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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 19-21.
[Spaltenumbruch] che habe, dagegen wohl über sich selbst zu wa-
chen.
c. Es ist fast kein Affect so heftig als der Zorn,
und kein Affect, der dem Menschen mehr zu
thun machet, als dieser; sonderlich der Jach-
Zorn,
wo einer, dem hitzigen und sehr schnel-
len Temperamente nach, von Natur dazu
sehr geneiget ist. Denn ehe sichs der Mensch
versiehet, so ist er damit übereilet; sonderlich
alsdenn, wo einem etwas, welches offenbar,
unbillig und unrecht ist, gantz unvermuthet,
ausstosset, oder begegnet.
d. Es ist aber dabey zweyerley wohl zu erwegen
und zu practiciren; eines auf Seiten dessen,
der mit dem Zorn übereilet wird: das ande-
re auf Seiten dessen, der es ansiehet und an-
höret, und darüber zu urtheilen pfleget.
e. Der Zürnende hat sich so fort, da er seine
Ubereilung selbst mercket, bey sich selbst deß-
wegen vor GOTT zu demüthigen, darü-
ber innerlich Leid zu tragen, und damit der
Sünde zugleich ihren Stachel und ihre Herr-
schaft zu benehmen; auch, so bald er alleine
ist, seine Ubereilung GOTT demüthigst ab-
zubitten,
wenn er auch gleich wider den ge-
ringsten Menschen, ja von einem der Eltern
wider die Kinder begangen wäre: und sich
aufs künftige mit mehrer Kraft GOttes zu
waffnen; und sich alle neue Ubereilungen zu
mehrer Demüthigung und Behutsamkeit die-
nen zu lassen. Es hilft auch gar viel zur Be-
wahrung des Gemüths, wenn man sich zum
öftern, ja täglich vorher, ehe einem eine Ver-
anlassung zum Zorn gegeben wird, vorstellet,
es werde einem noch an demselben Tage, ja
wol in der Stunde, manches zur Versuchung
begegnen; ob man gleich noch nicht weiß,
was es seyn werde. Welche Vorstellung
das Gemüth in eine solche Vestung bringen
wird, daß man sich nicht leichtlich hinreissen
lässet. Es ist auch damit schon sehr viel ge-
wonnen, wenn man sich nur gewehnet, die al-
lerersten Bewegungen bey sich also im Zaum
zu halten, daß man sich dadurch nicht im Au-
genblick aufbringen lasse. Denn da kan
sich das Gemüth bald also fassen, daß er in sei-
ner guten Ruhe und Ordnung bleibe.
f. Diejenigen welche an andern, von welchen sie
sich aus hinlänglichen Kennzeichen ihres Gna-
den-Standes versichert halten, eine Uber-
nehmung des Zorns sehen, haben sich mit ih-
rer Censur wohl in acht zunehmen, daß sie sol-
che an ihnen nicht zu hart beurtheilen. Denn
weil es der übereilenden, welche im Stande
der Gnaden stehen, ihre Art ist, daß sie ihren
Fehler selbst so fort am besten erkennen, und
darüber bey sich sehr gebeuget sind, ihn auch
GOTT demüthigst abzubitten pflegen, auch
im übrigen ernstlich dagegen aufs künftige sich
zubewahren suchen; so kan ihnen, da man
solches von ihnen nicht weiß, es doch aber
leichtlich hat vermuthen können, mit einer
harten Censur leicht zu viel geschehen. Denn
man hat den andern zwar in der Ubereilung
gesehen; aber nicht in dem Gebet vor GOtt,
[Spaltenumbruch] darinnen er es mit GOTT schon abgethan
hat. Was nun GOTT schon um Christi
willen vergeben hat, dessen soll ein Mensch so
viel weniger noch ferner gedencken. Wel-
ches auch von allen, oder doch vielen, andern
Fehlern der Kinder GOttes und ihrer Beur-
theilung wohl zu mercken ist.
V. 21.

Darum so leget ab alle Unsauberkeit
und alle Bosheit, und nehmet das Wort
an mit Sanftmuth, das in euch
(durch die
Wiedergeburt v. 18.) gepflantzet ist: wel-
ches kan eure Seelen selig machen.

Anmerckungen.

