßwe- gen no hwendig war, weil die Juden, ausgoͤtt- licher Zulaſſung, zum Theil mehrere als ein Weib hatten, oder auch wol der einen, ohne gnugſame Urſache, einen Scheidebrief gegeben, und eine andere genommen hatten. Wenn nun ſolche mit ihren Weibern ſich zu Chriſto bekehreten, wurde es zwar, als eine ſchon geſchehene Sache, an ihnen getragen, aber ſie waren doch, des uͤblen Exempels wegen dadurch untuͤchtig, zum oͤffentlichen Lehr- Amte gezogen zu werden. Folglich ſiehet man hieraus, daß die Polygamie, da man auf ein- mal mehrere Weiber, als eine, zur Ehe hat, in der erſten Kirche nicht ſtatt gefunden habe; daß aber ein Mann nach einander mehrere, als eine Frau zur Ehe haben koͤnne, wenn ihm durch den Tod die Ehegattin von der Seite gereiſſen wird, das iſt eine offenbare richtige Sache; da es der Zweck des Eheſtandes alſo mit ſich bringet, und Paulus es nach ſolchem Grunde auch der Frey- heit der Wittwen uͤberlaͤſſet, ſich wider zu verhey- rathen, oder nicht Roͤm. 7, 2. 3. 1 Cor. 7, 8. u. f. an welchem letztern Orte die Materie vom Eheſtande ausfuͤhrlicher abgehandelt iſt. Wolte iemand ſagen, die Polygamie ſey nur den Leh- rern, nicht aber den Zuhoͤrern verboten; ſo waͤre es eben ſo ungereimt, als ſetzte man, die dabey den Lehrern anbefohlne Nuͤchternheit, Maͤßigkeit u. ſ. w. liege nur allein den Lehrern ob. 5. Man erkennet hieraus auch, wie uͤbel es im Pabſtthum gethan ſey, wenn man den Bi- ſchoͤfen verbietet ehelich zu werden. Siehe Cap. 4, 3. 6. Jn Anſehung der Nuͤchternheit hat ſich ein Lehrer wie daheim, alſo noch vielmehr in einer Geſellſchaft wohl in acht zu nehmen, daß er ſich nicht mit Eſſen und Trincken uͤberlade, und geſe- tzet auch, daß er vom ſtarcken Getraͤncke ein meh- rers vertragen koͤnne; ſo hat er doch nur nach Nothdurft zu trincken und boͤſen Schein der Ubermaſſe zu meiden. Denn es pfleget ieder- man auf die Lehrer zu ſehen, und ſich mancher ihr Exempel zur Regel dienen zu laſſen. Und wer auch dieſes nicht thut, der aͤrgert ſich doch daran. Jnſonderheit muß von einem Lehrer ein ſolches alſo genannte Geſundheit-Trincken, welches in einer Riege herumgehet, und leichtlich, wo nicht zur gaͤntzlichen Voͤllerey, doch zur Erhitzung des Gebluͤts gereichen kan, vermieden werden. Wel- ches alles denn auch von Studioſis Theologiæ gilt, welche zu Lehrern beſtellet werden ſollen und wollen. Daß aber auch andern damit nichts zur Voͤllerey eingeraͤumet ſey, verſtehet ein ieder leichtlich von ſich ſelbſt. 7. Gleichwie das Wort νηϕ_ λιος, nuͤch- tern, auf die Nuͤchternheit des Leibes gehet, alſo gehet das Wort σώφρων auf die Nuͤchternheit des

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/113>, abgerufen am 23.11.2024.