Denn er (der Levi) war ie noch in den Lenden seines Vaters (Abrahams, der, als sein Aelter-Vater, alhier nach der Hebräischen Redens-Art den Namen des Vaters träget: in dessen Lenden war er noch, das ist, er war noch ungeboren, und zwar so viel mehr, da auch sein Vater, Jacob, und Groß-Vater, Jsaac noch un- geboren waren, und erst aus dem Samen Abra- hams herstammen solten) da ihm Melchise- dech entgegen ging (und wie den Zehenden von ihm annahme, also ihm dagegen den Segen er- theilte.)
V. 11.
Jst nun die Vollkommenheit (die Vollendung unserer Erlösung und Versöhnung) durch (dia, durch in notione Caussae effici- entis) das Levitische Priesterthum gesche- hen; denn unter demselben hat das Volck das Gesetz empfangen, (denn dazu, zur Voll- kommenheit, solche von uns zu fordern und zu lei- sten, ist dem Volcke das Gesetz gegeben) was ist denn weiter noth zu sagen (nemlich lan- ge nachhero im 100 Psalm) daß ein ander Priester aufkommen soll, nach der Ord- nung (Weise, und Gleichheit) Melchisedech, und nicht nach der Ordnung Aaron.
Anmerckungen.
1. Zuvorderst ist alhier die Verbindung die- ses Textes mit dem gantzen vorhergehenden wohl zu mercken. Der Apostel hat bisher angezeiget, wie wichtig das Hohepriesterthum Christi sey, und was es für einen Vorzug vor dem Levitischen habe; welches er unter dem vom Melchisedech her- genommenen Vorbilde vorgestellet und erläutert hat. Darauf fähret nun der Apostel in dieser Materie also fort, daß er anzeiget, das am Mel- chisedech vorgestellete Priesterthum Christi sey von der Beschaffenheit, daß es das Levitische auf- hebe; zumal da dieses von der Unvollkommenheit sey, daß es uns an sich selbst die Seligkeit nicht könne zuwege bringen.
2. Das Wort teleiosis, welches Luthe- rus durch Vollkommenheit übersetzet hat, ist al- hier so viel als eine solche Wiederbringung unsers Heyls und eine solche Vollkommenmachung auf, oder nach welcher nichts anders mehr nöthig ist.
3. Eine solche völlige Herstellung unsers Heyls setzten die blinden Juden (von dero Jrrthü- mern der Apostel die gläubigen Hebräer immer mehr abzuführen suchet) in Levitischen Satzungen, deren Mittel-Punct gleichsam das Priesterthum war. Damit er nun zeigen möchte, wie sehr sie daran irreten so spricht er: Jst die Vollkom- menheit, oder Vollkommenmachung durch das Levitische Priesterthum geschehen, was ist denn weiter noth zu sagen, daß ein ander Priester aufkommen solte, nach der Ordnung Melchisedech, und nicht nach der Ordnung Aaron? welche ihrem eigentli- chem Verstande nach eine nachdrückliche Ver- neinung in sich hält, nemlich daß das Levitische [Spaltenumbruch]
Priesterthum zur Seligkeit nicht hinlänglich sey. Und ist die ratio negationis, der Grund der Verneinung, davon hergenommen, daß GOtt noch lange nachher, nach dem schon errichtet ge- wesenen Levitischen Priesterthum das Meßiani- sche Priesterthum als ein solches verheissen hat, welches von einer gantz andern Ordnung, nem- lich des Melchisedechs, nicht aber des Aarons seyn solte.
4. Damit man die Kraft der Rede Pauli desto besser mercke, so kan man sich dieselbe in die- ser völligen Schluß-Rede vorstellen:
Wenn die Vollkommenheit, oder die Voll- endung unsers Heyls durch das Levitische Prie- sterthum geschehen wäre, so würde GOtt nicht lange nachhero noch von dem Meßianischen Prie- sterthum als einem nicht Aaronischen, sondern Melchisedechischen gesaget haben.
Nun aber hat er noch lange nachher im hundert und zehenden Psalm durch David von dem Meßi- anischen als Melchisedechischen, nicht aber Aaro- nitischen gesaget.
