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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 4. 5.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel der Geduld, oder
Beharrung gedacht hatte, so bezeuget er alhier,
was er dadurch verstehe, und was dazu gehöre:
nemlich es sey nicht genug eine Zeitlang im Gu-
ten unter dem Creutze fortzufahren, sondern man
müsse darunter beständig bleiben: welches er
nennet ergon teleion ekhein, ein vollkommen Werck
haben, oder bis ans Ende vest bleiben.

2. Nachdem man einmal zum rechtschaff-
nen Stande der Gnaden gelanget ist, so kömmt
es alles auf die Beharrung an. Denn wo der
Gerechte von seiner Gerechtigkeit weichet, so soll
aller seiner Gerechtigkeit nicht gedacht werden
Ezech. 33, 12. u. f. Und allein der, welcher bis
an das Ende verharret, soll selig werden.

Matth. 10, 22. c 24, 13.

3. Wie gar weit mancher von der wahren
Evangelischen Vollkommenheit entfernet
sey, zeiget er auch wol gar damit an, daß er das
Biblische Wort von der Vollkommenheit nicht
einmal ertragen kan, und sich an der Sprache des
Heiligen Geistes stosset.

4. Es ist aber die Evangelische Voll-
kommenheit
von zweyerley Art. Denn sie
gehöret theils zu der Lehre von der Erlösung und
Rechtfertigung, da wir durch den Glauben
vollkommen sind in Christo, oder um Christi wil-
len; als dessen vollkommene Gerechtigkeit uns
als unsere eigene zugerechnet wird: theils zur
Lehre von der wahren Bekehrung und Erneue-
rung;
da vollkommen seyn soviel ist, als nicht
allein wahrhaftig bekehret seyn und alle Stücke
des Christenthums an sich haben, sondern auch
dabey in einem solchen Wachsthum stehen, daß
man nicht mehr wie ein unmündiges Kind sey,
sondern zum männlichen Alter in Christo komme,
nach Eph. 4, 13. 14. Hebr. 5, 12. 13. 14.

5. Und daß mit dem Worte teleios, voll-
kommen,
darauf gesehen werde, daß bey dem
Christenthum alles ohne Lücken fein gantz seyn
solle, das wird mit dem dazu gesetzten Worte
olokleron, angezeiget: davon man sehe 1 Thess.
5, 23.

6. Zu noch mehrer Erläuterung heißt es
noch ferner dabey: und keinen Mangel habet:
nemlich wie an irgend einer nöthigen Gnaden-
Gabe, und an einem Heyls-Gute; also auch an
einem Theile der schuldigen Pflichten in der Liebe
gegen GOtt, uns selbst und den Nächsten. Denn
die Wohlthaten und Pflichten, beneficia
& officia,
müssen immer zusammen stehen, und
diese durch jene befördert werden; da sie uns
GOtt dazu ertheilet.

7. Es kan gar wohl bey einander stehen, daß
man eines theils im angezeigten Verstande voll-
kommen sey und keinen Mangel habe; andern
theils aber dennoch dabey in dem Gefühle der Ar-
muth am Geiste, und also in der Demuth stehen
bleibe: sintemal diese Demuth eben eines von
den fürnehmsten Stücken solcher Vollkommen-
heit ist, nach welcher man, in der Erkenntniß des-
sen, was einem noch fehlet, suchet immer völliger
zu werden.

[Spaltenumbruch]
V. 5.

So aber iemand unter euch Weisheit
mangelt
(das Geheimniß des Creutzes recht ein-
zusehen, und sich dabey weislich zu verhalten) der
bitte von GOtt
(wie sie Salomo von GOtt
erbeten hat 1 Kön. 3, 9. 12.) der da giebet ein-
fältiglich
(ohne Ansehen der Person iedermann,
und wie gar willig, also auch beständig, also daß
er des Gebens nicht müde wird) und rückets
niemand
(keinem, der das empfangene wohl
anleget) auf (als wenn er des gebens schon
müde wäre;) so wird sie ihm gegeben
werden.

Anmerckungen.

1. Die Weisheit ist eine solche Erkennt-
niß göttlicher Dinge, da man die Geheimnisse,
den Willen, und die Wege GOttes im göttlichen
Lichte recht einsiehet, und also zu beurtheilen weiß,
daß man wie in allen Stücken, also insonderheit
im Creutze sich darnach richten könne, und sich
durch gute Anwendung alles zum besten dienen
lasse. Auf welche Art man die Verbindung die-
ses Verses mit den vorhergehenden siehet.

