Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 3. v. 8. 9. [Spaltenumbruch]
b. Ob es nicht, da Petrus vorher der Schöpfung gedacht und im gantzen Contexte von dem jüngsten Gerichte und letztern Dingen dieser Welt handelt, gar wahrscheinlich sey, daß er mit den Worten des achten Verses also auf die Schöpfung zurück sehe, daß er damit, nach der Anzahl der sieben ersten Tage, das Geheim- niß der sieben tausendjährigen Welt-Dau- rung habe bezeichnen wollen? c. Ob nicht, da die Welt fast sechs tausend Jah- re gestanden hat, und aus den Schriften der Propheten es gantz klar ist, daß der Kirche Christi auf Erden noch ein langer sabbatischer sehr gesegneter Periodus der Zeiten bevorste- het, und dieser Offenb. c. 20, 3. u. f. durch tau- send Jahre, welche nunmehro fast alle unpar- theyische Interpretes und geübte Leser mit dem Herrn Vitringa für noch zukünftig halten, determiniret wird; ob nicht, sage ich, die Sache selbst es deutlich genug anzeige, daß Petrus hierauf, und sonderlich auf das letztere, oder siebende tausend gesehen habe? d. Ob nicht nach dieser Erklärung ein richtiger Grund gezeiget werden könne, warum Petrus erstlich sage: ein Tag vor dem HErrn ist wie tausend Jahre: und hernach: tau- send Jahre wie ein Tag: nemlich mit den ersten Worten werde von dem siebentägigen Periodo der Wercke der Schöpfung gesehen auf die Analogie der sieben tausendjährigen Daurung der Welt: und mit den letztern werde diese Daurung a posteriori, oder von der Erfüllung in ihrer Analogie wieder zurück geführet auf ihren mystischen Grund, welchen sie schon in der Schöpfung nach der Weisheit GOttes empfangen habe. Und ob nicht Pe- trus mit der bey beyden Membris gesetzten particula similitudinis os, wie gleichwie, auf diese Analogie sehe, welche sich zwischen dem Wercke der Schöpfung und der Welt- Daurung befindet? 6. Wolte man dagegen einwenden und sa- V. 9. Der HERR verzeucht nicht die Ver- Anmerckungen. 1. Ob der HErr gleich seine Zukunft auf- 2. Die etliche, welche den Aufschub für ei- 3. Die Geduld, oder die mit dem Worte 4. Mit den letztern Worten: und will 5. Es ist dieser Ort wohl zu mercken, als 6. Man hat demnach den absoluten, son-
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 8. 9. [Spaltenumbruch]
b. Ob es nicht, da Petrus vorher der Schoͤpfung gedacht und im gantzen Contexte von dem juͤngſten Gerichte und letztern Dingen dieſer Welt handelt, gar wahrſcheinlich ſey, daß er mit den Worten des achten Verſes alſo auf die Schoͤpfung zuruͤck ſehe, daß er damit, nach der Anzahl der ſieben erſten Tage, das Geheim- niß der ſieben tauſendjaͤhrigen Welt-Dau- rung habe bezeichnen wollen? c. Ob nicht, da die Welt faſt ſechs tauſend Jah- re geſtanden hat, und aus den Schriften der Propheten es gantz klar iſt, daß der Kirche Chriſti auf Erden noch ein langer ſabbatiſcher ſehr geſegneter Periodus der Zeiten bevorſte- het, und dieſer Offenb. c. 20, 3. u. f. durch tau- ſend Jahre, welche nunmehro faſt alle unpar- theyiſche Interpretes und geuͤbte