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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 13. v. 5. 6.
[Spaltenumbruch] haben vermeynet, wie ein Fisch im Wasser, oder
vielmehr wie ein Käfer im Miste. Jn der Anle-
gung
thut sich der Geitz sonderlich auf diese Art
hervor, daß ein Geitziger eines theils den Dürfti-
gen entweder nichts, oder doch nicht nach Pro-
portion
seines Vermögens, sondern viel zu we-
nig, giebt; andern theils aber seine Interessen,
nur immer wieder zum Capital schläget, und mit
seinen Schätzen seine Stricke und Netze vermeh-
ret. Ja bey manchen kömmt es gar dahin; daß
sie auch ihrem eignen Leibe die Nothdurft an der
Kleidung und Nahrung abbrechen.

5. Die Kennzeichen des Geitzes sind aus-
ser denen, welche die bisherige Beschreibung an
die Hand giebet, sonderlich diese, daß ein Geitzi-
ger sich eines theils vielmehr betrübet über einen
erlittenen Verlust an zeitlichen Gütern, als über
eine wider das Gewissen begangene Sünde und
über einen an der Seele genommenen Schaden;
andern theils aber sich mehr erfreuet über einen
zeitlichen Gewinn, als über eine Gnaden-Gabe
GOttes, die ihm, da er sie nicht hat, zum wenig-
sten also angepriesen wird, daß er ihrer gar wohl
habhaft werden könte.

6. Gleichwie nun der Geitz die, welche er
beherrschet, überhaupt nicht allein zu Unchristen,
sondern auch guten theils zu unvernünftigen
Menschen
machet, welche sich es um ihren ewi-
gen Schaden und den Verlust des Reichs GOt-
tes recht sauer werden lassen: so verursachen sie
damit auch bey ihren Kindern, daß diese gemei-
niglich nicht wohl gerathen. Zwar solte man,
wenn man diese und jene von der Posterität der
Reichen und Geitzigen ansiehet, und nicht findet,
daß sie Schlemmer und Prasser, noch sonst üble
Haushälter sind, wol meynen, bey diesen finde
sich doch kein Unsegen, sondern die zeitlichen Güter
würden vielmehr vermehret: allein der Fluch
äussert sich nicht allein in der veranlasseten Ver-
schwendung;
sondern auch in dem von den El-
tern mit den Gütern ererbeten Geitze und dem
daher entstandenen Stoltz und Ubermuth.
Welcher, da man dadurch seiner Seligkeit verlu-
stig wird, Fluchs genug ist. Und denn so pfle-
get auch die Zerstreuung der gesammleten Schätze
nicht auszubleiben, wo nicht bey den ersten, doch
bey den folgenden Erben.

7. Dieses habe ich für nöthig gefunden von
der eigentlichen Natur und Beschaffenheit des
Geitzes vorher zu setzen. Hieraus läßt sich nun
so viel besser verstehen, warum der Apostel den
gläubigen Hebräern diese Lehre mit der Ermah-
nung gegeben habe: der Wandel sey ohne
Geitz.
Bey denen, welche unter ihnen recht-
schaffen waren, wird er damit so viel mehrern Ein-
gang gefunden haben, so viel löblicher es war,
was er von ihnen schreiben konte, nemlich sie
hätten, in Ansehung des bessern Schatzes, wel-
chen sie im Himmel, und zum Theil auch schon
in sich besässen, den Raub ihrer zeitlichen Güter
mit Freuden erduldet. Weil aber die bekehrten
Hebräer noch nicht alle von gleicher Art waren,
auch die rechtschaffnen über sich zu wachen hatten,
daß sie nicht auf den Geitz verfallen möchten, so
giebt er ihnen diese Ermahnung.

