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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 1. v. 19. 20. Erklärung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch] sonst viele eitele und unnütze Dinge im menschli-
chen Leben unter unbekehrten Leuten geredet
werden, zu welchen kein schnelles anhören erfor-
dert wird, sondern vielmehr eine Abkehrung der
Ohren. Verstehet man nun die Erinnerung vom
göttlichen Worte, so hat man zugleich eine
richtige Verbindung dieser Verse mit dem vor-
hergehenden, und dem nachfolgenden.

2. Daß aber der Apostel der Langsam-
keit zum Zorn
dabey gedencket, kömmt wol
daher, weil einer, der in einem öffentlichen
Lehr-Amte stehet, dazu am meisten gereitzet
wird, und damit gar leichtlich kan übereilet wer-
den; zumal, wo er von Natur sonderlich dazu
geneiget ist.

3. Die Geschwindigkeit zum hören ist
zuvorderst von einer solchen Willigkeit zu ver-
stehen, da man keine Gelegenheit versaumet, et-
was gutes zu vernehmen, und in der heilsamen
Erkenntniß GOttes und göttlicher Dinge ferner
zu wachsen. Und also will der Apostel mit diesen
Worten fast eben soviel sagen, als Paulus,
wenn er an eben dieselbe Hebräer schreibet c. 10,
24. 25. Lasset uns unter einander unser selbst
wahrnehmen mit Reitzen zur Liebe und
guten Wercken, und nicht verlassen unsere
Versammlung, wie etliche pflegen, son-
dern unter einander ermahnen,
u. f.

4. Es ist aber leichtlich zu erachten, daß es
mit der blossen Geschwindigkeit des hörens
nicht ausgemachet sey, sondern dabey ein solches
hören erfordert werde, welches der Grund der
vorher gedachten Wiedergeburt mit sich brach-
te. Von welchem würdigen hören unser Hey-
land Joh. 8, 47. spricht: wer von GOtt ist,
der höret GOttes Wort.
Denn auf ein
solches hören dringet der Apostel im nachfolgen-
den Contexte. Als Petrus mit Jacobo und
Paulo den bekehrten Juden eben diese Lehre ge-
ben wolte, da sprach er 1 Ep. c. 2, 2. Seyd be-
gierig nach der vernünftigen lautern
Milch, als die ietztgebornen Kindlein,
aufdaß ihr durch dieselbe zunehmet.

5. Was der Apostel alhier von der Lang-
samkeit zum reden
saget, das erkläret er
selbst c. 3. v. 1. also, daß er spricht: Lieben Brü-
der, es unterwinde sich nicht iedermann
Lehrer zu seyn, und wisset, daß wir de-
sto mehr Urtheil empfahen werden.
Und
eben zu dem Ende schrieb Paulus 1 Tim. 5, 22.
Die Hände lege niemanden bald auf; ma-
che dich auch nicht theilhaftig fremder
Sünden.

6. Es ist diese gedoppelte Erinnerung noch
heute zu tage sehr nöthig; sowol, daß man sich
aller guten Gelegenheit, die man am Gehör zur
Erbauung haben kan, fein in aller Munterkeit
bediene; aber, was man höret, auch recht höre,
und sich darnach richte: als auch daß man zum
Lehr-Amte nicht eile.

7. Was die Studiosos Theologiae auf
Universitäten betrifft, so haben sie sich diese ge-
doppelte Erinnerung vor andern sonderlich zu
nutze zu machen; nemlich wider den gemeinen
und nicht geringen Fehler, da mancher so man-
[Spaltenumbruch] che gute Lection, die er hören solte, versäumet;
oder, wenn auch dieses nicht geschiehet, viel zu
schnell ist zum reden, indem man sich schon im
Predigen übet, ehe man noch durch das hören
einen rechten Grund in der Theologie, und
dabey im thätigen Christenthum, geleget hat.
Es ist dieses ein Mißbrauch des Namens und
Worts GOttes, und machet gemeiniglich nur
eitele Schwätzer.

8. Es ist hier auch eine schöne Lehre für die
Jugend überhaupt, daß sie im Umgange mit
Leuten, sonderlich mit Alten schnelle, und da-
bey, was das gute betrifft, auch aufmercksam
seyn soll, zum hören; aber langsam und da-
bey bedachtsam zu reden; weil es ihnen noch
am Verstande und Erfahrung fehlet, zu reden,
wie es sich gebühret. Dannenhero sie wohl thun,
wenn sie nicht eher reden, als bis sie gefraget
werden, zumal in der Gesellschaft: wie denn
auch die den Alten schuldige Ehrerbietung und
Demuth das wenigere Reden erfordert.