Leſer mit dem Herrn Vitringa fuͤr noch zukuͤnftig halten, determiniret wird; ob nicht, ſage ich, die Sache ſelbſt es deutlich genug anzeige, daß Petrus hierauf, und ſonderlich auf das letztere, oder ſiebende tauſend geſehen habe? d. Ob nicht nach dieſer Erklaͤrung ein richtiger Grund gezeiget werden koͤnne, warum Petrus erſtlich ſage: ein Tag vor dem HErrn iſt wie tauſend Jahre: und hernach: tau- ſend Jahre wie ein Tag: nemlich mit den erſten Worten werde von dem ſiebentaͤgigen Periodo der Wercke der Schoͤpfung geſehen auf die Analogie der ſieben tauſendjaͤhrigen Daurung der Welt: und mit den letztern werde dieſe Daurung a poſteriori, oder von der Erfuͤllung in ihrer Analogie wieder zuruͤck gefuͤhret auf ihren myſtiſchen Grund, welchen ſie ſchon in der Schoͤpfung nach der Weisheit GOttes empfangen habe. Und ob nicht Pe- trus mit der bey beyden Membris geſetzten particula ſimilitudinis ὡς, wie gleichwie, auf dieſe Analogie ſehe, welche ſich zwiſchen dem Wercke der Schoͤpfung und der Welt- Daurung befindet? 6. Wolte man dagegen einwenden und ſa- V. 9. Der HERR verzeucht nicht die Ver- Anmerckungen. 1. Ob der HErr gleich ſeine Zukunft auf- 2. Die etliche, welche den Aufſchub fuͤr ei- 3. Die Geduld, oder die mit dem Worte 4. Mit den letztern Worten: und will 5. Es iſt dieſer Ort wohl zu mercken, als 6. Man hat demnach den abſoluten, ſon-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0638" n="636"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 8. 9.</hi> </fw><lb/> <cb/> <list> <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Ob es nicht, da Petrus vorher der Schoͤpfung<lb/> gedacht und im gantzen Contexte von dem<lb/> juͤngſten Gerichte und letztern Dingen dieſer<lb/> Welt handelt, gar wahrſcheinlich ſey, daß er<lb/> mit den Worten des achten Verſes alſo auf<lb/> die Schoͤpfung zuruͤck ſehe, daß er damit, nach<lb/> der Anzahl der ſieben erſten Tage, das Geheim-<lb/> niß der ſieben tauſendjaͤhrigen Welt-Dau-<lb/> rung habe bezeichnen wollen?</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Ob nicht, da die Welt faſt ſechs tauſend Jah-<lb/> re geſtanden hat, und aus den Schriften der<lb/> Propheten es gantz klar iſt, daß der Kirche<lb/> Chriſti auf Erden noch ein langer ſabbatiſcher<lb/> ſehr geſegneter <hi rendition="#aq">Periodus</hi> der Zeiten bevorſte-<lb/> het, und dieſer Offenb. c. 20, 3. u. f. durch tau-<lb/> ſend Jahre, welche nunmehro faſt alle unpar-<lb/> theyiſche <hi rendition="#aq">Interpretes</hi> und geuͤbte Leſer mit<lb/> dem Herrn <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Vitringa</hi></hi> fuͤr noch zukuͤnftig halten,<lb/><hi rendition="#aq">determinir</hi>et wird; ob nicht, ſage ich, die<lb/> Sache ſelbſt es deutlich genug anzeige, daß<lb/> Petrus hierauf, und ſonderlich auf das letztere,<lb/> oder ſiebende tauſend geſehen habe?