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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 7. v. 11. 12. an die Hebräer.
[Spaltenumbruch] völliger Wiederbringung alles Heyls über alle
Völcker auf Erden bringen, der Meßias selbst
aber nicht vom Stam Levi und vom Geschlechte
Aarons seyn würde.

6. Es ist bey diesem Verse noch übrig, daß
wir auch die in parenthesi gesetzte Worte erwe-
gen, nemlich diese: denn unter demselben hat
das Volck
das Gesetz empfangen. Da denn
zuvorderst dieses zu mercken ist, daß die Wörtlein
ep' aute, alhier nicht wol können übersetzet wer-
den: unter demselben nemlich Levitischen Prie-
sterthum: sintemal man bey solcher Ubersetzung
keinen füglichen Verstand von den parentheti-
schen Worten findet. Man hat auch nicht nöthig
das pronomen aute auf das Wort ierosune,
Priesterthum, zu ziehen, sondern es läßt sich
viel füglicher mit dem kurtz vorhergehenden Wor-
te telei'osis, Vollkommenmachung construi-
r
en; zumal da dieses alhier das rechte Haupt-
Wort ist, darauf es bey der argumentation am
meisten ankömmt, und es dazu im Casu recto
stehet.

7. Der Verstand der Worte bey dieser
Construction ist nun dieser: das Volck Jsrael
habe nicht etwa nur zur blossen äusserlichen Zucht,
sondern zur rechten Vollkommenmachung das
Gesetz empfangen, nemlich das gantze und darun-
ter sonderlich das Moral-Gesetze: dieses sey an
sich selbst gegeben mit der Forderung, daß ein
Mensch es vollkömmlich halten und so denn auch
dadurch, oder in der Ordnung solcher Erfüllung
selig werden solte. Welches an sich wahr ist: aber
dabey war es ein anders, ob es der Mensch erfül-
len, und dadurch selig werden könne. Welches
der Apostel hier so gar nicht saget, daß er damit,
daß er uns auf Christum führet, vielmehr das
Gegentheil anzeiget. Jndessen konnte doch die-
ses, daß GOtt das Gesetz zu solchem Zwecke ge-
geben hatte, denen, welche die teleiosin, die Voll-
kommenmachung durch den würcklichen Gehor-
sam vor GOtt sowol nach dem Moral-als Cere-
monial-
Gesetze, suchten, und welchen der Apo-
stel entgegen gehet, zu ihrem Behuf dienen, und
Paulo damit ein Einwurf gemachet werden.
Welches anzuzeigen, aber auch mit dem argu-
mente,
daß gleichwol das Meßianische, als ein
gantz anders Priesterthum, noch nachher verheissen
sey, zu entkräften, und also zu beantworten, Pau-
lus die parenthesin mit solchen Worten machet.

V. 12.

Denn wo das Priesterthum verän-
dert
(also herum gesetzet) wird, (daß es damit
gar abgeschaffet wird, wie durch die Worte des
100 Psalms ist angezeiget worden, weil es uns
nemlich ausser Christo nicht vollkommen machen
konnte) da muß auch das Gesetz (ex anag-
kes, nothwendig) verändert werden (in ei-
nen solchen Stand bey uns gesetzet zu seyn erkannt
werden, daß es uns eben so wenig ausser Christo
vollkommen und selig vor GOtt machen kan.

Anmerckungen.

1. Die Verbindung dieser Worte mit
[Spaltenumbruch] den vorhergehenden ist diese: der Apostel hat die
Worte, daß das Meßianische Priesterthum seyn
würde nach der Ordnung Melchisedech, in sensu
exclusivo,
das ist, mit hinzugethaner Vernei-
nung, angeführet, daß es also nicht seyn würde
nach der Ordnung Aarons. Und folglich hatte er
mit dieser Verneinung angezeiget, daß das Levi-
tische Priesterthum durch das Meßianische solte
abgethan werden. Da nun dieser sein Satz in
den vorhergehenden Worten lieget, so führet er
ihn nun als einen Erweis, daß auch überhaupt
das gantze Gesetz, in so fern man ausser Christo
durch dessen demselben geleisteten Gehorsam vor
GOtt zu bestehen suchen wolte, verändert oder in
einen andern Stand gesetzet sey; daß man nem-
lich die telei'osin, die Vollkommenmachung zu
welcher es an sich selbst, nach den parenthetischen
Worten des vorhergehenden Verses, gegeben sey,
daraus vor GOtt nicht zu suchen hätte.

