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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 3. v. 8. 9.
[Spaltenumbruch]
b. Ob es nicht, da Petrus vorher der Schöpfung
gedacht und im gantzen Contexte von dem
jüngsten Gerichte und letztern Dingen dieser
Welt handelt, gar wahrscheinlich sey, daß er
mit den Worten des achten Verses also auf
die Schöpfung zurück sehe, daß er damit, nach
der Anzahl der sieben ersten Tage, das Geheim-
niß der sieben tausendjährigen Welt-Dau-
rung habe bezeichnen wollen?
c. Ob nicht, da die Welt fast sechs tausend Jah-
re gestanden hat, und aus den Schriften der
Propheten es gantz klar ist, daß der Kirche
Christi auf Erden noch ein langer sabbatischer
sehr gesegneter Periodus der Zeiten bevorste-
het, und dieser Offenb. c. 20, 3. u. f. durch tau-
send Jahre, welche nunmehro fast alle unpar-
theyische Interpretes und geübte Leser mit
dem Herrn Vitringa für noch zukünftig halten,
determiniret wird; ob nicht, sage ich, die
Sache selbst es deutlich genug anzeige, daß
Petrus hierauf, und sonderlich auf das letztere,
oder siebende tausend gesehen habe?
d. Ob nicht nach dieser Erklärung ein richtiger
Grund gezeiget werden könne, warum Petrus
erstlich sage: ein Tag vor dem HErrn ist
wie tausend Jahre:
und hernach: tau-
send Jahre wie ein Tag:
nemlich mit den
ersten Worten werde von dem siebentägigen
Periodo der Wercke der Schöpfung gesehen
auf die Analogie der sieben tausendjährigen
Daurung der Welt: und mit den letztern
werde diese Daurung a posteriori, oder von
der Erfüllung in ihrer Analogie wieder zurück
geführet auf ihren mystischen Grund, welchen
sie schon in der Schöpfung nach der Weisheit
GOttes empfangen habe. Und ob nicht Pe-
trus mit der bey beyden Membris gesetzten
particula similitudinis os, wie gleichwie,
auf diese Analogie sehe, welche sich zwischen
dem Wercke der Schöpfung und der Welt-
Daurung befindet?

6. Wolte man dagegen einwenden und sa-
gen, daß man auf diese Art den jüngsten Tag
würde gewiß determiniren können, welches doch
GOtt sich allein vorbehalten habe: so sage ich,
daß diese Determination daraus gar nicht fol-
ge. Denn wenn man auch gleich die Zeit nach
tausend Jahren rechnen kan, so kan man doch
nicht wissen, wenn das siebende tausend wird er-
gehen und sein Ende haben; sintemal die Zeiten
des sechsten Tausend können und vermuthlich
werden verkürtzet werden; dahin auch vielleicht
die Worte Matth. 24, 22. mit zu ziehen sind.

V. 9.

Der HERR verzeucht nicht die Ver-
heissung, wie es etliche für einen Verzug
achten, sondern er hat Geduld mit uns,
und will nicht, daß iemand verloren
werde, sondern daß sich iederman zur
Busse kehre.

Anmerckungen.

1. Ob der HErr gleich seine Zukunft auf-
schiebet, daß sie länger währet, als sie gemeinig-
[Spaltenumbruch] lich ist erwartet worden; so ist es doch kein solches
Verziehen, davon alhier die Rede ist, nemlich
welches der Erfüllung der Verheissung entgegen
stehet.

2. Die etliche, welche den Aufschub für ei-
nen zu langen Verzug halten, sind die unter den
Trübsalen stehende Glaubigen, welche sich nach
ihrer Erlösung sehneten; und zwar so vielmehr,
so viel näher sie sich die Zukunft Christi zum Ge-
richte vorstelleten, und darinnen irreten. Wel-
chen Petrus mit den vorher gedachten tausend
Jahren nicht undeutlich anzeiget, daß sie noch so
nahe nicht sey, und also stehe der Verzug der Ver-
heissung nicht entgegen. Sofern aber der Ver-
zug von einer gäntzlichen Aufhebung der Verheis-
sung verstanden wird, sofern gehet dieses auch auf
die zuvor gedachten Spötter. Von dem längern
Aufschub, wie er den Gläubigen also vorkömmt,
sehe man sonderlich den Ort Off. 6, 9. 10. da die
Seelen der Märtyrer unter dem Altar mit grosser
Stimme schrien: HERR, du heiliger und
wahrhaftiger, wie lange richtest du und
rächest nicht unser Blut an denen, die auf
der Erden wohnen?