1. Was der Apostel vorher kürtzlich gese-
tzet hat, das schärfet er nun mit mehrern ein. Er
hatte eine schnelle und dabey würdige Anhörung
des Worts der Wahrheit gefodert. Wie
nun dieselbe beschaffen seyn solle, das zeiget er
hiemit gar nachdrücklich an, und setzet diese Ma-
terie auch in dem nachfolgenden Contexte noch
weiter fort. Und was er vom Zorn erinnert hat-
te, erläutert er darauf v. 26. So aber - - und
hält seine Zunge nicht im Zaum.
u. f.

2. Wir finden alhier von der Annehmung
des Worts vier Stücke: erstlich das Wort,
welches da soll angenommen werden, das in die
Gläubigen schon gepflantzet war: hernach die
Ordnung der Aufnahme, welche in der Ab-
legung aller Unsauberkeit und Bosheit bestehet:
und denn die Aufnahme selbst; wie sie mit
Sanftmuth geschehen soll: und endlich die
Kraft und Frucht des angenommenen Worts,
welche sich in der Seelen Seligkeit hervorthut.
Welche vier Puncte nun insonderheit kürtzlich
zu betrachten sind.

3. Das aufzunehmende Wort ist eben
dasselbe, welches der Apostel vorher v. 18. hat
das Wort der Wahrheit genennet; und heis-
set er es alhier emphuton, ein eingepflantztes
Wort daher, weil die Juden dadurch waren
wiedergeboren worden. Er zeiget damit an,
wie daß das Wort sey ein lebendiger Same,
wie es Petrus Ep. 1. c. 1. v. 23. nennet, und es
unser Heyland Matth. 13, 3. u. f. mit mehrern
beschreibet. Und 1 Joh. 3, 9. heißt es von die-
sem Worte, als dem lebendigen Samen: Wer
aus GOtt geboren ist, der thut nicht Sün-
de. Denn sein Same bleibet bey ihm, und
kan nicht
(muthwillig) sündigen, denn er ist
von GOtt geboren.
Es wird demnach mit
dem Worte emphutos angezeiget, daß es nicht
bey dem blossen Gehöre des Worts bleiben,
sondern daß es recht tief in alle Seelen-Kräfte
eindringen müsse: wie es also eindrang bey den
Zuhörern Christi, als er auf dem Berge die
Matth. 5. 6. 7. beschriebene Predigt hielte: da
es heißt: Es begab sich, da JEsus diese Re-
de vollendet hatte, entsatzte sich das Volck
über seiner Lehre. Denn er predigte ge-
waltig, nicht wie die Schriftgelehrten.

Matth. 7, 28. 29. Deßgleichen bey den Zuhö-
rern Petri, davon Lucas Ap. Ges. 2, 37. spricht:

Da
Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 19-21.
[Spaltenumbruch] che habe, dagegen wohl uͤber ſich ſelbſt zu wa-
chen.
c. Es iſt faſt kein Affect ſo heftig als der Zorn,
und kein Affect, der dem Menſchen mehr zu
thun machet, als dieſer; ſonderlich der Jach-
Zorn,
wo einer, dem hitzigen und ſehr ſchnel-
len Temperamente nach, von Natur dazu
ſehr geneiget iſt. Denn ehe ſichs der Menſch
verſiehet, ſo iſt er damit uͤbereilet; ſonderlich
alsdenn, wo einem etwas, welches offenbar,
unbillig und unrecht iſt, gantz unvermuthet,
ausſtoſſet, oder begegnet.
d. Es iſt aber dabey zweyerley wohl zu erwegen
und zu practiciren; eines auf Seiten deſſen,
der mit dem Zorn uͤbereilet wird: das ande-
re auf Seiten deſſen, der es anſiehet und an-
hoͤret, und daruͤber zu urtheilen pfleget.
e. Der Zuͤrnende hat ſich ſo fort, da er ſeine
Ubereilung ſelbſt mercket, bey ſich ſelbſt deß-
wegen vor GOTT zu demuͤthigen, daruͤ-
ber innerlich Leid zu tragen, und damit der
Suͤnde zugleich ihren Stachel und ihre Herr-
ſchaft zu benehmen; auch, ſo bald er alleine
iſt, ſeine Ubereilung GOTT demuͤthigſt ab-
zubitten,
wenn er auch gleich wider den ge-
ringſten Menſchen, ja von einem der Eltern
wider die Kinder begangen waͤre: und ſich
aufs kuͤnftige mit mehrer Kraft GOttes zu
waffnen; und ſich alle neue Ubereilungen zu
mehrer Demuͤthigung und Behutſamkeit die-
nen zu laſſen. Es hilft auch gar viel zur Be-
wahrung des Gemuͤths, wenn man ſich zum
oͤftern, ja taͤglich vorher, ehe einem eine Ver-
anlaſſung zum Zorn gegeben wird, vorſtellet,
es werde einem noch an demſelben Tage, ja
wol in der Stunde, manches zur Verſuchung
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was es ſeyn werde. Welche Vorſtellung
das Gemuͤth in eine ſolche Veſtung bringen
wird, daß man ſich nicht leichtlich hinreiſſen
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genblick aufbringen laſſe. Denn da kan
ſich das Gemuͤth bald alſo faſſen, daß er in ſei-
ner guten Ruhe und Ordnung bleibe.
f. Diejenigen welche an andern, von welchen ſie
ſich aus hinlaͤnglichen Kennzeichen ihres Gna-
den-Standes verſichert halten, eine Uber-
nehmung des Zorns ſehen, haben ſich mit ih-
rer Cenſur wohl in acht zunehmen, daß ſie ſol-
che an ihnen nicht zu hart beurtheilen. Denn
weil es der uͤbereilenden, welche im Stande
der Gnaden ſtehen, ihre Art iſt, daß ſie ihren
Fehler ſelbſt ſo fort am beſten erkennen, und
daruͤber bey ſich ſehr gebeuget ſind, ihn auch
GOTT demuͤthigſt abzubitten pflegen, auch
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leichtlich hat vermuthen koͤnnen, mit einer
harten Cenſur leicht zu viel geſchehen. Denn
man hat den andern zwar in der Ubereilung
geſehen; aber nicht in dem Gebet vor GOtt,
[Spaltenumbruch] darinnen er es mit GOTT ſchon abgethan
hat. Was nun GOTT ſchon um Chriſti
willen vergeben hat, deſſen ſoll ein Menſch ſo
viel weniger noch ferner gedencken. Wel-
ches auch von allen, oder doch vielen, andern
Fehlern der Kinder GOttes und ihrer Beur-
theilung wohl zu mercken iſt.
V. 21.

Darum ſo leget ab alle Unſauberkeit
und alle Bosheit, und nehmet das Wort
an mit Sanftmuth, das in euch
(durch die
Wiedergeburt v. 18.) gepflantzet iſt: wel-
ches kan eure Seelen ſelig machen.

Anmerckungen.

1. Was der Apoſtel vorher kuͤrtzlich geſe-
tzet hat, das ſchaͤrfet er nun mit mehrern ein. Er
hatte eine ſchnelle und dabey wuͤrdige Anhoͤrung
des Worts der Wahrheit gefodert. Wie
nun dieſelbe beſchaffen ſeyn ſolle, das zeiget er
hiemit gar nachdruͤcklich an, und ſetzet dieſe Ma-
terie auch in dem nachfolgenden Contexte noch
weiter fort. Und was er vom Zorn erinnert hat-
te, erlaͤutert er darauf v. 26. So aber ‒ ‒ und
haͤlt ſeine Zunge nicht im Zaum.
u. f.

2. Wir finden alhier von der Annehmung
des Worts vier Stuͤcke: erſtlich das Wort,
welches da ſoll angenommen werden, das in die
Glaͤubigen ſchon gepflantzet war: hernach die
Ordnung der Aufnahme, welche in der Ab-
legung aller Unſauberkeit und Bosheit beſtehet:
und denn die Aufnahme ſelbſt; wie ſie mit
Sanftmuth geſchehen ſoll: und endlich die
Kraft und Frucht des angenommenen Worts,
welche ſich in der Seelen Seligkeit hervorthut.
Welche vier Puncte nun inſonderheit kuͤrtzlich
zu betrachten ſind.