[Spaltenumbruch]

8. Von dem Geitze führet sie der Apostel
auf die Vergnüglichkeit, wie er auch 1 Tim. 6.
thut. Und diese führet er auf taparonta, auf das,
was man von zeitlichen hat, und was man sonst
mit dem Lateinischen Worte sors, und mit der
Redens-Art, sua sorte contentum esse, auszu-
drucken pfleget. Es sind aber ta paronta, Din-
ge, die da sind,
eigentlich dasjenige, was man
aus der Segens-Hand GOttes rechtmäßiger
Weise hat. Denn daß man damit nicht alles, was
etwa da ist, oder iemand hat, verstehen könne, ist
daraus klar, weil ja mancher manches mit Unrecht
hat, und mit Unrecht besitzet: womit er demnach
ohne Verletzung seines Gewissens weder kan,
noch muß vergnüget seyn; sondern da hat er auf
eine schuldige Wiedererstattung ernstlich zu geden-
cken, und solche zu bewerckstelligen.

9. Die Vergnüglichkeit, welche der
Apostel auf das gegenwärtige führet, ist eine sol-
che Tugend, da ein Mensch nach dem Grunde
des Glaubens, welcher eigentlich auf die geistliche
Heyls-Güter gehet, mit Verleugnung alles irdi-
schen, sein Haupt-Vergnügen in GOtt und in
himmlischen Dingen hat, und sich im leiblichen
von der Vorsorge GOttes versichert hält, und
folglich mit seinem Zustande, und was er darin-
nen von zeitlichen Dingen hat, und wenn es auch
noch so wenig wäre, wohl zu frieden ist. Da
nun der Geitz eine Wurtzel alles Ubels ist: so ist
hingegen die Vergnüglichkeit eine Wurtzel,
oder ein kurtzer Begriff alles, oder doch vieles,
guten. Darum von ihr Paulus schreibet 1 Tim.
6, 6. Es ist ein grosser Gewinn, wer gott-
selig ist, und lässet ihm genügen.

10. Wenn der Apostel spricht: autos gar,
denn er, er selbst, nemlich GOtt, hat gesaget,
und doch das Wort GOtt nicht zu nächst vor-
hergegangen war, so zeiget er damit an, daß das-
selbe bey dem Worte par[fremdsprachliches Material]si, was da ist, zu ver-
stehen sey, und demnach solche paronta, gegen-
wärtige Dinge, wie schon vorher angemercket
ist, gemeynet werden, die GOttes sind, oder die
man aus der Providentz GOttes besitzet.
Und also weiset er den Menschen von sich auf
GOtt.

11. Mit dem, was GOtt von seiner gnä-
digen Vorsorge gesaget haben soll, siehet der
Apostel auf mehrere, als auf einen Ort; wie es
denn GOtt mehrmal bezeuget hat: als 5 B. Mos.
31, 6. Seyd getrost (ihr vom Volcke Jsrael)
und unverzagt, fürchtet euch nicht, und
lasset euch nicht vor ihnen
(euren Feinden)
grauen. Denn der HErr dein GOtt wird
selber mit dir wandeln, und wird die Hand
nicht abthun, noch dich verlassen.
Und
sonderlich zu Josua c. 1, 5. Jch will dich nicht
verlassen, noch von dir weichen.
Siehe
auch die Worte Davids zum Salomo 2 Chron.
28, 20.

12. Da nun das, was GOtt theils zum
Josua insonderheit, theils zum Volcke durch Mo-
sen, von seiner Väterlichen Vorsorge gesaget
hat, Paulus auf die gläubigen Hebräer seiner
Zeit appliciret; so zeiget er uns damit an, wie
man die heilige Schrift zu gebrauchen habe:

nem-

Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 13. v. 5. 6.
[Spaltenumbruch] haben vermeynet, wie ein Fiſch im Waſſer, oder
vielmehr wie ein Kaͤfer im Miſte. Jn der Anle-
gung
thut ſich der Geitz ſonderlich auf dieſe Art
hervor, daß ein Geitziger eines theils den Duͤrfti-
gen entweder nichts, oder doch nicht nach Pro-
portion
ſeines Vermoͤgens, ſondern viel zu we-
nig, giebt; andern theils aber ſeine Intereſſen,
nur immer wieder zum Capital ſchlaͤget, und mit
ſeinen Schaͤtzen ſeine Stricke und Netze vermeh-
ret. Ja bey manchen koͤmmt es gar dahin; daß
ſie auch ihrem eignen Leibe die Nothdurft an der
Kleidung und Nahrung abbrechen.

