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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 13. v. 4-6. an die Hebräer.
[Spaltenumbruch] bet, und daher Leuten von seines gleichen nicht
hart fällt, sich auch selbst des Ausbruchs seiner
Laster besorgen muß. Von dem göttlichen Ge-
richte spricht Paulus Galat. 5, 19. 21. Of-
fenbar sind die Wercke des Fleisches, als
da sind Ehebruch, Hurerey, Unreinigkeit,
Unzucht - - von welchen ich euch habe zu-
vor gesaget, und sage noch zuvor, daß, die
solches thun, werden das Reich GOttes
nicht ererben.
Und Offenb. 22, 15. heißt es:
Haussen sind die Hurer u. s. w. Siehe auch
1 Cor. 6, 9. Lasset euch nicht verführen, we-
der die Hurer, noch die Ehebrecher, noch
die Weichlinge - - werden das Reich GOt-
tes ererben.
Deßgleichen Eph. 5, 5. Das
solt ihr aber wissen, daß kein Hurer noch
Unreiner, oder Geitziger, welcher ist ein
Götzen-Diener Erbe hat an dem Reiche
Christi und GOttes. Lasset euch niemand
versühren mit vergeblichen Worten
(nem-
lich als hätten solche Sünden nicht viel auf sich)
denn um dieser Willen kömmt der Zorn
GOttes über die Kinder des Unglaubens.

V. 5. 6.

Der Wandel sey (bey euch) ohne Geitz,
und
(zu bezeugen, daß ihr ohne Geitz seyd, so)
lasset euch begnügen an dem, das da ist
(nemlich auf eine rechtmäßige Art, aus der Se-
gens-Hand GOttes) denn er (GOtt, euer Va-
ter und Versorger) hat (5 B. Mos. 30, 6.
1 Chron. 28, 20. Jes. 1, 5. überhaupt) gesaget:
Jch will dich nicht verlassen, noch versäu-
men
(welche Verheissung ein ieder billig auf sei-
nen Zustand insonderheit zu appliciren hat) also
(welches der Nutze ist von der wohl applicirten
Verheissung, nemlich der daher zur Glaubens-
Freudigkeit entstehet) daß wir dürfen (können
in Freudigkeit mit David aus dem Ps. 55, 12. Ps.
118, 6.) sagen: Der HErr ist mein Helfer,
ich will mich nicht fürchten: was solte mir
ein Mensch thun?

Anmerckungen.

1. Zuvorderst ist alhier die Verbindung
dieser Verse mit dem vorhergehenden zu mercken.
Nachdem der Apostel des Ehestandes gedacht
hat, so gedencket er darauf der Vergnüglichkeit
und verbietet den Geitz, und zwar also, daß er
den Menschen von einer eignen und unordentli-
chen Versorgung auf die Vorsorge GOttes wei-
set. Und solcher gestalt schicket sich eines auf das
andere gar wohl. Denn die Sorgen der Nah-
rung finden sich eigentlich und am meisten im Ehe-
und Haus-Stande, zumal wenn sich die Fami-
lie vermehret: sintemal man alsdenn, aus unor-
dentlicher Liebe gegen die Seinigen, diese selbst
versorgen will, aber dabey selten in der GOtt-
wohlgefälligen Ordnung bleibet, sondern auf den
Geitz, und dadurch auf allerley wo nicht an sich
selbst sündliche, doch viele Zerstreuung und Ver-
eitelung mit sich führende Wege verfällt. Dan-
nenhero Paulus den Ehe-Leuten diese gute Erin-
nerungen giebet, und damit zugleich anzeiget,
was zur Beweisung der vorher anbefohlnen Bru-
[Spaltenumbruch] der-Liebe,
sonderlich in der Gastfreyheit und
Hülfs-Leistung gegen die Gefangnen und sonst
Bedrängten erfordert werde; nemlich daß man
ohne Geitz sey; als welcher einen davon zurück
hält.

