Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 1. v. 14-15 Erklärung des Briefes Jacobi. [Spaltenumbruch]
bey welchem man in der grössesten Untreue vonallem noch vorher übrigen Kampfe wider die in- nerlich aufsteigende Macht der Sünden gäntzlich ablässet, und also das geistliche Leben in sich gantz verlieret, welches Paulus Hebr. 3, 12. 13. nennet ein arges Hertz des Unglaubens bekommen, und abtreten von dem lebendigen GOtt, auch wol gar durch Betrug der Sünde verstocket werden. 9. Daß eine Sünde schon könne innerlich a. Weil manche Sünde so beschaffen ist, daß sie nicht sowol äusserlich, als innerlich begangen wird, z. E. der Unglaube des Hertzens, und die innerliche Verleugnung der Gottheit Chri- sti und anderer Grund-Wahrheiten der Christlichen Religion; ja ein solcher Verfall auf die Atheisterey, davon man sich äusserlich nichts mercken lässet. u. s. w. b. Weil zu manchen Sünden die äusserliche Gelegenheit fehlet z. E. wenn einer sich bey sich selbst völlig entschliessen wolte einen Meyneyd zu thun, er aber dazu nicht gelassen würde; oder eine andere grobe Sünde recht vorsetzlich zu begehen, auch die Gelegenheit dazu suchet, aber sie nicht findet, sondern daran gehindert wird. Da kein Zweifel ist, daß nicht ein sol- cher beständiger und herrschender Vorsatz schon eine wirckliche, obgleich innerliche, That vor GOtt sey. c. Weil es mit den guten Wercken im Gegen- theil gleiche Beschaffenheit hat, daß sie nem- lich innerlich können zur völligen Kraft kom- men, ob es gleich an der Gelegenheit des äus- serlichen Erweises stehet. 10. Was nun aus der also zur völligen a. Daß mit dem geistlichen Tode auch die geistliche Finsternisse eintrit. Denn gleichwie der Mensch in der wahren Bekeh- rung mit dem geistlichen Leben auch das geist- liche Licht der heylsamen Erkenntniß empfan- gen hat: also verlieret er mit jenem auch dieses. b. Daß, da der Glaube ein geistliches Leben und Licht in der Seele ist, der Glaube auch damit zugleich verloren wird. Denn weil der Mensch durch die Vollbringung der Sünde das gute Gewissen nicht allein verletzet, sondern auch gar von sich stosset, so leidet er am Glau- ben Schiffbruch 1 Tim. 1, 19. c. Daß damit alles Band der Seele mit GOtt also hinweg fällt, daß der Mensch dadurch recht gottlos, oder los von GOtt wird, nachdem er vorher gottselig, oder selig in GOTT gewesen war. Davon unser Heyland Joh. 15, 6. spricht: Wer nicht in mir bleibet, der wird weggeworfen, wie ein Rebe und verdorret. u. f. d. Daß dieser Rückfall in den geistlichen Tod am allernachdrücklichsten von Petro beschrie- [Spaltenumbruch] ben wird 2 Pet. 2, 18. u. f. welcher Ort so viel- mehr alhier zu mercken ist, so viel eigentlicher der Apostel daselbst von solchen handelt, welche sich durch die Lock-Speise böser Lüste, als wären sie indifferente, oder zuläßige freye Sa- chen, reitzen, in allerhand Sünden einflechten und überwinden liessen. 11. Jm übrigen ist bey diesem Orte noch a. Die ersten bösen Bewegungen und Rei- tzungen, welche nur erst schwächlicher empfun- den werden. b. Die stärckere Bewegungen, welche den Willen schon in einen Kampf bringen. c. Die Einwilligung, welche auch als eine halbe und gantze kan betrachtet werden. d. Der Vorsatz zur äusserlichen Vollbringung, wo eine äusserliche Handlung dazu erfordert wird. e. Die Bemühung um eine Gelegenheit, daß der Vorsatz könne ins Werck gerichtet werden. f. Die äusserlich wircklich ausbrechende und begangene That. g. Die öftere Wiederholung solcher That, da- durch sie recht zur Gewohnheit wird. h. Die Entschuldigung, da man bey der Be- strafung nicht will unrecht gethan haben, oder Kleinigkeiten daraus machet. i. Die Vertheidigung, da man aus der recht bösen That gar eine