9. Es dienet auch überhaupt allen und ie-
den zum grossen Vortheil im Christenthum,
theils wenn man schnell ist, das zu hören, und
wohl zu Hertzen zu nehmen, was einem heilsam-
lich ist, und bey dieser und jener Gelegenheit,
auch wol ohne Absicht der Redenden, gesprochen
wird: theils daß man im reden gar langsam
und sparsam sey. Denn wer im innerlichen
Frieden
mit GOtt stehet, der zerstreuet sich mit
vielem reden gar leicht, und darum hütet er sich
billig davor.

10. Was die Erinnerung vom Zorn be-
trifft; so ist davon folgendes zu mercken:

a. Zum Zorn muß man auf eine gantz andere
Art langsam seyn, als zum reden; denn zum
reden kan man zur rechten Zeit schreiten; aber
zum Zorn, in sofern er ein sündlicher Affect
ist, niemals; sondern da muß er im Hertzen
gedämpfet werden: welches Jacobus alhier
meynet. Ein anders aber ist ein gerechter Un-
wille, Ernst und Eifer wider das böse. Und
ob denn auch gleich dieser vom eigentlichen
Zorn sehr unterschieden ist, so pfleget er sich
doch gar leicht mit dem Zorn zu vermengen.
Dannenhero man Ursache hat, wohl auf sei-
ner Hut zu seyn, daß man den guten Affect
des Ernstes und des geheiligten Eifers von
einem dabey aufsteigenden wilden Natur-
Feuer absondere und reinige.
b. Der sel. Lutherus hat die Griechischen Wor-
te von dem Zorn, daß er die Gerechtigkeit
GOttes nicht wircke,
nach dem Germa-
nismo
gar wohl also übersetzet: des Men-
schen Zoen thut nicht was vor GOTT
recht ist.
Es will aber der Apostel damit
noch ein mehrers sagen, als er ausdrucket,
nemlich, daß man zwar bey seinem Zorn oft
meyne, er gehe auf GOttes Ehre, gehe auf
das Gute, und sey der Ungerechtigkeit und
allem gottlosen Wesen entgegen gesetzet; aber
in der That selbst sey er vor GOTT so gar
nicht unsündlich und ihm gefällig, daß man
sich vielmehr damit wider GOTT oft sehr
versündige, und dannhero so vielmehr Ursa-
che

Cap. 1. v. 19. 20. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch] ſonſt viele eitele und unnuͤtze Dinge im menſchli-
chen Leben unter unbekehrten Leuten geredet
werden, zu welchen kein ſchnelles anhoͤren erfor-
dert wird, ſondern vielmehr eine Abkehrung der
Ohren. Verſtehet man nun die Erinnerung vom
goͤttlichen Worte, ſo hat man zugleich eine
richtige Verbindung dieſer Verſe mit dem vor-
hergehenden, und dem nachfolgenden.

2. Daß aber der Apoſtel der Langſam-
keit zum Zorn
dabey gedencket, koͤmmt wol
daher, weil einer, der in einem oͤffentlichen
Lehr-Amte ſtehet, dazu am meiſten gereitzet
wird, und damit gar leichtlich kan uͤbereilet wer-
den; zumal, wo er von Natur ſonderlich dazu
geneiget iſt.

3. Die Geſchwindigkeit zum hoͤren iſt
zuvorderſt von einer ſolchen Willigkeit zu ver-
ſtehen, da man keine Gelegenheit verſaumet, et-
was gutes zu vernehmen, und in der heilſamen
Erkenntniß GOttes und goͤttlicher Dinge ferner
zu wachſen. Und alſo will der Apoſtel mit dieſen
Worten faſt eben ſoviel ſagen, als Paulus,
wenn er an eben dieſelbe Hebraͤer ſchreibet c. 10,
24. 25. Laſſet uns unter einander unſer ſelbſt
wahrnehmen mit Reitzen zur Liebe und
guten Wercken, und nicht verlaſſen unſere
Verſammlung, wie etliche pflegen, ſon-
dern unter einander ermahnen,
u. f.