2. Der Geitz ist ein solches Laster, da man
in Erwerbung, Besitzung und Anwendung zeitli-
cher Güter eine unordentliche und unmäßige Be-
gierde hat und davon dergestalt beherrschet wird,
daß man mit Vergessung seiner nöthigen Seel-
sorge gantz irdisch gesinnet ist, auch voller Unruhe
wird, und sich dabey auch gemeiniglich über al-
lerhand unzuläßige Wege und Mittel, wenn sie
nur nicht gar zu grob, und handgreiflich ungerecht
sind, kein Gewissen machet.

3. Der Grund des Geitzes ist der Un-
glaube,
vermöge dessen man nicht auf die geistli-
chen, unsichtbaren und künftigen Güter siehet,
und dannenhero mit seinen Begierden, die doch
worinnen ihre Ruhe haben wollen, aufs irdische
und sichtbare fällt. Denn die Begierden sind
der Seele des Menschen wesentlich, und darinnen
unsterblich, und von solcher Beschaffenheit, daß
sie ein Objectum, eine Sache haben wollen, dar-
innen sie mit einer Sättigung vergnüglich ruhen
können. Dieses aber findet die Seele, als ein
unsterblicher unsichtbarer Geist, ihrer Natur ge-
mäß, allein in geistlichen, unsichtbaren und ewi-
gen Dingen, und also in GOtt und göttlichen
Sachen. Stehet nun der Mensch im Unglau-
ben, so stehet er ausser dem Bande mit GOtt und
ausser allem Genuß geistlicher und ewiger Güter.
Da nun aber die wesentlichen Begierden des
Menschen etwas haben wollen, darinnen sie ru-
hen, so können sie nicht anders, als auf zeitliche
Dinge fallen, finden aber an statt der gesuchten
Ruhe lauter Unruhe, also daß sie mit den zeitlichen
Gütern, weil diese zu dem geistlichen Wesen der
Seele gar keine Proportion haben, nur vermeh-
ret wird, und der Geitz also dem Menschen gleich-
sam zu einer rechten Vorhölle wird: gleichwie
eine gläubige und vergnügliche Seele in der geist-
lichen Ruhe gleichsam schon einen rechten Vor-
Himmel,
einen Himmel auf Erden hat.

4. Es äussert sich der Geitz theils in der Er-
werbung,
theils in der Besitzung, theils auch
in der Anlegung zeitlicher Güter. Jn der
Erwerbung, wenn man, mit Versäumung
der nöthigen Sorge für seine Seele, alle seine
Bemühungen nur hauptsächlich dahin richtet,
daß man an zeitlichen Dingen möge viel haben,
zum wenigsten mehr, als man gebrauchet und
nöthig hat. Dabey es denn an unzuläßigen
Mitteln und Wegen selten zu fehlen pfleget. Jn
der Besitzung äussert sich der Geitz also, daß der
Mensch das Hertz daran hänget, und sich darauf
mehr verläßt, als auf GOtt, ja, wenn es genau
geprüfet wird, auf GOtt gar nicht, sondern auf
zeitliche Dinge allein. Jmgleichen wenn sein
Tichten und Trachten nur dahin gehet, wie er
seinen Vorrath, wo nicht vermehren, doch be-
wahren möge, und mit solcher Sorgfalt sich den
Tag hindurch träget, damit einschläft, auch da-
mit wider aufwachet; und solcher gestalt seine
Seelen-Speise im irdischen hat, oder doch zu