3. Die Geduld, oder die mit dem Worte
makrothomei, bezeichnete Langmuth GOttes be-
stehet darinnen, daß er bey der ersehenen so vielen
Gottlosigkeit der Menschen um derselben willen
mit seinem Gericht nicht vor der gesetzten Zeit ein-
bricht, sondern das gottlose Wesen bis zum ver-
ordneten Ziel träget. Man hat hierbey zu con-
ferir
en die Oerter Röm. 2, 4. c. 9, 22. 1 Tim. 1,
16. 1 Pet. 3, 20. Das eis emas, gegen uns,
verstehet der Apostel überhaupt vom gantzen
menschlichen Geschlechte.

4. Mit den letztern Worten: und will
nicht
u. f. wird angezeiget, wie die Langmuth
GOttes beschaffen sey, oder was sie mit sich führe;
nemlich eine ernstliche Liebe zu dem Heyl der Men-
schen, daß, wenn GOTT die zu dieser und jener
Zeit lebende Menschen um ihrer Bosheit willen
durch das grosse Welt-Gericht nicht heimsuchet,
und sie in der Helfte ihrer Tage hinweg nimmt,
ihnen damit so viel mehrere Zeit zu ihrer Bekeh-
rung gelassen werde.

5. Es ist dieser Ort wohl zu mercken, als
der da gar deutlich erweiset, wie daß GOttes auf
unsere Seligkeit gerichteter Wille nicht allein
ernstlich, sondern auch allgemein sey, und auch
auf diejenigen gehe, welche doch wircklich und aus
ihrer eignen Schuld verloren gehen. Und folg-
lich handelt GOtt mit den Menschen nicht nach
einem absoluten Rathschlusse.

6. Man hat demnach den absoluten,
oder unbedingten Willen GOTTES
von dem bedingten, oder wohlgeordneten
wohl zu unterscheiden. Von beyden handelt
dieser Text mit dem Contexte. Nach dem abso-
lut
en Rathe hat GOtt dem Welt. Gerichte ein
solches Ziel gesetzet, das unveränderlich ist; daher
er auch um der Menschen Gottlosigkeit willen das
Gericht vor demselben nicht lässet einbrechen.
Aber nach dem bedingten, oder an eine gewisse
Ordnung gebundenen Rathschlusse heißt es: Er
will nicht, daß iemand verloren werde,

son-
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 8. 9.
[Spaltenumbruch]
b. Ob es nicht, da Petrus vorher der Schoͤpfung
gedacht und im gantzen Contexte von dem
juͤngſten Gerichte und letztern Dingen dieſer
Welt handelt, gar wahrſcheinlich ſey, daß er
mit den Worten des achten Verſes alſo auf
die Schoͤpfung zuruͤck ſehe, daß er damit, nach
der Anzahl der ſieben erſten Tage, das Geheim-
niß der ſieben tauſendjaͤhrigen Welt-Dau-
rung habe bezeichnen wollen?
c. Ob nicht, da die Welt faſt ſechs tauſend Jah-
re geſtanden hat, und aus den Schriften der
Propheten es gantz klar iſt, daß der Kirche
Chriſti auf Erden noch ein langer ſabbatiſcher
ſehr geſegneter Periodus der Zeiten bevorſte-
het, und dieſer Offenb. c. 20, 3. u. f. durch tau-
ſend Jahre, welche nunmehro faſt alle unpar-
theyiſche Interpretes und geuͤbte Leſer mit
dem Herrn Vitringa fuͤr noch zukuͤnftig halten,
determiniret wird; ob nicht, ſage ich, die
Sache ſelbſt es deutlich genug anzeige, daß
Petrus hierauf, und ſonderlich auf das letztere,
oder ſiebende tauſend geſehen habe?
d. Ob nicht nach dieſer Erklaͤrung ein richtiger
Grund gezeiget werden koͤnne, warum Petrus
erſtlich ſage: ein Tag vor dem HErrn iſt
wie tauſend Jahre:
und hernach: tau-
ſend Jahre wie ein Tag:
nemlich mit den
erſten Worten werde von dem ſiebentaͤgigen
Periodo der Wercke der Schoͤpfung geſehen
auf die Analogie der ſieben tauſendjaͤhrigen
Daurung der Welt: und mit den letztern
werde dieſe Daurung a poſteriori, oder von
der Erfuͤllung in ihrer Analogie wieder zuruͤck
gefuͤhret auf ihren myſtiſchen Grund, welchen
ſie ſchon in der Schoͤpfung nach der Weisheit
GOttes empfangen habe. Und ob nicht Pe-
trus mit der bey beyden Membris geſetzten
particula ſimilitudinis ὡς, wie gleichwie,
auf dieſe Analogie ſehe, welche ſich zwiſchen
dem Wercke der Schoͤpfung und der Welt-
Daurung befindet?