5. Die Kennzeichen des Geitzes ſind auſ-
ſer denen, welche die bisherige Beſchreibung an
die Hand giebet, ſonderlich dieſe, daß ein Geitzi-
ger ſich eines theils vielmehr betruͤbet uͤber einen
erlittenen Verluſt an zeitlichen Guͤtern, als uͤber
eine wider das Gewiſſen begangene Suͤnde und
uͤber einen an der Seele genommenen Schaden;
andern theils aber ſich mehr erfreuet uͤber einen
zeitlichen Gewinn, als uͤber eine Gnaden-Gabe
GOttes, die ihm, da er ſie nicht hat, zum wenig-
ſten alſo angeprieſen wird, daß er ihrer gar wohl
habhaft werden koͤnte.

6. Gleichwie nun der Geitz die, welche er
beherrſchet, uͤberhaupt nicht allein zu Unchriſten,
ſondern auch guten theils zu unvernuͤnftigen
Menſchen
machet, welche ſich es um ihren ewi-
gen Schaden und den Verluſt des Reichs GOt-
tes recht ſauer werden laſſen: ſo verurſachen ſie
damit auch bey ihren Kindern, daß dieſe gemei-
niglich nicht wohl gerathen. Zwar ſolte man,
wenn man dieſe und jene von der Poſteritaͤt der
Reichen und Geitzigen anſiehet, und nicht findet,
daß ſie Schlemmer und Praſſer, noch ſonſt uͤble
Haushaͤlter ſind, wol meynen, bey dieſen finde
ſich doch kein Unſegen, ſondern die zeitlichen Guͤter
wuͤrden vielmehr vermehret: allein der Fluch
aͤuſſert ſich nicht allein in der veranlaſſeten Ver-
ſchwendung;
ſondern auch in dem von den El-
tern mit den Guͤtern ererbeten Geitze und dem
daher entſtandenen Stoltz und Ubermuth.
Welcher, da man dadurch ſeiner Seligkeit verlu-
ſtig wird, Fluchs genug iſt. Und denn ſo pfle-
get auch die Zerſtreuung der geſammleten Schaͤtze
nicht auszubleiben, wo nicht bey den erſten, doch
bey den folgenden Erben.

7. Dieſes habe ich fuͤr noͤthig gefunden von
der eigentlichen Natur und Beſchaffenheit des
Geitzes vorher zu ſetzen. Hieraus laͤßt ſich nun
ſo viel beſſer verſtehen, warum der Apoſtel den
glaͤubigen Hebraͤern dieſe Lehre mit der Ermah-
nung gegeben habe: der Wandel ſey ohne
Geitz.
Bey denen, welche unter ihnen recht-
ſchaffen waren, wird er damit ſo viel mehrern Ein-
gang gefunden haben, ſo viel loͤblicher es war,
was er von ihnen ſchreiben konte, nemlich ſie
haͤtten, in Anſehung des beſſern Schatzes, wel-
chen ſie im Himmel, und zum Theil auch ſchon
in ſich beſaͤſſen, den Raub ihrer zeitlichen Guͤter
mit Freuden erduldet. Weil aber die bekehrten
Hebraͤer noch nicht alle von gleicher Art waren,
auch die rechtſchaffnen uͤber ſich zu wachen hatten,
daß ſie nicht auf den Geitz verfallen moͤchten, ſo
giebt er ihnen dieſe Ermahnung.

