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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 4. v. 13-17. Erklärung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch] sagte: Er ist der HErr, er thue was
ihm wohlgefället.
1 Sam. 3, 18.
i. Daß eben dieses eine beständige Ubung sey der
dritten Bitte im Gebete des HErrn: Dein
Wille geschehe!
Matth. 6, 10.

5. Hier fällt nun billig die Frage vor, wie
man GOttes Willen erkennen solle bey ei-
ner bösen Sache,
da man siehet, daß Menschen
diß und das thun, und daher diß und das geschie-
het, welches dem Willen GOttes gantz nicht ge-
mäß ist? Auch hiebey erweiset sich die Provi-
den
tz GOttes, und nach derselben der Wille
GOttes, nemlich also, daß es geschiehet nach
GOttes zuläßigen Willen, der bey der Zulassung
zugleich geschäftig ist, das Widrige seinen Knech-
ten und Kindern zum besten zu richten nach Röm.
8, 28. da es oft heißt, was Joseph. 1 B. Mos. 50,
20 saget: Jhr gedachtets böse mit mir zu
machen, aber GOtt gedachte es gut zu
machen, daß er thäte, wie es itzt am Ta-
ge ist, zu erhalten viel Volcks.
Paulus be-
zeuget auch, er sey in seinem guten Vornehmen
verhindert worden Röm. 1, 13. c. 15, 22. und zwar
vom Satan 1 Thess. 2, 18. da er doch nichts desto
weniger in GOttes zuläßigen und alles zum be-
sten richtenden Willen geruhet hat.

6. Da dasjenige, was Jacobus alhier von
der Kaufmanschaft saget, anch von allen übrigen
menschlichen Handlungen zu verstehen ist; es auch
pfleget auf dieselbe appliciret zu werden: so hat
man zuzusehen, daß es bey keiner Sache nur bloß
aus Gewohnheit und mit dem Munde geschehe,
daß man sage: so der HErr will, und ich lebe.
Es ist leider nichts gemeiners, als dieses.

V. 16.

Nun aber (ob gleich euer Leben so gar
kurtz ist) so rühmet ihr euch in eurem Hoch-
muth
(in eurem so eigensinnigen Verfahren, da-
durch ihr euch bey so grossen Mängeln über alles
hinweg setzet, auch über das Gesetz GOttes:) al-
ler solcher Ruhm ist böse
(davon ihr demnach
durch wahre Verleugnung eurer selbst und De-
müthigung unter GOtt abzulassen habt. Siehe
auch 1 Cor. 5, 6.)

Anmerckung.

Es ist gemeiniglich beydes bey einander, eine
böse Sache und ein trotziger Sinn, der voller
eignes Ruhms ist; wie hingegen eine gute Sache,
oder doch zum wenigsten ein guter Zustand des
Gemüths, und ein demüthiger Sinn: denn durch
Stoltz kan auch eine gute Sache beschmützet und
verderbet werden.

V. 17.

Denn (Gr. derohalben) wer da weiß
gutes zu thun, und thuts nicht, dem ists
Sünde.

Anmerckungen.

1. Der selige Lutherus hat das Wörtlein
ou`~n, derohalben durch denn übersetzet: welches
aber den Verstand verdunckelt: da hingegen mit
dem Wötlein ou`~n, nach seiner eigentlichen Bedeu-
tung, der Verstand viel deutlicher wird. Denn
nachdem der Apostel bisher im gantzen Briefe eine
[Spaltenumbruch] ausführliche Vorstellung von manchen der da-
maligen Kirche zur würcklichen Praxi nöthigen
Stücken gethan hatte, und daher niemand seine
Unwissenheit vorwenden konte, so ziehet er daraus
den Schluß, daß man schuldig sey, der Erkennt-
niß nach zu leben, mit angeführter Ursache, daß
es einem sonsten zur Sünde gereichen würde,
nemlich zu einer soviel mehrern und grösseren.

2. Es ist dieses der fürnehmste Ort, woraus
man den in der Sache selbst wohl gegründeten
Unterscheid zwischen den peccatis commissio-
nis
und omissionis, zwischen den Sünden,
welche in der Begehung des bösen und in der Un-
terlassung des guten bestehen, erweiset.

