Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 1. v. 22-25. Erklärung des Briefes Jacobi. [Spaltenumbruch]
wie es oft zu geschehen pfleget: zumal wenn mandabey das gehörte Wort lobet und sein Wohlge- fallen darüber bezeuget: es aber dabey lässet: oder es nicht weiter bringet, als zu einem guten Vor- satz, aber ohne allen Nachsatz. 7. Auch ist dieses eine gemeine Art des 8. Es pfleget auch wol zu geschehen, daß V. 23. 24. Denn so iemand ist ein Hörer des Anmerckungen. 1. Es ist eine schöne Vergleichung des gött- 2. Man hat demnach an einem Spiegel, 3. Man siehet aber bey der Eigenschaft des 4. Ob nun gleich die Uberzeugung schnell 5. Wie verderbt der Mensch durch die 6. Ja mancher Mensch machet es mit ge- 7. Es ist die Eigenliebe bey manchen so groß 8. Da die Gewohnheit aufgekommen ist, V. 25. Wer aber (nicht allein einsiehet, oder ein- Anmerckungen. 1. Durch das vollkommene Gesetz der a. das Wort Gesetz ist alhier nach dem Hebra- ismo K k k 2
Cap. 1. v. 22-25. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. [Spaltenumbruch]
wie es oft zu geſchehen pfleget: zumal wenn mandabey das gehoͤrte Wort lobet und ſein Wohlge- fallen daruͤber bezeuget: es aber dabey laͤſſet: oder es nicht weiter bringet, als zu einem guten Vor- ſatz, aber ohne allen Nachſatz. 7. Auch iſt dieſes eine gemeine Art des 8. Es pfleget auch wol zu geſchehen, daß V. 23. 24. Denn ſo iemand iſt ein Hoͤrer des Anmerckungen. 1. Es iſt eine ſchoͤne Vergleichung des goͤtt- 2. Man hat demnach an einem Spiegel, 3. Man ſiehet aber bey der Eigenſchaft des 4. Ob nun gleich die Uberzeugung ſchnell 5. Wie verderbt der Menſch durch die 6. Ja mancher Menſch machet es mit ge- 7. Es iſt die Eigenliebe bey manchen ſo groß 8. Da die Gewohnheit aufgekommen iſt, V. 25. Wer aber (nicht allein einſiehet, oder ein- Anmerckungen. 1. Durch das vollkommene Geſetz der a. das Wort Geſetz iſt alhier nach dem Hebra- iſmo K k k 2
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Cap. 1. v. 22-25. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
wie es oft zu geſchehen pfleget: zumal wenn man
dabey das gehoͤrte Wort lobet und ſein Wohlge-
fallen daruͤber bezeuget: es aber dabey laͤſſet: oder
es nicht weiter bringet, als zu einem guten Vor-
ſatz, aber ohne allen Nachſatz.
7. Auch iſt dieſes eine gemeine Art des
Selbſtbetruges, wenn man zwar anfangs iſt ein
fleißiger Thaͤter des Worts geweſen, aber im
Fortgange des Laufs der Erneuerung von ſol-
cher Treue unvermerckt immer mehr und mehr
ablaͤſſet, und ſeinen chemaligen Gehorſam auch
noch fuͤr einen gegenwaͤrtigen anſiehet.
8. Es pfleget auch wol zu geſchehen, daß
mancher dieſes und jenes, dieſes und jenes mal, ge-
treulich thut, was er gehoͤret hat; aber in dem Ge-
horſam nicht fort faͤhret, und ſich dennoch mit
einem groſſen Selbſtbetꝛuge fuͤr einen Thaͤteꝛ haͤlt:
vor welchen beyden letztern Arten des Selbſtbetru-
gesſich ſonderlich die ſchon bekehrten zu huͤten ha-
ben, wie die waren, an welche Jacobus ſchrieb.
V. 23. 24.
Denn ſo iemand iſt ein Hoͤrer des
Worts, und nicht ein Thaͤter, der iſt gleich
einem Manne, der ſein leiblich Angeſicht
im Spiegel (gantz vergeblich) beſchauet.
Denn nach dem er ſich beſchauet hat, ge-
het er von ſtund an (ἐυϑέως, ſo fort) davon,
und vergiſſet, wie er geſtalt war, (alſo
daß er ſeine an ſeinem Geſichte erſehene Flecken
und Unſauberkeit nicht achtet, noch ſich davon
reiniget.)
Anmerckungen.
1. Es iſt eine ſchoͤne Vergleichung des goͤtt-
lichen Worts mit einem Spiegel: und zwar
wie ſeiner Klarheit und Reinigkeit wegen,
alſo auch deßwegen, daß es einem die Fehler der
Seelen ſo wohl zeiget, als der Spiegel die Flecken
des Angeſichts.
2. Man hat demnach an einem Spiegel,
davor man zum oͤftern tritt, eine taͤgliche Erinne-
rung, wozu man ſich das goͤttliche Wort ſoll die-
nen laſſen. Aber wie leicht und wie oft wird es
vergeſſen?