</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Ob nicht nach dieſer Erklaͤrung ein richtiger<lb/> Grund gezeiget werden koͤnne, warum Petrus<lb/> erſtlich ſage: <hi rendition="#fr">ein Tag vor dem HErrn iſt<lb/> wie tauſend Jahre:</hi> und hernach: <hi rendition="#fr">tau-<lb/> ſend Jahre wie ein Tag:</hi> nemlich mit den<lb/> erſten Worten werde von dem ſiebentaͤgigen<lb/><hi rendition="#aq">Periodo</hi> der Wercke der Schoͤpfung geſehen<lb/> auf die <hi rendition="#aq">Analogie</hi> der ſieben tauſendjaͤhrigen<lb/> Daurung der Welt: und mit den letztern<lb/> werde dieſe Daurung <hi rendition="#aq">a poſteriori,</hi> oder von<lb/> der Erfuͤllung in ihrer <hi rendition="#aq">Analogie</hi> wieder zuruͤck<lb/> gefuͤhret auf ihren <hi rendition="#aq">myſti</hi>ſchen Grund, welchen<lb/> ſie ſchon in der Schoͤpfung nach der Weisheit<lb/> GOttes empfangen habe. Und ob nicht Pe-<lb/> trus mit der bey beyden <hi rendition="#aq">Membris</hi> geſetzten<lb/><hi rendition="#aq">particula ſimilitudinis</hi> ὡς, <hi rendition="#fr">wie gleichwie,</hi><lb/> auf dieſe <hi rendition="#aq">Analogie</hi> ſehe, welche ſich zwiſchen<lb/> dem Wercke der Schoͤpfung und der Welt-<lb/> Daurung befindet?</item> </list><lb/> <p>6. Wolte man dagegen einwenden und ſa-<lb/> gen, daß man auf dieſe Art den juͤngſten Tag<lb/> wuͤrde gewiß <hi rendition="#aq">determinir</hi>en koͤnnen, welches doch<lb/> GOtt ſich allein vorbehalten habe: ſo ſage ich,<lb/> daß dieſe <hi rendition="#aq">Determination</hi> daraus gar nicht fol-<lb/> ge. Denn wenn man auch gleich die Zeit nach<lb/> tauſend Jahren rechnen kan, ſo kan man doch<lb/> nicht wiſſen, wenn das ſiebende tauſend wird er-<lb/> gehen und ſein Ende haben; ſintemal die Zeiten<lb/> des ſechſten Tauſend koͤnnen und vermuthlich<lb/> werden verkuͤrtzet werden; dahin auch vielleicht<lb/> die Worte Matth. 24, 22. mit zu ziehen ſind.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">V. 9.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Der HERR verzeucht nicht die Ver-<lb/> heiſſung, wie es etliche fuͤr einen Verzug<lb/> achten, ſondern er hat Geduld mit uns,<lb/> und will nicht, daß iemand verloren<lb/> werde, ſondern daß ſich iederman zur<lb/> Buſſe kehre.</hi> </p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <p>1. Ob der HErr gleich ſeine Zukunft auf-<lb/> ſchiebet, daß ſie laͤnger waͤhret, als ſie gemeinig-<lb/><cb/> lich iſt erwartet worden; ſo iſt es doch kein ſolches<lb/> Verziehen, davon alhier die Rede iſt, nemlich<lb/> welches der Erfuͤllung der Verheiſſung entgegen<lb/> ſtehet.</p><lb/> <p>2. Die <hi rendition="#fr">etliche,</hi> welche den Aufſchub fuͤr ei-<lb/> nen zu langen Verzug halten, ſind die unter den<lb/> Truͤbſalen ſtehende Glaubigen, welche ſich nach<lb/> ihrer Erloͤſung ſehneten; und zwar ſo vielmehr,<lb/> ſo viel naͤher ſie ſich die Zukunft Chriſti zum Ge-<lb/> richte vorſtelleten, und darinnen irreten. Wel-<lb/> chen Petrus mit den vorher gedachten tauſend<lb/> Jahren nicht undeutlich anzeiget, daß ſie noch ſo<lb/> nahe nicht ſey, und alſo ſtehe der Verzug der Ver-<lb/> heiſſung nicht entgegen. Sofern aber der Ver-<lb/> zug von einer gaͤntzlichen Aufhebung der Verheiſ-<lb/> ſung verſtanden wird, ſofern gehet dieſes auch auf<lb/> die zuvor gedachten Spoͤtter. Von dem laͤngern<lb/> Aufſchub, wie er den Glaͤubigen alſo vorkoͤmmt,<lb/> ſehe man ſonderlich den Ort Off. 6, 9. 