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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 24-25.
[Spaltenumbruch] ismo zu nehmen, da es soviel heißt als eine
Lehre: in welchem Verstande es auch Pau-
lus nimmt, wenn er Röm. 8, 2. spricht: das
Gesetz des Geistes, das da lebendig ma-
chet in Christo JEsu, hat mich frey
gemachet von dem Gesetze der Sünden
und des Todes.
Siehe auch in diesem Brie-
fe Jacobi c. 2, 12. da diese Benennung des Ge-
setzes wieder vorkömmt.
b. Wenn Jacobus das Gesetz ein Gesetz der
Freyheit
nennet, so zeiget er damit an, daß er auf
das Evangelium sehe, als welches unter andern
Heyls-Schätzen uns sonderlich die von Chri-
sto erworbene Freyheit anpreiset; und zwar
die von der Schuld, Strafe und Herrschaft
der Sünden, vom Fluche des Gesetzes, vom
Zorne GOttes, und von der Gewalt des Sa-
tans, auch vom Joche der Levitischen Satzun-
gen.
c. Daß aber nicht auf das Evangelium allein,
sondern dabey auch auf desselbigen würdige
Application, da man die Evangelische Gna-
de und Glaubens-Kraft zum willigen Gehor-
sam nach dem Moral-Gesetze anwendet, gese-
hen werde, das zeiget der gantze Context an, der
darauf dringet. Und dahin gehen auch die letz-
tern Verse dieses Ortes, da die würckliche
That gefordert wird.
d. Wenn der Apostel das Gesetz, wovon er redet,
nennet teleion, vollkommen, so siehet er damit
nicht so wol auf die Vollkommenheit, welche
es an sich selbst hat, als welche es im Gegensa-
tze auf die alte Oeconomie an sich zeiget, da
dieses Gesetz der Freyheit alle Verheissungen
und Vorbilder der Erfüllung nach in Chri-
sto, der da ist telos, der rechte Zweck, und rechte
Ende des Gesetzes Röm. 10, 4. darstellet; und
weil diese neue Oeconomie in sich hat und
mit sich führet die rechte teleiosin, die Voll-
endung,
welche die alte Oeconomie nicht
geben konte Hebr. 7, 11. 9, 9. und also kan te-
leiosai, vollkommen machen, c. 10, 14. da-
her denn, auch diese Oeconomie ist ton telei-
on, solcher Vollkommnen, welche zu ihrem rech-
ten männlichen Alter des Geistes gekommen
sind, und den nepiois, den unmündigen Kindern
unter dem Gesetze entgegen gesetzet werden.
Gal. 4, 1. u. f.
e. Daß der Apostel mit diesen Worten auf die
neue Oeconomie sehe, zeiget er auch mit der-
selben Structur im Griechischen an, wenn er
nach den Worten nomon teleion den Articu-
lum
ton dem Worte eleutherias vorsetzet und
spricht: ton tes eleutherias: daher die Worte,
dem Verstande nach, also zu übersetzen wä-
ren: - - in das vollkommne Gesetz, wel-
ches ein Gesetz der Freyheit ist.

2. Das Hinein- und Durchschauen in
das Gesetz der Freyheit gehet nicht allein auf den
Verstand, sondern auch auf den Willen des
Menschen, und zeiget eine solche Betrachtung an,
da man wie mit allen Kräften des Verstandes,
also auch mit geheiligter Begierde des Willens,
bey dem Zwecke eines willigen Gehorsams, sich
in GOttes Wort und göttliche Wahrheit einläs-
[Spaltenumbruch] set, und darinnen die rechte Nahrung für den
innern Menschen zu desselben täglichen mehrern
Erneuerung suchet, findet, und wircklich anwen-
det. Es wird dieses Wort parakupsai, 1 Pet. 1,
12. auch von den heiligen Engeln gebrauchet,
wenn daselbst angezeiget wird, daß es auch die
Engel gelüstet habe,
in das Evangelium einzu-
schauen, ob es gleich für sie eigentlich nicht gehö-
ret. Siehe auch Eph. 3, 10.

3. Das Beharren in dem also ein- und
durchgeschaueten Gesetze der Freyheit gehet auf
eine Beliebung an demselben, nach welcher man
seine rechte Hertzens-Lust daran hat nach Ps. 1, 2.
und daran, als in dem rechten Elemente und an
der rechten Nahrung bleibet, und dessen so gar
nicht müde wird, daß es davon vielmehr heisset:
ie länger, ie lieber! gleichwie ein gesunder und
arbeitsamer Leib bey einem guten Appetit dieses
also von dem täglichen Brodte, und dem, was
dazu gehöret, wahr befindet. Dieses Beharren
heißt upomone, dabey man viel Frucht bringet Luc.
13, 8. 15. Siehe auch Joh. 8, 31. 32.

