1. Das Werck, das Abraham bey dieser gantzen Handlung gethan, war vielfach; wie es denn auch daher in der Zahl der Vielheit genen- net wird, da es heißt ex ergon, aus den Wercken. Denn gegen ihn selbst und gegen den Sohn war es ein Werck der größten Verleugnung, gegen GOtt ein Werck des ergebensten Gehor- sams, und dabey der Liebe und Ehrfurcht, und ein Werck eines bis an den dritten Tag, von dem empfangenen Befehl anzurechnen, fortge- setzten, beständigen, wo nicht äusserlich aus- gedruckten, doch innerlichen Hertzens-Gebets zu GOtt.
2. Nun fraget es sich, wie denn von Abra- ham könne gesaget werden, daß er aus solchen Wercken, oder, welches eines, durch solche seine Wercke sey gerecht worden? und wie die- ser Ort mit dem Orte Pauli Röm. 4. zu con- ciliiren sey?
3. Das Wort gerecht, oder gerechtfer- tiget werden, heißt alhier soviel, als gerecht erkannt, oder für einen solchen der durch den Glauben an den Meßiam von GOtt für gerecht gehalten ist, auch vor Menschen erkannt und ge- halten werden. Welches denn nicht anders als durch die Wirckungen des Glaubens, das ist, durch die Wercke konte geschehen, weil der Glaube an sich selbst unsichtbar und unkenntlich ist, und von Menschen nicht anders, als durch sei- ne Wirckungen kan wahrgenommen werden.
4. Damit man nun sehen möge, daß die- ser Verstand dieses Worts und der gantzen Re- dens-Art nicht gezwungen sey, so wollen wir davon erstlich den Grund erwegen, welchen sie nach der Philologia, oder in der Sprache der heiligen Schrift selbst hat; und hernach sehen, wie dieser Verstand mit dem Contexte überein- komme, und denn, was den Apostel bewogen habe, das Wort gerecht werden alhier also zu gebrauchen?
5. Was den philologischen Grund von dem Jacobäischen Gebrauch dieses Worts be- trifft, so ist bekannt, daß die verba actus, die Worte, welche eine Handlung anzeigen, oft nicht auf die Handlung an sich selbst, sondern nur auf ihre Notification und Declaration, oder darauf gehen, wie sie für schon geschehen erkannt werden; sintemal dadurch die Sache bey denen, welchen sie kund wird, gleichsam wie erstlich geschiehet. Z. E. 3 B. Mos. 13, 3. stehet, es habe der Levitische Priester, wenn er den Aussatz schon wircklich befindet, den Aussätzigen [fremdsprachliches Material], unrein gemachet, das ist, für unrein erkannt und erkläret. Also auch 2 Sam. 7, 22. stehet von GOtt im Hebräischen: Du bist groß geworden, und ist der Verstand, du bist als ein grosser GOtt bekannt worden. Darum es auch der selige Lutherus gar recht gegeben hat: Du bist groß geachtet. Job. 24, 25. stehet im Hebräischen: Wer will mich zum Lügner machen, davon der Verstand ist, wer wird es erweisen, daß ich gelogen habe. Wie wir auch nach unser teutschen Mund-Art das Wort also gebrauchen. Siehe auch Ps. 34, 4. GOTT [Spaltenumbruch]
groß machen, bezeugen, daß er groß sey, und ihn für groß erkennen. Deßgleichen im neuen Testamente: Ap. Gesch. 10, 15. was GOtt gereiniget hat, das mache du nicht ge- mein, das ist, das erkläre du nicht für unrein. Röm. 7, 11. die Sünde betrog mich, das ist, zeigete mir an, daß ich betrogen wäre. 2 Cor. 3, 6. der Buchstabe tödtet, das ist, er zei- get mir meinen geistlichen Tod an, darauf der ewige erfolget. 1 Tim. 3, 16. GOtt ist offen- baret im Fleische, edikaiothe, gerechtfertiget im Geist, d. i. recht für den Sohn GOttes er- kannt an seiner durch so viele Wunder bewiese- nen wahren Gottheit. Mehrere Exempel fin- det der Leser bey dem seligen Sal. Glassio in Phi- lol. Sacra L. III. de verbo can. XV.