4. Es iſt aber leichtlich zu erachten, daß es
mit der bloſſen Geſchwindigkeit des hoͤrens
nicht ausgemachet ſey, ſondern dabey ein ſolches
hoͤren erfordert werde, welches der Grund der
vorher gedachten Wiedergeburt mit ſich brach-
te. Von welchem wuͤrdigen hoͤren unſer Hey-
land Joh. 8, 47. ſpricht: wer von GOtt iſt,
der hoͤret GOttes Wort.
Denn auf ein
ſolches hoͤren dringet der Apoſtel im nachfolgen-
den Contexte. Als Petrus mit Jacobo und
Paulo den bekehrten Juden eben dieſe Lehre ge-
ben wolte, da ſprach er 1 Ep. c. 2, 2. Seyd be-
gierig nach der vernuͤnftigen lautern
Milch, als die ietztgebornen Kindlein,
aufdaß ihr durch dieſelbe zunehmet.

5. Was der Apoſtel alhier von der Lang-
ſamkeit zum reden
ſaget, das erklaͤret er
ſelbſt c. 3. v. 1. alſo, daß er ſpricht: Lieben Bruͤ-
der, es unterwinde ſich nicht iedermann
Lehrer zu ſeyn, und wiſſet, daß wir de-
ſto mehr Urtheil empfahen werden.
Und
eben zu dem Ende ſchrieb Paulus 1 Tim. 5, 22.
Die Haͤnde lege niemanden bald auf; ma-
che dich auch nicht theilhaftig fremder
Suͤnden.

6. Es iſt dieſe gedoppelte Erinnerung noch
heute zu tage ſehr noͤthig; ſowol, daß man ſich
aller guten Gelegenheit, die man am Gehoͤr zur
Erbauung haben kan, fein in aller Munterkeit
bediene; aber, was man hoͤret, auch recht hoͤre,
und ſich darnach richte: als auch daß man zum
Lehr-Amte nicht eile.

7. Was die Studioſos Theologiæ auf
Univerſitaͤten betrifft, ſo haben ſie ſich dieſe ge-
doppelte Erinnerung vor andern ſonderlich zu
nutze zu machen; nemlich wider den gemeinen
und nicht geringen Fehler, da mancher ſo man-
[Spaltenumbruch] che gute Lection, die er hoͤren ſolte, verſaͤumet;
oder, wenn auch dieſes nicht geſchiehet, viel zu
ſchnell iſt zum reden, indem man ſich ſchon im
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einen rechten Grund in der Theologie, und
dabey im thaͤtigen Chriſtenthum, geleget hat.
Es iſt dieſes ein Mißbrauch des Namens und
Worts GOttes, und machet gemeiniglich nur
eitele Schwaͤtzer.

8. Es iſt hier auch eine ſchoͤne Lehre fuͤr die
Jugend uͤberhaupt, daß ſie im Umgange mit
Leuten, ſonderlich mit Alten ſchnelle, und da-
bey, was das gute betrifft, auch aufmerckſam
ſeyn ſoll, zum hoͤren; aber langſam und da-
bey bedachtſam zu reden; weil es ihnen noch
am Verſtande und Erfahrung fehlet, zu reden,
wie es ſich gebuͤhret. Dannenhero ſie wohl thun,
wenn ſie nicht eher reden, als bis ſie gefraget
werden, zumal in der Geſellſchaft: wie denn
auch die den Alten ſchuldige Ehrerbietung und
Demuth das wenigere Reden erfordert.

9. Es dienet auch uͤberhaupt allen und ie-
den zum groſſen Vortheil im Chriſtenthum,
theils wenn man ſchnell iſt, das zu hoͤren, und
wohl zu Hertzen zu nehmen, was einem heilſam-
lich iſt, und bey dieſer und jener Gelegenheit,
auch wol ohne Abſicht der Redenden, geſprochen
wird: theils daß man im reden gar langſam
und ſparſam ſey. Denn wer im innerlichen
Frieden
mit GOtt ſtehet, der zerſtreuet ſich mit
vielem reden gar leicht, und darum huͤtet er ſich
billig davor.