3. Das aufzunehmende Wort iſt eben
daſſelbe, welches der Apoſtel vorher v. 18. hat
das Wort der Wahrheit genennet; und heiſ-
ſet er es alhier ἔμϕυτον, ein eingepflantztes
Wort daher, weil die Juden dadurch waren
wiedergeboren worden. Er zeiget damit an,
wie daß das Wort ſey ein lebendiger Same,
wie es Petrus Ep. 1. c. 1. v. 23. nennet, und es
unſer Heyland Matth. 13, 3. u. f. mit mehrern
beſchreibet. Und 1 Joh. 3, 9. heißt es von die-
ſem Worte, als dem lebendigen Samen: Wer
aus GOtt geboren iſt, der thut nicht Suͤn-
de. Denn ſein Same bleibet bey ihm, und
kan nicht
(muthwillig) ſuͤndigen, denn er iſt
von GOtt geboren.
Es wird demnach mit
dem Worte ἔμϕυτος angezeiget, daß es nicht
bey dem bloſſen Gehoͤre des Worts bleiben,
ſondern daß es recht tief in alle Seelen-Kraͤfte
eindringen muͤſſe: wie es alſo eindrang bey den
Zuhoͤrern Chriſti, als er auf dem Berge die
Matth. 5. 6. 7. beſchriebene Predigt hielte: da
es heißt: Es begab ſich, da JEſus dieſe Re-
de vollendet hatte, entſatzte ſich das Volck
uͤber ſeiner Lehre. Denn er predigte ge-
waltig, nicht wie die Schriftgelehrten.

Matth. 7, 28. 29. Deßgleichen bey den Zuhoͤ-
rern Petri, davon Lucas Ap. Geſ. 2, 37. ſpricht:

Da
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[440/0442] Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 19-21. che habe, dagegen wohl uͤber ſich ſelbſt zu wa- chen. c. Es iſt faſt kein Affect ſo heftig als der Zorn, und kein Affect, der dem Menſchen mehr zu thun machet, als dieſer; ſonderlich der Jach- Zorn, wo einer, dem hitzigen und ſehr ſchnel- len Temperamente nach, von Natur dazu ſehr geneiget iſt. Denn ehe ſichs der Menſch verſiehet, ſo iſt er damit uͤbereilet; ſonderlich alsdenn, wo einem etwas, welches offenbar, unbillig und unrecht iſt, gantz unvermuthet, ausſtoſſet, oder begegnet. d. Es iſt aber dabey zweyerley wohl zu erwegen und zu practiciren; eines auf Seiten deſſen, der mit dem Zorn uͤbereilet wird: das ande- re auf Seiten deſſen, der es anſiehet und an- hoͤret, und daruͤber zu urtheilen pfleget. e. Der Zuͤrnende hat ſich ſo fort, da er ſeine Ubereilung ſelbſt mercket, bey ſich ſelbſt deß- wegen vor GOTT zu demuͤthigen, daruͤ- ber innerlich Leid zu tragen, und damit der Suͤnde zugleich ihren Stachel und ihre Herr- ſchaft zu benehmen; auch, ſo bald er alleine iſt, ſeine Ubereilung GOTT demuͤthigſt ab- zubitten, wenn er auch gleich wider den ge- ringſten Menſchen, ja von einem der Eltern wider die Kinder begangen waͤre: und ſich aufs kuͤnftige mit mehrer Kraft GOttes zu waffnen; und ſich alle neue Ubereilungen zu mehrer Demuͤthigung und Behutſamkeit die- nen zu laſſen. Es hilft auch gar viel zur Be- wahrung des Gemuͤths, wenn man ſich zum oͤftern, ja taͤglich vorher, ehe einem eine Ver- anlaſſung zum Zorn gegeben wird, vorſtellet, es werde einem noch an demſelben Tage, ja wol in der Stunde, manches zur Verſuchung begegnen; ob man gleich noch nicht weiß, was es ſeyn werde. Welche Vorſtellung das Gemuͤth in eine ſolche Veſtung bringen wird, daß man ſich nicht leichtlich hinreiſſen laͤſſet. Es iſt auch damit ſchon ſehr viel ge- wonnen, wenn man ſich nur gewehnet, die al- lererſten Bewegungen bey ſich alſo im Zaum zu halten, daß man ſich dadurch nicht im Au- genblick aufbringen laſſe. Denn da kan ſich das Gemuͤth bald alſo faſſen, daß er in ſei- ner guten Ruhe und Ordnung bleibe. f. Diejenigen welche an andern, von welchen ſie ſich aus hinlaͤnglichen Kennzeichen ihres Gna- den-Standes verſichert halten, eine Uber- nehmung des Zorns ſehen, haben ſich mit ih- rer Cenſur wohl in acht zunehmen, daß ſie ſol- che an ihnen nicht zu hart beurtheilen. Denn weil es der uͤbereilenden, welche im Stande der Gnaden ſtehen, ihre Art iſt, daß ſie ihren Fehler ſelbſt ſo fort am beſten erkennen, und daruͤber bey ſich ſehr gebeuget ſind, ihn auch GOTT demuͤthigſt abzubitten pflegen, auch im uͤbrigen ernſtlich dagegen aufs kuͤnftige ſich zubewahren ſuchen; ſo kan ihnen, da man ſolches von ihnen nicht weiß, es doch aber leichtlich hat vermuthen koͤnnen, mit einer harten Cenſur leicht zu viel geſchehen. Denn man hat den andern zwar in der Ubereilung geſehen; aber nicht in dem Gebet vor GOtt, darinnen er es mit GOTT ſchon abgethan hat. Was nun GOTT ſchon um Chriſti willen vergeben hat, deſſen ſoll ein Menſch ſo viel weniger noch ferner gedencken. Wel- ches auch von allen, oder doch vielen, andern Fehlern der Kinder GOttes und ihrer Beur- theilung wohl zu mercken iſt. V. 21. Darum ſo leget ab alle Unſauberkeit und alle Bosheit, und nehmet das Wort an mit Sanftmuth, das in euch (durch die Wiedergeburt v. 18.) gepflantzet iſt: wel- ches kan eure Seelen ſelig machen. Anmerckungen. 1. Was der Apoſtel vorher kuͤrtzlich geſe- tzet hat, das ſchaͤrfet er nun mit mehrern ein. Er hatte eine ſchnelle und dabey wuͤrdige Anhoͤrung des Worts der Wahrheit gefodert. Wie nun dieſelbe beſchaffen ſeyn ſolle, das zeiget er hiemit gar nachdruͤcklich an, und ſetzet dieſe Ma- terie auch in dem nachfolgenden Contexte noch weiter fort. Und was er vom Zorn erinnert hat- te, erlaͤutert er darauf v. 26. So aber ‒ ‒ und haͤlt ſeine Zunge nicht im Zaum. u. f. 2. Wir finden alhier von der Annehmung des Worts vier Stuͤcke: erſtlich das Wort, welches da ſoll angenommen werden, das in die Glaͤubigen ſchon gepflantzet war: hernach die Ordnung der Aufnahme, welche in der Ab- legung aller Unſauberkeit und Bosheit beſtehet: und denn die Aufnahme ſelbſt; wie ſie mit Sanftmuth geſchehen ſoll: und endlich die Kraft und Frucht des angenommenen Worts, welche ſich in der Seelen Seligkeit hervorthut. Welche vier Puncte nun inſonderheit kuͤrtzlich zu betrachten ſind. 3. Das aufzunehmende Wort iſt eben daſſelbe, welches der Apoſtel vorher v. 18. hat das Wort der Wahrheit genennet; und heiſ- ſet er es alhier ἔμϕυτον, ein eingepflantztes Wort daher, weil die Juden dadurch waren wiedergeboren worden. Er zeiget damit an, wie daß das Wort ſey ein lebendiger Same, wie es Petrus Ep. 1. c. 1. v. 23. nennet, und es unſer Heyland Matth. 13, 3. u. f. mit mehrern beſchreibet. Und 1 Joh. 3, 9. heißt es von die- ſem Worte, als dem lebendigen Samen: Wer aus GOtt geboren iſt, der thut nicht Suͤn- de. Denn ſein Same bleibet bey ihm, und kan nicht (muthwillig) ſuͤndigen, denn er iſt von GOtt geboren. Es wird demnach mit dem Worte ἔμϕυτος angezeiget, daß es nicht bey dem bloſſen Gehoͤre des Worts bleiben, ſondern daß es recht tief in alle Seelen-Kraͤfte eindringen muͤſſe: wie es alſo eindrang bey den Zuhoͤrern Chriſti, als er auf dem Berge die Matth. 5. 6. 7. beſchriebene Predigt hielte: da es heißt: Es begab ſich, da JEſus dieſe Re- de vollendet hatte, entſatzte ſich das Volck uͤber ſeiner Lehre. Denn er predigte ge- waltig, nicht wie die Schriftgelehrten. Matth. 7, 28. 29. Deßgleichen bey den Zuhoͤ- rern Petri, davon Lucas Ap. Geſ. 2, 37. ſpricht: Da

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/442>, abgerufen am 22.11.2024.