Darum folget daraus, daß das Levitische Prie- sterthum zur Wiederbringung unsers Heyls nicht muß hinlänglich seyn. Dabey denn zu mercken ist, daß der Sensus im hundert und zehnden Psal. von dem Meßianischen nach der Ordnung Melchi- sedechs aufzurichten[de]n Priesterthum exclusive sey, oder das Meßianische also setze, daß es das Aa- ronitische ausschliesse. Denn in solchem Nach- drucke führet Paulus alhier den Ort an, daß er nicht allein saget mit einer Bejahung: nach der Ordnung Melchisedech: sondern auch mit ei- ner Verneinung: nicht nach der Ordnung Aaron.
5. Dabey ist aber auch dieses wohl in acht zu nehmen, daß das Aaronitische Priesterthum dem Meßianischen und Melchisedechianischen ent- gegen gesetzet werde, nicht an sich selbst, und nach der göttlichen Verordnung; als nach welcher es auf eine vortrefliche Art auf Christum und auf sein hohes Priesterthum im Vorbilde wiese: son- dern in Ansehung der Judischen irrigen Meynung, nach welcher man dem Levitischen Priesterthum die Wiederbringung des Heyls an sich selbst zu- schrieb, und von keinem Meßianischen Priester- thum wissen wolte, sondern an dem Meßia nur ei- nen blossen König von Jsrael erwartete. Da- gegen nun der Apostel die irrigen Juden vom Le- vitischen Priesterthum abführet, und sie auf das Meßianische weiset. Dazu sich denn das Vor- bild des Melchisedechs vortreflich schickte, da die- ser nicht allein ein König, sondern auch ein Prie- ster des Allerhöchsten gewesen, und über das noch lange nach dem schon verordneten Levitischen Priesterthum durch David im 100 Psalm von GOtt verheissen war, daß das Meßianische Prie- sterthum nicht von Aaronitischer, sondern Mel- chisedechischer Weise seyn solte, so viel nemlich nach der Schwachheit des Vorbildes am Mel- chisedech konte vorgestellet werden: als welches sonderlich darauf ankam, daß das Meßianische Kö- nigreich mit dem Priesterthum verbunden, und dieses ewig seyn und allen geistlichen Segen in
völliger
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 7. v. 10. 11.
[Spaltenumbruch]
V. 10.
Denn er (der Levi) war ie noch in den Lenden ſeines Vaters (Abrahams, der, als ſein Aelter-Vater, alhier nach der Hebraͤiſchen Redens-Art den Namen des Vaters traͤget: in deſſen Lenden war er noch, das iſt, er war noch ungeboren, und zwar ſo viel mehr, da auch ſein Vater, Jacob, und Groß-Vater, Jſaac noch un- geboren waren, und erſt aus dem Samen Abra- hams herſtammen ſolten) da ihm Melchiſe- dech entgegen ging (und wie den Zehenden von ihm annahme, alſo ihm dagegen den Segen er- theilte.)
V. 11.
Jſt nun die Vollkommenheit (die Vollendung unſerer Erloͤſung und Verſoͤhnung) durch (διὰ, durch in notione Cauſſæ effici- entis) das Levitiſche Prieſterthum geſche- hen; denn unter demſelben hat das Volck das Geſetz empfangen, (denn dazu, zur Voll- kommenheit, ſolche von uns zu fordern und zu lei- ſten, iſt dem Volcke das Geſetz gegeben) was iſt denn weiter noth zu ſagen (nemlich lan- ge nachhero im 100 Pſalm) daß ein ander Prieſter aufkommen ſoll, nach der Ord- nung (Weiſe, und Gleichheit) Melchiſedech, und nicht nach der Ordnung Aaron.
Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt alhier die Verbindung die- ſes Textes mit dem gantzen vorhergehenden wohl zu mercken. Der Apoſtel hat bisher angezeiget, wie wichtig das Hoheprieſterthum Chriſti ſey, und was es fuͤr einen Vorzug vor dem Levitiſchen habe; welches er unter dem vom Melchiſedech her- genommenen Vorbilde vorgeſtellet und erlaͤutert hat. Darauf faͤhret nun der Apoſtel in dieſer Materie alſo fort, daß er anzeiget, das am Mel- chiſedech vorgeſtellete Prieſterthum Chriſti ſey von der Beſchaffenheit, daß es das Levitiſche auf- hebe; zumal da dieſes von der Unvollkommenheit ſey, daß es uns an ſich ſelbſt die Seligkeit nicht koͤnne zuwege bringen.