2. Diese Weisheit ist eine himmlische Ga-
be: gegen welche alles, was man in der Welt
Weisheit nennet, nur Thorheit, oder ein gemei-
niglich mit Arglistigkeit erfülleter natürlicher
Witz ist. Die Furcht des HErrn ist dieser
Weisheit Anfang, Mittel und Ende: als ohne
welche sie nicht erlanget, nicht vermehret, und
nicht bewahret wird; wie Salomo in seinen
Sprüchwörtern hin und wieder bezeuget.

3. Wir ermangeln demnach von Natur alle
dieser wahren Weisheit, und haben sie alle zu er-
bitten, auch was ihr mehrers Maß betrift: daß
also alhier niemand davon ausgenommen wird.
Es kan einer aber zu gewisser Zeit in solche Um-
stände kommen, sonderlich unter dem Leiden, daß
man sich nicht zu rathen weiß, und es leicht wor-
inn also versehen kan, daß man Ubel noch ärger
machet: und daher eines mehrern Masses der
Salbung zur Weisheit und Christlichen Vor-
sichtigkeit bedürftig ist.

4. Wie man bitten solle, wird im folgen-
den angezeiget, und von unserm Heylande son-
derlich angewiesen Matth. 7, 7. Bittet, so
wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr
finden; klopfet an, so wird euch aufgethan

u. s. w. Wie man insonderheit die Weisheit
suchen und finden solle siehe Sprüchw. 11, 1.
u. f.

5. Die Einfalt im Geben ist soviel als die
Aufrichtigkeit und Lauterkeit, nach welcher
man ohne falsche Absicht willig, gern und be-
ständig
giebet: welches das fürnehmste dabey
ist. Röm. 12, 8. 2 Cor. 8, 2. 9, 11. 13.

6. Die schon gegebenen Wohlthaten auf-
rücken,
ist alhier soviel als des Gebens müde seyn,
und zur Entschuldigung, warum man nicht mehr
geben wolle, anführen und einem vorhalten, daß
man schon so und so viel an ihm gethan habe.
Dieses thut GOtt nicht, sondern er giebt bestän-
dig, und ie mehr der Mensch nimmt, ie lieber gie-
bet er.

7. Also
Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 4. 5.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel der Geduld, oder
Beharrung gedacht hatte, ſo bezeuget er alhier,
was er dadurch verſtehe, und was dazu gehoͤre:
nemlich es ſey nicht genug eine Zeitlang im Gu-
ten unter dem Creutze fortzufahren, ſondern man
muͤſſe darunter beſtaͤndig bleiben: welches er
nennet ἔργον τέλειον ἔχειν, ein vollkommen Werck
haben, oder bis ans Ende veſt bleiben.

2. Nachdem man einmal zum rechtſchaff-
nen Stande der Gnaden gelanget iſt, ſo koͤmmt
es alles auf die Beharrung an. Denn wo der
Gerechte von ſeiner Gerechtigkeit weichet, ſo ſoll
aller ſeiner Gerechtigkeit nicht gedacht werden
Ezech. 33, 12. u. f. Und allein der, welcher bis
an das Ende verharret, ſoll ſelig werden.

Matth. 10, 22. c 24, 13.

3. Wie gar weit mancher von der wahren
Evangeliſchen Vollkommenheit entfernet
ſey, zeiget er auch wol gar damit an, daß er das
Bibliſche Wort von der Vollkommenheit nicht
einmal ertragen kan, und ſich an der Sprache des
Heiligen Geiſtes ſtoſſet.

4. Es iſt aber die Evangeliſche Voll-
kommenheit
von zweyerley Art. Denn ſie
gehoͤret theils zu der Lehre von der Erloͤſung und
Rechtfertigung, da wir durch den Glauben
vollkommen ſind in Chriſto, oder um Chriſti wil-
len; als deſſen vollkommene Gerechtigkeit uns
als unſere eigene zugerechnet wird: theils zur
Lehre von der wahren Bekehrung und Erneue-
rung;
da vollkommen ſeyn ſoviel iſt, als nicht
allein wahrhaftig bekehret ſeyn und alle Stuͤcke
des Chriſtenthums an ſich haben, ſondern auch
dabey in einem ſolchen Wachsthum ſtehen, daß
man nicht mehr wie ein unmuͤndiges Kind ſey,
ſondern zum maͤnnlichen Alter in Chriſto komme,
nach Eph. 4, 13. 14. Hebr. 5, 12. 13. 14.