6. Nach diesem philologischen Grunde heißt nun alhier aus den Wercken gerecht worden seyn, so viel, als aus den Wercken von Menschen für gerecht erkannt und gehalten wor- den seyn. Und diesen Verstand der Worte er- fordert hier nicht allein die Sache selbst, sondern auch der Context; wie überhaupt, da Jacobus auf den Beweis des Glaubens, wie er sich in den Früchten zeigen soll, dringet: also insonder- heit der 18. Vers, da er fordert, daß der Glau- be, und was durch den Glauben ist erhalten wor- den, nemlich die Gerechtigkeit vor GOtt, durch die Wercke solle gezeiget und erwiesen wer- den.
7. Daß aber Jacobus das Wort gerecht werden alhier also gebrauchet hat, dazu hat ihn der grosse Mißbrauch der Lehre von der Recht- fertigung veranlasset. Denn, wie man fäst aus dem gantze Briefe siehet, so sind viel Leute auf die sonst fleißig eingeschärfte Lehre von der Recht- fertigung durch den Glauben also gefallen, daß sie sich nur immer des Glaubens an Christum mit dem Munde gerühmet, nichts weniger aber in ihrem Leben erwiesen haben. Dannenhero er auf den Erweis des also gerühmten Glaubens, und der dadurch erhaltenen Gerechtigkeit bey GOTT dringet, und diesen in den Wercken dargethan wissen will. Fast zu gleichem Zweck hat Johannes seinen ersten Brief geschrieben. Welches man ausser dem Contexte aller Capitel insonderheit daraus ersiehet, daß er c. 3, 7. spricht: Wer recht thut, der ist gerecht, der wird aus seinem Recht-Thun, oder aus seinen Wer- cken, für gerecht erkannt, gleichwie GOtt ge- recht ist, und seine Gerechtigkeit durch seine Wercke kund machet und erweiset.
8. Wie nun dieser Ort mit dem Orte Pauli Röm. 4, 1. u. f. zu vergleichen sey, ist leichtlich zu erachten. Denn Paulus stellet den Abraham also vor, wie er es in seinem Glauben mit GOtt hat zu thun gehabt, da er durch den- selben an dem verheissenen Weibes-Samen, dem Meßia, sich gehalten, und dadurch die Ge- rechtigkeit, damit er hat vor GOtt bestehen kön- nen, erlanget hat. Jacobus aber handelt vom Abraham also, wie seine im Glauben vor GOtt und von GOtt erlangte Gerechtigkeit vor Men- schen ist kund worden; nemlich durch des Glau- bens Wirckung und Früchte.
V. 22.
M m m 2
Cap. 2. v. 21. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Das Werck, das Abraham bey dieſer gantzen Handlung gethan, war vielfach; wie es denn auch daher in der Zahl der Vielheit genen- net wird, da es heißt ἐξ ἔργων, aus den Wercken. Denn gegen ihn ſelbſt und gegen den Sohn war es ein Werck der groͤßten Verleugnung, gegen GOtt ein Werck des ergebenſten Gehor- ſams, und dabey der Liebe und Ehrfurcht, und ein Werck eines bis an den dritten Tag, von dem empfangenen Befehl anzurechnen, fortge- ſetzten, beſtaͤndigen, wo nicht aͤuſſerlich aus- gedruckten, doch innerlichen Hertzens-Gebets zu GOtt.
2. Nun fraget es ſich, wie denn von Abra- ham koͤnne geſaget werden, daß er aus ſolchen Wercken, oder, welches eines, durch ſolche ſeine Wercke ſey gerecht worden? und wie die- ſer Ort mit dem Orte Pauli Roͤm. 4. zu con- ciliiren ſey?
3. Das Wort gerecht, oder gerechtfer- tiget werden, heißt alhier ſoviel, als gerecht erkannt, oder fuͤr einen ſolchen der durch den Glauben an den Meßiam von GOtt fuͤr gerecht gehalten iſt, auch vor Menſchen erkannt und ge- halten werden. Welches denn nicht anders als durch die Wirckungen des Glaubens, das iſt, durch die Wercke konte geſchehen, weil der Glaube an ſich ſelbſt unſichtbar und unkenntlich iſt, und von Menſchen nicht anders, als durch ſei- ne Wirckungen kan wahrgenommen werden.
4. Damit man nun ſehen moͤge, daß die- ſer Verſtand dieſes Worts und der gantzen Re- dens-Art nicht gezwungen ſey, ſo wollen wir davon erſtlich den Grund erwegen, welchen ſie nach der Philologia, oder in der Sprache der heiligen Schrift ſelbſt hat; und hernach ſehen, wie dieſer Verſtand mit dem Contexte uͤberein- komme, und denn, was den Apoſtel bewogen habe, das Wort gerecht werden alhier alſo zu gebrauchen?