2. Das Wort τελείωσις, welches Luthe- rus durch Vollkommenheit uͤberſetzet hat, iſt al- hier ſo viel als eine ſolche Wiederbringung unſers Heyls und eine ſolche Vollkommenmachung auf, oder nach welcher nichts anders mehr noͤthig iſt.
3. Eine ſolche voͤllige Herſtellung unſers Heyls ſetzten die blinden Juden (von dero Jrrthuͤ- mern der Apoſtel die glaͤubigen Hebraͤer immer mehr abzufuͤhren ſuchet) in Levitiſchen Satzungen, deren Mittel-Punct gleichſam das Prieſterthum war. Damit er nun zeigen moͤchte, wie ſehr ſie daran irreten ſo ſpricht er: Jſt die Vollkom- menheit, oder Vollkommenmachung durch das Levitiſche Prieſterthum geſchehen, was iſt denn weiter noth zu ſagen, daß ein ander Prieſter aufkommen ſolte, nach der Ordnung Melchiſedech, und nicht nach der Ordnung Aaron? welche ihrem eigentli- chem Verſtande nach eine nachdruͤckliche Ver- neinung in ſich haͤlt, nemlich daß das Levitiſche [Spaltenumbruch]
Prieſterthum zur Seligkeit nicht hinlaͤnglich ſey. Und iſt die ratio negationis, der Grund der Verneinung, davon hergenommen, daß GOtt noch lange nachher, nach dem ſchon errichtet ge- weſenen Levitiſchen Prieſterthum das Meßiani- ſche Prieſterthum als ein ſolches verheiſſen hat, welches von einer gantz andern Ordnung, nem- lich des Melchiſedechs, nicht aber des Aarons ſeyn ſolte.
4. Damit man die Kraft der Rede Pauli deſto beſſer mercke, ſo kan man ſich dieſelbe in die- ſer voͤlligen Schluß-Rede vorſtellen:
Wenn die Vollkommenheit, oder die Voll- endung unſers Heyls durch das Levitiſche Prie- ſterthum geſchehen waͤre, ſo wuͤrde GOtt nicht lange nachhero noch von dem Meßianiſchen Prie- ſterthum als einem nicht Aaroniſchen, ſondern Melchiſedechiſchen geſaget haben.
Nun aber hat er noch lange nachher im hundert und zehenden Pſalm durch David von dem Meßi- aniſchen als Melchiſedechiſchen, nicht aber Aaro- nitiſchen geſaget.
Darum folget daraus, daß das Levitiſche Prie- ſterthum zur Wiederbringung unſers Heyls nicht muß hinlaͤnglich ſeyn. Dabey denn zu mercken iſt, daß der Senſus im hundert und zehnden Pſal. von dem Meßianiſchen nach der Ordnung Melchi- ſedechs aufzurichten[de]n Prieſterthum excluſive ſey, oder das Meßianiſche alſo ſetze, daß es das Aa- ronitiſche ausſchlieſſe. Denn in ſolchem Nach- drucke fuͤhret Paulus alhier den Ort an, daß er nicht allein ſaget mit einer Bejahung: nach der Ordnung Melchiſedech: ſondern auch mit ei- ner Verneinung: nicht nach der Ordnung Aaron.
5. Dabey iſt aber auch dieſes wohl in acht zu nehmen, daß das Aaronitiſche Prieſterthum dem Meßianiſchen und Melchiſedechianiſchen ent- gegen geſetzet werde, nicht an ſich ſelbſt, und nach der goͤttlichen Verordnung; als nach welcher es auf eine vortrefliche Art auf Chriſtum und auf ſein hohes Prieſterthum im Vorbilde wieſe: ſon- dern in Anſehung der Judiſchen irrigen Meynung, nach welcher man dem Levitiſchen Prieſterthum die Wiederbringung des Heyls an ſich ſelbſt zu- ſchrieb, und von keinem Meßianiſchen Prieſter- thum wiſſen wolte, ſondern an dem Meßia nur ei- nen bloſſen Koͤnig von Jſrael erwartete. Da- gegen nun der Apoſtel die irrigen Juden vom Le- vitiſchen Prieſterthum abfuͤhret, und ſie auf das Meßianiſche weiſet. Dazu ſich denn das Vor- bild des Melchiſedechs vortreflich ſchickte, da die- ſer nicht allein ein Koͤnig, ſondern auch ein Prie- ſter des Allerhoͤchſten geweſen, und uͤber das noch lange nach dem ſchon verordneten Levitiſchen Prieſterthum durch David im 100 Pſalm von GOtt verheiſſen war, daß das Meßianiſche Prie- ſterthum nicht von Aaronitiſcher, ſondern Mel- chiſedechiſcher Weiſe ſeyn ſolte, ſo viel nemlich nach der Schwachheit des Vorbildes am Mel- chiſedech konte vorgeſtellet werden: als welches ſonderlich darauf ankam, daß das Meßianiſche Koͤ- nigreich mit dem Prieſterthum verbunden, und dieſes ewig ſeyn und allen geiſtlichen Segen in
voͤlliger
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[326/0328]
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 7. v. 10. 11.