5. Und daß mit dem Worte τέλειος, voll-
kommen,
darauf geſehen werde, daß bey dem
Chriſtenthum alles ohne Luͤcken fein gantz ſeyn
ſolle, das wird mit dem dazu geſetzten Worte
ὁλόκληρον, angezeiget: davon man ſehe 1 Theſſ.
5, 23.

6. Zu noch mehrer Erlaͤuterung heißt es
noch ferner dabey: und keinen Mangel habet:
nemlich wie an irgend einer noͤthigen Gnaden-
Gabe, und an einem Heyls-Gute; alſo auch an
einem Theile der ſchuldigen Pflichten in der Liebe
gegen GOtt, uns ſelbſt und den Naͤchſten. Denn
die Wohlthaten und Pflichten, beneficia
& officia,
muͤſſen immer zuſammen ſtehen, und
dieſe durch jene befoͤrdert werden; da ſie uns
GOtt dazu ertheilet.

7. Es kan gar wohl bey einander ſtehen, daß
man eines theils im angezeigten Verſtande voll-
kommen ſey und keinen Mangel habe; andern
theils aber dennoch dabey in dem Gefuͤhle der Ar-
muth am Geiſte, und alſo in der Demuth ſtehen
bleibe: ſintemal dieſe Demuth eben eines von
den fuͤrnehmſten Stuͤcken ſolcher Vollkommen-
heit iſt, nach welcher man, in der Erkenntniß deſ-
ſen, was einem noch fehlet, ſuchet immer voͤlliger
zu werden.

[Spaltenumbruch]
V. 5.

So aber iemand unter euch Weisheit
mangelt
(das Geheimniß des Creutzes recht ein-
zuſehen, und ſich dabey weislich zu verhalten) der
bitte von GOtt
(wie ſie Salomo von GOtt
erbeten hat 1 Koͤn. 3, 9. 12.) der da giebet ein-
faͤltiglich
(ohne Anſehen der Perſon iedermann,
und wie gar willig, alſo auch beſtaͤndig, alſo daß
er des Gebens nicht muͤde wird) und ruͤckets
niemand
(keinem, der das empfangene wohl
anleget) auf (als wenn er des gebens ſchon
muͤde waͤre;) ſo wird ſie ihm gegeben
werden.

Anmerckungen.

1. Die Weisheit iſt eine ſolche Erkennt-
niß goͤttlicher Dinge, da man die Geheimniſſe,
den Willen, und die Wege GOttes im goͤttlichen
Lichte recht einſiehet, und alſo zu beurtheilen weiß,
daß man wie in allen Stuͤcken, alſo inſonderheit
im Creutze ſich darnach richten koͤnne, und ſich
durch gute Anwendung alles zum beſten dienen
laſſe. Auf welche Art man die Verbindung die-
ſes Verſes mit den vorhergehenden ſiehet.

2. Dieſe Weisheit iſt eine himmliſche Ga-
be: gegen welche alles, was man in der Welt
Weisheit nennet, nur Thorheit, oder ein gemei-
niglich mit Argliſtigkeit erfuͤlleter natuͤrlicher
Witz iſt. Die Furcht des HErrn iſt dieſer
Weisheit Anfang, Mittel und Ende: als ohne
welche ſie nicht erlanget, nicht vermehret, und
nicht bewahret wird; wie Salomo in ſeinen
Spruͤchwoͤrtern hin und wieder bezeuget.

3. Wir ermangeln demnach von Natur alle
dieſer wahren Weisheit, und haben ſie alle zu er-
bitten, auch was ihr mehrers Maß betrift: daß
alſo alhier niemand davon ausgenommen wird.
Es kan einer aber zu gewiſſer Zeit in ſolche Um-
ſtaͤnde kommen, ſonderlich unter dem Leiden, daß
man ſich nicht zu rathen weiß, und es leicht wor-
inn alſo verſehen kan, daß man Ubel noch aͤrger
machet: und daher eines mehrern Maſſes der
Salbung zur Weisheit und Chriſtlichen Vor-
ſichtigkeit beduͤrftig iſt.

