Wir wollen euch aber, lieben Brü- der, nicht verhalten, (sondern vielmehr zur Stärckung eures Glaubens aufs neue bezeugen) von denen die da schlafen (in Christo selig ver- storben sind, was es mit ihnen für eine Beschaf- fenheit habe, daß sie nemlich auch dem Leibe nach durch die Auferstehung an der Herrlichkeit in der Zukunft Christi so wohl Theil haben wer- den, als dieienigen, welche bey derselben noch auf Erden im Leben werden angetroffen wer- den,) auf daß ihr nicht traurig seyd (weder der Eurigen wegen, die bereits in Christo ent- schlafen sind; noch in Ansehung euer selbst, in der Betrachtung, daß ihr die Zukunft Christi nicht erleben möchtet, und euch daher etwas an der Herrlichkeit vor den Lebendig-erfundenen abge- hen würde) wie die andern ([u]i loipoi, die übri- gen, nemlich Heyden) die (weil sie die von der künftigen Auferstehung in der heiligen Schrift gegebene Verrheissungen nicht erkennen und gläubig annehmen, daher auch) keine Hoffnung (davon) haben (und also die elendesten Leute anf der Welt sind, welche sich gegen die Furcht des Todes mit nichts zu trösten wissen.)
Anmerckungen.
1. Da das me agnoei~n, einer Sache nicht unwissend seyn, so viel heißt, als sie gar wohl er- kennen, das wohl und gewiß erkennen aber so viel ist, als glauben, Hiob 19, 25. Jes. 53, 11. Joh. 17, 3. so führet der Apostel die gläubigen Thessalonicher auf diejenige Glaubens-Stär- ckung, welcher sie, wie er von Timotheo vernom- men haben mochte, zum wenigsten zum Theil, in Ansehung der Lehre von der Auferstehung der Todten und der Zukunft Christi, noch wol benö- thiget waren.
2. Daß der Tod ein Schlaf genennet werde, das ist etwas gewöhnliches in der Heili- gen Schrift. Siehe unter andern 2. Sam. 7, 12. 1 Kön. 2, 10. Matth. 9, 24. Joh. 11, 11. Ap. Ges. 13, 36. 1 Cor. 11, 30. c. 15, 20. Und obwol das Wort Schlaf, entschlafen, von den Gläu- bigen mit besonderm Nachdruck gesaget wird; so wird es doch auch vom Tode insgemein, und oft auch vom Tode der Gottlosen gebrauchet, als Dan. 12, 2. 1 Pet. 3, 4. Es sey aber ferne, das entschlafen also auf die Seele zu appliciren, daß man sagen wolte, sie gerathe durch den Tod, oder durch ihre Scheidung vom Leibe, in eine sölche Unempfindlichkeit, als sie auf gewisse Art bey den leiblichem Schlafe des Leibes hat. Denn weil die Seele ein unsterblicher Geist ist, so ste- het ihr vom Leibe abgesonderter Zustand der Empfindung uud ihren eigentlichen Wirckungen so vielweniger entgegen, so viel ungehinderter sie alsdenn darinnen ist. Das Sterben aber wird daher ein Entschlafen genennet, weil es nach dem ordentlichen Laufe der Natur dem Menschen nach einer solchen Entkräftung der Natur widerfähret, als der Mensch nach dem Wachen, und sonderlich nach vieler ermüden- der Arbeit zum Schlafe empfindet: und noch mehr daher, weil, wie auf den Schlaf das Er- [Spaltenumbruch]
wachen erfolget, also nach dem Tode die Aufer- stehung erfolgen wird.