5. Was den philologiſchen Grund von dem Jacobaͤiſchen Gebrauch dieſes Worts be- trifft, ſo iſt bekannt, daß die verba actus, die Worte, welche eine Handlung anzeigen, oft nicht auf die Handlung an ſich ſelbſt, ſondern nur auf ihre Notification und Declaration, oder darauf gehen, wie ſie fuͤr ſchon geſchehen erkannt werden; ſintemal dadurch die Sache bey denen, welchen ſie kund wird, gleichſam wie erſtlich geſchiehet. Z. E. 3 B. Moſ. 13, 3. ſtehet, es habe der Levitiſche Prieſter, wenn er den Ausſatz ſchon wircklich befindet, den Auſſaͤtzigen [fremdsprachliches Material], unrein gemachet, das iſt, fuͤr unrein erkannt und erklaͤret. Alſo auch 2 Sam. 7, 22. ſtehet von GOtt im Hebraͤiſchen: Du biſt groß geworden, und iſt der Verſtand, du biſt als ein groſſer GOtt bekannt worden. Darum es auch der ſelige Lutherus gar recht gegeben hat: Du biſt groß geachtet. Job. 24, 25. ſtehet im Hebraͤiſchen: Wer will mich zum Luͤgner machen, davon der Verſtand iſt, wer wird es erweiſen, daß ich gelogen habe. Wie wir auch nach unſer teutſchen Mund-Art das Wort alſo gebrauchen. Siehe auch Pſ. 34, 4. GOTT [Spaltenumbruch]
groß machen, bezeugen, daß er groß ſey, und ihn fuͤr groß erkennen. Deßgleichen im neuen Teſtamente: Ap. Geſch. 10, 15. was GOtt gereiniget hat, das mache du nicht ge- mein, das iſt, das erklaͤre du nicht fuͤr unrein. Roͤm. 7, 11. die Suͤnde betrog mich, das iſt, zeigete mir an, daß ich betrogen waͤre. 2 Cor. 3, 6. der Buchſtabe toͤdtet, das iſt, er zei- get mir meinen geiſtlichen Tod an, darauf der ewige erfolget. 1 Tim. 3, 16. GOtt iſt offen- baret im Fleiſche, ἐδικαιώϑη, gerechtfertiget im Geiſt, d. i. recht fuͤr den Sohn GOttes er- kannt an ſeiner durch ſo viele Wunder bewieſe- nen wahren Gottheit. Mehrere Exempel fin- det der Leſer bey dem ſeligen Sal. Glaſſio in Phi- lol. Sacra L. III. de verbo can. XV.
6. Nach dieſem philologiſchen Grunde heißt nun alhier aus den Wercken gerecht worden ſeyn, ſo viel, als aus den Wercken von Menſchen fuͤr gerecht erkannt und gehalten wor- den ſeyn. Und dieſen Verſtand der Worte er- fordert hier nicht allein die Sache ſelbſt, ſondern auch der Context; wie uͤberhaupt, da Jacobus auf den Beweis des Glaubens, wie er ſich in den Fruͤchten zeigen ſoll, dringet: alſo inſonder- heit der 18. Vers, da er fordert, daß der Glau- be, und was durch den Glauben iſt erhalten wor- den, nemlich die Gerechtigkeit vor GOtt, durch die Wercke ſolle gezeiget und erwieſen wer- den.
7. Daß aber Jacobus das Wort gerecht werden alhier alſo gebrauchet hat, dazu hat ihn der groſſe Mißbrauch der Lehre von der Recht- fertigung veranlaſſet. Denn, wie man faͤſt aus dem gantze Briefe ſiehet, ſo ſind viel Leute auf die ſonſt fleißig eingeſchaͤrfte Lehre von der Recht- fertigung durch den Glauben alſo gefallen, daß ſie ſich nur immer des Glaubens an Chriſtum mit dem Munde geruͤhmet, nichts weniger aber in ihrem Leben erwieſen haben. Dannenhero er auf den Erweis des alſo geruͤhmten Glaubens, und der dadurch erhaltenen Gerechtigkeit bey GOTT dringet, und dieſen in den Wercken dargethan wiſſen will. Faſt zu gleichem Zweck hat Johannes ſeinen erſten Brief geſchrieben. Welches man auſſer dem Contexte aller Capitel inſonderheit daraus erſiehet, daß er c. 3, 7. ſpricht: Wer recht thut, der iſt gerecht, der wird aus ſeinem Recht-Thun, oder aus ſeinen Wer- cken, fuͤr gerecht erkannt, gleichwie GOtt ge- recht iſt, und ſeine Gerechtigkeit durch ſeine Wercke kund machet und erweiſet.