4. Wie man bitten ſolle, wird im folgen-
den angezeiget, und von unſerm Heylande ſon-
derlich angewieſen Matth. 7, 7. Bittet, ſo
wird euch gegeben, ſuchet, ſo werdet ihr
finden; klopfet an, ſo wird euch aufgethan

u. ſ. w. Wie man inſonderheit die Weisheit
ſuchen und finden ſolle ſiehe Spruͤchw. 11, 1.
u. f.

5. Die Einfalt im Geben iſt ſoviel als die
Aufrichtigkeit und Lauterkeit, nach welcher
man ohne falſche Abſicht willig, gern und be-
ſtaͤndig
giebet: welches das fuͤrnehmſte dabey
iſt. Roͤm. 12, 8. 2 Cor. 8, 2. 9, 11. 13.

6. Die ſchon gegebenen Wohlthaten auf-
ruͤcken,
iſt alhier ſoviel als des Gebens muͤde ſeyn,
und zur Entſchuldigung, warum man nicht mehr
geben wolle, anfuͤhren und einem vorhalten, daß
man ſchon ſo und ſo viel an ihm gethan habe.
Dieſes thut GOtt nicht, ſondern er giebt beſtaͤn-
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bet er.

7. Alſo
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[430/0432] Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 4. 5. Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel der Geduld, oder Beharrung gedacht hatte, ſo bezeuget er alhier, was er dadurch verſtehe, und was dazu gehoͤre: nemlich es ſey nicht genug eine Zeitlang im Gu- ten unter dem Creutze fortzufahren, ſondern man muͤſſe darunter beſtaͤndig bleiben: welches er nennet ἔργον τέλειον ἔχειν, ein vollkommen Werck haben, oder bis ans Ende veſt bleiben. 2. Nachdem man einmal zum rechtſchaff- nen Stande der Gnaden gelanget iſt, ſo koͤmmt es alles auf die Beharrung an. Denn wo der Gerechte von ſeiner Gerechtigkeit weichet, ſo ſoll aller ſeiner Gerechtigkeit nicht gedacht werden Ezech. 33, 12. u. f. Und allein der, welcher bis an das Ende verharret, ſoll ſelig werden. Matth. 10, 22. c 24, 13. 3. Wie gar weit mancher von der wahren Evangeliſchen Vollkommenheit entfernet ſey, zeiget er auch wol gar damit an, daß er das Bibliſche Wort von der Vollkommenheit nicht einmal ertragen kan, und ſich an der Sprache des Heiligen Geiſtes ſtoſſet. 4. Es iſt aber die Evangeliſche Voll- kommenheit von zweyerley Art. Denn ſie gehoͤret theils zu der Lehre von der Erloͤſung und Rechtfertigung, da wir durch den Glauben vollkommen ſind in Chriſto, oder um Chriſti wil- len; als deſſen vollkommene Gerechtigkeit uns als unſere eigene zugerechnet wird: theils zur Lehre von der wahren Bekehrung und Erneue- rung; da vollkommen ſeyn ſoviel iſt, als nicht allein wahrhaftig bekehret ſeyn und alle Stuͤcke des Chriſtenthums an ſich haben, ſondern auch dabey in einem ſolchen Wachsthum ſtehen, daß man nicht mehr wie ein unmuͤndiges Kind ſey, ſondern zum maͤnnlichen Alter in Chriſto komme, nach Eph. 4, 13. 14. Hebr. 5, 12. 13. 14. 5. Und daß mit dem Worte τέλειος, voll- kommen, darauf geſehen werde, daß bey dem Chriſtenthum alles ohne Luͤcken fein gantz ſeyn ſolle, das wird mit dem dazu geſetzten Worte ὁλόκληρον, angezeiget: davon man ſehe 1 Theſſ. 5, 23. 6. Zu noch mehrer Erlaͤuterung heißt es noch ferner dabey: und keinen Mangel habet: nemlich wie an irgend einer noͤthigen Gnaden- Gabe, und an einem Heyls-Gute; alſo auch an einem Theile der ſchuldigen Pflichten in der Liebe gegen GOtt, uns ſelbſt und den Naͤchſten. Denn die Wohlthaten und Pflichten, beneficia & officia, muͤſſen immer zuſammen ſtehen, und dieſe durch jene befoͤrdert werden; da ſie uns GOtt dazu ertheilet. 