haben
F f f 2

Cap. 13. v. 4-6. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch] bet, und daher Leuten von ſeines gleichen nicht
hart faͤllt, ſich auch ſelbſt des Ausbruchs ſeiner
Laſter beſorgen muß. Von dem goͤttlichen Ge-
richte ſpricht Paulus Galat. 5, 19. 21. Of-
fenbar ſind die Wercke des Fleiſches, als
da ſind Ehebruch, Hurerey, Unreinigkeit,
Unzucht ‒ ‒ von welchen ich euch habe zu-
vor geſaget, und ſage noch zuvor, daß, die
ſolches thun, werden das Reich GOttes
nicht ererben.
Und Offenb. 22, 15. heißt es:
Hauſſen ſind die Hurer u. ſ. w. Siehe auch
1 Cor. 6, 9. Laſſet euch nicht verfuͤhren, we-
der die Hurer, noch die Ehebrecher, noch
die Weichlinge ‒ ‒ werden das Reich GOt-
tes ererben.
Deßgleichen Eph. 5, 5. Das
ſolt ihr aber wiſſen, daß kein Hurer noch
Unreiner, oder Geitziger, welcher iſt ein
Goͤtzen-Diener Erbe hat an dem Reiche
Chriſti und GOttes. Laſſet euch niemand
verſuͤhren mit vergeblichen Worten
(nem-
lich als haͤtten ſolche Suͤnden nicht viel auf ſich)
denn um dieſer Willen koͤmmt der Zorn
GOttes uͤber die Kinder des Unglaubens.

V. 5. 6.

Der Wandel ſey (bey euch) ohne Geitz,
und
(zu bezeugen, daß ihr ohne Geitz ſeyd, ſo)
laſſet euch begnuͤgen an dem, das da iſt
(nemlich auf eine rechtmaͤßige Art, aus der Se-
gens-Hand GOttes) denn er (GOtt, euer Va-
ter und Verſorger) hat (5 B. Moſ. 30, 6.
1 Chron. 28, 20. Jeſ. 1, 5. uͤberhaupt) geſaget:
Jch will dich nicht verlaſſen, noch verſaͤu-
men
(welche Verheiſſung ein ieder billig auf ſei-
nen Zuſtand inſonderheit zu appliciren hat) alſo
(welches der Nutze iſt von der wohl applicirten
Verheiſſung, nemlich der daher zur Glaubens-
Freudigkeit entſtehet) daß wir duͤrfen (koͤnnen
in Freudigkeit mit David aus dem Pſ. 55, 12. Pſ.
118, 6.) ſagen: Der HErr iſt mein Helfer,
ich will mich nicht fuͤrchten: was ſolte mir
ein Menſch thun?

Anmerckungen.

1. Zuvorderſt iſt alhier die Verbindung
dieſer Verſe mit dem vorhergehenden zu mercken.
Nachdem der Apoſtel des Eheſtandes gedacht
hat, ſo gedencket er darauf der Vergnuͤglichkeit
und verbietet den Geitz, und zwar alſo, daß er
den Menſchen von einer eignen und unordentli-
chen Verſorgung auf die Vorſorge GOttes wei-
ſet. Und ſolcher geſtalt ſchicket ſich eines auf das
andere gar wohl. Denn die Sorgen der Nah-
rung finden ſich eigentlich und am meiſten im Ehe-
und Haus-Stande, zumal wenn ſich die Fami-
lie vermehret: ſintemal man alsdenn, aus unor-
dentlicher Liebe gegen die Seinigen, dieſe ſelbſt
verſorgen will, aber dabey ſelten in der GOtt-
wohlgefaͤlligen Ordnung bleibet, ſondern auf den
Geitz, und dadurch auf allerley wo nicht an ſich
ſelbſt ſuͤndliche, doch viele Zerſtreuung und Ver-
eitelung mit ſich fuͤhrende Wege verfaͤllt. Dan-
nenhero Paulus den Ehe-Leuten dieſe gute Erin-
nerungen giebet, und damit zugleich anzeiget,
was zur Beweiſung der vorher anbefohlnen Bru-
[Spaltenumbruch] der-Liebe,
ſonderlich in der Gaſtfreyheit und
Huͤlfs-Leiſtung gegen die Gefangnen und ſonſt
Bedraͤngten erfordert werde; nemlich daß man
ohne Geitz ſey; als welcher einen davon zuruͤck
haͤlt.