6. Wolte man dagegen einwenden und ſa-
gen, daß man auf dieſe Art den juͤngſten Tag
wuͤrde gewiß determiniren koͤnnen, welches doch
GOtt ſich allein vorbehalten habe: ſo ſage ich,
daß dieſe Determination daraus gar nicht fol-
ge. Denn wenn man auch gleich die Zeit nach
tauſend Jahren rechnen kan, ſo kan man doch
nicht wiſſen, wenn das ſiebende tauſend wird er-
gehen und ſein Ende haben; ſintemal die Zeiten
des ſechſten Tauſend koͤnnen und vermuthlich
werden verkuͤrtzet werden; dahin auch vielleicht
die Worte Matth. 24, 22. mit zu ziehen ſind.

V. 9.

Der HERR verzeucht nicht die Ver-
heiſſung, wie es etliche fuͤr einen Verzug
achten, ſondern er hat Geduld mit uns,
und will nicht, daß iemand verloren
werde, ſondern daß ſich iederman zur
Buſſe kehre.

Anmerckungen.

1. Ob der HErr gleich ſeine Zukunft auf-
ſchiebet, daß ſie laͤnger waͤhret, als ſie gemeinig-
[Spaltenumbruch] lich iſt erwartet worden; ſo iſt es doch kein ſolches
Verziehen, davon alhier die Rede iſt, nemlich
welches der Erfuͤllung der Verheiſſung entgegen
ſtehet.

2. Die etliche, welche den Aufſchub fuͤr ei-
nen zu langen Verzug halten, ſind die unter den
Truͤbſalen ſtehende Glaubigen, welche ſich nach
ihrer Erloͤſung ſehneten; und zwar ſo vielmehr,
ſo viel naͤher ſie ſich die Zukunft Chriſti zum Ge-
richte vorſtelleten, und darinnen irreten. Wel-
chen Petrus mit den vorher gedachten tauſend
Jahren nicht undeutlich anzeiget, daß ſie noch ſo
nahe nicht ſey, und alſo ſtehe der Verzug der Ver-
heiſſung nicht entgegen. Sofern aber der Ver-
zug von einer gaͤntzlichen Aufhebung der Verheiſ-
ſung verſtanden wird, ſofern gehet dieſes auch auf
die zuvor gedachten Spoͤtter. Von dem laͤngern
Aufſchub, wie er den Glaͤubigen alſo vorkoͤmmt,
ſehe man ſonderlich den Ort Off. 6, 9. 10. da die
Seelen der Maͤrtyrer unter dem Altar mit groſſer
Stimme ſchrien: HERR, du heiliger und
wahrhaftiger, wie lange richteſt du und
raͤcheſt nicht unſer Blut an denen, die auf
der Erden wohnen?

3. Die Geduld, oder die mit dem Worte
μακροϑομεῖ, bezeichnete Langmuth GOttes be-
ſtehet darinnen, daß er bey der erſehenen ſo vielen
Gottloſigkeit der Menſchen um derſelben willen
mit ſeinem Gericht nicht vor der geſetzten Zeit ein-
bricht, ſondern das gottloſe Weſen bis zum ver-
ordneten Ziel traͤget. Man hat hierbey zu con-
ferir
en die Oerter Roͤm. 2, 4. c. 9, 22. 1 Tim. 1,
16. 1 Pet. 3, 20. Das ἐις ἡμᾶς, gegen uns,
verſtehet der Apoſtel uͤberhaupt vom gantzen
menſchlichen Geſchlechte.

