Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Erklärung des ersten Briefes Pauli Cap. 1. v. 9. 10. [Spaltenumbruch]
der Mensch kein geistliches Vermögen von sichselbst habe, zum Stande der Gnade zu gelan- gen: dieses aber, daß er keine Machine sey und durch die Gnade gezwungen werde; sondern daß er einen freyen Willen habe, und denselben mit Anwendung der geschenckten Gnaden-Kräf- te recht getreulich anwende. Beydes finden wir zusammen Jer. 31, 18. 19. Bekehre du mich, so werde ich bekehrt: Da ich bekehret ward, thäte ich Busse. 9. Es gedencket wol mancher, er gebrau- 10. Wahrhaftig bekehret seyn und GOtt 11. Es gedencke aber ja niemand, wenn er V. 10. Und zu warten (in lebendiger Zuversicht Anmerckungen. 1. Die Erlösung Christi ist eigentlich 2. Die noch künftige völlige Befreyung 3. Gleichergestalt wird das Wort künf- 4. Mit dem Worte Zorn wird die rich- 5. Und diese Straf-Gerechtigkeit ist des 6. Jm übrigen siehet man aus dem ersten Das
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 9. 10. [Spaltenumbruch]
der Menſch kein geiſtliches Vermoͤgen von ſichſelbſt habe, zum Stande der Gnade zu gelan- gen: dieſes aber, daß er keine Machine ſey und durch die Gnade gezwungen werde; ſondern daß er einen freyen Willen habe, und denſelben mit Anwendung der geſchenckten Gnaden-Kraͤf- te recht getreulich anwende. Beydes finden wir zuſammen Jer. 31, 18. 19. Bekehre du mich, ſo werde ich bekehrt: Da ich bekehret ward, thaͤte ich Buſſe. 9. Es gedencket wol mancher, er gebrau- 10. Wahrhaftig bekehret ſeyn und GOtt 11. Es gedencke aber ja niemand, wenn er V. 10. Und zu warten (in lebendiger Zuverſicht Anmerckungen. 1. Die Erloͤſung Chriſti iſt eigentlich 2. Die noch kuͤnftige voͤllige Befreyung 3. Gleichergeſtalt wird das Wort kuͤnf- 4. Mit dem Worte Zorn wird die rich- 5. Und dieſe Straf-Gerechtigkeit iſt des 6. Jm uͤbrigen ſiehet man aus dem erſten Das
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Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 9. 10.
der Menſch kein geiſtliches Vermoͤgen von ſich
ſelbſt habe, zum Stande der Gnade zu gelan-
gen: dieſes aber, daß er keine Machine ſey und
durch die Gnade gezwungen werde; ſondern
daß er einen freyen Willen habe, und denſelben
mit Anwendung der geſchenckten Gnaden-Kraͤf-
te recht getreulich anwende. Beydes finden wir
zuſammen Jer. 31, 18. 19. Bekehre du mich,
ſo werde ich bekehrt: Da ich bekehret ward,
thaͤte ich Buſſe.
9. Es gedencket wol mancher, er gebrau-
che keiner Bekehrung, da er ja nicht, wie die
Heyden, den Abgoͤttern diene: allein ſtehet man
nicht im Dienſte der groben Abgoͤtter, ſo hat
man ſich zu pruͤfen, ob man nicht noch unter der
Gewalt der beherrſchenden Suͤnde und des Sa-
tans ſtehe: von welcher man zum Lichte und zu
GOtt recht gruͤndlich bekehret ſeyn muß.
10. Wahrhaftig bekehret ſeyn und GOtt
dienen gehoͤret zuſammen, alſo daß eines ohne
das andere nicht beſtehen kan. Denn iſt die
Bekehrung ohne den wahren Dienſt GOttes, ſo
iſt ſie entweder nicht rechter Art geweſen, oder
man hat die Bekehrungs-Gnade durch Untreu
wieder verlohren. Jſt aber der Gottesdienſt
ohne wahre Bekehrung, ſo iſt er eitel und GOtt
mißfaͤllig.
11. Es gedencke aber ja niemand, wenn er
vom Gottesdienſte hoͤret und lieſet, daß Pau-
lus dadurch das aͤuſſerliche Kirchgehen und Pre-
digt hoͤren verſtehe. Denn er redet von dem
Dienſte, welcher GOtt mit dem glaͤubigen Her-
tzen und gottſeligen Leben geleiſtet wurde. Wo
ein ſolcher Dienſt-GOttes war, da wurde auch
die aͤuſſerliche Ubung und Erweckung zur An-
dacht geheiliget und geſegnet: ſonſt aber nicht.
Zum wahren Dienſt des lebendigen GOttes
gehoͤret ein durch das Blut Chriſti von den tod-
ten Wercken gereinigtes Hertz. Hebr. 9, 4.
V. 10.
Und zu warten (in lebendiger Zuverſicht
und Hoffnung) ſeines Sohnes vom Himmel
(der da als ein Richter der Lebendigen und der
Todten erſcheinen wird) welchen er (zum ge-
wiſſen Zeugniß, daß er ſeinen Tod zur guͤltigen
Bezahlung fuͤr unſere Suͤnde und Suͤnden-
Schuld in ſeinem Gerichte angenommen hat)
anferwecket hat von den Todten (da er, als
wahrer GOtt, ſich auch ſelbſt erwecket hat und
auferſtanden iſt aus eigner Kraft Joh. 2, 19. u. f.
c. 10, 17. 18. c. 11, 25.) JEſum, der uns von
dem zukuͤnftigen Zorn (welcher uͤber alle Un-
glaͤubigen und Gottloſen am juͤngſten Gerichte
entbrennen wird) erloͤſet hat.
Anmerckungen.
1. Die Erloͤſung Chriſti iſt eigentlich
durch ſeinen vollkommenen Gehorſam im Leben
und im Leiden geſchehen. Und dieſe Erloͤſung
ziehet diejenige voͤllige Errettung und Be-
freyung von allem Ubel nach ſich, welche den
Glaͤubigen bey der Zukunſt Chriſti widerfahren
wird: dahingegen die Straf-Gerichte GOttes
uͤber die ergehen werden, welche ſich die Erloͤ-
ſung Chriſti in der rechten Heyls-Ordnung nicht
zugeeignet haben. Und hievon redet der Apo-
ſtel alhie. Welche letzte Befreyung, als die voͤl-
lige Frucht der einmal geſchehenen Erloͤſung,
auch ſelbſt eine Erloͤſung, nemlich von allem
Ubel, genennet wird. Man ſehe Luc. 21, 28.
Rom. 8, 23. Eph. 4, 30.
2. Die noch kuͤnftige voͤllige Befreyung
wird mit dem participio præſentis temporis,
ῥυόμενος, als von einer ſchon gegenwaͤrtigen Sa-
che, deswegen ausgedrucket, weil ſie ſich als-
denn nicht erſt anhebet, ſondern immer in be-
ſtaͤndiger Wirckung fortgehet, bis ſie zu dem
voͤlligen Ausbruch ſchreiten wird. Darum von
derſelben Paulus ſagt. 2 Cor. 1, 10. GOtt hat
uns erloͤſet, erloͤſet noch taͤglich, und wir
hoffen auf ihn, er werde uns auch hinfort
erloͤſen, ἐῤῥύσατο, ῥύεται, ῥύσεται.
3. Gleichergeſtalt wird das Wort kuͤnf-
tig, mit dem participio præſentis temporis
ἐρχομένης gegeben, weil der kuͤnftige groſſe Ge-
richts-Tage ſchon im herzunahen iſt, und im-
mer naͤher koͤmmt, auch ſo viele Vor-Gerichte
uͤber die Gottloſen ausgeuͤbet worden.
4. Mit dem Worte Zorn wird die rich-
terliche Gerechtigkeit GOttes bezeichnet, in
ſofern ſie mit der wuͤrcklichen Strafe zur Execu-
tion ſchreitet.
5. Und dieſe Straf-Gerechtigkeit iſt des
dreyeinigen GOttes, und alſo auch des Sohnes
GOtt es; der uns doch aber davon erloͤſet hat
nach ſeinem uͤbernommenen Mittler-Amte.
Daher er denn uͤber die, welche ſolches an ſich
vergeblich ſeyn laſſen, die Straf-Gerichte in al-
ler Schaͤrfe wird ergehen laſſen; wie aus ſo
vielen vom juͤngſten Gericht handelnden Oer-
tern, und ſonderlich aus der Offenbahrung Jo-
hannis zu erſehen iſt. Darum werden wir da-
vor gewarnet, unter andern, Pſ. 2, 12. Da es
heißt: Kuͤſſet den Sohn, daß er nicht zuͤr-
ne, und ihr umkommet auf dem Wege.
Denn ſein Zorn wird bald anbrennen: aber
wohl allen, die auf ihn trauen!
6. Jm uͤbrigen ſiehet man aus dem erſten
Capitel dieſes Briefes, wie daß die Glaubigen
zu Theſſalonich gleich vom erſten Anfange an in
allen Haupt-Stuͤcken Chriſtlicher Lehre wohl
unterrichtet worden, nemlich in dem von der
Heiligen Dreyeinigkeit v. 3. 4. 15. von dem
Mittler-Amt Chriſti v. 10. von dem im
Wercke der Liebe und lebendigen Hoffnung zu
beweiſenden lebendigen Glauben v. 3. vom
Geheimniß des Creutzes Chriſti und der Chri-
ſten v. 6. von der Gnade der Goͤttlichen Beru-
fung und Bekehrung durch das Evangelium
v. 5. 6. 9. von der Erwehlung v. 4. von der
Zukunft des Sohnes GOttes, von der Aufer-
ſtehung der Todten und vom Juͤngſten Ge-
richte. v. 10.
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