10. Was die Erinnerung vom Zorn be-
trifft; ſo iſt davon folgendes zu mercken:

a. Zum Zorn muß man auf eine gantz andere
Art langſam ſeyn, als zum reden; denn zum
reden kan man zur rechten Zeit ſchreiten; aber
zum Zorn, in ſofern er ein ſuͤndlicher Affect
iſt, niemals; ſondern da muß er im Hertzen
gedaͤmpfet werden: welches Jacobus alhier
meynet. Ein anders aber iſt ein gerechter Un-
wille, Ernſt und Eifer wider das boͤſe. Und
ob denn auch gleich dieſer vom eigentlichen
Zorn ſehr unterſchieden iſt, ſo pfleget er ſich
doch gar leicht mit dem Zorn zu vermengen.
Dannenhero man Urſache hat, wohl auf ſei-
ner Hut zu ſeyn, daß man den guten Affect
des Ernſtes und des geheiligten Eifers von
einem dabey aufſteigenden wilden Natur-
Feuer abſondere und reinige.
b. Der ſel. Lutherus hat die Griechiſchen Wor-
te von dem Zorn, daß er die Gerechtigkeit
GOttes nicht wircke,
nach dem Germa-
niſmo
gar wohl alſo uͤberſetzet: des Men-
ſchen Zoen thut nicht was vor GOTT
recht iſt.
Es will aber der Apoſtel damit
noch ein mehrers ſagen, als er ausdrucket,
nemlich, daß man zwar bey ſeinem Zorn oft
meyne, er gehe auf GOttes Ehre, gehe auf
das Gute, und ſey der Ungerechtigkeit und
allem gottloſen Weſen entgegen geſetzet; aber
in der That ſelbſt ſey er vor GOTT ſo gar
nicht unſuͤndlich und ihm gefaͤllig, daß man
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[439/0441] Cap. 1. v. 19. 20. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. ſonſt viele eitele und unnuͤtze Dinge im menſchli- chen Leben unter unbekehrten Leuten geredet werden, zu welchen kein ſchnelles anhoͤren erfor- dert wird, ſondern vielmehr eine Abkehrung der Ohren. Verſtehet man nun die Erinnerung vom goͤttlichen Worte, ſo hat man zugleich eine richtige Verbindung dieſer Verſe mit dem vor- hergehenden, und dem nachfolgenden. 2. Daß aber der Apoſtel der Langſam- keit zum Zorn dabey gedencket, koͤmmt wol daher, weil einer, der in einem oͤffentlichen Lehr-Amte ſtehet, dazu am meiſten gereitzet wird, und damit gar leichtlich kan uͤbereilet wer- den; zumal, wo er von Natur ſonderlich dazu geneiget iſt. 3. Die Geſchwindigkeit zum hoͤren iſt zuvorderſt von einer ſolchen Willigkeit zu ver- ſtehen, da man keine Gelegenheit verſaumet, et- was gutes zu vernehmen, und in der heilſamen Erkenntniß GOttes und goͤttlicher Dinge ferner zu wachſen. Und alſo will der Apoſtel mit dieſen Worten faſt eben ſoviel ſagen, als Paulus, wenn er an eben dieſelbe Hebraͤer ſchreibet c. 10, 24. 25. Laſſet uns unter einander unſer ſelbſt wahrnehmen mit Reitzen zur Liebe und guten Wercken, und nicht verlaſſen unſere Verſammlung, wie etliche pflegen, ſon- dern unter einander ermahnen, u. f. 4. Es iſt aber leichtlich zu erachten, daß es mit der bloſſen Geſchwindigkeit des hoͤrens nicht ausgemachet ſey, ſondern dabey ein ſolches hoͤren erfordert werde, welches der Grund der vorher gedachten Wiedergeburt mit ſich brach- te. Von welchem wuͤrdigen hoͤren unſer Hey- land Joh. 8, 47. ſpricht: wer von GOtt iſt, der hoͤret GOttes Wort. Denn auf ein ſolches hoͤren dringet der Apoſtel im nachfolgen- den Contexte. Als Petrus mit Jacobo und Paulo den bekehrten Juden eben dieſe Lehre ge- ben wolte, da ſprach er 1 Ep. c. 2, 2. Seyd be- gierig nach der vernuͤnftigen lautern Milch, als die ietztgebornen Kindlein, aufdaß ihr durch dieſelbe zunehmet. 