4. Mit den letztern Worten: und will
nicht
u. f. wird angezeiget, wie die Langmuth
GOttes beſchaffen ſey, oder was ſie mit ſich fuͤhre;
nemlich eine ernſtliche Liebe zu dem Heyl der Men-
ſchen, daß, wenn GOTT die zu dieſer und jener
Zeit lebende Menſchen um ihrer Bosheit willen
durch das groſſe Welt-Gericht nicht heimſuchet,
und ſie in der Helfte ihrer Tage hinweg nimmt,
ihnen damit ſo viel mehrere Zeit zu ihrer Bekeh-
rung gelaſſen werde.

5. Es iſt dieſer Ort wohl zu mercken, als
der da gar deutlich erweiſet, wie daß GOttes auf
unſere Seligkeit gerichteter Wille nicht allein
ernſtlich, ſondern auch allgemein ſey, und auch
auf diejenigen gehe, welche doch wircklich und aus
ihrer eignen Schuld verloren gehen. Und folg-
lich handelt GOtt mit den Menſchen nicht nach
einem abſoluten Rathſchluſſe.

6. Man hat demnach den abſoluten,
oder unbedingten Willen GOTTES
von dem bedingten, oder wohlgeordneten
wohl zu unterſcheiden. Von beyden handelt
dieſer Text mit dem Contexte. Nach dem abſo-
lut
en Rathe hat GOtt dem Welt. Gerichte ein
ſolches Ziel geſetzet, das unveraͤnderlich iſt; daher
er auch um der Menſchen Gottloſigkeit willen das
Gericht vor demſelben nicht laͤſſet einbrechen.
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[636/0638] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 8. 9. b. Ob es nicht, da Petrus vorher der Schoͤpfung gedacht und im gantzen Contexte von dem juͤngſten Gerichte und letztern Dingen dieſer Welt handelt, gar wahrſcheinlich ſey, daß er mit den Worten des achten Verſes alſo auf die Schoͤpfung zuruͤck ſehe, daß er damit, nach der Anzahl der ſieben erſten Tage, das Geheim- niß der ſieben tauſendjaͤhrigen Welt-Dau- rung habe bezeichnen wollen? c. Ob nicht, da die Welt faſt ſechs tauſend Jah- re geſtanden hat, und aus den Schriften der Propheten es gantz klar iſt, daß der Kirche Chriſti auf Erden noch ein langer ſabbatiſcher ſehr geſegneter Periodus der Zeiten bevorſte- het, und dieſer Offenb. c. 20, 3. u. f. durch tau- ſend Jahre, welche nunmehro faſt alle unpar- theyiſche Interpretes und geuͤbte Leſer mit dem Herrn Vitringa fuͤr noch zukuͤnftig halten, determiniret wird; ob nicht, ſage ich, die Sache ſelbſt es deutlich genug anzeige, daß Petrus hierauf, und ſonderlich auf das letztere, oder ſiebende tauſend geſehen habe? d. Ob nicht nach dieſer Erklaͤrung ein richtiger Grund gezeiget werden koͤnne, warum Petrus erſtlich ſage: ein Tag vor dem HErrn iſt wie tauſend Jahre: und hernach: tau- ſend Jahre wie ein Tag: nemlich mit den erſten Worten werde von dem ſiebentaͤgigen Periodo der Wercke der Schoͤpfung geſehen auf die Analogie der ſieben tauſendjaͤhrigen Daurung der Welt: und mit den letztern werde dieſe Daurung a poſteriori, oder von der Erfuͤllung in ihrer Analogie wieder zuruͤck gefuͤhret auf ihren myſtiſchen Grund, welchen ſie ſchon in der Schoͤpfung nach der Weisheit GOttes empfangen habe. Und ob nicht Pe- trus mit der bey beyden Membris geſetzten particula ſimilitudinis ὡς, wie gleichwie, auf dieſe Analogie ſehe, welche ſich zwiſchen dem Wercke der Schoͤpfung und der Welt- Daurung befindet? 6. Wolte man dagegen einwenden und ſa- gen, daß man auf dieſe Art den juͤngſten Tag wuͤrde gewiß determiniren koͤnnen, welches doch GOtt ſich allein vorbehalten habe: ſo ſage ich, daß dieſe Determination daraus gar nicht fol- ge. Denn wenn man auch gleich die Zeit nach tauſend Jahren rechnen kan, ſo kan man doch nicht wiſſen, wenn das ſiebende tauſend wird er- gehen und ſein Ende haben; ſintemal die Zeiten des ſechſten Tauſend koͤnnen und vermuthlich werden verkuͤrtzet werden; dahin auch vielleicht die Worte Matth. 