[Spaltenumbruch]

8. Von dem Geitze fuͤhret ſie der Apoſtel
auf die Vergnuͤglichkeit, wie er auch 1 Tim. 6.
thut. Und dieſe fuͤhret er auf τὰπαρόντα, auf das,
was man von zeitlichen hat, und was man ſonſt
mit dem Lateiniſchen Worte ſors, und mit der
Redens-Art, ſua ſorte contentum eſſe, auszu-
drucken pfleget. Es ſind aber τὰ παρόντα, Din-
ge, die da ſind,
eigentlich dasjenige, was man
aus der Segens-Hand GOttes rechtmaͤßiger
Weiſe hat. Denn daß man damit nicht alles, was
etwa da iſt, oder iemand hat, verſtehen koͤnne, iſt
daraus klar, weil ja mancher manches mit Unrecht
hat, und mit Unrecht beſitzet: womit er demnach
ohne Verletzung ſeines Gewiſſens weder kan,
noch muß vergnuͤget ſeyn; ſondern da hat er auf
eine ſchuldige Wiedererſtattung ernſtlich zu geden-
cken, und ſolche zu bewerckſtelligen.

9. Die Vergnuͤglichkeit, welche der
Apoſtel auf das gegenwaͤrtige fuͤhret, iſt eine ſol-
che Tugend, da ein Menſch nach dem Grunde
des Glaubens, welcher eigentlich auf die geiſtliche
Heyls-Guͤter gehet, mit Verleugnung alles irdi-
ſchen, ſein Haupt-Vergnuͤgen in GOtt und in
himmliſchen Dingen hat, und ſich im leiblichen
von der Vorſorge GOttes verſichert haͤlt, und
folglich mit ſeinem Zuſtande, und was er darin-
nen von zeitlichen Dingen hat, und wenn es auch
noch ſo wenig waͤre, wohl zu frieden iſt. Da
nun der Geitz eine Wurtzel alles Ubels iſt: ſo iſt
hingegen die Vergnuͤglichkeit eine Wurtzel,
oder ein kurtzer Begriff alles, oder doch vieles,
guten. Darum von ihr Paulus ſchreibet 1 Tim.
6, 6. Es iſt ein groſſer Gewinn, wer gott-
ſelig iſt, und laͤſſet ihm genuͤgen.

10. Wenn der Apoſtel ſpricht: ἀυτὸς γὰρ,
denn er, er ſelbſt, nemlich GOtt, hat geſaget,
und doch das Wort GOtt nicht zu naͤchſt vor-
hergegangen war, ſo zeiget er damit an, daß daſ-
ſelbe bey dem Worte παρ[fremdsprachliches Material]σι, was da iſt, zu ver-
ſtehen ſey, und demnach ſolche παρόντα, gegen-
waͤrtige Dinge, wie ſchon vorher angemercket
iſt, gemeynet werden, die GOttes ſind, oder die
man aus der Providentz GOttes beſitzet.
Und alſo weiſet er den Menſchen von ſich auf
GOtt.

11. Mit dem, was GOtt von ſeiner gnaͤ-
digen Vorſorge geſaget haben ſoll, ſiehet der
Apoſtel auf mehrere, als auf einen Ort; wie es
denn GOtt mehrmal bezeuget hat: als 5 B. Moſ.
31, 6. Seyd getroſt (ihr vom Volcke Jſrael)
und unverzagt, fuͤrchtet euch nicht, und
laſſet euch nicht vor ihnen
(euren Feinden)
grauen. Denn der HErr dein GOtt wird
ſelber mit dir wandeln, und wird die Hand
nicht abthun, noch dich verlaſſen.
Und
ſonderlich zu Joſua c. 1, 5. Jch will dich nicht
verlaſſen, noch von dir weichen.
Siehe
auch die Worte Davids zum Salomo 2 Chron.
28, 20.