10. da die<lb/> Seelen der Maͤrtyrer unter dem Altar mit groſſer<lb/> Stimme ſchrien: <hi rendition="#fr">HERR, du heiliger und<lb/> wahrhaftiger, wie lange richteſt du und<lb/> raͤcheſt nicht unſer Blut an denen, die auf<lb/> der Erden wohnen?</hi></p><lb/> <p>3. Die Geduld, oder die mit dem Worte<lb/> μακροϑομεῖ, bezeichnete <hi rendition="#fr">Langmuth</hi> GOttes be-<lb/> ſtehet darinnen, daß er bey der erſehenen ſo vielen<lb/> Gottloſigkeit der Menſchen um derſelben willen<lb/> mit ſeinem Gericht nicht vor der geſetzten Zeit ein-<lb/> bricht, ſondern das gottloſe Weſen bis zum ver-<lb/> ordneten Ziel traͤget. Man hat hierbey zu <hi rendition="#aq">con-<lb/> ferir</hi>en die Oerter Roͤm. 2, 4. c. 9, 22. 1 Tim. 1,<lb/> 16. 1 Pet. 3, 20. Das ἐις ἡμᾶς, <hi rendition="#fr">gegen uns,</hi><lb/> verſtehet der Apoſtel uͤberhaupt vom gantzen<lb/> menſchlichen Geſchlechte.</p><lb/> <p>4. Mit den letztern Worten: <hi rendition="#fr">und will<lb/> nicht</hi> u. f. wird angezeiget, wie die Langmuth<lb/> GOttes beſchaffen ſey, oder was ſie mit ſich fuͤhre;<lb/> nemlich eine ernſtliche Liebe zu dem Heyl der Men-<lb/> ſchen, daß, wenn GOTT die zu dieſer und jener<lb/> Zeit lebende Menſchen um ihrer Bosheit willen<lb/> durch das groſſe Welt-Gericht nicht heimſuchet,<lb/> und ſie in der Helfte ihrer Tage hinweg nimmt,<lb/> ihnen damit ſo viel mehrere Zeit zu ihrer Bekeh-<lb/> rung gelaſſen werde.</p><lb/> <p>5. Es iſt dieſer Ort wohl zu mercken, als<lb/> der da gar deutlich erweiſet, wie daß GOttes auf<lb/> unſere Seligkeit gerichteter Wille nicht allein<lb/> ernſtlich, ſondern auch allgemein ſey, und auch<lb/> auf diejenigen gehe, welche doch wircklich und aus<lb/> ihrer eignen Schuld verloren gehen. Und folg-<lb/> lich handelt GOtt mit den Menſchen nicht nach<lb/> einem <hi rendition="#aq">abſolut</hi>en Rathſchluſſe.</p><lb/> <p>6. Man hat demnach den <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">abſolut</hi></hi>en,<lb/> oder unbedingten Willen <hi rendition="#g">GOTTES</hi><lb/> von dem <hi rendition="#fr">bedingten,</hi> oder wohlgeordneten<lb/> wohl zu unterſcheiden. Von beyden handelt<lb/> dieſer Text mit dem Contexte. Nach dem <hi rendition="#aq">abſo-<lb/> lut</hi>en Rathe hat GOtt dem Welt. Gerichte ein<lb/> ſolches Ziel geſetzet, das unveraͤnderlich iſt; daher<lb/> er auch um der Menſchen Gottloſigkeit willen das<lb/> Gericht vor demſelben nicht laͤſſet einbrechen.<lb/> Aber nach dem bedingten, oder an eine gewiſſe<lb/> Ordnung gebundenen Rathſchluſſe heißt es: <hi rendition="#fr">Er<lb/> will nicht, daß iemand verloren werde,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ſon-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [636/0638]
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 8. 9.