2. Nun aber fraget sich, wie denn daraus,
daß das Levitische Priesterthum abgethan worden,
folge, daß auch eine solche grosse Veränderung
mit dem gantzen Gesetze, daß es uns nicht voll-
kommen und selig machen könne, vorgehe? die
Folge ist diese, weil das Ceremonial-Gesetze,
darinnen es sonderlich auf das Priesterthum und
die Opfer ankam, in so fern es nach verkehrter
Judischer Art ausser Christo betrachtet wird, nicht
auf den Glauben an den Meßiam, sondern nur ei-
nen in äusserlichen Wercken und Gebräuchen beste-
henden Gehorsam wiese, und also mit allem übri-
gen, und sonderlich dem Moral-Gesetze von ei-
nerley Art und Natur war. Konte nun das Ce-
remonial-
Gesetze und darinn das Levitische Prie-
sterthum die Vollkommenmachung, oder die Voll-
kommenheit zur Seligmachung, ausser Christo
an sich selbst nicht zu wege bringen; so konte die-
ses auch das Moral-Gesetze nicht, ja so viel weni-
ger thun, so viel vollkommner dieses an sich selbst
ist und so viel mehr es nebst dem äusserlichen Ge-
horsam, oder dem unsträflichen Leben auf die
Vollkommene innere Heiligkeit gehet, die wir we-
der haben, noch leisten können.

3. Und solcher gestalt erkennet man leicht-
lich, warum der Apostel zu den Worten von der
Veränderung, oder Herumsetzung des Gesetzes
die Worte ex anagkes, nothwendig, der
Nothwendigkeit halber,
gesetzet habe. Denn
die Nothwendigkeit der Consequens, daß eines
das andere mit sich bringe, lieget eben darinnen,
daß, da uns das Levitische Priesterthum, in so fern
es ausser Christo, nur nach einem bloß gesetzlichen
Gehorsam auf Seiten der Menschen betrachtet
wird, nicht giebt die teleiosin, oder uns nicht
vollkommen gerecht und selig machen kan, so denn
dieses so viel weniger von dem Moral-Gesetze
zu erwarten sey, so viel mehr es von uns fordere,
und so viel wenigere Kräfte wir zur Leistung bey
uns haben.

4. Es ist aber eine andere metathesis, Ver-
setzung
bey dem Levitischen Priesterthum, eine
andere bey dem Moral-Gesetze. Denn das Le-
vitische Priesterthum wird durch das Meßianische

erfül-

Cap. 7. v. 11. 12. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch] voͤlliger Wiederbringung alles Heyls uͤber alle
Voͤlcker auf Erden bringen, der Meßias ſelbſt
aber nicht vom Stam Levi und vom Geſchlechte
Aarons ſeyn wuͤrde.

6. Es iſt bey dieſem Verſe noch uͤbrig, daß
wir auch die in parentheſi geſetzte Worte erwe-
gen, nemlich dieſe: denn unter demſelben hat
das Volck
das Geſetz empfangen. Da denn
zuvorderſt dieſes zu mercken iſt, daß die Woͤrtlein
ἐπ᾽ ἀυτῇ, alhier nicht wol koͤnnen uͤberſetzet wer-
den: unter demſelben nemlich Levitiſchen Prie-
ſterthum: ſintemal man bey ſolcher Uberſetzung
keinen fuͤglichen Verſtand von den parentheti-
ſchen Worten findet. Man hat auch nicht noͤthig
das pronomen ἀυτῇ auf das Wort ἰερωσὑνη,
Prieſterthum, zu ziehen, ſondern es laͤßt ſich
viel fuͤglicher mit dem kurtz vorhergehenden Wor-
te τελει´ωσις, Vollkommenmachung conſtrui-
r
en; zumal da dieſes alhier das rechte Haupt-
Wort iſt, darauf es bey der argumentation am
meiſten ankoͤmmt, und es dazu im Caſu recto
ſtehet.