8. Wie nun dieſer Ort mit dem Orte Pauli Roͤm. 4, 1. u. f. zu vergleichen ſey, iſt leichtlich zu erachten. Denn Paulus ſtellet den Abraham alſo vor, wie er es in ſeinem Glauben mit GOtt hat zu thun gehabt, da er durch den- ſelben an dem verheiſſenen Weibes-Samen, dem Meßia, ſich gehalten, und dadurch die Ge- rechtigkeit, damit er hat vor GOtt beſtehen koͤn- nen, erlanget hat. Jacobus aber handelt vom Abraham alſo, wie ſeine im Glauben vor GOtt und von GOtt erlangte Gerechtigkeit vor Men- ſchen iſt kund worden; nemlich durch des Glau- bens Wirckung und Fruͤchte.
V. 22.
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[459/0461]
Cap. 2. v. 21. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
Anmerckungen.
1. Das Werck, das Abraham bey dieſer
gantzen Handlung gethan, war vielfach; wie es
denn auch daher in der Zahl der Vielheit genen-
net wird, da es heißt ἐξ ἔργων, aus den Wercken.
Denn gegen ihn ſelbſt und gegen den Sohn
war es ein Werck der groͤßten Verleugnung,
gegen GOtt ein Werck des ergebenſten Gehor-
ſams, und dabey der Liebe und Ehrfurcht,
und ein Werck eines bis an den dritten Tag, von
dem empfangenen Befehl anzurechnen, fortge-
ſetzten, beſtaͤndigen, wo nicht aͤuſſerlich aus-
gedruckten, doch innerlichen Hertzens-Gebets
zu GOtt.
2. Nun fraget es ſich, wie denn von Abra-
ham koͤnne geſaget werden, daß er aus ſolchen
Wercken, oder, welches eines, durch ſolche
ſeine Wercke ſey gerecht worden? und wie die-
ſer Ort mit dem Orte Pauli Roͤm. 4. zu con-
ciliiren ſey?
3. Das Wort gerecht, oder gerechtfer-
tiget werden, heißt alhier ſoviel, als gerecht
erkannt, oder fuͤr einen ſolchen der durch den
Glauben an den Meßiam von GOtt fuͤr gerecht
gehalten iſt, auch vor Menſchen erkannt und ge-
halten werden. Welches denn nicht anders
als durch die Wirckungen des Glaubens, das
iſt, durch die Wercke konte geſchehen, weil der
Glaube an ſich ſelbſt unſichtbar und unkenntlich
iſt, und von Menſchen nicht anders, als durch ſei-
ne Wirckungen kan wahrgenommen werden.
4. Damit man nun ſehen moͤge, daß die-
ſer Verſtand dieſes Worts und der gantzen Re-
dens-Art nicht gezwungen ſey, ſo wollen wir
davon erſtlich den Grund erwegen, welchen ſie
nach der Philologia, oder in der Sprache der
heiligen Schrift ſelbſt hat; und hernach ſehen,
wie dieſer Verſtand mit dem Contexte uͤberein-
komme, und denn, was den Apoſtel bewogen
habe, das Wort gerecht werden alhier alſo zu
gebrauchen?
5. Was den philologiſchen Grund von
dem Jacobaͤiſchen Gebrauch dieſes Worts be-
trifft, ſo iſt bekannt, daß die verba actus, die
Worte, welche eine Handlung anzeigen, oft
nicht auf die Handlung an ſich ſelbſt, ſondern
nur auf ihre Notification und Declaration,
oder darauf gehen, wie ſie fuͤr ſchon geſchehen
erkannt werden; ſintemal dadurch die Sache
bey denen, welchen ſie kund wird, gleichſam wie
erſtlich geſchiehet. Z. E. 3 B. Moſ. 13, 3. ſtehet,
es habe der Levitiſche Prieſter, wenn er den
Ausſatz ſchon wircklich befindet, den Auſſaͤtzigen
_ , unrein gemachet, das iſt, fuͤr unrein
erkannt und erklaͤret. Alſo auch 2 Sam. 7, 22.