b. Ob es nicht, da Petrus vorher der Schoͤpfung
gedacht und im gantzen Contexte von dem
juͤngſten Gerichte und letztern Dingen dieſer
Welt handelt, gar wahrſcheinlich ſey, daß er
mit den Worten des achten Verſes alſo auf
die Schoͤpfung zuruͤck ſehe, daß er damit, nach
der Anzahl der ſieben erſten Tage, das Geheim-
niß der ſieben tauſendjaͤhrigen Welt-Dau-
rung habe bezeichnen wollen?
c. Ob nicht, da die Welt faſt ſechs tauſend Jah-
re geſtanden hat, und aus den Schriften der
Propheten es gantz klar iſt, daß der Kirche
Chriſti auf Erden noch ein langer ſabbatiſcher
ſehr geſegneter Periodus der Zeiten bevorſte-
het, und dieſer Offenb. c. 20, 3. u. f. durch tau-
ſend Jahre, welche nunmehro faſt alle unpar-
theyiſche Interpretes und geuͤbte Leſer mit
dem Herrn Vitringa fuͤr noch zukuͤnftig halten,
determiniret wird; ob nicht, ſage ich, die
Sache ſelbſt es deutlich genug anzeige, daß
Petrus hierauf, und ſonderlich auf das letztere,
oder ſiebende tauſend geſehen habe?
d. Ob nicht nach dieſer Erklaͤrung ein richtiger
Grund gezeiget werden koͤnne, warum Petrus
erſtlich ſage: ein Tag vor dem HErrn iſt
wie tauſend Jahre: und hernach: tau-
ſend Jahre wie ein Tag: nemlich mit den
erſten Worten werde von dem ſiebentaͤgigen
Periodo der Wercke der Schoͤpfung geſehen
auf die Analogie der ſieben tauſendjaͤhrigen
Daurung der Welt: und mit den letztern
werde dieſe Daurung a poſteriori, oder von
der Erfuͤllung in ihrer Analogie wieder zuruͤck
gefuͤhret auf ihren myſtiſchen Grund, welchen
ſie ſchon in der Schoͤpfung nach der Weisheit
GOttes empfangen habe. Und ob nicht Pe-
trus mit der bey beyden Membris geſetzten
particula ſimilitudinis ὡς, wie gleichwie,
auf dieſe Analogie ſehe, welche ſich zwiſchen
dem Wercke der Schoͤpfung und der Welt-
Daurung befindet?
6. Wolte man dagegen einwenden und ſa-
gen, daß man auf dieſe Art den juͤngſten Tag
wuͤrde gewiß determiniren koͤnnen, welches doch
GOtt ſich allein vorbehalten habe: ſo ſage ich,
daß dieſe Determination daraus gar nicht fol-
ge. Denn wenn man auch gleich die Zeit nach
tauſend Jahren rechnen kan, ſo kan man doch
nicht wiſſen, wenn das ſiebende tauſend wird er-
gehen und ſein Ende haben; ſintemal die Zeiten
des ſechſten Tauſend koͤnnen und vermuthlich
werden verkuͤrtzet werden; dahin auch vielleicht
die Worte Matth. 24, 22. mit zu ziehen ſind.
V. 9.
Der HERR verzeucht nicht die Ver-
heiſſung, wie es etliche fuͤr einen Verzug
achten, ſondern er hat Geduld mit uns,
und will nicht, daß iemand verloren
werde, ſondern daß ſich iederman zur
Buſſe kehre.
Anmerckungen.
1. Ob der HErr gleich ſeine Zukunft auf-
ſchiebet, daß ſie laͤnger waͤhret, als ſie gemeinig-
lich iſt erwartet worden; ſo iſt es doch kein ſolches
Verziehen, davon alhier die Rede iſt, nemlich
welches der Erfuͤllung der Verheiſſung entgegen
ſtehet.