3. Daß ein Christ über einen sölchen Tod- ten, der ihn nahe angehet, und dessen sonderba- rer Freundschaft und Liebe er genossen hat, eine Traurigkeit empfinde und bezeuge, ist GOTT nicht zuwider, wenn sie nur wohlgeordnet und gemäßiget ist, und nicht nach heydnischer Art ge- schiehet, als welches der Apostel alhie eigentlich nur mißbilliget. Denn es haben auch die heili- gen Patriarchen die ihrigen auf eine GOtt-ge- fällige Art betrauret, als Abraham die Sara. 1 B. Mos. 23, 2. Joseph den Jacob c. 50, 1. Ma- ria, ja Christus selbst, Lazarum, Joh. 11, 35. 36. die erste Christliche Gemeine Stephanum. Ap. Ges. 8, 2. wie denn noch Paulus sich über den Epaphroditum betrübte, da er todt kranck war Phil. 2, 27. Es wird aber in der That nicht der Zustand eines selig-Verstorbenen, sondern nur das betrauret, oder bedauret, daß man seines Umgangs, oder auch des Guten, das man von ihm gehabt, beraubet worden. Daß aber das gemeine Trauren, das bloß aus Gewohnheit, und dazu oft mit vielen unnöthigen Kosten ange- stellet wird, eine blosse bürgerliche, und dabey unter vieler Eitelkeit liegende Ceremonie sey, ist an sich selbst schon bekant genug.
4. Den Heyden wolte von der Christlichen Religion fast kein Glaubens-Articul schwerer eingehen, als der von der Auferstehung der Tod- ten; denn ob sie gleich größten Theils die Seele für unsterblich hielten, auch den abgeschiedenen Seelen einen seligen oder unseligen Zustand zu- eigneten: so war ihnen doch die Auferstehung der Leiber unglaublich; und dabey wurde die Erkäntniß von einem noch künftigen andern Le- ben, so der Seel bevorstehe, dergestalt geschwä- chet, daß auch davon bey sehr vielen eine sehr schlechte Hoffnung übrig geblieben. Wenn ih- nen nun durch den zeitlichen Tod die vertraute- sten Freunde entrissen wurden, zumal unvermu- thet; so geriethen sie darüber in eine solche Be- trübniß, darinn sie sich mit nichts aufzurichten wußten. Und also waren sie auch dißfals recht elende Leute.
5. Wie wohl sind demnach wir Christen daran, da wir unter andern Glaubens-Lehren auch diese von der künftigen Auferstehung der todten Leiber in der heiligen Schrift so klar und herrlich geoffenbahret finden. Woran denn die Christliche Religion einen beson- dern Character hat, daß sie wahrhaftig von GOtt herrühret, göttlich ist, und zu GOTT führet.
6. Nun haben zwar die gläubigen Thessa- lonicher an der Auferstehung selbst nicht gezwei- felt; sintemal diese Lehre eine von den ersten Haupt-Stücken war, welche den ersten erwach- senen Christen auch noch vor ihrer Taufe einge- schärfet worden Hebr. 6, 2. und zwar bey Gele- genheit des Vortrages von dem Tode und von der Auferstehung Christi; und wird sie Paulus so vielweniger unterlassen haben, so vielmehr er sich beziehet auf andere ihnen gegebene Lehren, ob sie gleich nicht von gleichem Gewichte, doch
aber
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 13.
[Spaltenumbruch]
V. 13.
Wir wollen euch aber, lieben Bruͤ- der, nicht verhalten, (ſondern vielmehr zur Staͤrckung eures Glaubens aufs neue bezeugen) von denen die da ſchlafen (in Chriſto ſelig ver- ſtorben ſind, was es mit ihnen fuͤr eine Beſchaf- fenheit habe, daß ſie nemlich auch dem Leibe nach durch die Auferſtehung an der Herrlichkeit in der Zukunft Chriſti ſo wohl Theil haben wer- den, als dieienigen, welche bey derſelben noch auf Erden im Leben werden angetroffen wer- den,) auf daß ihr nicht traurig ſeyd (weder der Eurigen wegen, die bereits in Chriſto ent- ſchlafen ſind; noch in Anſehung euer ſelbſt, in der Betrachtung, daß ihr die Zukunft Chriſti nicht erleben moͤchtet, und euch daher etwas an der Herrlichkeit vor den Lebendig-erfundenen abge- hen wuͤrde) wie die andern ([ὺ]ι λοιποὶ, die uͤbri- gen, nemlich Heyden) die (weil ſie die von der kuͤnftigen Auferſtehung in der heiligen Schrift gegebene Verrheiſſungen nicht erkennen und glaͤubig annehmen, daher auch) keine Hoffnung (davon) haben (und alſo die elendeſten Leute anf der Welt ſind, welche ſich gegen die Furcht des Todes mit nichts zu troͤſten wiſſen.)
Anmerckungen.
1. Da das μὴ ἀγνοει῀ν, einer Sache nicht unwiſſend ſeyn, ſo viel heißt, als ſie gar wohl er- kennen, das wohl und gewiß erkennen aber ſo viel iſt, als glauben, Hiob 19, 25. Jeſ. 53, 11. Joh. 17, 3. ſo fuͤhret der Apoſtel die glaͤubigen Theſſalonicher auf diejenige Glaubens-Staͤr- ckung, welcher ſie, wie er von Timotheo vernom- men haben mochte, zum wenigſten zum Theil, in Anſehung der Lehre von der Auferſtehung der Todten und der Zukunft Chriſti, noch wol benoͤ- thiget waren.
2. Daß der Tod ein Schlaf genennet werde, das iſt etwas gewoͤhnliches in der Heili- gen Schrift. Siehe unter andern 2. Sam. 7, 12. 1 Koͤn. 2, 10. Matth. 9, 24. Joh. 11, 11. Ap. Geſ. 13, 36. 1 Cor. 11, 30. c. 15, 20. Und obwol das Wort Schlaf, entſchlafen, von den Glaͤu- bigen mit beſonderm Nachdruck geſaget wird; ſo wird es doch auch vom Tode insgemein, und oft auch vom Tode der Gottloſen gebrauchet, als Dan. 12, 2. 1 Pet. 3, 4. Es ſey aber ferne, das entſchlafen alſo auf die Seele zu appliciren, daß man ſagen wolte, ſie gerathe durch den Tod, oder durch ihre Scheidung vom Leibe, in eine ſoͤlche Unempfindlichkeit, als ſie auf gewiſſe Art bey den leiblichem Schlafe des Leibes hat. Denn weil die Seele ein unſterblicher Geiſt iſt, ſo ſte- het ihr vom Leibe abgeſonderter Zuſtand der Empfindung uud ihren eigentlichen Wirckungen ſo vielweniger entgegen, ſo viel ungehinderter ſie alsdenn darinnen iſt. Das Sterben aber wird daher ein Entſchlafen genennet, weil es nach dem ordentlichen Laufe der Natur dem Menſchen nach einer ſolchen Entkraͤftung der Natur widerfaͤhret, als der Menſch nach dem Wachen, und ſonderlich nach vieler ermuͤden- der Arbeit zum Schlafe empfindet: und noch mehr daher, weil, wie auf den Schlaf das Er- [Spaltenumbruch]
wachen erfolget, alſo nach dem Tode die Aufer- ſtehung erfolgen wird.
3. Daß ein Chriſt uͤber einen ſoͤlchen Tod- ten, der ihn nahe angehet, und deſſen ſonderba- rer Freundſchaft und Liebe er genoſſen hat, eine Traurigkeit empfinde und bezeuge, iſt GOTT nicht zuwider, wenn ſie nur wohlgeordnet und gemaͤßiget iſt, und nicht nach heydniſcher Art ge- ſchiehet, als welches der Apoſtel alhie eigentlich nur mißbilliget. Denn es haben auch die heili- gen Patriarchen die ihrigen auf eine GOtt-ge- faͤllige Art betrauret, als Abraham die Sara. 1 B. Moſ. 23, 2. Joſeph den Jacob c. 50, 1. Ma- ria, ja Chriſtus ſelbſt, Lazarum, Joh. 11, 35. 36. die erſte Chriſtliche Gemeine Stephanum. Ap. Geſ. 8, 2. wie denn noch Paulus ſich uͤber den Epaphroditum betruͤbte, da er todt kranck war Phil. 2, 27. Es wird aber in der That nicht der Zuſtand eines ſelig-Verſtorbenen, ſondern nur das betrauret, oder bedauret, daß man ſeines Umgangs, oder auch des Guten, das man von ihm gehabt, beraubet worden. Daß aber das gemeine Trauren, das bloß aus Gewohnheit, und dazu oft mit vielen unnoͤthigen Koſten ange- ſtellet wird, eine bloſſe buͤrgerliche, und dabey unter vieler Eitelkeit liegende Ceremonie ſey, iſt an ſich ſelbſt ſchon bekant genug.