2. Der Geitz iſt ein ſolches Laſter, da man
in Erwerbung, Beſitzung und Anwendung zeitli-
cher Guͤter eine unordentliche und unmaͤßige Be-
gierde hat und davon dergeſtalt beherrſchet wird,
daß man mit Vergeſſung ſeiner noͤthigen Seel-
ſorge gantz irdiſch geſinnet iſt, auch voller Unruhe
wird, und ſich dabey auch gemeiniglich uͤber al-
lerhand unzulaͤßige Wege und Mittel, wenn ſie
nur nicht gar zu grob, und handgreiflich ungerecht
ſind, kein Gewiſſen machet.

3. Der Grund des Geitzes iſt der Un-
glaube,
vermoͤge deſſen man nicht auf die geiſtli-
chen, unſichtbaren und kuͤnftigen Guͤter ſiehet,
und dannenhero mit ſeinen Begierden, die doch
worinnen ihre Ruhe haben wollen, aufs irdiſche
und ſichtbare faͤllt. Denn die Begierden ſind
der Seele des Menſchen weſentlich, und darinnen
unſterblich, und von ſolcher Beſchaffenheit, daß
ſie ein Objectum, eine Sache haben wollen, dar-
innen ſie mit einer Saͤttigung vergnuͤglich ruhen
koͤnnen. Dieſes aber findet die Seele, als ein
unſterblicher unſichtbarer Geiſt, ihrer Natur ge-
maͤß, allein in geiſtlichen, unſichtbaren und ewi-
gen Dingen, und alſo in GOtt und goͤttlichen
Sachen. Stehet nun der Menſch im Unglau-
ben, ſo ſtehet er auſſer dem Bande mit GOtt und
auſſer allem Genuß geiſtlicher und ewiger Guͤter.
Da nun aber die weſentlichen Begierden des
Menſchen etwas haben wollen, darinnen ſie ru-
hen, ſo koͤnnen ſie nicht anders, als auf zeitliche
Dinge fallen, finden aber an ſtatt der geſuchten
Ruhe lauter Unruhe, alſo daß ſie mit den zeitlichen
Guͤtern, weil dieſe zu dem geiſtlichen Weſen der
Seele gar keine Proportion haben, nur vermeh-
ret wird, und der Geitz alſo dem Menſchen gleich-
ſam zu einer rechten Vorhoͤlle wird: gleichwie
eine glaͤubige und vergnuͤgliche Seele in der geiſt-
lichen Ruhe gleichſam ſchon einen rechten Vor-
Himmel,
einen Himmel auf Erden hat.

4. Es aͤuſſert ſich der Geitz theils in der Er-
werbung,
theils in der Beſitzung, theils auch
in der Anlegung zeitlicher Guͤter. Jn der
Erwerbung, wenn man, mit Verſaͤumung
der noͤthigen Sorge fuͤr ſeine Seele, alle ſeine
Bemuͤhungen nur hauptſaͤchlich dahin richtet,
daß man an zeitlichen Dingen moͤge viel haben,
zum wenigſten mehr, als man gebrauchet und
noͤthig hat. Dabey es denn an unzulaͤßigen
Mitteln und Wegen ſelten zu fehlen pfleget. Jn
der Beſitzung aͤuſſert ſich der Geitz alſo, daß der
Menſch das Hertz daran haͤnget, und ſich darauf
mehr verlaͤßt, als auf GOtt, ja, wenn es genau
gepruͤfet wird, auf GOtt gar nicht, ſondern auf
zeitliche Dinge allein. Jmgleichen wenn ſein
Tichten und Trachten nur dahin gehet, wie er
ſeinen Vorrath, wo nicht vermehren, doch be-
wahren moͤge, und mit ſolcher Sorgfalt ſich den
Tag hindurch traͤget, damit einſchlaͤft, auch da-
mit wider aufwachet; und ſolcher geſtalt ſeine
Seelen-Speiſe im irdiſchen hat, oder doch zu