ſtehet von GOtt im Hebraͤiſchen: Du biſt groß
geworden, und iſt der Verſtand, du biſt als
ein groſſer GOtt bekannt worden. Darum es
auch der ſelige Lutherus gar recht gegeben hat:
Du biſt groß geachtet. Job. 24, 25. ſtehet
im Hebraͤiſchen: Wer will mich zum Luͤgner
machen, davon der Verſtand iſt, wer wird es
erweiſen, daß ich gelogen habe. Wie wir auch
nach unſer teutſchen Mund-Art das Wort alſo
gebrauchen. Siehe auch Pſ. 34, 4. GOTT
groß machen, bezeugen, daß er groß ſey, und
ihn fuͤr groß erkennen. Deßgleichen im neuen
Teſtamente: Ap. Geſch. 10, 15. was GOtt
gereiniget hat, das mache du nicht ge-
mein, das iſt, das erklaͤre du nicht fuͤr unrein.
Roͤm. 7, 11. die Suͤnde betrog mich, das iſt,
zeigete mir an, daß ich betrogen waͤre. 2 Cor.
3, 6. der Buchſtabe toͤdtet, das iſt, er zei-
get mir meinen geiſtlichen Tod an, darauf der
ewige erfolget. 1 Tim. 3, 16. GOtt iſt offen-
baret im Fleiſche, ἐδικαιώϑη, gerechtfertiget
im Geiſt, d. i. recht fuͤr den Sohn GOttes er-
kannt an ſeiner durch ſo viele Wunder bewieſe-
nen wahren Gottheit. Mehrere Exempel fin-
det der Leſer bey dem ſeligen Sal. Glaſſio in Phi-
lol. Sacra L. III. de verbo can. XV.
6. Nach dieſem philologiſchen Grunde
heißt nun alhier aus den Wercken gerecht
worden ſeyn, ſo viel, als aus den Wercken von
Menſchen fuͤr gerecht erkannt und gehalten wor-
den ſeyn. Und dieſen Verſtand der Worte er-
fordert hier nicht allein die Sache ſelbſt, ſondern
auch der Context; wie uͤberhaupt, da Jacobus
auf den Beweis des Glaubens, wie er ſich in
den Fruͤchten zeigen ſoll, dringet: alſo inſonder-
heit der 18. Vers, da er fordert, daß der Glau-
be, und was durch den Glauben iſt erhalten wor-
den, nemlich die Gerechtigkeit vor GOtt, durch
die Wercke ſolle gezeiget und erwieſen wer-
den.
7. Daß aber Jacobus das Wort gerecht
werden alhier alſo gebrauchet hat, dazu hat ihn
der groſſe Mißbrauch der Lehre von der Recht-
fertigung veranlaſſet. Denn, wie man faͤſt aus
dem gantze Briefe ſiehet, ſo ſind viel Leute auf
die ſonſt fleißig eingeſchaͤrfte Lehre von der Recht-
fertigung durch den Glauben alſo gefallen, daß
ſie ſich nur immer des Glaubens an Chriſtum mit
dem Munde geruͤhmet, nichts weniger aber in
ihrem Leben erwieſen haben. Dannenhero er
auf den Erweis des alſo geruͤhmten Glaubens,
und der dadurch erhaltenen Gerechtigkeit bey
GOTT dringet, und dieſen in den Wercken
dargethan wiſſen will. Faſt zu gleichem Zweck
hat Johannes ſeinen erſten Brief geſchrieben.
Welches man auſſer dem Contexte aller Capitel
inſonderheit daraus erſiehet, daß er c. 3, 7. ſpricht:
Wer recht thut, der iſt gerecht, der wird
aus ſeinem Recht-Thun, oder aus ſeinen Wer-
cken, fuͤr gerecht erkannt, gleichwie GOtt ge-
recht iſt, und ſeine Gerechtigkeit durch ſeine
Wercke kund machet und erweiſet.
8. Wie nun dieſer Ort mit dem Orte
Pauli Roͤm. 4, 1. u. f. zu vergleichen ſey, iſt
leichtlich zu erachten. Denn Paulus ſtellet den
Abraham alſo vor, wie er es in ſeinem Glauben
mit GOtt hat zu thun gehabt, da er durch den-
ſelben an dem verheiſſenen Weibes-Samen,
dem Meßia, ſich gehalten, und dadurch die Ge-
rechtigkeit, damit er hat vor GOtt beſtehen koͤn-
nen, erlanget hat. Jacobus aber handelt vom
Abraham alſo, wie ſeine im Glauben vor GOtt
und von GOtt erlangte Gerechtigkeit vor Men-
ſchen iſt kund worden; nemlich durch des Glau-
bens Wirckung und Fruͤchte.
V. 22.
M m m 2
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/461>, abgerufen am 22.11.2024.
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