3. Man ſiehet aber bey der Eigenſchaft des
goͤttlichen Worts, als eines geiſtlichen Spiegels,
nicht allein die Kraft deſſelben zur Entdeckung
der Beſchaffenheit unſers gantzen Zuſtandes ſon-
dern auch die Zartheit des Gewiſſens wie bald es
kan uͤberzeuget werden, nemlich ſofort im Au-
genblick, da das Zeugniß des Worts an daſſelbe
koͤmmt, wo es nicht gar eingeſchlaͤfert geweſen iſt,
und im Schlafe bleibet. Es iſt das Wort im Ge-
wiſſen ein ſehr ſchneller Zeuge wider den Men-
ſchen. Wohl dem, der ſein eignes Zeugniß von
ſich ſelbſt wider ſich ſelbſt recht annimmt!
4. Ob nun gleich die Uberzeugung ſchnell
zu ſeyn pfleget, oft in dem Augenblick, da man das
Wort lieſet, oder hoͤret; ſo iſt doch eine Selbſt-
pruͤfung noͤthig, um ſo viel mehrere Uberzeu-
gung zu kommen. Denn bey manchen iſt das
Gemuͤth vor Eigenliebe, oder anderer Verdeckung
und Hinderung, ſo benebelt und zerſtreuet, daß
keine Uberzeugung ſtatt findet. Dannenhero ei-
ne ernſtliche Sammlung zur Stille und Selbſt-
pruͤfung noͤthig iſt.
5. Wie verderbt der Menſch durch die
Suͤnde von Natur ſey, kan man unter andern
auch daraus erkennen, daß er fuͤr den hinfaͤlligen
Leib groͤſſere Treue und Sorgfalt beweiſet, als
fuͤr die unſterbliche Seele. Denn wer wird wol
iemals ſo unbeſonnen mit ſich ſelbſt dem Geſichte
nach handelen, daß, wenn er vor einem Spiegel
darinnen die das Geſichte verſtellende recht arge
und garſtige Flecken an ſich ſelbſt erblicket hat, er
ſolte davon gehen und der Reinigung vergeſſen;
zumal zu einer ſolchen Zeit, da er geehrten Leuten
will unter Augen gehen? was vergiſſet aber und
unterlaͤſſet der Menſch dißfalls der Seele nach
nicht? wie oft wird er nicht von rechten Schand-
flecken ſeiner Seele, und von groſſen Wunden
ſeines Gewiſſens aus dem Spiegel des goͤttlichen
Worts uͤberzeuget; aber er behaͤlt ſie vorſetzlich
an ſich, auch wol, wenn er ſein Gebet zu GOtt
verrichten, und dem unter die Augen treten will.
6. Ja mancher Menſch machet es mit ge-
wiſſen Suͤnden, als wie die eigenliebigen Wei-
besbilder, welche ihre Haut mit den ſo genanten
Schoͤnflecken belegen Denn er meynet nach
ſeiner Eigenliebe, wie wohl ihm dieſes und jenes
anſtehe; da er ſich doch damit vor GOtt, zum
theil auch vor Menſchen, ſehr verſtellet, und ſich
deſſen ſchaͤmen ſolte.
7. Es iſt die Eigenliebe bey manchen ſo groß
daß er ſich bey Betrachtung des goͤttlichen
Worts ſo ſehr in ſeine eigene geiſtliche Gemuͤths-
Geſtalt verliebet, als mancher thoͤrich er Menſch
in ſeine leibliche Geſtalt verliebet iſt, und deßwe-
gen faſt immer vor dem Spiegel ſtehet.
8. Da die Gewohnheit aufgekommen iſt,
daß Leute, die von einem hoͤheren Stande ſind,
oder den hoͤhern Standes-Perſonen in thoͤrichter
Eigenliebe nichts nachgeben wollen, ihre Gemaͤ-
cher mit ſehr groſſen Spiegeln faſt um und um
auszieren, und einen rechten Prunck damit treiben
ſo haͤtten ſie billig zu bedencken, daß ſie geringern
Leuten es in dem vielfachen und wuͤrdigen Ge-
brauch des goͤttlichen Worts, als eines ihnen
wohl anſtaͤndigen Spiegels, auch zuvor thun
moͤchten.
V. 25.
Wer aber (nicht allein einſiehet, oder ein-
ſchauet, wie man bey einem Spiegel zu thun pfle-
get, ſondern auch) durchſchauet in das voll-
kommene Geſetz der Freyheit (in die gantze
Evangeliſche Lehre und Oeconomie) und da-
rinnen (dem Glauben und der thaͤtigen Ubung
nach) beharret, und iſt (alſo) nicht ein
vergeßlicher Hoͤrer, ſondern ein Thaͤter,
derſelbige wird ſelig ſeyn (nicht durch, ſon-
dern) in ſeiner That.
Anmerckungen.
1. Durch das vollkommene Geſetz der
Freyheit iſt der gantze Rath GOttes von un-
ſerer Seligkeit, und alſo darunter nebſt dem Ge-
ſetze zuvorderſt das Evangelium zuverſtehen.
Wobey folgendes zu mercken iſt:
a. das Wort Geſetz iſt alhier nach dem Hebra-
iſmo
K k k 2
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