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[411/0413] Cap. 13. v. 4-6. an die Hebraͤer. bet, und daher Leuten von ſeines gleichen nicht hart faͤllt, ſich auch ſelbſt des Ausbruchs ſeiner Laſter beſorgen muß. Von dem goͤttlichen Ge- richte ſpricht Paulus Galat. 5, 19. 21. Of- fenbar ſind die Wercke des Fleiſches, als da ſind Ehebruch, Hurerey, Unreinigkeit, Unzucht ‒ ‒ von welchen ich euch habe zu- vor geſaget, und ſage noch zuvor, daß, die ſolches thun, werden das Reich GOttes nicht ererben. Und Offenb. 22, 15. heißt es: Hauſſen ſind die Hurer u. ſ. w. Siehe auch 1 Cor. 6, 9. Laſſet euch nicht verfuͤhren, we- der die Hurer, noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge ‒ ‒ werden das Reich GOt- tes ererben. Deßgleichen Eph. 5, 5. Das ſolt ihr aber wiſſen, daß kein Hurer noch Unreiner, oder Geitziger, welcher iſt ein Goͤtzen-Diener Erbe hat an dem Reiche Chriſti und GOttes. Laſſet euch niemand verſuͤhren mit vergeblichen Worten (nem- lich als haͤtten ſolche Suͤnden nicht viel auf ſich) denn um dieſer Willen koͤmmt der Zorn GOttes uͤber die Kinder des Unglaubens. V. 5. 6. Der Wandel ſey (bey euch) ohne Geitz, und (zu bezeugen, daß ihr ohne Geitz ſeyd, ſo) laſſet euch begnuͤgen an dem, das da iſt (nemlich auf eine rechtmaͤßige Art, aus der Se- gens-Hand GOttes) denn er (GOtt, euer Va- ter und Verſorger) hat (5 B. Moſ. 30, 6. 1 Chron. 28, 20. Jeſ. 1, 5. uͤberhaupt) geſaget: Jch will dich nicht verlaſſen, noch verſaͤu- men (welche Verheiſſung ein ieder billig auf ſei- nen Zuſtand inſonderheit zu appliciren hat) alſo (welches der Nutze iſt von der wohl applicirten Verheiſſung, nemlich der daher zur Glaubens- Freudigkeit entſtehet) daß wir duͤrfen (koͤnnen in Freudigkeit mit David aus dem Pſ. 55, 12. Pſ. 118, 6.) ſagen: Der HErr iſt mein Helfer, ich will mich nicht fuͤrchten: was ſolte mir ein Menſch thun? Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt alhier die Verbindung dieſer Verſe mit dem vorhergehenden zu mercken. Nachdem der Apoſtel des Eheſtandes gedacht hat, ſo gedencket er darauf der Vergnuͤglichkeit und verbietet den Geitz, und zwar alſo, daß er den Menſchen von einer eignen und unordentli- chen Verſorgung auf die Vorſorge GOttes wei- ſet. Und ſolcher geſtalt ſchicket ſich eines auf das andere gar wohl. Denn die Sorgen der Nah- rung finden ſich eigentlich und am meiſten im Ehe- und Haus-Stande, zumal wenn ſich die Fami- lie vermehret: ſintemal man alsdenn, aus unor- dentlicher Liebe gegen die Seinigen, dieſe ſelbſt verſorgen will, aber dabey ſelten in der GOtt- wohlgefaͤlligen Ordnung bleibet, ſondern auf den Geitz, und dadurch auf allerley wo nicht an ſich ſelbſt ſuͤndliche, doch viele Zerſtreuung und Ver- eitelung mit ſich fuͤhrende Wege verfaͤllt. Dan- nenhero Paulus den Ehe-Leuten dieſe gute Erin- nerungen giebet, und damit zugleich anzeiget, was zur Beweiſung der vorher anbefohlnen Bru- der-Liebe, ſonderlich in der Gaſtfreyheit und Huͤlfs-Leiſtung gegen die Gefangnen und ſonſt Bedraͤngten