24, 22. mit zu ziehen ſind. V. 9. Der HERR verzeucht nicht die Ver- heiſſung, wie es etliche fuͤr einen Verzug achten, ſondern er hat Geduld mit uns, und will nicht, daß iemand verloren werde, ſondern daß ſich iederman zur Buſſe kehre. Anmerckungen. 1. Ob der HErr gleich ſeine Zukunft auf- ſchiebet, daß ſie laͤnger waͤhret, als ſie gemeinig- lich iſt erwartet worden; ſo iſt es doch kein ſolches Verziehen, davon alhier die Rede iſt, nemlich welches der Erfuͤllung der Verheiſſung entgegen ſtehet. 2. Die etliche, welche den Aufſchub fuͤr ei- nen zu langen Verzug halten, ſind die unter den Truͤbſalen ſtehende Glaubigen, welche ſich nach ihrer Erloͤſung ſehneten; und zwar ſo vielmehr, ſo viel naͤher ſie ſich die Zukunft Chriſti zum Ge- richte vorſtelleten, und darinnen irreten. Wel- chen Petrus mit den vorher gedachten tauſend Jahren nicht undeutlich anzeiget, daß ſie noch ſo nahe nicht ſey, und alſo ſtehe der Verzug der Ver- heiſſung nicht entgegen. Sofern aber der Ver- zug von einer gaͤntzlichen Aufhebung der Verheiſ- ſung verſtanden wird, ſofern gehet dieſes auch auf die zuvor gedachten Spoͤtter. Von dem laͤngern Aufſchub, wie er den Glaͤubigen alſo vorkoͤmmt, ſehe man ſonderlich den Ort Off. 6, 9. 10. da die Seelen der Maͤrtyrer unter dem Altar mit groſſer Stimme ſchrien: HERR, du heiliger und wahrhaftiger, wie lange richteſt du und raͤcheſt nicht unſer Blut an denen, die auf der Erden wohnen? 3. Die Geduld, oder die mit dem Worte μακροϑομεῖ, bezeichnete Langmuth GOttes be- ſtehet darinnen, daß er bey der erſehenen ſo vielen Gottloſigkeit der Menſchen um derſelben willen mit ſeinem Gericht nicht vor der geſetzten Zeit ein- bricht, ſondern das gottloſe Weſen bis zum ver- ordneten Ziel traͤget. Man hat hierbey zu con- feriren die Oerter Roͤm. 2, 4. c. 9, 22. 1 Tim. 1, 16. 1 Pet. 3, 20. Das ἐις ἡμᾶς, gegen uns, verſtehet der Apoſtel uͤberhaupt vom gantzen menſchlichen Geſchlechte. 4. Mit den letztern Worten: und will nicht u. f. wird angezeiget, wie die Langmuth GOttes beſchaffen ſey, oder was ſie mit ſich fuͤhre; nemlich eine ernſtliche Liebe zu dem Heyl der Men- ſchen, daß, wenn GOTT die zu dieſer und jener Zeit lebende Menſchen um ihrer Bosheit willen durch das groſſe Welt-Gericht nicht heimſuchet, und ſie in der Helfte ihrer Tage hinweg nimmt, ihnen damit ſo viel mehrere Zeit zu ihrer Bekeh- rung gelaſſen werde. 5. Es iſt dieſer Ort wohl zu mercken, als der da gar deutlich erweiſet, wie daß GOttes auf unſere Seligkeit gerichteter Wille nicht allein ernſtlich, ſondern auch allgemein ſey, und auch auf diejenigen gehe, welche doch wircklich und aus ihrer eignen Schuld verloren gehen. Und folg- lich handelt GOtt mit den Menſchen nicht nach einem abſoluten Rathſchluſſe. 6. Man hat demnach den abſoluten, oder unbedingten Willen GOTTES von dem bedingten, oder wohlgeordneten wohl zu unterſcheiden. Von beyden handelt dieſer Text mit dem Contexte. Nach dem abſo- luten Rathe hat GOtt dem Welt. Gerichte ein ſolches Ziel geſetzet, das unveraͤnderlich iſt; daher er auch um der Menſchen Gottloſigkeit willen das Gericht vor demſelben nicht laͤſſet einbrechen. Aber nach dem bedingten, oder an eine gewiſſe Ordnung gebundenen Rathſchluſſe heißt es: Er will nicht, daß iemand verloren werde, ſon-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/638>, abgerufen am 22.11.2024.