12. Da nun das, was GOtt theils zum
Joſua inſonderheit, theils zum Volcke durch Mo-
ſen, von ſeiner Vaͤterlichen Vorſorge geſaget
hat, Paulus auf die glaͤubigen Hebraͤer ſeiner
Zeit appliciret; ſo zeiget er uns damit an, wie
man die heilige Schrift zu gebrauchen habe:

nem-
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[412/0414] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 13. v. 5. 6. haben vermeynet, wie ein Fiſch im Waſſer, oder vielmehr wie ein Kaͤfer im Miſte. Jn der Anle- gung thut ſich der Geitz ſonderlich auf dieſe Art hervor, daß ein Geitziger eines theils den Duͤrfti- gen entweder nichts, oder doch nicht nach Pro- portion ſeines Vermoͤgens, ſondern viel zu we- nig, giebt; andern theils aber ſeine Intereſſen, nur immer wieder zum Capital ſchlaͤget, und mit ſeinen Schaͤtzen ſeine Stricke und Netze vermeh- ret. Ja bey manchen koͤmmt es gar dahin; daß ſie auch ihrem eignen Leibe die Nothdurft an der Kleidung und Nahrung abbrechen. 5. Die Kennzeichen des Geitzes ſind auſ- ſer denen, welche die bisherige Beſchreibung an die Hand giebet, ſonderlich dieſe, daß ein Geitzi- ger ſich eines theils vielmehr betruͤbet uͤber einen erlittenen Verluſt an zeitlichen Guͤtern, als uͤber eine wider das Gewiſſen begangene Suͤnde und uͤber einen an der Seele genommenen Schaden; andern theils aber ſich mehr erfreuet uͤber einen zeitlichen Gewinn, als uͤber eine Gnaden-Gabe GOttes, die ihm, da er ſie nicht hat, zum wenig- ſten alſo angeprieſen wird, daß er ihrer gar wohl habhaft werden koͤnte. 6. Gleichwie nun der Geitz die, welche er beherrſchet, uͤberhaupt nicht allein zu Unchriſten, ſondern auch guten theils zu unvernuͤnftigen Menſchen machet, welche ſich es um ihren ewi- gen Schaden und den Verluſt des Reichs GOt- tes recht ſauer werden laſſen: ſo verurſachen ſie damit auch bey ihren Kindern, daß dieſe gemei- niglich nicht wohl gerathen. Zwar ſolte man, wenn man dieſe und jene von der Poſteritaͤt der Reichen und Geitzigen anſiehet, und nicht findet, daß ſie Schlemmer und Praſſer, noch ſonſt uͤble Haushaͤlter ſind, wol meynen, bey dieſen finde ſich doch kein Unſegen, ſondern die zeitlichen Guͤter wuͤrden vielmehr vermehret: allein der Fluch aͤuſſert ſich nicht allein in der veranlaſſeten Ver- ſchwendung; ſondern auch in dem von den El- tern mit den Guͤtern ererbeten Geitze und dem daher entſtandenen Stoltz und Ubermuth. Welcher, da man dadurch ſeiner Seligkeit verlu- ſtig wird, Fluchs genug iſt. Und denn ſo pfle- get auch die Zerſtreuung der geſammleten Schaͤtze nicht auszubleiben, wo nicht bey den erſten, doch bey den folgenden Erben. 7. Dieſes habe ich fuͤr noͤthig gefunden von der eigentlichen Natur und Beſchaffenheit des Geitzes vorher zu ſetzen. Hieraus laͤßt ſich nun ſo viel beſſer verſtehen, warum der Apoſtel den glaͤubigen Hebraͤern dieſe Lehre mit der Ermah- nung gegeben habe: der Wandel ſey ohne Geitz. Bey denen, welche unter ihnen recht- ſchaffen waren, wird er damit ſo viel mehrern Ein- gang gefunden haben, ſo viel loͤblicher es war, was er von ihnen ſchreiben konte, nemlich ſie haͤtten, in Anſehung des beſſern Schatzes, wel- chen ſie im Himmel, und zum Theil auch ſchon in ſich beſaͤſſen, den Raub ihrer zeitlichen Guͤter mit Freuden erduldet. Weil aber die bekehrten Hebraͤer noch nicht alle von gleicher Art waren, auch die rechtſchaffnen uͤber ſich zu wachen hatten, daß ſie nicht auf den Geitz verfallen moͤchten, ſo giebt er ihnen dieſe Ermahnung. 