löbliche Sache, und die Sünde gleichsam zur Tugend machet. k. Eine solche Frechheit, da man sich der Sün- den recht rühmet, und alle Scham verloren hat. l. Die muthwillige Verführung anderer, da man es bey seinen eignen Sünden noch nicht lässet; sondern noch andere dazu mit ver- leitet, und damit eine vielfache Schuld über sich häufet. m. Eine feindselige Bestreitung alles guten: da man nicht allein äusserst böse ist, und böses thut, es sey auf eine Sadducäische, oder Pha- risäische Art; sondern auch das wahrhaftige Gute nicht leiden will, und es daher anfeindet, verdächtig machet, übel ausschreyet, auch an- dere davor, als vor einem grossen Ubel, war- net; und sich solcher Gestalt dem Amte des Heiligen Geistes bey sich selbst und bey andern feindselig wiedersetzet; und bey dem allen will recht gethan haben; und also die Sünde wi- der den Heiligen Geist entweder wircklich begehet, oder derselben doch sehr nahe kömmt. 12. Zur mehrern Erläuterung, auch würdi- a. Zur J i i 2
Cap. 1. v. 14-15 Erklaͤrung des Briefes Jacobi. [Spaltenumbruch]
bey welchem man in der groͤſſeſten Untreue vonallem noch vorher uͤbrigen Kampfe wider die in- nerlich aufſteigende Macht der Suͤnden gaͤntzlich ablaͤſſet, und alſo das geiſtliche Leben in ſich gantz verlieret, welches Paulus Hebr. 3, 12. 13. nennet ein arges Hertz des Unglaubens bekommen, und abtreten von dem lebendigen GOtt, auch wol gar durch Betrug der Suͤnde verſtocket werden. 9. Daß eine Suͤnde ſchon koͤnne innerlich a. Weil manche Suͤnde ſo beſchaffen iſt, daß ſie nicht ſowol aͤuſſerlich, als innerlich begangen wird, z. E. der Unglaube des Hertzens, und die innerliche Verleugnung der Gottheit Chri- ſti und anderer Grund-Wahrheiten der Chriſtlichen Religion; ja ein ſolcher Verfall auf die Atheiſterey, davon man ſich aͤuſſerlich nichts mercken laͤſſet. u. ſ. w. b. Weil zu manchen Suͤnden die aͤuſſerliche Gelegenheit fehlet z. E. wenn einer ſich bey ſich ſelbſt voͤllig entſchlieſſen wolte einen Meyneyd zu thun, er aber dazu nicht gelaſſen wuͤrde; oder eine andere grobe Suͤnde recht vorſetzlich zu begehen, auch die Gelegenheit dazu ſuchet, aber ſie nicht findet, ſondern daran gehindert wird. Da kein Zweifel iſt, daß nicht ein ſol- cher beſtaͤndiger und herrſchender Vorſatz ſchon eine wirckliche, obgleich innerliche, That vor GOtt ſey. c. Weil es mit den guten Wercken im Gegen- theil gleiche Beſchaffenheit hat, daß ſie nem- lich innerlich koͤnnen zur voͤlligen Kraft kom- men, ob es gleich an der Gelegenheit des aͤuſ- ſerlichen Erweiſes ſtehet. 10. Was nun aus der alſo zur voͤlligen a. Daß mit dem geiſtlichen Tode auch die geiſtliche Finſterniſſe eintrit. Denn gleichwie der Menſch in der wahren Bekeh- rung mit dem geiſtlichen Leben auch das geiſt- liche Licht der heylſamen Erkenntniß empfan- gen hat: alſo verlieret er mit jenem auch dieſes. b. Daß, da der Glaube ein geiſtliches Leben und Licht in der Seele iſt, der Glaube auch damit zugleich verloren wird. Denn weil der Menſch durch die Vollbringung der Suͤnde das gute Gewiſſen nicht allein verletzet, ſondern auch gar von ſich ſtoſſet, ſo leidet er am Glau- ben Schiffbruch 1 Tim. 1, 19. c. Daß damit alles Band der Seele mit GOtt alſo hinweg faͤllt, daß der Menſch dadurch recht gottlos, oder los von GOtt wird, nachdem er vorher gottſelig, oder ſelig in GOTT geweſen war. Davon unſer Heyland Joh. 15, 6. ſpricht: Wer nicht in mir bleibet, der wird weggeworfen, wie ein Rebe und verdorret. u. f. d. Daß dieſer Ruͤckfall in den geiſtlichen Tod am allernachdruͤcklichſten von Petro beſchrie- [Spaltenumbruch] ben wird 2 Pet. 2, 18. u. f. welcher Ort ſo viel- mehr alhier zu mercken iſt, ſo viel eigentlicher der Apoſtel daſelbſt von ſolchen handelt, welche ſich durch die Lock-Speiſe boͤſer Luͤſte, als waͤren ſie indifferente, odeꝛ zulaͤßige fꝛeye Sa- chen, reitzen, in allerhand Suͤnden einflechten und uͤberwinden lieſſen. 11. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Orte noch a. Die erſten boͤſen Bewegungen und Rei- tzungen, welche nur erſt ſchwaͤchlicher empfun- den werden. b. Die ſtaͤrckere Bewegungen, welche den Willen ſchon in einen Kampf bringen. c. Die Einwilligung, welche auch als eine halbe und gantze kan betrachtet werden. d. Der Vorſatz zur aͤuſſerlichen Vollbringung, wo eine aͤuſſerliche Handlung dazu erfordert wird. e. Die Bemuͤhung um eine Gelegenheit, daß der Vorſatz koͤnne ins Werck gerichtet werden. f. Die aͤuſſerlich wircklich ausbrechende und begangene That. g. Die oͤftere Wiederholung ſolcher That, da- durch ſie recht zur Gewohnheit wird. h. Die Entſchuldigung, da man bey der Be- ſtrafung nicht will unrecht gethan haben, oder Kleinigkeiten daraus machet. i. Die Vertheidigung, da man aus der recht boͤſen That gar eine loͤbliche Sache, und die Suͤnde gleichſam zur Tugend machet. k. Eine ſolche Frechheit, da man ſich der Suͤn- den recht ruͤhmet, und alle Scham verloren hat. l. Die muthwillige Verfuͤhrung anderer, da man es bey ſeinen eignen Suͤnden noch nicht laͤſſet; ſondern noch andere dazu mit ver- leitet, und damit eine vielfache Schuld uͤber ſich haͤufet. m. Eine feindſelige Beſtreitung alles guten: da man nicht allein aͤuſſerſt boͤſe iſt, und boͤſes thut, es ſey auf eine Sadducaͤiſche, oder Pha- riſaͤiſche Art; ſondern auch das wahrhaftige Gute nicht leiden will, und es daher anfeindet, verdaͤchtig machet, uͤbel ausſchreyet, auch an- dere davor, als vor einem groſſen Ubel, war- net; und ſich ſolcher Geſtalt dem Amte des Heiligen Geiſtes bey ſich ſelbſt und bey andern feindſelig wiederſetzet; und bey dem allen will recht gethan haben; und alſo die Suͤnde wi- der den Heiligen Geiſt entweder wircklich begehet, oder derſelben doch ſehr nahe koͤmmt. 12. Zur mehrern Erlaͤuterung, auch wuͤrdi- a. Zur J i i 2
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Cap. 1. v. 14-15 Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
bey welchem man in der groͤſſeſten Untreue von
allem noch vorher uͤbrigen Kampfe wider die in-
nerlich aufſteigende Macht der Suͤnden gaͤntzlich
ablaͤſſet, und alſo das geiſtliche Leben in ſich gantz
verlieret, welches Paulus Hebr. 3, 12. 13. nennet
ein arges Hertz des Unglaubens bekommen,
und abtreten von dem lebendigen GOtt,
auch wol gar durch Betrug der Suͤnde
verſtocket werden.
9. Daß eine Suͤnde ſchon koͤnne innerlich
zur rechten Herrſchaft und Vollendung kommen,
erkennet man aus folgenden Gruͤnden:
a. Weil manche Suͤnde ſo beſchaffen iſt, daß ſie
nicht ſowol aͤuſſerlich, als innerlich begangen
wird, z. E. der Unglaube des Hertzens, und
die innerliche Verleugnung der Gottheit Chri-
ſti und anderer Grund-Wahrheiten der
Chriſtlichen Religion; ja ein ſolcher Verfall
auf die Atheiſterey, davon man ſich aͤuſſerlich
nichts mercken laͤſſet. u. ſ. w.
b. Weil zu manchen Suͤnden die aͤuſſerliche
Gelegenheit fehlet z. E. wenn einer ſich bey ſich
ſelbſt voͤllig entſchlieſſen wolte einen Meyneyd
zu thun, er aber dazu nicht gelaſſen wuͤrde;
oder eine andere grobe Suͤnde recht vorſetzlich
zu begehen, auch die Gelegenheit dazu ſuchet,
aber ſie nicht findet, ſondern daran gehindert
wird. Da kein Zweifel iſt, daß nicht ein ſol-
cher beſtaͤndiger und herrſchender Vorſatz ſchon
eine wirckliche, obgleich innerliche, That vor
GOtt ſey.
c. Weil es mit den guten Wercken im Gegen-
theil gleiche Beſchaffenheit hat, daß ſie nem-
lich innerlich koͤnnen zur voͤlligen Kraft kom-
men, ob es gleich an der Gelegenheit des aͤuſ-
ſerlichen Erweiſes ſtehet.