3. Es ist zwar an dem, daß nicht allein die
Begehung des bösen eine Unterlassung des guten
in sich halte, sondern daß auch die Unterlassung
des guten mit einiger Begehung des bösen ver-
knüpfet sey: es wird doch aber die Begehung des
bösen dabey nicht also offenbar, wie die Unter-
lassung des guten. z. E. Es erweiset sich einer lieb-
loß, und hilft den Dürftigen nicht da er ihm doch
helfen kan, und daher auch soll. Diese Lieblosig-
keit ist nun zwar mit einem Geitze, als einem Laster
verknüpset: aber der Geitz lieget im Hertzen ver-
borgen, und muß erst aus unterschiedlichen g[e]-
kenntlichen Proben der Lieblosigkeit geschlossen
werden, und kan er wol gar bey manchem gegen
diesen und jenen dem man beyspringen solte, mit
einem Haß verknüpfet seyn.

4. Es ist ein gemeines Vorurtheil, daß
Leute, welche bey ihrer äusserlichen Ehrbarkeit
zum rechtschaffnen Wesen des Christenthums er-
wecket werden, dagegen einzuwenden und zu sa-
gen pflegen: was thue ich denn böses? da
es doch nicht genug ist, das böse (daran es auch
bey genauer Untersuchung nicht fehlet) zu unter-
lassen; sondern es wird auch die getreue Ausü-
bung des guten erfodert. Denn, um einen solchen
Menschen zu überzeugen, so darf man ihn nur nach
diesen und jenen Pflichten des Christenthums fra-
gen z. E. wie es um die tägliche Selbstprüfung;
um das Gebet des Hertzens zu GOtt; um die
Nachfolge Christi u. s. w. stehe? so wird man
ihn bald überzeugen können, wie sehr es ihm an
der Ausübung des guten fehle.

5. Es entschuldiget zwar keine Unwissenheit
den Menschen in solchen Stücken, zu dero Er-
kenntniß er gar wohl hat gelangen können: wenn
er aber etwas bessers erkannt und sich dabey un-
treu und Ungehorsam erwiesen hat, so wird da-
durch seine Schuld so viel grösser. Darum un-
ser Heyland Luc. 12, 47. 48. spricht: Ein Knecht,
der seines HErrn Willen weiß, und hat sich
nicht bereitet, auch nicht nach seinem Wil-
len gethan, der wird viel Streiche leiden
müssen. Der es aber nicht weiß
(aber doch
wol hat wissen können) und doch gethan, was
der Streiche werth ist, wird wenig Strei-
che leiden. Denn welchem viel gegeben ist,
bey dem wird man viel suchen, und wel-
chem viel befohlen ist, von dem wird man
viel fodern.

6. Es pflegen diese beyden Sprüche gemiß-
brauchet zu werden zur Schmückung des Jrr-

thums
P p p
Cap. 4. v. 13-17. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch] ſagte: Er iſt der HErr, er thue was
ihm wohlgefaͤllet.
1 Sam. 3, 18.
i. Daß eben dieſes eine beſtaͤndige Ubung ſey der
dritten Bitte im Gebete des HErrn: Dein
Wille geſchehe!
Matth. 6, 10.

5. Hier faͤllt nun billig die Frage vor, wie
man GOttes Willen erkennen ſolle bey ei-
ner boͤſen Sache,
da man ſiehet, daß Menſchen
diß und das thun, und daher diß und das geſchie-
het, welches dem Willen GOttes gantz nicht ge-
maͤß iſt? Auch hiebey erweiſet ſich die Provi-
den
tz GOttes, und nach derſelben der Wille
GOttes, nemlich alſo, daß es geſchiehet nach
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zugleich geſchaͤftig iſt, das Widrige ſeinen Knech-
ten und Kindern zum beſten zu richten nach Roͤm.
8, 28. da es oft heißt, was Joſeph. 1 B. Moſ. 50,
20 ſaget: Jhr gedachtets boͤſe mit mir zu
machen, aber GOtt gedachte es gut zu
machen, daß er thaͤte, wie es itzt am Ta-
ge iſt, zu erhalten viel Volcks.
Paulus be-
zeuget auch, er ſey in ſeinem guten Vornehmen
verhindert worden Roͤm. 1, 13. c. 15, 22. und zwar
vom Satan 1 Theſſ. 2, 18. da er doch nichts deſto
weniger in GOttes zulaͤßigen und alles zum be-
ſten richtenden Willen geruhet hat.

6. Da dasjenige, was Jacobus alhier von
der Kaufmanſchaft ſaget, anch von allen uͤbrigen
menſchlichen Handlungen zu verſtehen iſt; es auch
pfleget auf dieſelbe appliciret zu werden: ſo hat
man zuzuſehen, daß es bey keiner Sache nur bloß
aus Gewohnheit und mit dem Munde geſchehe,
daß man ſage: ſo der HErr will, und ich lebe.
Es iſt leider nichts gemeiners, als dieſes.

V. 16.

Nun aber (ob gleich euer Leben ſo gar
kurtz iſt) ſo ruͤhmet ihr euch in eurem Hoch-
muth
(in eurem ſo eigenſinnigen Verfahren, da-
durch ihr euch bey ſo groſſen Maͤngeln uͤber alles
hinweg ſetzet, auch uͤber das Geſetz GOttes:) al-
ler ſolcher Ruhm iſt boͤſe
(davon ihr demnach
durch wahre Verleugnung eurer ſelbſt und De-
muͤthigung unter GOtt abzulaſſen habt. Siehe
auch 1 Cor. 5, 6.)

Anmerckung.

Es iſt gemeiniglich beydes bey einander, eine
boͤſe Sache und ein trotziger Sinn, der voller
eignes Ruhms iſt; wie hingegen eine gute Sache,
oder doch zum wenigſten ein guter Zuſtand des
Gemuͤths, und ein demuͤthiger Sinn: denn durch
Stoltz kan auch eine gute Sache beſchmuͤtzet und
verderbet werden.

V. 17.

Denn (Gr. derohalben) wer da weiß
gutes zu thun, und thuts nicht, dem iſts
Suͤnde.

Anmerckungen.

1. Der ſelige Lutherus hat das Woͤrtlein
ου῟ν, derohalben durch denn uͤberſetzet: welches
aber den Verſtand verdunckelt: da hingegen mit
dem Woͤtlein ου῟ν, nach ſeiner eigentlichen Bedeu-
tung, der Verſtand viel deutlicher wird. Denn
nachdem der Apoſtel bisher im gantzen Briefe eine
[Spaltenumbruch] ausfuͤhrliche Vorſtellung von manchen der da-
maligen Kirche zur wuͤrcklichen Praxi noͤthigen
Stuͤcken gethan hatte, und daher niemand ſeine
Unwiſſenheit vorwenden konte, ſo ziehet er daraus
den Schluß, daß man ſchuldig ſey, der Erkennt-
niß nach zu leben, mit angefuͤhrter Urſache, daß
es einem ſonſten zur Suͤnde gereichen wuͤrde,
nemlich zu einer ſoviel mehrern und groͤſſeren.

2. Es iſt dieſes der fuͤrnehmſte Ort, woraus
man den in der Sache ſelbſt wohl gegruͤndeten
Unterſcheid zwiſchen den peccatis commiſſio-
nis
und omiſſionis, zwiſchen den Suͤnden,
welche in der Begehung des boͤſen und in der Un-
terlaſſung des guten beſtehen, erweiſet.

3. Es iſt zwar an dem, daß nicht allein die
Begehung des boͤſen eine Unterlaſſung des guten
in ſich halte, ſondern daß auch die Unterlaſſung
des guten mit einiger Begehung des boͤſen ver-
knuͤpfet ſey: es wird doch aber die Begehung des
boͤſen dabey nicht alſo offenbar, wie die Unter-
laſſung des guten. z. E. Es erweiſet ſich einer lieb-
loß, und hilft den Duͤrftigen nicht da er ihm doch
helfen kan, und daher auch ſoll. Dieſe Liebloſig-
keit iſt nun zwar mit einem Geitze, als einem Laſter
verknuͤpſet: aber der Geitz lieget im Hertzen ver-
borgen, und muß erſt aus unterſchiedlichen g[e]-
kenntlichen Proben der Liebloſigkeit geſchloſſen
werden, und kan er wol gar bey manchem gegen
dieſen und jenen dem man beyſpringen ſolte, mit
einem Haß verknuͤpfet ſeyn.

4. Es iſt ein gemeines Vorurtheil, daß
Leute, welche bey ihrer aͤuſſerlichen Ehrbarkeit
zum rechtſchaffnen Weſen des Chriſtenthums er-
wecket werden, dagegen einzuwenden und zu ſa-
gen pflegen: was thue ich denn boͤſes? da
es doch nicht genug iſt, das boͤſe (daran es auch
bey genauer Unterſuchung nicht fehlet) zu unter-
laſſen; ſondern es wird auch die getreue Ausuͤ-
bung des guten erfodert. Denn, um einen ſolchen
Menſchen zu uͤberzeugen, ſo darf man ihn nur nach
dieſen und jenen Pflichten des Chriſtenthums fra-
gen z. E. wie es um die taͤgliche Selbſtpruͤfung;
um das Gebet des Hertzens zu GOtt; um die
Nachfolge Chriſti u. ſ. w. ſtehe? ſo wird man
ihn bald uͤberzeugen koͤnnen, wie ſehr es ihm an
der Ausuͤbung des guten fehle.

5. Es entſchuldiget zwar keine Unwiſſenheit
den Menſchen in ſolchen Stuͤcken, zu dero Er-
kenntniß er gar wohl hat gelangen koͤnnen: wenn
er aber etwas beſſers erkannt und ſich dabey un-
treu und Ungehorſam erwieſen hat, ſo wird da-
durch ſeine Schuld ſo viel groͤſſer. Darum un-
ſer Heyland Luc. 12, 47. 48. ſpricht: Ein Knecht,
der ſeines HErrn Willen weiß, und hat ſich
nicht bereitet, auch nicht nach ſeinem Wil-
len gethan, der wird viel Streiche leiden
muͤſſen. Der es aber nicht weiß
(aber doch
wol hat wiſſen koͤnnen) und doch gethan, was
der Streiche werth iſt, wird wenig Strei-
che leiden. Denn welchem viel gegeben iſt,
bey dem wird man viel ſuchen, und wel-
chem viel befohlen iſt, von dem wird man
viel fodern.

6. Es pflegen dieſe beyden Spruͤche gemiß-
brauchet zu werden zur Schmuͤckung des Jrr-

thums
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[481/0483] Cap. 4. v. 13-17. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. ſagte: Er iſt der HErr, er thue was ihm wohlgefaͤllet. 1 Sam. 3, 18. i. Daß eben dieſes eine beſtaͤndige Ubung ſey der dritten Bitte im Gebete des HErrn: Dein Wille geſchehe! Matth. 6, 10. 5. Hier faͤllt nun billig die Frage vor, wie man GOttes Willen erkennen ſolle bey ei- ner boͤſen Sache, da man ſiehet, daß Menſchen diß und das thun, und daher diß und das geſchie- het, welches dem Willen GOttes gantz nicht ge- maͤß iſt? Auch hiebey erweiſet ſich die Provi- dentz GOttes, und nach derſelben der Wille GOttes, nemlich alſo, daß es geſchiehet nach GOttes zulaͤßigen Willen, der bey der Zulaſſung zugleich geſchaͤftig iſt, das Widrige ſeinen Knech- ten und Kindern zum beſten zu richten nach Roͤm. 8, 28. da es oft heißt, was Joſeph. 1 B. Moſ. 50, 20 ſaget: Jhr gedachtets boͤſe mit mir zu machen, aber GOtt gedachte es gut zu machen, daß er thaͤte, wie es itzt am Ta- ge iſt, zu erhalten viel Volcks. Paulus be- zeuget auch, er ſey in ſeinem guten Vornehmen verhindert worden Roͤm. 1, 13. c. 15, 22. und zwar vom Satan 1 Theſſ. 2, 18. da er doch nichts deſto weniger in GOttes zulaͤßigen und alles zum be- ſten richtenden Willen geruhet hat. 6. Da dasjenige, was Jacobus alhier von der Kaufmanſchaft ſaget, anch von allen uͤbrigen menſchlichen Handlungen zu verſtehen iſt; es auch pfleget auf dieſelbe appliciret zu werden: ſo hat man zuzuſehen, daß es bey keiner Sache nur bloß aus Gewohnheit und mit dem Munde geſchehe, daß man ſage: ſo der HErr will, und ich lebe. Es iſt leider nichts gemeiners, als dieſes. V. 16. Nun aber (ob gleich euer Leben ſo gar kurtz iſt) ſo ruͤhmet ihr euch in eurem Hoch- muth (in eurem ſo eigenſinnigen Verfahren, da- durch ihr euch bey ſo groſſen Maͤngeln uͤber alles hinweg ſetzet, auch uͤber das Geſetz GOttes:) al- ler ſolcher Ruhm iſt boͤſe (davon ihr demnach durch wahre Verleugnung eurer ſelbſt und De- muͤthigung unter GOtt abzulaſſen habt. Siehe auch 1 Cor. 5, 6.) Anmerckung. Es iſt gemeiniglich beydes bey einander, eine boͤſe Sache und ein trotziger Sinn, der voller eignes Ruhms iſt; wie hingegen eine gute Sache, oder doch zum wenigſten ein guter Zuſtand des Gemuͤths, und ein demuͤthiger Sinn: denn durch Stoltz kan auch eine gute Sache beſchmuͤtzet und verderbet werden. V. 17. Denn (Gr. derohalben) wer da weiß gutes zu thun, und thuts nicht, dem iſts Suͤnde. Anmerckungen. 1. Der ſelige Lutherus hat das Woͤrtlein ου῟ν, derohalben durch denn uͤberſetzet: welches aber den Verſtand verdunckelt: da hingegen mit dem Woͤtlein ου῟ν, nach ſeiner eigentlichen Bedeu- tung, der Verſtand viel deutlicher wird. Denn nachdem der Apoſtel bisher im gantzen Briefe eine ausfuͤhrliche Vorſtellung von manchen der da- maligen Kirche zur wuͤrcklichen Praxi noͤthigen Stuͤcken gethan hatte, und daher niemand ſeine Unwiſſenheit vorwenden konte, ſo ziehet er daraus den Schluß, daß man ſchuldig ſey, der Erkennt- niß nach zu leben, mit angefuͤhrter Urſache, daß es einem ſonſten zur Suͤnde gereichen wuͤrde, nemlich zu einer ſoviel mehrern und groͤſſeren. 2. Es iſt dieſes der fuͤrnehmſte Ort, woraus man den in der Sache ſelbſt wohl gegruͤndeten Unterſcheid zwiſchen den peccatis commiſſio- nis und omiſſionis, zwiſchen den Suͤnden, welche in der Begehung des boͤſen und in der Un- terlaſſung des guten beſtehen, erweiſet. 3. Es iſt zwar an dem, daß nicht allein die Begehung des boͤſen eine Unterlaſſung des guten in ſich halte, ſondern daß auch die Unterlaſſung des guten mit einiger Begehung des boͤſen ver- knuͤpfet ſey: es wird doch aber die Begehung des boͤſen dabey nicht alſo offenbar, wie die Unter- laſſung des guten. z. E. Es erweiſet ſich einer lieb- loß, und hilft den Duͤrftigen nicht da er ihm doch helfen kan, und daher auch ſoll. Dieſe Liebloſig- keit iſt nun zwar mit einem Geitze, als einem Laſter verknuͤpſet: aber der Geitz lieget im Hertzen ver- borgen, und muß erſt aus unterſchiedlichen ge- kenntlichen Proben der Liebloſigkeit geſchloſſen werden, und kan er wol gar bey manchem gegen dieſen und jenen dem man beyſpringen ſolte, mit einem Haß verknuͤpfet ſeyn. 4. Es iſt ein gemeines Vorurtheil, daß Leute, welche bey ihrer aͤuſſerlichen Ehrbarkeit zum rechtſchaffnen Weſen des Chriſtenthums er- wecket werden, dagegen einzuwenden und zu ſa- gen pflegen: was thue ich denn boͤſes? da es doch nicht genug iſt, das boͤſe (daran es auch bey genauer Unterſuchung nicht fehlet) zu unter- laſſen; ſondern es wird auch die getreue Ausuͤ- bung des guten erfodert. Denn, um einen ſolchen Menſchen zu uͤberzeugen, ſo darf man ihn nur nach dieſen und jenen Pflichten des Chriſtenthums fra- gen z. E. wie es um die taͤgliche Selbſtpruͤfung; um das Gebet des Hertzens zu GOtt; um die Nachfolge Chriſti u. ſ. w. ſtehe? ſo wird man ihn bald uͤberzeugen koͤnnen, wie ſehr es ihm an der Ausuͤbung des guten fehle. 5. Es entſchuldiget zwar keine Unwiſſenheit den Menſchen in ſolchen Stuͤcken, zu dero Er- kenntniß er gar wohl hat gelangen koͤnnen: wenn er aber etwas beſſers erkannt und ſich dabey un- treu und Ungehorſam erwieſen hat, ſo wird da- durch ſeine Schuld ſo viel groͤſſer. Darum un- ſer Heyland Luc. 12, 47. 48. ſpricht: Ein Knecht, der ſeines HErrn Willen weiß, und hat ſich nicht bereitet, auch nicht nach ſeinem Wil- len gethan, der wird viel Streiche leiden muͤſſen. Der es aber nicht weiß (aber doch wol hat wiſſen koͤnnen) und doch gethan, was der Streiche werth iſt, wird wenig Strei- che leiden. Denn welchem viel gegeben iſt, bey dem wird man viel ſuchen, und wel- chem viel befohlen iſt, von dem wird man viel fodern. 6. Es pflegen dieſe beyden Spruͤche gemiß- brauchet zu werden zur Schmuͤckung des Jrr- thums P p p

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/483>, abgerufen am 22.11.2024.