7. Es kan gar wohl bey einander ſtehen, daß man eines theils im angezeigten Verſtande voll- kommen ſey und keinen Mangel habe; andern theils aber dennoch dabey in dem Gefuͤhle der Ar- muth am Geiſte, und alſo in der Demuth ſtehen bleibe: ſintemal dieſe Demuth eben eines von den fuͤrnehmſten Stuͤcken ſolcher Vollkommen- heit iſt, nach welcher man, in der Erkenntniß deſ- ſen, was einem noch fehlet, ſuchet immer voͤlliger zu werden. V. 5. So aber iemand unter euch Weisheit mangelt (das Geheimniß des Creutzes recht ein- zuſehen, und ſich dabey weislich zu verhalten) der bitte von GOtt (wie ſie Salomo von GOtt erbeten hat 1 Koͤn. 3, 9. 12.) der da giebet ein- faͤltiglich (ohne Anſehen der Perſon iedermann, und wie gar willig, alſo auch beſtaͤndig, alſo daß er des Gebens nicht muͤde wird) und ruͤckets niemand (keinem, der das empfangene wohl anleget) auf (als wenn er des gebens ſchon muͤde waͤre;) ſo wird ſie ihm gegeben werden. Anmerckungen. 1. Die Weisheit iſt eine ſolche Erkennt- niß goͤttlicher Dinge, da man die Geheimniſſe, den Willen, und die Wege GOttes im goͤttlichen Lichte recht einſiehet, und alſo zu beurtheilen weiß, daß man wie in allen Stuͤcken, alſo inſonderheit im Creutze ſich darnach richten koͤnne, und ſich durch gute Anwendung alles zum beſten dienen laſſe. Auf welche Art man die Verbindung die- ſes Verſes mit den vorhergehenden ſiehet. 2. Dieſe Weisheit iſt eine himmliſche Ga- be: gegen welche alles, was man in der Welt Weisheit nennet, nur Thorheit, oder ein gemei- niglich mit Argliſtigkeit erfuͤlleter natuͤrlicher Witz iſt. Die Furcht des HErrn iſt dieſer Weisheit Anfang, Mittel und Ende: als ohne welche ſie nicht erlanget, nicht vermehret, und nicht bewahret wird; wie Salomo in ſeinen Spruͤchwoͤrtern hin und wieder bezeuget. 3. Wir ermangeln demnach von Natur alle dieſer wahren Weisheit, und haben ſie alle zu er- bitten, auch was ihr mehrers Maß betrift: daß alſo alhier niemand davon ausgenommen wird. Es kan einer aber zu gewiſſer Zeit in ſolche Um- ſtaͤnde kommen, ſonderlich unter dem Leiden, daß man ſich nicht zu rathen weiß, und es leicht wor- inn alſo verſehen kan, daß man Ubel noch aͤrger machet: und daher eines mehrern Maſſes der Salbung zur Weisheit und Chriſtlichen Vor- ſichtigkeit beduͤrftig iſt. 4. Wie man bitten ſolle, wird im folgen- den angezeiget, und von unſerm Heylande ſon- derlich angewieſen Matth. 7, 7. Bittet, ſo wird euch gegeben, ſuchet, ſo werdet ihr finden; klopfet an, ſo wird euch aufgethan u. ſ. w. Wie man inſonderheit die Weisheit ſuchen und finden ſolle ſiehe Spruͤchw. 11, 1. u. f. 5. Die Einfalt im Geben iſt ſoviel als die Aufrichtigkeit und Lauterkeit, nach welcher man ohne falſche Abſicht willig, gern und be- ſtaͤndig giebet: welches das fuͤrnehmſte dabey iſt. Roͤm. 12, 8. 2 Cor. 8, 2. 9, 11. 13. 6. Die ſchon gegebenen Wohlthaten auf- ruͤcken, iſt alhier ſoviel als des Gebens muͤde ſeyn, und zur Entſchuldigung, warum man nicht mehr geben wolle, anfuͤhren und einem vorhalten, daß man ſchon ſo und ſo viel an ihm gethan habe. Dieſes thut GOtt nicht, ſondern er giebt beſtaͤn- dig, und ie mehr der Menſch nimmt, ie lieber gie- bet er. 7. Alſo

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/432>, abgerufen am 22.11.2024.