10. Was nun aus der alſo zur voͤlligen
Herrſchaft tretenden Suͤnde, ſie moͤgen aͤuſſer-
lich ausbrechen, oder nicht, erfolget, iſt der Tod,
nemlich der geiſtliche, mit dem daran hangenden
ewigen. Dabey inſonderheit zu mercken iſt:
a. Daß mit dem geiſtlichen Tode auch die
geiſtliche Finſterniſſe eintrit. Denn
gleichwie der Menſch in der wahren Bekeh-
rung mit dem geiſtlichen Leben auch das geiſt-
liche Licht der heylſamen Erkenntniß empfan-
gen hat: alſo verlieret er mit jenem auch
dieſes.
b. Daß, da der Glaube ein geiſtliches Leben
und Licht in der Seele iſt, der Glaube auch
damit zugleich verloren wird. Denn weil der
Menſch durch die Vollbringung der Suͤnde
das gute Gewiſſen nicht allein verletzet, ſondern
auch gar von ſich ſtoſſet, ſo leidet er am Glau-
ben Schiffbruch 1 Tim. 1, 19.
c. Daß damit alles Band der Seele mit GOtt
alſo hinweg faͤllt, daß der Menſch dadurch recht
gottlos, oder los von GOtt wird, nachdem
er vorher gottſelig, oder ſelig in GOTT
geweſen war. Davon unſer Heyland Joh.
15, 6. ſpricht: Wer nicht in mir bleibet,
der wird weggeworfen, wie ein Rebe
und verdorret. u. f.
d. Daß dieſer Ruͤckfall in den geiſtlichen Tod
am allernachdruͤcklichſten von Petro beſchrie-
ben wird 2 Pet. 2, 18. u. f. welcher Ort ſo viel-
mehr alhier zu mercken iſt, ſo viel eigentlicher
der Apoſtel daſelbſt von ſolchen handelt, welche
ſich durch die Lock-Speiſe boͤſer Luͤſte, als
waͤren ſie indifferente, odeꝛ zulaͤßige fꝛeye Sa-
chen, reitzen, in allerhand Suͤnden einflechten
und uͤberwinden lieſſen.
11. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Orte noch
wohl zu mercken, daß der Apoſtel die Suͤnder
nicht nach allen, ſondern nur nach ihren Haupt-
Stufen beſchreibet. Wenn man ſonſt die Ge-
nealogie der wircklichen Suͤnden, wie ſie, ob
zwar nicht bey allen Suͤndern, doch an ſich ſelbſt,
oder bey manchen, aus dem Grunde der Erb-
Suͤnde bis auf den hoͤchſten Grad ſteigen, be-
trachten will, finden ſich folgende Gradus nach
einander:
a. Die erſten boͤſen Bewegungen und Rei-
tzungen, welche nur erſt ſchwaͤchlicher empfun-
den werden.
b. Die ſtaͤrckere Bewegungen, welche den
Willen ſchon in einen Kampf bringen.
c. Die Einwilligung, welche auch als eine
halbe und gantze kan betrachtet werden.
d. Der Vorſatz zur aͤuſſerlichen Vollbringung,
wo eine aͤuſſerliche Handlung dazu erfordert
wird.
e. Die Bemuͤhung um eine Gelegenheit,
daß der Vorſatz koͤnne ins Werck gerichtet
werden.
f. Die aͤuſſerlich wircklich ausbrechende und
begangene That.
g. Die oͤftere Wiederholung ſolcher That, da-
durch ſie recht zur Gewohnheit wird.
h. Die Entſchuldigung, da man bey der Be-
ſtrafung nicht will unrecht gethan haben, oder
Kleinigkeiten daraus machet.
i. Die Vertheidigung, da man aus der recht
boͤſen That gar eine loͤbliche Sache, und die
Suͤnde gleichſam zur Tugend machet.
k. Eine ſolche Frechheit, da man ſich der Suͤn-
den recht ruͤhmet, und alle Scham verloren
hat.
l. Die muthwillige Verfuͤhrung anderer,
da man es bey ſeinen eignen Suͤnden noch
nicht laͤſſet; ſondern noch andere dazu mit ver-
leitet, und damit eine vielfache Schuld uͤber
ſich haͤufet.
m. Eine feindſelige Beſtreitung alles guten:
da man nicht allein aͤuſſerſt boͤſe iſt, und boͤſes
thut, es ſey auf eine Sadducaͤiſche, oder Pha-
riſaͤiſche Art; ſondern auch das wahrhaftige
Gute nicht leiden will, und es daher anfeindet,
verdaͤchtig machet, uͤbel ausſchreyet, auch an-
dere davor, als vor einem groſſen Ubel, war-
net; und ſich ſolcher Geſtalt dem Amte des
Heiligen Geiſtes bey ſich ſelbſt und bey andern
feindſelig wiederſetzet; und bey dem allen will
recht gethan haben; und alſo die Suͤnde wi-
der den Heiligen Geiſt entweder wircklich
begehet, oder derſelben doch ſehr nahe koͤmmt.
12. Zur mehrern Erlaͤuterung, auch wuͤrdi-
gen Application dieſer bisher abgehandelten
Materie dienen auch die nachfolgende Erinne-
rungen:
a. Zur
J i i 2
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