erfordert werde; nemlich daß man ohne Geitz ſey; als welcher einen davon zuruͤck haͤlt. 2. Der Geitz iſt ein ſolches Laſter, da man in Erwerbung, Beſitzung und Anwendung zeitli- cher Guͤter eine unordentliche und unmaͤßige Be- gierde hat und davon dergeſtalt beherrſchet wird, daß man mit Vergeſſung ſeiner noͤthigen Seel- ſorge gantz irdiſch geſinnet iſt, auch voller Unruhe wird, und ſich dabey auch gemeiniglich uͤber al- lerhand unzulaͤßige Wege und Mittel, wenn ſie nur nicht gar zu grob, und handgreiflich ungerecht ſind, kein Gewiſſen machet. 3. Der Grund des Geitzes iſt der Un- glaube, vermoͤge deſſen man nicht auf die geiſtli- chen, unſichtbaren und kuͤnftigen Guͤter ſiehet, und dannenhero mit ſeinen Begierden, die doch worinnen ihre Ruhe haben wollen, aufs irdiſche und ſichtbare faͤllt. Denn die Begierden ſind der Seele des Menſchen weſentlich, und darinnen unſterblich, und von ſolcher Beſchaffenheit, daß ſie ein Objectum, eine Sache haben wollen, dar- innen ſie mit einer Saͤttigung vergnuͤglich ruhen koͤnnen. Dieſes aber findet die Seele, als ein unſterblicher unſichtbarer Geiſt, ihrer Natur ge- maͤß, allein in geiſtlichen, unſichtbaren und ewi- gen Dingen, und alſo in GOtt und goͤttlichen Sachen. Stehet nun der Menſch im Unglau- ben, ſo ſtehet er auſſer dem Bande mit GOtt und auſſer allem Genuß geiſtlicher und ewiger Guͤter. Da nun aber die weſentlichen Begierden des Menſchen etwas haben wollen, darinnen ſie ru- hen, ſo koͤnnen ſie nicht anders, als auf zeitliche Dinge fallen, finden aber an ſtatt der geſuchten Ruhe lauter Unruhe, alſo daß ſie mit den zeitlichen Guͤtern, weil dieſe zu dem geiſtlichen Weſen der Seele gar keine Proportion haben, nur vermeh- ret wird, und der Geitz alſo dem Menſchen gleich- ſam zu einer rechten Vorhoͤlle wird: gleichwie eine glaͤubige und vergnuͤgliche Seele in der geiſt- lichen Ruhe gleichſam ſchon einen rechten Vor- Himmel, einen Himmel auf Erden hat. 4. Es aͤuſſert ſich der Geitz theils in der Er- werbung, theils in der Beſitzung, theils auch in der Anlegung zeitlicher Guͤter. Jn der Erwerbung, wenn man, mit Verſaͤumung der noͤthigen Sorge fuͤr ſeine Seele, alle ſeine Bemuͤhungen nur hauptſaͤchlich dahin richtet, daß man an zeitlichen Dingen moͤge viel haben, zum wenigſten mehr, als man gebrauchet und noͤthig hat. Dabey es denn an unzulaͤßigen Mitteln und Wegen ſelten zu fehlen pfleget. Jn der Beſitzung aͤuſſert ſich der Geitz alſo, daß der Menſch das Hertz daran haͤnget, und ſich darauf mehr verlaͤßt, als auf GOtt, ja, wenn es genau gepruͤfet wird, auf GOtt gar nicht, ſondern auf zeitliche Dinge allein. Jmgleichen wenn ſein Tichten und Trachten nur dahin gehet, wie er ſeinen Vorrath, wo nicht vermehren, doch be- wahren moͤge, und mit ſolcher Sorgfalt ſich den Tag hindurch traͤget, damit einſchlaͤft, auch da- mit wider aufwachet; und ſolcher geſtalt ſeine Seelen-Speiſe im irdiſchen hat, oder doch zu haben F f f 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/413>, abgerufen am 22.11.2024.