8. Von dem Geitze fuͤhret ſie der Apoſtel auf die Vergnuͤglichkeit, wie er auch 1 Tim. 6. thut. Und dieſe fuͤhret er auf τὰπαρόντα, auf das, was man von zeitlichen hat, und was man ſonſt mit dem Lateiniſchen Worte ſors, und mit der Redens-Art, ſua ſorte contentum eſſe, auszu- drucken pfleget. Es ſind aber τὰ παρόντα, Din- ge, die da ſind, eigentlich dasjenige, was man aus der Segens-Hand GOttes rechtmaͤßiger Weiſe hat. Denn daß man damit nicht alles, was etwa da iſt, oder iemand hat, verſtehen koͤnne, iſt daraus klar, weil ja mancher manches mit Unrecht hat, und mit Unrecht beſitzet: womit er demnach ohne Verletzung ſeines Gewiſſens weder kan, noch muß vergnuͤget ſeyn; ſondern da hat er auf eine ſchuldige Wiedererſtattung ernſtlich zu geden- cken, und ſolche zu bewerckſtelligen. 9. Die Vergnuͤglichkeit, welche der Apoſtel auf das gegenwaͤrtige fuͤhret, iſt eine ſol- che Tugend, da ein Menſch nach dem Grunde des Glaubens, welcher eigentlich auf die geiſtliche Heyls-Guͤter gehet, mit Verleugnung alles irdi- ſchen, ſein Haupt-Vergnuͤgen in GOtt und in himmliſchen Dingen hat, und ſich im leiblichen von der Vorſorge GOttes verſichert haͤlt, und folglich mit ſeinem Zuſtande, und was er darin- nen von zeitlichen Dingen hat, und wenn es auch noch ſo wenig waͤre, wohl zu frieden iſt. Da nun der Geitz eine Wurtzel alles Ubels iſt: ſo iſt hingegen die Vergnuͤglichkeit eine Wurtzel, oder ein kurtzer Begriff alles, oder doch vieles, guten. Darum von ihr Paulus ſchreibet 1 Tim. 6, 6. Es iſt ein groſſer Gewinn, wer gott- ſelig iſt, und laͤſſet ihm genuͤgen. 10. Wenn der Apoſtel ſpricht: ἀυτὸς γὰρ, denn er, er ſelbſt, nemlich GOtt, hat geſaget, und doch das Wort GOtt nicht zu naͤchſt vor- hergegangen war, ſo zeiget er damit an, daß daſ- ſelbe bey dem Worte παρ_ σι, was da iſt, zu ver- ſtehen ſey, und demnach ſolche παρόντα, gegen- waͤrtige Dinge, wie ſchon vorher angemercket iſt, gemeynet werden, die GOttes ſind, oder die man aus der Providentz GOttes beſitzet. Und alſo weiſet er den Menſchen von ſich auf GOtt. 11. Mit dem, was GOtt von ſeiner gnaͤ- digen Vorſorge geſaget haben ſoll, ſiehet der Apoſtel auf mehrere, als auf einen Ort; wie es denn GOtt mehrmal bezeuget hat: als 5 B. Moſ. 31, 6. Seyd getroſt (ihr vom Volcke Jſrael) und unverzagt, fuͤrchtet euch nicht, und laſſet euch nicht vor ihnen (euren Feinden) grauen. Denn der HErr dein GOtt wird ſelber mit dir wandeln, und wird die Hand nicht abthun, noch dich verlaſſen. Und ſonderlich zu Joſua c. 1, 5. Jch will dich nicht verlaſſen, noch von dir weichen. Siehe auch die Worte Davids zum Salomo 2 Chron. 28, 20. 12. Da nun das, was GOtt theils zum Joſua inſonderheit, theils zum Volcke durch Mo- ſen, von ſeiner Vaͤterlichen Vorſorge geſaget hat, Paulus auf die glaͤubigen Hebraͤer ſeiner Zeit appliciret; ſo zeiget er uns damit an, wie man die heilige Schrift zu gebrauchen habe: nem-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/414>, abgerufen am 22.11.2024.