V. 10.
Denn er (der Levi) war ie noch in den
Lenden ſeines Vaters (Abrahams, der, als
ſein Aelter-Vater, alhier nach der Hebraͤiſchen
Redens-Art den Namen des Vaters traͤget: in
deſſen Lenden war er noch, das iſt, er war noch
ungeboren, und zwar ſo viel mehr, da auch ſein
Vater, Jacob, und Groß-Vater, Jſaac noch un-
geboren waren, und erſt aus dem Samen Abra-
hams herſtammen ſolten) da ihm Melchiſe-
dech entgegen ging (und wie den Zehenden von
ihm annahme, alſo ihm dagegen den Segen er-
theilte.)
V. 11.
Jſt nun die Vollkommenheit (die
Vollendung unſerer Erloͤſung und Verſoͤhnung)
durch (διὰ, durch in notione Cauſſæ effici-
entis) das Levitiſche Prieſterthum geſche-
hen; denn unter demſelben hat das Volck
das Geſetz empfangen, (denn dazu, zur Voll-
kommenheit, ſolche von uns zu fordern und zu lei-
ſten, iſt dem Volcke das Geſetz gegeben) was
iſt denn weiter noth zu ſagen (nemlich lan-
ge nachhero im 100 Pſalm) daß ein ander
Prieſter aufkommen ſoll, nach der Ord-
nung (Weiſe, und Gleichheit) Melchiſedech,
und nicht nach der Ordnung Aaron.
Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt alhier die Verbindung die-
ſes Textes mit dem gantzen vorhergehenden wohl
zu mercken. Der Apoſtel hat bisher angezeiget,
wie wichtig das Hoheprieſterthum Chriſti ſey,
und was es fuͤr einen Vorzug vor dem Levitiſchen
habe; welches er unter dem vom Melchiſedech her-
genommenen Vorbilde vorgeſtellet und erlaͤutert
hat. Darauf faͤhret nun der Apoſtel in dieſer
Materie alſo fort, daß er anzeiget, das am Mel-
chiſedech vorgeſtellete Prieſterthum Chriſti ſey
von der Beſchaffenheit, daß es das Levitiſche auf-
hebe; zumal da dieſes von der Unvollkommenheit
ſey, daß es uns an ſich ſelbſt die Seligkeit nicht
koͤnne zuwege bringen.
2. Das Wort τελείωσις, welches Luthe-
rus durch Vollkommenheit uͤberſetzet hat, iſt al-
hier ſo viel als eine ſolche Wiederbringung unſers
Heyls und eine ſolche Vollkommenmachung auf,
oder nach welcher nichts anders mehr noͤthig iſt.
3. Eine ſolche voͤllige Herſtellung unſers
Heyls ſetzten die blinden Juden (von dero Jrrthuͤ-
mern der Apoſtel die glaͤubigen Hebraͤer immer
mehr abzufuͤhren ſuchet) in Levitiſchen Satzungen,
deren Mittel-Punct gleichſam das Prieſterthum
war. Damit er nun zeigen moͤchte, wie ſehr ſie
daran irreten ſo ſpricht er: Jſt die Vollkom-
menheit, oder Vollkommenmachung durch
das Levitiſche Prieſterthum geſchehen,
was iſt denn weiter noth zu ſagen, daß ein
ander Prieſter aufkommen ſolte, nach der
Ordnung Melchiſedech, und nicht nach
der Ordnung Aaron? welche ihrem eigentli-
chem Verſtande nach eine nachdruͤckliche Ver-
neinung in ſich haͤlt, nemlich daß das Levitiſche
Prieſterthum zur Seligkeit nicht hinlaͤnglich ſey.
Und iſt die ratio negationis, der Grund der
Verneinung, davon hergenommen, daß GOtt
noch lange nachher, nach dem ſchon errichtet ge-
weſenen Levitiſchen Prieſterthum das Meßiani-
ſche Prieſterthum als ein ſolches verheiſſen hat,
welches von einer gantz andern Ordnung, nem-
lich des Melchiſedechs, nicht aber des Aarons ſeyn
ſolte.
4. Damit man die Kraft der Rede Pauli
deſto beſſer mercke, ſo kan man ſich dieſelbe in die-
ſer voͤlligen Schluß-Rede vorſtellen:
Wenn die Vollkommenheit, oder die Voll-
endung unſers Heyls durch das Levitiſche Prie-
ſterthum geſchehen waͤre, ſo wuͤrde GOtt nicht
lange nachhero noch von dem Meßianiſchen Prie-
ſterthum als einem nicht Aaroniſchen, ſondern
Melchiſedechiſchen geſaget haben.
Nun aber hat er noch lange nachher im hundert
und zehenden Pſalm durch David von dem Meßi-
aniſchen als Melchiſedechiſchen, nicht aber Aaro-
nitiſchen geſaget.
Darum folget daraus, daß das Levitiſche Prie-
ſterthum zur Wiederbringung unſers Heyls nicht
muß hinlaͤnglich ſeyn. Dabey denn zu mercken
iſt, daß der Senſus im hundert und zehnden Pſal.
von dem Meßianiſchen nach der Ordnung Melchi-
ſedechs aufzurichtenden Prieſterthum excluſive
ſey, oder das Meßianiſche alſo ſetze, daß es das Aa-
ronitiſche ausſchlieſſe. Denn in ſolchem Nach-
drucke fuͤhret Paulus alhier den Ort an, daß er
nicht allein ſaget mit einer Bejahung: nach der
Ordnung Melchiſedech: ſondern auch mit ei-
ner Verneinung: nicht nach der Ordnung
Aaron.
5. Dabey iſt aber auch dieſes wohl in acht
zu nehmen, daß das Aaronitiſche Prieſterthum
dem Meßianiſchen und Melchiſedechianiſchen ent-
gegen geſetzet werde, nicht an ſich ſelbſt, und nach
der goͤttlichen Verordnung; als nach welcher
es auf eine vortrefliche Art auf Chriſtum und auf
ſein hohes Prieſterthum im Vorbilde wieſe: ſon-
dern in Anſehung der Judiſchen irrigen Meynung,
nach welcher man dem Levitiſchen Prieſterthum
die Wiederbringung des Heyls an ſich ſelbſt zu-
ſchrieb, und von keinem Meßianiſchen Prieſter-
thum wiſſen wolte, ſondern an dem Meßia nur ei-
nen bloſſen Koͤnig von Jſrael erwartete. Da-
gegen nun der Apoſtel die irrigen Juden vom Le-
vitiſchen Prieſterthum abfuͤhret, und ſie auf das
Meßianiſche weiſet. Dazu ſich denn das Vor-
bild des Melchiſedechs vortreflich ſchickte, da die-
ſer nicht allein ein Koͤnig, ſondern auch ein Prie-
ſter des Allerhoͤchſten geweſen, und uͤber das noch
lange nach dem ſchon verordneten Levitiſchen
Prieſterthum durch David im 100 Pſalm von
GOtt verheiſſen war, daß das Meßianiſche Prie-
ſterthum nicht von Aaronitiſcher, ſondern Mel-
chiſedechiſcher Weiſe ſeyn ſolte, ſo viel nemlich
nach der Schwachheit des Vorbildes am Mel-
chiſedech konte vorgeſtellet werden: als welches
ſonderlich darauf ankam, daß das Meßianiſche Koͤ-
nigreich mit dem Prieſterthum verbunden, und
dieſes ewig ſeyn und allen geiſtlichen Segen in
voͤlliger
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/328>, abgerufen am 27.11.2024.
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