5. Was der Apoſtel alhier von der Lang- ſamkeit zum reden ſaget, das erklaͤret er ſelbſt c. 3. v. 1. alſo, daß er ſpricht: Lieben Bruͤ- der, es unterwinde ſich nicht iedermann Lehrer zu ſeyn, und wiſſet, daß wir de- ſto mehr Urtheil empfahen werden. Und eben zu dem Ende ſchrieb Paulus 1 Tim. 5, 22. Die Haͤnde lege niemanden bald auf; ma- che dich auch nicht theilhaftig fremder Suͤnden. 6. Es iſt dieſe gedoppelte Erinnerung noch heute zu tage ſehr noͤthig; ſowol, daß man ſich aller guten Gelegenheit, die man am Gehoͤr zur Erbauung haben kan, fein in aller Munterkeit bediene; aber, was man hoͤret, auch recht hoͤre, und ſich darnach richte: als auch daß man zum Lehr-Amte nicht eile. 7. Was die Studioſos Theologiæ auf Univerſitaͤten betrifft, ſo haben ſie ſich dieſe ge- doppelte Erinnerung vor andern ſonderlich zu nutze zu machen; nemlich wider den gemeinen und nicht geringen Fehler, da mancher ſo man- che gute Lection, die er hoͤren ſolte, verſaͤumet; oder, wenn auch dieſes nicht geſchiehet, viel zu ſchnell iſt zum reden, indem man ſich ſchon im Predigen uͤbet, ehe man noch durch das hoͤren einen rechten Grund in der Theologie, und dabey im thaͤtigen Chriſtenthum, geleget hat. Es iſt dieſes ein Mißbrauch des Namens und Worts GOttes, und machet gemeiniglich nur eitele Schwaͤtzer. 8. Es iſt hier auch eine ſchoͤne Lehre fuͤr die Jugend uͤberhaupt, daß ſie im Umgange mit Leuten, ſonderlich mit Alten ſchnelle, und da- bey, was das gute betrifft, auch aufmerckſam ſeyn ſoll, zum hoͤren; aber langſam und da- bey bedachtſam zu reden; weil es ihnen noch am Verſtande und Erfahrung fehlet, zu reden, wie es ſich gebuͤhret. Dannenhero ſie wohl thun, wenn ſie nicht eher reden, als bis ſie gefraget werden, zumal in der Geſellſchaft: wie denn auch die den Alten ſchuldige Ehrerbietung und Demuth das wenigere Reden erfordert. 9. Es dienet auch uͤberhaupt allen und ie- den zum groſſen Vortheil im Chriſtenthum, theils wenn man ſchnell iſt, das zu hoͤren, und wohl zu Hertzen zu nehmen, was einem heilſam- lich iſt, und bey dieſer und jener Gelegenheit, auch wol ohne Abſicht der Redenden, geſprochen wird: theils daß man im reden gar langſam und ſparſam ſey. Denn wer im innerlichen Frieden mit GOtt ſtehet, der zerſtreuet ſich mit vielem reden gar leicht, und darum huͤtet er ſich billig davor. 10. Was die Erinnerung vom Zorn be- trifft; ſo iſt davon folgendes zu mercken: a. Zum Zorn muß man auf eine gantz andere Art langſam ſeyn, als zum reden; denn zum reden kan man zur rechten Zeit ſchreiten; aber zum Zorn, in ſofern er ein ſuͤndlicher Affect iſt, niemals; ſondern da muß er im Hertzen gedaͤmpfet werden: welches Jacobus alhier meynet. Ein anders aber iſt ein gerechter Un- wille, Ernſt und Eifer wider das boͤſe. Und ob denn auch gleich dieſer vom eigentlichen Zorn ſehr unterſchieden iſt, ſo pfleget er ſich doch gar leicht mit dem Zorn zu vermengen. Dannenhero man Urſache hat, wohl auf ſei- ner Hut zu ſeyn, daß man den guten Affect des Ernſtes und des geheiligten Eifers von einem dabey aufſteigenden wilden Natur- Feuer abſondere und reinige. b. Der ſel. Lutherus hat die Griechiſchen Wor- te von dem Zorn, daß er die Gerechtigkeit GOttes nicht wircke, nach dem Germa- niſmo gar wohl alſo uͤberſetzet: des Men- ſchen Zoen thut nicht was vor GOTT recht iſt. Es will aber der Apoſtel damit noch ein mehrers ſagen, als er ausdrucket, nemlich, daß man zwar bey ſeinem Zorn oft meyne, er gehe auf GOttes Ehre, gehe auf das Gute, und ſey der Ungerechtigkeit und allem gottloſen Weſen entgegen geſetzet; aber in der That ſelbſt ſey er vor GOTT ſo gar nicht unſuͤndlich und ihm gefaͤllig, daß man ſich vielmehr damit wider GOTT oft ſehr verſuͤndige, und dannhero ſo vielmehr Urſa- che

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/441>, abgerufen am 22.11.2024.