4. Den Heyden wolte von der Chriſtlichen Religion faſt kein Glaubens-Articul ſchwerer eingehen, als der von der Auferſtehung der Tod- ten; denn ob ſie gleich groͤßten Theils die Seele fuͤr unſterblich hielten, auch den abgeſchiedenen Seelen einen ſeligen oder unſeligen Zuſtand zu- eigneten: ſo war ihnen doch die Auferſtehung der Leiber unglaublich; und dabey wurde die Erkaͤntniß von einem noch kuͤnftigen andern Le- ben, ſo der Seel bevorſtehe, dergeſtalt geſchwaͤ- chet, daß auch davon bey ſehr vielen eine ſehr ſchlechte Hoffnung uͤbrig geblieben. Wenn ih- nen nun durch den zeitlichen Tod die vertraute- ſten Freunde entriſſen wurden, zumal unvermu- thet; ſo geriethen ſie daruͤber in eine ſolche Be- truͤbniß, darinn ſie ſich mit nichts aufzurichten wußten. Und alſo waren ſie auch dißfals recht elende Leute.
5. Wie wohl ſind demnach wir Chriſten daran, da wir unter andern Glaubens-Lehren auch dieſe von der kuͤnftigen Auferſtehung der todten Leiber in der heiligen Schrift ſo klar und herrlich geoffenbahret finden. Woran denn die Chriſtliche Religion einen beſon- dern Character hat, daß ſie wahrhaftig von GOtt herruͤhret, goͤttlich iſt, und zu GOTT fuͤhret.
6. Nun haben zwar die glaͤubigen Theſſa- lonicher an der Auferſtehung ſelbſt nicht gezwei- felt; ſintemal dieſe Lehre eine von den erſten Haupt-Stuͤcken war, welche den erſten erwach- ſenen Chriſten auch noch vor ihrer Taufe einge- ſchaͤrfet worden Hebr. 6, 2. und zwar bey Gele- genheit des Vortrages von dem Tode und von der Auferſtehung Chriſti; und wird ſie Paulus ſo vielweniger unterlaſſen haben, ſo vielmehr er ſich beziehet auf andere ihnen gegebene Lehren, ob ſie gleich nicht von gleichem Gewichte, doch
aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0032"n="30"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 13.</hi></fw><lb/><cb/></div></div><divn="3"><head><hirendition="#b">V. 13.</hi></head><lb/><p><hirendition="#fr">Wir wollen euch aber, lieben Bruͤ-<lb/>
der, nicht verhalten,</hi> (ſondern vielmehr zur<lb/>
Staͤrckung eures Glaubens aufs neue bezeugen)<lb/><hirendition="#fr">von denen die da ſchlafen</hi> (in Chriſto ſelig ver-<lb/>ſtorben ſind, was es mit ihnen fuͤr eine Beſchaf-<lb/>
fenheit habe, daß ſie nemlich auch dem Leibe<lb/>
nach durch die Auferſtehung an der Herrlichkeit<lb/>
in der Zukunft Chriſti ſo wohl Theil haben wer-<lb/>
den, als dieienigen, welche bey derſelben noch<lb/>
auf Erden im Leben werden angetroffen wer-<lb/>
den,) <hirendition="#fr">auf daß ihr nicht traurig ſeyd</hi> (weder<lb/>
der Eurigen wegen, die bereits in Chriſto ent-<lb/>ſchlafen ſind; noch in Anſehung euer ſelbſt, in der<lb/>
Betrachtung, daß ihr die Zukunft Chriſti nicht<lb/>
erleben moͤchtet, und euch daher etwas an der<lb/>
Herrlichkeit vor den Lebendig-erfundenen abge-<lb/>
hen wuͤrde) <hirendition="#fr">wie die andern</hi> (<supplied>ὺ</supplied>ιλοιποὶ, die uͤbri-<lb/>
gen, nemlich Heyden) <hirendition="#fr">die</hi> (weil ſie die von der<lb/>
kuͤnftigen Auferſtehung in der heiligen Schrift<lb/>
gegebene Verrheiſſungen nicht erkennen und<lb/>
glaͤubig annehmen, daher auch) <hirendition="#fr">keine Hoffnung</hi><lb/>
(davon) <hirendition="#fr">haben</hi> (und alſo die elendeſten Leute<lb/>
anf der Welt ſind, welche ſich gegen die Furcht<lb/>
des Todes mit nichts zu troͤſten wiſſen.)</p><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Anmerckungen.</hi></head><lb/><p>1. Da das μὴἀγνοει῀ν, einer Sache nicht<lb/>
unwiſſend ſeyn, ſo viel heißt, als ſie gar wohl er-<lb/>
kennen, das wohl und gewiß erkennen aber ſo<lb/>
viel iſt, als glauben, Hiob 19, 25. Jeſ. 53, 11.<lb/>
Joh. 17, 3. ſo fuͤhret der Apoſtel die glaͤubigen<lb/>
Theſſalonicher auf diejenige Glaubens-Staͤr-<lb/>
ckung, welcher ſie, wie er von Timotheo vernom-<lb/>
men haben mochte, zum wenigſten zum Theil, in<lb/>
Anſehung der Lehre von der Auferſtehung der<lb/>
Todten und der Zukunft Chriſti, noch wol benoͤ-<lb/>
thiget waren.</p><lb/><p>2. Daß der <hirendition="#fr">Tod</hi> ein <hirendition="#fr">Schlaf</hi> genennet<lb/>
werde, das iſt etwas gewoͤhnliches in der Heili-<lb/>
gen Schrift. Siehe unter andern 2. Sam. 7,<lb/>
12. 1 Koͤn. 2, 10. Matth. 9, 24. Joh. 11, 11. Ap.<lb/>
Geſ. 13, 36. 1 Cor. 11, 30. c. 15, 20. Und obwol<lb/>
das Wort Schlaf, entſchlafen, von den Glaͤu-<lb/>
bigen mit beſonderm Nachdruck geſaget wird;<lb/>ſo wird es doch auch vom Tode insgemein, und<lb/>
oft auch vom Tode der Gottloſen gebrauchet, als<lb/>
Dan. 12, 2. 1 Pet. 3, 4. Es ſey aber ferne, das<lb/>
entſchlafen alſo auf die Seele zu appliciren, daß<lb/>
man ſagen wolte, ſie gerathe durch den Tod,<lb/>
oder durch ihre Scheidung vom Leibe, in eine<lb/>ſoͤlche Unempfindlichkeit, als ſie auf gewiſſe Art<lb/>
bey den leiblichem Schlafe des Leibes hat. Denn<lb/>
weil die Seele ein unſterblicher Geiſt iſt, ſo ſte-<lb/>
het ihr vom Leibe abgeſonderter Zuſtand der<lb/>
Empfindung uud ihren eigentlichen Wirckungen<lb/>ſo vielweniger entgegen, ſo viel ungehinderter<lb/>ſie alsdenn darinnen iſt. Das <hirendition="#fr">Sterben</hi> aber<lb/>
wird daher ein <hirendition="#fr">Entſchlafen</hi> genennet, weil<lb/>
es nach dem ordentlichen Laufe der Natur dem<lb/>
Menſchen nach einer ſolchen Entkraͤftung der<lb/>
Natur widerfaͤhret, als der Menſch nach dem<lb/>
Wachen, und ſonderlich nach vieler ermuͤden-<lb/>
der Arbeit zum Schlafe empfindet: und noch<lb/>
mehr daher, weil, wie auf den Schlaf das Er-<lb/><cb/>
wachen erfolget, alſo nach dem Tode die Aufer-<lb/>ſtehung erfolgen wird.</p><lb/><p>3. Daß ein Chriſt uͤber einen ſoͤlchen Tod-<lb/>
ten, der ihn nahe angehet, und deſſen ſonderba-<lb/>
rer Freundſchaft und Liebe er genoſſen hat, eine<lb/>
Traurigkeit empfinde und bezeuge, iſt GOTT<lb/>
nicht zuwider, wenn ſie nur wohlgeordnet und<lb/>
gemaͤßiget iſt, und nicht nach heydniſcher Art ge-<lb/>ſchiehet, als welches der Apoſtel alhie eigentlich<lb/>
nur mißbilliget. Denn es haben auch die heili-<lb/>
gen Patriarchen die ihrigen auf eine GOtt-ge-<lb/>
faͤllige Art betrauret, als Abraham die Sara.<lb/>
1 B. Moſ. 23, 2. Joſeph den Jacob c. 50, 1. Ma-<lb/>
ria, ja Chriſtus ſelbſt, Lazarum, Joh. 11, 35. 36.<lb/>
die erſte Chriſtliche Gemeine Stephanum. Ap.<lb/>
Geſ. 8, 2. wie denn noch Paulus ſich uͤber den<lb/>
Epaphroditum betruͤbte, da er todt kranck war<lb/>
Phil. 2, 27. Es wird aber in der That nicht der<lb/>
Zuſtand eines ſelig-Verſtorbenen, ſondern nur<lb/>
das betrauret, oder bedauret, daß man ſeines<lb/>
Umgangs, oder auch des Guten, das man von<lb/>
ihm gehabt, beraubet worden. Daß aber das<lb/>
gemeine Trauren, das bloß aus Gewohnheit,<lb/>
und dazu oft mit vielen unnoͤthigen Koſten ange-<lb/>ſtellet wird, eine bloſſe buͤrgerliche, und dabey<lb/>
unter vieler Eitelkeit liegende Ceremonie ſey, iſt<lb/>
an ſich ſelbſt ſchon bekant genug.</p><lb/><p>4. Den Heyden wolte von der Chriſtlichen<lb/>
Religion faſt kein Glaubens-Articul ſchwerer<lb/>
eingehen, als der von der Auferſtehung der Tod-<lb/>
ten; denn ob ſie gleich groͤßten Theils die Seele<lb/>
fuͤr unſterblich hielten, auch den abgeſchiedenen<lb/>
Seelen einen ſeligen oder unſeligen Zuſtand zu-<lb/>
eigneten: ſo war ihnen doch die Auferſtehung<lb/>
der Leiber unglaublich; und dabey wurde die<lb/>
Erkaͤntniß von einem noch kuͤnftigen andern Le-<lb/>
ben, ſo der Seel bevorſtehe, dergeſtalt geſchwaͤ-<lb/>
chet, daß auch davon bey ſehr vielen eine ſehr<lb/>ſchlechte Hoffnung uͤbrig geblieben. Wenn ih-<lb/>
nen nun durch den zeitlichen Tod die vertraute-<lb/>ſten Freunde entriſſen wurden, zumal unvermu-<lb/>
thet; ſo geriethen ſie daruͤber in eine ſolche Be-<lb/>
truͤbniß, darinn ſie ſich mit nichts aufzurichten<lb/>
wußten. Und alſo waren ſie auch dißfals recht<lb/>
elende Leute.</p><lb/><p>5. Wie wohl ſind demnach wir Chriſten<lb/>
daran, da wir unter andern Glaubens-Lehren<lb/>
auch dieſe von der kuͤnftigen Auferſtehung der<lb/>
todten Leiber in der heiligen Schrift ſo klar<lb/>
und herrlich geoffenbahret finden. Woran<lb/>
denn die Chriſtliche Religion einen beſon-<lb/>
dern Character hat, daß ſie wahrhaftig von<lb/>
GOtt herruͤhret, goͤttlich iſt, und zu GOTT<lb/>
fuͤhret.</p><lb/><p>6. Nun haben zwar die glaͤubigen Theſſa-<lb/>
lonicher an der Auferſtehung ſelbſt nicht gezwei-<lb/>
felt; ſintemal dieſe Lehre eine von den erſten<lb/>
Haupt-Stuͤcken war, welche den erſten erwach-<lb/>ſenen Chriſten auch noch vor ihrer Taufe einge-<lb/>ſchaͤrfet worden Hebr. 6, 2. und zwar bey Gele-<lb/>
genheit des Vortrages von dem Tode und von<lb/>
der Auferſtehung Chriſti; und wird ſie Paulus<lb/>ſo vielweniger unterlaſſen haben, ſo vielmehr er<lb/>ſich beziehet auf andere ihnen gegebene Lehren,<lb/>
ob ſie gleich nicht von gleichem Gewichte, doch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">aber</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[30/0032]
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 13.
V. 13.
Wir wollen euch aber, lieben Bruͤ-
der, nicht verhalten, (ſondern vielmehr zur
Staͤrckung eures Glaubens aufs neue bezeugen)
von denen die da ſchlafen (in Chriſto ſelig ver-
ſtorben ſind, was es mit ihnen fuͤr eine Beſchaf-
fenheit habe, daß ſie nemlich auch dem Leibe
nach durch die Auferſtehung an der Herrlichkeit
in der Zukunft Chriſti ſo wohl Theil haben wer-
den, als dieienigen, welche bey derſelben noch
auf Erden im Leben werden angetroffen wer-
den,) auf daß ihr nicht traurig ſeyd (weder
der Eurigen wegen, die bereits in Chriſto ent-
ſchlafen ſind; noch in Anſehung euer ſelbſt, in der
Betrachtung, daß ihr die Zukunft Chriſti nicht
erleben moͤchtet, und euch daher etwas an der
Herrlichkeit vor den Lebendig-erfundenen abge-
hen wuͤrde) wie die andern (ὺι λοιποὶ, die uͤbri-
gen, nemlich Heyden) die (weil ſie die von der
kuͤnftigen Auferſtehung in der heiligen Schrift
gegebene Verrheiſſungen nicht erkennen und
glaͤubig annehmen, daher auch) keine Hoffnung
(davon) haben (und alſo die elendeſten Leute
anf der Welt ſind, welche ſich gegen die Furcht
des Todes mit nichts zu troͤſten wiſſen.)
Anmerckungen.
1. Da das μὴ ἀγνοει῀ν, einer Sache nicht
unwiſſend ſeyn, ſo viel heißt, als ſie gar wohl er-
kennen, das wohl und gewiß erkennen aber ſo
viel iſt, als glauben, Hiob 19, 25. Jeſ. 53, 11.
Joh. 17, 3. ſo fuͤhret der Apoſtel die glaͤubigen
Theſſalonicher auf diejenige Glaubens-Staͤr-
ckung, welcher ſie, wie er von Timotheo vernom-
men haben mochte, zum wenigſten zum Theil, in
Anſehung der Lehre von der Auferſtehung der
Todten und der Zukunft Chriſti, noch wol benoͤ-
thiget waren.
2. Daß der Tod ein Schlaf genennet
werde, das iſt etwas gewoͤhnliches in der Heili-
gen Schrift. Siehe unter andern 2. Sam. 7,
12. 1 Koͤn. 2, 10. Matth. 9, 24. Joh. 11, 11. Ap.
Geſ. 13, 36. 1 Cor. 11, 30. c. 15, 20. Und obwol
das Wort Schlaf, entſchlafen, von den Glaͤu-
bigen mit beſonderm Nachdruck geſaget wird;
ſo wird es doch auch vom Tode insgemein, und
oft auch vom Tode der Gottloſen gebrauchet, als
Dan. 12, 2. 1 Pet. 3, 4. Es ſey aber ferne, das
entſchlafen alſo auf die Seele zu appliciren, daß
man ſagen wolte, ſie gerathe durch den Tod,
oder durch ihre Scheidung vom Leibe, in eine
ſoͤlche Unempfindlichkeit, als ſie auf gewiſſe Art
bey den leiblichem Schlafe des Leibes hat. Denn
weil die Seele ein unſterblicher Geiſt iſt, ſo ſte-
het ihr vom Leibe abgeſonderter Zuſtand der
Empfindung uud ihren eigentlichen Wirckungen
ſo vielweniger entgegen, ſo viel ungehinderter
ſie alsdenn darinnen iſt. Das Sterben aber
wird daher ein Entſchlafen genennet, weil
es nach dem ordentlichen Laufe der Natur dem
Menſchen nach einer ſolchen Entkraͤftung der
Natur widerfaͤhret, als der Menſch nach dem
Wachen, und ſonderlich nach vieler ermuͤden-
der Arbeit zum Schlafe empfindet: und noch
mehr daher, weil, wie auf den Schlaf das Er-
wachen erfolget, alſo nach dem Tode die Aufer-
ſtehung erfolgen wird.
3. Daß ein Chriſt uͤber einen ſoͤlchen Tod-
ten, der ihn nahe angehet, und deſſen ſonderba-
rer Freundſchaft und Liebe er genoſſen hat, eine
Traurigkeit empfinde und bezeuge, iſt GOTT
nicht zuwider, wenn ſie nur wohlgeordnet und
gemaͤßiget iſt, und nicht nach heydniſcher Art ge-
ſchiehet, als welches der Apoſtel alhie eigentlich
nur mißbilliget. Denn es haben auch die heili-
gen Patriarchen die ihrigen auf eine GOtt-ge-
faͤllige Art betrauret, als Abraham die Sara.
1 B. Moſ. 23, 2. Joſeph den Jacob c. 50, 1. Ma-
ria, ja Chriſtus ſelbſt, Lazarum, Joh. 11, 35. 36.
die erſte Chriſtliche Gemeine Stephanum. Ap.
Geſ. 8, 2. wie denn noch Paulus ſich uͤber den
Epaphroditum betruͤbte, da er todt kranck war
Phil. 2, 27. Es wird aber in der That nicht der
Zuſtand eines ſelig-Verſtorbenen, ſondern nur
das betrauret, oder bedauret, daß man ſeines
Umgangs, oder auch des Guten, das man von
ihm gehabt, beraubet worden. Daß aber das
gemeine Trauren, das bloß aus Gewohnheit,
und dazu oft mit vielen unnoͤthigen Koſten ange-
ſtellet wird, eine bloſſe buͤrgerliche, und dabey
unter vieler Eitelkeit liegende Ceremonie ſey, iſt
an ſich ſelbſt ſchon bekant genug.
4. Den Heyden wolte von der Chriſtlichen
Religion faſt kein Glaubens-Articul ſchwerer
eingehen, als der von der Auferſtehung der Tod-
ten; denn ob ſie gleich groͤßten Theils die Seele
fuͤr unſterblich hielten, auch den abgeſchiedenen
Seelen einen ſeligen oder unſeligen Zuſtand zu-
eigneten: ſo war ihnen doch die Auferſtehung
der Leiber unglaublich; und dabey wurde die
Erkaͤntniß von einem noch kuͤnftigen andern Le-
ben, ſo der Seel bevorſtehe, dergeſtalt geſchwaͤ-
chet, daß auch davon bey ſehr vielen eine ſehr
ſchlechte Hoffnung uͤbrig geblieben. Wenn ih-
nen nun durch den zeitlichen Tod die vertraute-
ſten Freunde entriſſen wurden, zumal unvermu-
thet; ſo geriethen ſie daruͤber in eine ſolche Be-
truͤbniß, darinn ſie ſich mit nichts aufzurichten
wußten. Und alſo waren ſie auch dißfals recht
elende Leute.
5. Wie wohl ſind demnach wir Chriſten
daran, da wir unter andern Glaubens-Lehren
auch dieſe von der kuͤnftigen Auferſtehung der
todten Leiber in der heiligen Schrift ſo klar
und herrlich geoffenbahret finden. Woran
denn die Chriſtliche Religion einen beſon-
dern Character hat, daß ſie wahrhaftig von
GOtt herruͤhret, goͤttlich iſt, und zu GOTT
fuͤhret.
6. Nun haben zwar die glaͤubigen Theſſa-
lonicher an der Auferſtehung ſelbſt nicht gezwei-
felt; ſintemal dieſe Lehre eine von den erſten
Haupt-Stuͤcken war, welche den erſten erwach-
ſenen Chriſten auch noch vor ihrer Taufe einge-
ſchaͤrfet worden Hebr. 6, 2. und zwar bey Gele-
genheit des Vortrages von dem Tode und von
der Auferſtehung Chriſti; und wird ſie Paulus
ſo vielweniger unterlaſſen haben, ſo vielmehr er
ſich beziehet auf andere ihnen gegebene Lehren,
ob ſie gleich nicht von gleichem Gewichte, doch
aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/32>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.