4. Und allein auf diese Art ist man denn
nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern ein
Thäter des Worts.
Da denn die That zu-
vorderst innerlich ist, in dem man sich nach der
aus dem Evangelio empfangenen geistlichen
Nahrung im Glauben und in der Liebe zu GOtt
recht geschäftig erweiset, und in dieser Ordnung
sich auch nach den Pflichten der andern Tafel des
Gesetzes thätig finden lässet und sein gantzes Leben
im Gehorsam gegen GOtt führet.

5. Man siehet auch hieraus, was der Apo-
stel durch die That verstehe, in welcher er dem
Menschen die Seligkeit zuschreibet; nemlich
nicht eine und die andere gute Handelung, sondern
eine beständige Ubung der Pflichten des Chri-
stenthums. Denn wo der Gerechte von seiner
Gerechtigkeit ablässet und wieder Böses thut, so
soll aller seiner Gerechtigkeit nicht gedacht wer-
den. Ezech. 33, 12. u. f.

6. Es ist aber wohl zu mercken, daß die
Seligkeit nicht der That selbst, sondern nur dem
Menschen in der That zugeschrieben wird, daß
er sie habe, nlcht um seiner That willen, son-
dern nur in derselben; womit angezeiget wird,
daß er damit beweise, er stehe in einem seligen Zu-
stande, und befinde sich auf dem Wege zu einer
noch viel völligern Seligkeit. Daher es auch
heißt: er wird selig seyn. Und eben dieses
spricht unser Heyland von der schon gegenwärti-
gen Zeit aus, wenn er Joh. 13, 17. saget: So ihr
solches wisset, selig seyd ihr, so ihrs thut.

Deßgleichen Luc. 11, 28. Selig sind, die GOt-
tes Wort hören und bewahren.
Damit
denn also keines weges streitet, was Paulus saget
Röm. 4, 6. daß nach Davidischem Ausspruche die
Seligkeit sey des Menschen, welchem GOtt
die Seligkeit zurechnet, ohne Zuthun der
Wercke.

7. Ob nun gleich der Mensch mit seinem
Gehorsam nichts verdienen kan, auch nichts ver-
dienen darf, da er durch das Gesetz der Freyheit
vom Fluche des Gesetzes schon befreyet ist: so ge-
reichet dieses doch dem heiligen Leben zu einem

son-
Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 24-25.
[Spaltenumbruch] iſmo zu nehmen, da es ſoviel heißt als eine
Lehre: in welchem Verſtande es auch Pau-
lus nimmt, wenn er Roͤm. 8, 2. ſpricht: das
Geſetz des Geiſtes, das da lebendig ma-
chet in Chriſto JEſu, hat mich frey
gemachet von dem Geſetze der Suͤnden
und des Todes.
Siehe auch in dieſem Brie-
fe Jacobi c. 2, 12. da dieſe Benennung des Ge-
ſetzes wieder vorkoͤmmt.
b. Wenn Jacobus das Geſetz ein Geſetz der
Fꝛeyheit
nennet, ſo zeiget eꝛ damit an, daß er auf
das Evangelium ſehe, als welches unter andern
Heyls-Schaͤtzen uns ſonderlich die von Chri-
ſto erworbene Freyheit anpreiſet; und zwar
die von der Schuld, Strafe und Herrſchaft
der Suͤnden, vom Fluche des Geſetzes, vom
Zorne GOttes, und von der Gewalt des Sa-
tans, auch vom Joche der Levitiſchen Satzun-
gen.
c. Daß aber nicht auf das Evangelium allein,
ſondern dabey auch auf deſſelbigen wuͤrdige
Application, da man die Evangeliſche Gna-
de und Glaubens-Kraft zum willigen Gehor-
ſam nach dem Moral-Geſetze anwendet, geſe-
hen werde, das zeiget der gantze Context an, der
darauf dringet. Und dahin gehen auch die letz-
tern Verſe dieſes Ortes, da die wuͤrckliche
That gefordert wird.
d. Wenn der Apoſtel das Geſetz, wovon er redet,
nennet τέλειον, vollkommen, ſo ſiehet er damit
nicht ſo wol auf die Vollkommenheit, welche
es an ſich ſelbſt hat, als welche es im Gegenſa-
tze auf die alte Oeconomie an ſich zeiget, da
dieſes Geſetz der Freyheit alle Verheiſſungen
und Vorbilder der Erfuͤllung nach in Chri-
ſto, der da iſt τέλος, der rechte Zweck, und rechte
Ende des Geſetzes Roͤm. 10, 4. darſtellet; und
weil dieſe neue Oeconomie in ſich hat und
mit ſich fuͤhret die rechte τελείωσιν, die Voll-
endung,
welche die alte Oeconomie nicht
geben konte Hebr. 7, 11. 9, 9. und alſo kan τε-
λειῶσαι, vollkommen machen, c. 10, 14. da-
her denn, auch dieſe Oeconomie iſt τῶν τελεί-
ων, ſolcher Vollkommnen, welche zu ihrem rech-
ten maͤnnlichen Alter des Geiſtes gekommen
ſind, und den νηπίοις, den unmuͤndigen Kindern
unter dem Geſetze entgegen geſetzet werden.
Gal. 4, 1. u. f.
e. Daß der Apoſtel mit dieſen Worten auf die
neue Oeconomie ſehe, zeiget er auch mit der-
ſelben Structur im Griechiſchen an, wenn er
nach den Worten νόμον τέλειον den Articu-
lum
τὸν dem Worte ἐλευϑερίας vorſetzet und
ſpricht: τὸν τῆς ἐλευϑερίας: daher die Worte,
dem Verſtande nach, alſo zu uͤberſetzen waͤ-
ren: ‒ ‒ in das vollkommne Geſetz, wel-
ches ein Geſetz der Freyheit iſt.

2. Das Hinein- und Durchſchauen in
das Geſetz der Freyheit gehet nicht allein auf den
Verſtand, ſondern auch auf den Willen des
Menſchen, und zeiget eine ſolche Betrachtung an,
da man wie mit allen Kraͤften des Verſtandes,
alſo auch mit geheiligter Begierde des Willens,
bey dem Zwecke eines willigen Gehorſams, ſich
in GOttes Wort und goͤttliche Wahrheit einlaͤſ-
[Spaltenumbruch] ſet, und darinnen die rechte Nahrung fuͤr den
innern Menſchen zu deſſelben taͤglichen mehrern
Erneuerung ſuchet, findet, und wircklich anwen-
det. Es wird dieſes Wort παρακύψαι, 1 Pet. 1,
12. auch von den heiligen Engeln gebrauchet,
wenn daſelbſt angezeiget wird, daß es auch die
Engel geluͤſtet habe,
in das Evangelium einzu-
ſchauen, ob es gleich fuͤr ſie eigentlich nicht gehoͤ-
ret. Siehe auch Eph. 3, 10.

3. Das Beharren in dem alſo ein- und
durchgeſchaueten Geſetze der Freyheit gehet auf
eine Beliebung an demſelben, nach welcher man
ſeine rechte Hertzens-Luſt daran hat nach Pſ. 1, 2.
und daran, als in dem rechten Elemente und an
der rechten Nahrung bleibet, und deſſen ſo gar
nicht muͤde wird, daß es davon vielmehr heiſſet:
ie laͤnger, ie lieber! gleichwie ein geſunder und
arbeitſamer Leib bey einem guten Appetit dieſes
alſo von dem taͤglichen Brodte, und dem, was
dazu gehoͤret, wahr befindet. Dieſes Beharren
heißt ὑπομονὴ, dabey man viel Frucht bringet Luc.
13, 8. 15. Siehe auch Joh. 8, 31. 32.

4. Und allein auf dieſe Art iſt man denn
nicht ein vergeßlicher Hoͤrer, ſondern ein
Thaͤter des Worts.
Da denn die That zu-
vorderſt innerlich iſt, in dem man ſich nach der
aus dem Evangelio empfangenen geiſtlichen
Nahrung im Glauben und in der Liebe zu GOtt
recht geſchaͤftig erweiſet, und in dieſer Ordnung
ſich auch nach den Pflichten der andern Tafel des
Geſetzes thaͤtig finden laͤſſet und ſein gantzes Leben
im Gehorſam gegen GOtt fuͤhret.

5. Man ſiehet auch hieraus, was der Apo-
ſtel durch die That verſtehe, in welcher er dem
Menſchen die Seligkeit zuſchreibet; nemlich
nicht eine und die andere gute Handelung, ſondern
eine beſtaͤndige Ubung der Pflichten des Chri-
ſtenthums. Denn wo der Gerechte von ſeiner
Gerechtigkeit ablaͤſſet und wieder Boͤſes thut, ſo
ſoll aller ſeiner Gerechtigkeit nicht gedacht wer-
den. Ezech. 33, 12. u. f.

6. Es iſt aber wohl zu mercken, daß die
Seligkeit nicht der That ſelbſt, ſondern nur dem
Menſchen in der That zugeſchrieben wird, daß
er ſie habe, nlcht um ſeiner That willen, ſon-
dern nur in derſelben; womit angezeiget wird,
daß er damit beweiſe, er ſtehe in einem ſeligen Zu-
ſtande, und befinde ſich auf dem Wege zu einer
noch viel voͤlligern Seligkeit. Daher es auch
heißt: er wird ſelig ſeyn. Und eben dieſes
ſpricht unſer Heyland von der ſchon gegenwaͤrti-
gen Zeit aus, wenn er Joh. 13, 17. ſaget: So ihr
ſolches wiſſet, ſelig ſeyd ihr, ſo ihrs thut.

Deßgleichen Luc. 11, 28. Selig ſind, die GOt-
tes Wort hoͤren und bewahren.
Damit
denn alſo keines weges ſtreitet, was Paulus ſaget
Roͤm. 4, 6. daß nach Davidiſchem Ausſpruche die
Seligkeit ſey des Menſchen, welchem GOtt
die Seligkeit zurechnet, ohne Zuthun der
Wercke.

7. Ob nun gleich der Menſch mit ſeinem
Gehorſam nichts verdienen kan, auch nichts ver-
dienen darf, da er durch das Geſetz der Freyheit
vom Fluche des Geſetzes ſchon befreyet iſt: ſo ge-
reichet dieſes doch dem heiligen Leben zu einem

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[444/0446] Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 24-25. iſmo zu nehmen, da es ſoviel heißt als eine Lehre: in welchem Verſtande es auch Pau- lus nimmt, wenn er Roͤm. 8, 2. ſpricht: das Geſetz des Geiſtes, das da lebendig ma- chet in Chriſto JEſu, hat mich frey gemachet von dem Geſetze der Suͤnden und des Todes. Siehe auch in dieſem Brie- fe Jacobi c. 2, 12. da dieſe Benennung des Ge- ſetzes wieder vorkoͤmmt. b. Wenn Jacobus das Geſetz ein Geſetz der Fꝛeyheit nennet, ſo zeiget eꝛ damit an, daß er auf das Evangelium ſehe, als welches unter andern Heyls-Schaͤtzen uns ſonderlich die von Chri- ſto erworbene Freyheit anpreiſet; und zwar die von der Schuld, Strafe und Herrſchaft der Suͤnden, vom Fluche des Geſetzes, vom Zorne GOttes, und von der Gewalt des Sa- tans, auch vom Joche der Levitiſchen Satzun- gen. c. Daß aber nicht auf das Evangelium allein, ſondern dabey auch auf deſſelbigen wuͤrdige Application, da man die Evangeliſche Gna- de und Glaubens-Kraft zum willigen Gehor- ſam nach dem Moral-Geſetze anwendet, geſe- hen werde, das zeiget der gantze Context an, der darauf dringet. Und dahin gehen auch die letz- tern Verſe dieſes Ortes, da die wuͤrckliche That gefordert wird. d. Wenn der Apoſtel das Geſetz, wovon er redet, nennet τέλειον, vollkommen, ſo ſiehet er damit nicht ſo wol auf die Vollkommenheit, welche es an ſich ſelbſt hat, als welche es im Gegenſa- tze auf die alte Oeconomie an ſich zeiget, da dieſes Geſetz der Freyheit alle Verheiſſungen und Vorbilder der Erfuͤllung nach in Chri- ſto, der da iſt τέλος, der rechte Zweck, und rechte Ende des Geſetzes Roͤm. 10, 4. darſtellet; und weil dieſe neue Oeconomie in ſich hat und mit ſich fuͤhret die rechte τελείωσιν, die Voll- endung, welche die alte Oeconomie nicht geben konte Hebr. 7, 11. 9, 9. und alſo kan τε- λειῶσαι, vollkommen machen, c. 10, 14. da- her denn, auch dieſe Oeconomie iſt τῶν τελεί- ων, ſolcher Vollkommnen, welche zu ihrem rech- ten maͤnnlichen Alter des Geiſtes gekommen ſind, und den νηπίοις, den unmuͤndigen Kindern unter dem Geſetze entgegen geſetzet werden. Gal. 4, 1. u. f. e. Daß der Apoſtel mit dieſen Worten auf die neue Oeconomie ſehe, zeiget er auch mit der- ſelben Structur im Griechiſchen an, wenn er nach den Worten νόμον τέλειον den Articu- lum τὸν dem Worte ἐλευϑερίας vorſetzet und ſpricht: τὸν τῆς ἐλευϑερίας: daher die Worte, dem Verſtande nach, alſo zu uͤberſetzen waͤ- ren: ‒ ‒ in das vollkommne Geſetz, wel- ches ein Geſetz der Freyheit iſt. 2. Das Hinein- und Durchſchauen in das Geſetz der Freyheit gehet nicht allein auf den Verſtand, ſondern auch auf den Willen des Menſchen, und zeiget eine ſolche Betrachtung an, da man wie mit allen Kraͤften des Verſtandes, alſo auch mit geheiligter Begierde des Willens, bey dem Zwecke eines willigen Gehorſams, ſich in GOttes Wort und goͤttliche Wahrheit einlaͤſ- ſet, und darinnen die rechte Nahrung fuͤr den innern Menſchen zu deſſelben taͤglichen mehrern Erneuerung ſuchet, findet, und wircklich anwen- det. Es wird dieſes Wort παρακύψαι, 1 Pet. 1, 12. auch von den heiligen Engeln gebrauchet, wenn daſelbſt angezeiget wird, daß es auch die Engel geluͤſtet habe, in das Evangelium einzu- ſchauen, ob es gleich fuͤr ſie eigentlich nicht gehoͤ- ret. Siehe auch Eph. 3, 10. 3. Das Beharren in dem alſo ein- und durchgeſchaueten Geſetze der Freyheit gehet auf eine Beliebung an demſelben, nach welcher man ſeine rechte Hertzens-Luſt daran hat nach Pſ. 1, 2. und daran, als in dem rechten Elemente und an der rechten Nahrung bleibet, und deſſen ſo gar nicht muͤde wird, daß es davon vielmehr heiſſet: ie laͤnger, ie lieber! gleichwie ein geſunder und arbeitſamer Leib bey einem guten Appetit dieſes alſo von dem taͤglichen Brodte, und dem, was dazu gehoͤret, wahr befindet. Dieſes Beharren heißt ὑπομονὴ, dabey man viel Frucht bringet Luc. 13, 8. 15. Siehe auch Joh. 8, 31. 32. 4. Und allein auf dieſe Art iſt man denn nicht ein vergeßlicher Hoͤrer, ſondern ein Thaͤter des Worts. Da denn die That zu- vorderſt innerlich iſt, in dem man ſich nach der aus dem Evangelio empfangenen geiſtlichen Nahrung im Glauben und in der Liebe zu GOtt recht geſchaͤftig erweiſet, und in dieſer Ordnung ſich auch nach den Pflichten der andern Tafel des Geſetzes thaͤtig finden laͤſſet und ſein gantzes Leben im Gehorſam gegen GOtt fuͤhret. 5. Man ſiehet auch hieraus, was der Apo- ſtel durch die That verſtehe, in welcher er dem Menſchen die Seligkeit zuſchreibet; nemlich nicht eine und die andere gute Handelung, ſondern eine beſtaͤndige Ubung der Pflichten des Chri- ſtenthums. Denn wo der Gerechte von ſeiner Gerechtigkeit ablaͤſſet und wieder Boͤſes thut, ſo ſoll aller ſeiner Gerechtigkeit nicht gedacht wer- den. Ezech. 33, 12. u. f. 6. Es iſt aber wohl zu mercken, daß die Seligkeit nicht der That ſelbſt, ſondern nur dem Menſchen in der That zugeſchrieben wird, daß er ſie habe, nlcht um ſeiner That willen, ſon- dern nur in derſelben; womit angezeiget wird, daß er damit beweiſe, er ſtehe in einem ſeligen Zu- ſtande, und befinde ſich auf dem Wege zu einer noch viel voͤlligern Seligkeit. Daher es auch heißt: er wird ſelig ſeyn. Und eben dieſes ſpricht unſer Heyland von der ſchon gegenwaͤrti- gen Zeit aus, wenn er Joh. 13, 17. ſaget: So ihr ſolches wiſſet, ſelig ſeyd ihr, ſo ihrs thut. Deßgleichen Luc. 11, 28. Selig ſind, die GOt- tes Wort hoͤren und bewahren. Damit denn alſo keines weges ſtreitet, was Paulus ſaget Roͤm. 4, 6. daß nach Davidiſchem Ausſpruche die Seligkeit ſey des Menſchen, welchem GOtt die Seligkeit zurechnet, ohne Zuthun der Wercke. 7. Ob nun gleich der Menſch mit ſeinem Gehorſam nichts verdienen kan, auch nichts ver- dienen darf, da er durch das Geſetz der Freyheit vom Fluche des Geſetzes ſchon befreyet iſt: ſo ge- reichet dieſes doch dem heiligen Leben zu einem ſon-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/446>, abgerufen am 22.11.2024.