7. Der Verſtand der Worte bey dieſer
Conſtruction iſt nun dieſer: das Volck Jſrael
habe nicht etwa nur zur bloſſen aͤuſſerlichen Zucht,
ſondern zur rechten Vollkommenmachung das
Geſetz empfangen, nemlich das gantze und darun-
ter ſonderlich das Moral-Geſetze: dieſes ſey an
ſich ſelbſt gegeben mit der Forderung, daß ein
Menſch es vollkoͤmmlich halten und ſo denn auch
dadurch, oder in der Ordnung ſolcher Erfuͤllung
ſelig werden ſolte. Welches an ſich wahr iſt: aber
dabey war es ein anders, ob es der Menſch erfuͤl-
len, und dadurch ſelig werden koͤnne. Welches
der Apoſtel hier ſo gar nicht ſaget, daß er damit,
daß er uns auf Chriſtum fuͤhret, vielmehr das
Gegentheil anzeiget. Jndeſſen konnte doch die-
ſes, daß GOtt das Geſetz zu ſolchem Zwecke ge-
geben hatte, denen, welche die τελείωσιν, die Voll-
kommenmachung durch den wuͤrcklichen Gehor-
ſam vor GOtt ſowol nach dem Moral-als Cere-
monial-
Geſetze, ſuchten, und welchen der Apo-
ſtel entgegen gehet, zu ihrem Behuf dienen, und
Paulo damit ein Einwurf gemachet werden.
Welches anzuzeigen, aber auch mit dem argu-
mente,
daß gleichwol das Meßianiſche, als ein
gantz anders Prieſterthum, noch nachher verheiſſen
ſey, zu entkraͤften, und alſo zu beantworten, Pau-
lus die parentheſin mit ſolchen Worten machet.

V. 12.

Denn wo das Prieſterthum veraͤn-
dert
(alſo herum geſetzet) wird, (daß es damit
gar abgeſchaffet wird, wie durch die Worte des
100 Pſalms iſt angezeiget worden, weil es uns
nemlich auſſer Chriſto nicht vollkommen machen
konnte) da muß auch das Geſetz (ἐξ ἀνάγ-
κης, nothwendig) veraͤndert werden (in ei-
nen ſolchen Stand bey uns geſetzet zu ſeyn erkannt
werden, daß es uns eben ſo wenig auſſer Chriſto
vollkommen und ſelig vor GOtt machen kan.

Anmerckungen.

1. Die Verbindung dieſer Worte mit
[Spaltenumbruch] den vorhergehenden iſt dieſe: der Apoſtel hat die
Worte, daß das Meßianiſche Prieſterthum ſeyn
wuͤrde nach der Ordnung Melchiſedech, in ſenſu
excluſivo,
das iſt, mit hinzugethaner Vernei-
nung, angefuͤhret, daß es alſo nicht ſeyn wuͤrde
nach der Ordnung Aarons. Und folglich hatte er
mit dieſer Verneinung angezeiget, daß das Levi-
tiſche Prieſterthum durch das Meßianiſche ſolte
abgethan werden. Da nun dieſer ſein Satz in
den vorhergehenden Worten lieget, ſo fuͤhret er
ihn nun als einen Erweis, daß auch uͤberhaupt
das gantze Geſetz, in ſo fern man auſſer Chriſto
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einen andern Stand geſetzet ſey; daß man nem-
lich die τελει´ωσιν, die Vollkommenmachung zu
welcher es an ſich ſelbſt, nach den parenthetiſchen
Worten des vorhergehenden Verſes, gegeben ſey,
daraus vor GOtt nicht zu ſuchen haͤtte.

2. Nun aber fraget ſich, wie denn daraus,
daß das Levitiſche Prieſterthum abgethan worden,
folge, daß auch eine ſolche groſſe Veraͤnderung
mit dem gantzen Geſetze, daß es uns nicht voll-
kommen und ſelig machen koͤnne, vorgehe? die
Folge iſt dieſe, weil das Ceremonial-Geſetze,
darinnen es ſonderlich auf das Prieſterthum und
die Opfer ankam, in ſo fern es nach verkehrter
Judiſcher Art auſſer Chriſto betrachtet wird, nicht
auf den Glauben an den Meßiam, ſondern nur ei-
nen in aͤuſſerlichen Weꝛcken und Gebꝛaͤuchen beſte-
henden Gehorſam wieſe, und alſo mit allem uͤbri-
gen, und ſonderlich dem Moral-Geſetze von ei-
nerley Art und Natur war. Konte nun das Ce-
remonial-
Geſetze und darinn das Levitiſche Prie-
ſterthum die Vollkommenmachung, oder die Voll-
kommenheit zur Seligmachung, auſſer Chriſto
an ſich ſelbſt nicht zu wege bringen; ſo konte die-
ſes auch das Moral-Geſetze nicht, ja ſo viel weni-
ger thun, ſo viel vollkommner dieſes an ſich ſelbſt
iſt und ſo viel mehr es nebſt dem aͤuſſerlichen Ge-
horſam, oder dem unſtraͤflichen Leben auf die
Vollkommene innere Heiligkeit gehet, die wir we-
der haben, noch leiſten koͤnnen.

3. Und ſolcher geſtalt erkennet man leicht-
lich, warum der Apoſtel zu den Worten von der
Veraͤnderung, oder Herumſetzung des Geſetzes
die Worte ἐξ ἀνάγκης, nothwendig, der
Nothwendigkeit halber,
geſetzet habe. Denn
die Nothwendigkeit der Conſequens, daß eines
das andere mit ſich bringe, lieget eben darinnen,
daß, da uns das Levitiſche Prieſterthum, in ſo fern
es auſſer Chriſto, nur nach einem bloß geſetzlichen
Gehorſam auf Seiten der Menſchen betrachtet
wird, nicht giebt die τελείωσιν, oder uns nicht
vollkommen gerecht und ſelig machen kan, ſo denn
dieſes ſo viel weniger von dem Moral-Geſetze
zu erwarten ſey, ſo viel mehr es von uns fordere,
und ſo viel wenigere Kraͤfte wir zur Leiſtung bey
uns haben.

4. Es iſt aber eine andere μετάϑεσις, Ver-
ſetzung
bey dem Levitiſchen Prieſterthum, eine
andere bey dem Moral-Geſetze. Denn das Le-
vitiſche Prieſterthum wird durch das Meßianiſche

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[327/0329] Cap. 7. v. 11. 12. an die Hebraͤer. voͤlliger Wiederbringung alles Heyls uͤber alle Voͤlcker auf Erden bringen, der Meßias ſelbſt aber nicht vom Stam Levi und vom Geſchlechte Aarons ſeyn wuͤrde. 6. Es iſt bey dieſem Verſe noch uͤbrig, daß wir auch die in parentheſi geſetzte Worte erwe- gen, nemlich dieſe: denn unter demſelben hat das Volck das Geſetz empfangen. Da denn zuvorderſt dieſes zu mercken iſt, daß die Woͤrtlein ἐπ᾽ ἀυτῇ, alhier nicht wol koͤnnen uͤberſetzet wer- den: unter demſelben nemlich Levitiſchen Prie- ſterthum: ſintemal man bey ſolcher Uberſetzung keinen fuͤglichen Verſtand von den parentheti- ſchen Worten findet. Man hat auch nicht noͤthig das pronomen ἀυτῇ auf das Wort ἰερωσὑνη, Prieſterthum, zu ziehen, ſondern es laͤßt ſich viel fuͤglicher mit dem kurtz vorhergehenden Wor- te τελει´ωσις, Vollkommenmachung conſtrui- ren; zumal da dieſes alhier das rechte Haupt- Wort iſt, darauf es bey der argumentation am meiſten ankoͤmmt, und es dazu im Caſu recto ſtehet. 7. Der Verſtand der Worte bey dieſer Conſtruction iſt nun dieſer: das Volck Jſrael habe nicht etwa nur zur bloſſen aͤuſſerlichen Zucht, ſondern zur rechten Vollkommenmachung das Geſetz empfangen, nemlich das gantze und darun- ter ſonderlich das Moral-Geſetze: dieſes ſey an ſich ſelbſt gegeben mit der Forderung, daß ein Menſch es vollkoͤmmlich halten und ſo denn auch dadurch, oder in der Ordnung ſolcher Erfuͤllung ſelig werden ſolte. Welches an ſich wahr iſt: aber dabey war es ein anders, ob es der Menſch erfuͤl- len, und dadurch ſelig werden koͤnne. Welches der Apoſtel hier ſo gar nicht ſaget, daß er damit, daß er uns auf Chriſtum fuͤhret, vielmehr das Gegentheil anzeiget. Jndeſſen konnte doch die- ſes, daß GOtt das Geſetz zu ſolchem Zwecke ge- geben hatte, denen, welche die τελείωσιν, die Voll- kommenmachung durch den wuͤrcklichen Gehor- ſam vor GOtt ſowol nach dem Moral-als Cere- monial-Geſetze, ſuchten, und welchen der Apo- ſtel entgegen gehet, zu ihrem Behuf dienen, und Paulo damit ein Einwurf gemachet werden. Welches anzuzeigen, aber auch mit dem argu- mente, daß gleichwol das Meßianiſche, als ein gantz anders Prieſterthum, noch nachher verheiſſen ſey, zu entkraͤften, und alſo zu beantworten, Pau- lus die parentheſin mit ſolchen Worten machet. V. 12. Denn wo das Prieſterthum veraͤn- dert (alſo herum geſetzet) wird, (daß es damit gar abgeſchaffet wird, wie durch die Worte des 100 Pſalms iſt angezeiget worden, weil es uns nemlich auſſer Chriſto nicht vollkommen machen konnte) da muß auch das Geſetz (ἐξ ἀνάγ- κης, nothwendig) veraͤndert werden (in ei- nen ſolchen Stand bey uns geſetzet zu ſeyn erkannt werden, daß es uns eben ſo wenig auſſer Chriſto vollkommen und ſelig vor GOtt machen kan. Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieſer Worte mit den vorhergehenden iſt dieſe: der Apoſtel hat die Worte, daß das Meßianiſche Prieſterthum ſeyn wuͤrde nach der Ordnung Melchiſedech, in ſenſu excluſivo, das iſt, mit hinzugethaner Vernei- nung, angefuͤhret, daß es alſo nicht ſeyn wuͤrde nach der Ordnung Aarons. Und folglich hatte er mit dieſer Verneinung angezeiget, daß das Levi- tiſche Prieſterthum durch das Meßianiſche ſolte abgethan werden. Da nun dieſer ſein Satz in den vorhergehenden Worten lieget, ſo fuͤhret er ihn nun als einen Erweis, daß auch uͤberhaupt das gantze Geſetz, in ſo fern man auſſer Chriſto durch deſſen demſelben geleiſteten Gehorſam vor GOtt zu beſtehen ſuchen wolte, veraͤndert oder in einen andern Stand geſetzet ſey; daß man nem- lich die τελει´ωσιν, die Vollkommenmachung zu welcher es an ſich ſelbſt, nach den parenthetiſchen Worten des vorhergehenden Verſes, gegeben ſey, daraus vor GOtt nicht zu ſuchen haͤtte. 2. Nun aber fraget ſich, wie denn daraus, daß das Levitiſche Prieſterthum abgethan worden, folge, daß auch eine ſolche groſſe Veraͤnderung mit dem gantzen Geſetze, daß es uns nicht voll- kommen und ſelig machen koͤnne, vorgehe? die Folge iſt dieſe, weil das Ceremonial-Geſetze, darinnen es ſonderlich auf das Prieſterthum und die Opfer ankam, in ſo fern es nach verkehrter Judiſcher Art auſſer Chriſto betrachtet wird, nicht auf den Glauben an den Meßiam, ſondern nur ei- nen in aͤuſſerlichen Weꝛcken und Gebꝛaͤuchen beſte- henden Gehorſam wieſe, und alſo mit allem uͤbri- gen, und ſonderlich dem Moral-Geſetze von ei- nerley Art und Natur war. Konte nun das Ce- remonial-Geſetze und darinn das Levitiſche Prie- ſterthum die Vollkommenmachung, oder die Voll- kommenheit zur Seligmachung, auſſer Chriſto an ſich ſelbſt nicht zu wege bringen; ſo konte die- ſes auch das Moral-Geſetze nicht, ja ſo viel weni- ger thun, ſo viel vollkommner dieſes an ſich ſelbſt iſt und ſo viel mehr es nebſt dem aͤuſſerlichen Ge- horſam, oder dem unſtraͤflichen Leben auf die Vollkommene innere Heiligkeit gehet, die wir we- der haben, noch leiſten koͤnnen. 3. Und ſolcher geſtalt erkennet man leicht- lich, warum der Apoſtel zu den Worten von der Veraͤnderung, oder Herumſetzung des Geſetzes die Worte ἐξ ἀνάγκης, nothwendig, der Nothwendigkeit halber, geſetzet habe. Denn die Nothwendigkeit der Conſequens, daß eines das andere mit ſich bringe, lieget eben darinnen, daß, da uns das Levitiſche Prieſterthum, in ſo fern es auſſer Chriſto, nur nach einem bloß geſetzlichen Gehorſam auf Seiten der Menſchen betrachtet wird, nicht giebt die τελείωσιν, oder uns nicht vollkommen gerecht und ſelig machen kan, ſo denn dieſes ſo viel weniger von dem Moral-Geſetze zu erwarten ſey, ſo viel mehr es von uns fordere, und ſo viel wenigere Kraͤfte wir zur Leiſtung bey uns haben. 4. Es iſt aber eine andere μετάϑεσις, Ver- ſetzung bey dem Levitiſchen Prieſterthum, eine andere bey dem Moral-Geſetze. Denn das Le- vitiſche Prieſterthum wird durch das Meßianiſche erfuͤl-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/329>, abgerufen am 27.11.2024.