2. Die etliche, welche den Aufſchub fuͤr ei-
nen zu langen Verzug halten, ſind die unter den
Truͤbſalen ſtehende Glaubigen, welche ſich nach
ihrer Erloͤſung ſehneten; und zwar ſo vielmehr,
ſo viel naͤher ſie ſich die Zukunft Chriſti zum Ge-
richte vorſtelleten, und darinnen irreten. Wel-
chen Petrus mit den vorher gedachten tauſend
Jahren nicht undeutlich anzeiget, daß ſie noch ſo
nahe nicht ſey, und alſo ſtehe der Verzug der Ver-
heiſſung nicht entgegen. Sofern aber der Ver-
zug von einer gaͤntzlichen Aufhebung der Verheiſ-
ſung verſtanden wird, ſofern gehet dieſes auch auf
die zuvor gedachten Spoͤtter. Von dem laͤngern
Aufſchub, wie er den Glaͤubigen alſo vorkoͤmmt,
ſehe man ſonderlich den Ort Off. 6, 9. 10. da die
Seelen der Maͤrtyrer unter dem Altar mit groſſer
Stimme ſchrien: HERR, du heiliger und
wahrhaftiger, wie lange richteſt du und
raͤcheſt nicht unſer Blut an denen, die auf
der Erden wohnen?
3. Die Geduld, oder die mit dem Worte
μακροϑομεῖ, bezeichnete Langmuth GOttes be-
ſtehet darinnen, daß er bey der erſehenen ſo vielen
Gottloſigkeit der Menſchen um derſelben willen
mit ſeinem Gericht nicht vor der geſetzten Zeit ein-
bricht, ſondern das gottloſe Weſen bis zum ver-
ordneten Ziel traͤget. Man hat hierbey zu con-
feriren die Oerter Roͤm. 2, 4. c. 9, 22. 1 Tim. 1,
16. 1 Pet. 3, 20. Das ἐις ἡμᾶς, gegen uns,
verſtehet der Apoſtel uͤberhaupt vom gantzen
menſchlichen Geſchlechte.
4. Mit den letztern Worten: und will
nicht u. f. wird angezeiget, wie die Langmuth
GOttes beſchaffen ſey, oder was ſie mit ſich fuͤhre;
nemlich eine ernſtliche Liebe zu dem Heyl der Men-
ſchen, daß, wenn GOTT die zu dieſer und jener
Zeit lebende Menſchen um ihrer Bosheit willen
durch das groſſe Welt-Gericht nicht heimſuchet,
und ſie in der Helfte ihrer Tage hinweg nimmt,
ihnen damit ſo viel mehrere Zeit zu ihrer Bekeh-
rung gelaſſen werde.
5. Es iſt dieſer Ort wohl zu mercken, als
der da gar deutlich erweiſet, wie daß GOttes auf
unſere Seligkeit gerichteter Wille nicht allein
ernſtlich, ſondern auch allgemein ſey, und auch
auf diejenigen gehe, welche doch wircklich und aus
ihrer eignen Schuld verloren gehen. Und folg-
lich handelt GOtt mit den Menſchen nicht nach
einem abſoluten Rathſchluſſe.
6. Man hat demnach den abſoluten,
oder unbedingten Willen GOTTES
von dem bedingten, oder wohlgeordneten
wohl zu unterſcheiden. Von beyden handelt
dieſer Text mit dem Contexte. Nach dem abſo-
luten Rathe hat GOtt dem Welt. Gerichte ein
ſolches Ziel geſetzet, das unveraͤnderlich iſt; daher
er auch um der Menſchen Gottloſigkeit willen das
Gericht vor demſelben nicht laͤſſet einbrechen.
Aber nach dem bedingten, oder an eine gewiſſe
Ordnung gebundenen Rathſchluſſe heißt es: Er
will nicht, daß iemand verloren werde,
ſon-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |