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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 3. v. 7. 8. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] logo, durch eben dasselbe Wort, nemlich da-
durch die Welt erschaffen ist. Es scheinet doch
aber das Wort autou, weil vorher gehet to tou
Theou logo, so sich in den bewährtesten codicibus
befindet, sich besser zu schicken; wiewol das auto
mit jenem fast gleichen Verstand giebet.

3. Da die gantze Welt verderben soll, so ist es
nicht allein unchristlich, sondern auch unvernünf-
tig, sein Hertz daran zu hengen. Darum Jo-
hannes den Grund zur Verleugnung der Welt
von ihrer Unbeständigkeit hernimt, wenn er Ep.
1, c. 2, 17 spricht: Die Welt vergehet mit ih-
rer Lust: Wer aber den Willen GOttes
thut, der bleibet in Ewigkeit.

4. Das Gerichts-Feuer wird der HERR
selbst anzünden, wenn er wird offenbaret werden
vom Himmel, samt den Engeln seiner Kraft, und
mit Feuer-Flammen, Rache zu geben über die,
so nicht gehorsam sind dem Evangelio unsers
HErrn JEsu Christi 2 Thess. 1, 8. Diese sind
die gottlosen Menschen innerhalb und ausser-
halb der äusserlichen Kirche auf Erden.

V. 8.

Eines aber sey auch unverhalten, ihr
lieben, daß ein Tag vor dem HErrn ist
wie tausend Jahr, und tausend Jahr, wie
ein Tag.

Anmerckungen.

1. Da der Apostel die Gläubigen in diesem
Briefe nicht etwa nur auf die gegenwärtige Ma-
terie, sondern auf den gantzen Rath GOttes von
unserer Seligkeit weiset und dazu ihren lautern
Sinn erwecket; so siehet man wohl, daß das
eins alhier soviel sey, als etwas wichtiges, das
man vor andern besonders zu mercken habe. Jn
welchem Verstande auch Paulus Phil. 3, 14
spricht: Eins aber sage ich. u. f. Und also ist
das eins alhier soviel, als das proton, zuvorderst
c. 3. 3. in diesem andern Briefe Petri. Daß es
in solchem Nachdrucke stehe, das zeuget auch das
dazu gesetzte Wort touto an, nach welchem es bil-
lig solte übersetzet seyn: dieses eins aber. Und
daß der Apostel damit etwas sonderbares sagen
wolle, gibt er auch mit den Worten, es sey euch
unverhalten, ihr Lieben,
deutlich zuerkennen;
als womit er anzeiget, er führe sie auf die Betrach-
tung einer wichtigen, und dabey geheimen Sache
und Wahrheit: gleichwie er Röm. 11, 25. von
der noch zukünftigen Bekehrung der gantzen Ju-
dischen Nation saget: Jch will euch nicht
verhalten, lieben Brüder, dieses Geheim-
niß,
u. f.

2. Die Worte, welche auf die bezeichnete so
wichtige Sache gehen, sind wohl ohn Zweifel ge-
nommen aus dem 90 Ps. v. 4. 5. da es heißt: Tau-
send Jahr sind vor dir, wie ein Tag
u. f.
und kan der Verstand davon gar füglich dieser
seyn, sonderlich im Psalm, daß bey GOTT kein
solcher Unterscheid der Zeit sey, wie bey uns Men-
schen, nach welchem uns etwas kurtz und lang
werde, sondern tausend Jahre wären bey ihm,
nach dem zur Ewigkeit sich schickenden Urtheil, so
kurtz, als ein Tag.

[Spaltenumbruch]

3. Daß aber Petrus mit diesen Worten
nichts mehrers, ja auch nicht etwas anders und
viel wichtigers anzeige, ist nicht vermuthlich, aus
folgenden Gründen:

a. Weil dieses, daß GOtt in der Ewigkeit von
dem Unterscheide der Zeit anders urtheile, als
wir, auch ihm kurtz sey, was uns lange zu seyn
düncket, ist eine auch aus dem Lichte der Natur
leichtlich zu erkennende Sache: und also ist sie
von der Wichtigkeit nicht, daß Petrus davon
hätte sagen dürfen: Dieses eins aber sey
euch unverhalten, ihr Lieben.
b. Dieweil sich die ersten Worte: ein Tag vor
dem HErrn ist wie tausend Jahr,
zu sol-
chem Verstande nicht schicken. Denn ob es
sich gleich nicht unfüglich sagen lässet, daß tau-
send Jahre bey GOtt seyn wie ein Tag (wie-
wol man solches nicht allein von tausend, son-
dern auch von viel hundert tausend Jahren sa-
gen kan:) so läßt sich doch hingegen von ihm
nicht sagen, daß ein Tag vor ihm sey wie tau-
send Jahre, nemlich so lang als diese: welches
doch der Verstand seyn müste, wenn die letztern
Worte also, wie zuvor angezeiget ist, und sie
gemeiniglich ausgeleget werden, zu verstehen
wären. Wenn aber tausend Jahr im Ur-
theile GOttes so kurtz sind, als ein Tag; wie
kan denn hingegen nach demselben ein Tag so
lang seyn, als tausend Jahre sind?

4. Man kan demnach hieraus leichtlich er-
kennen, daß Petrus mit diesen Worten auf et-
was richtigers, mehrers und wichtigers gesehen
habe. Und da gebe ich dem Christlichen Leser zu
erwegen anheim, ob er nicht damit dergestalt auf
die Zeit der Schöpfung zurück sehe, daß er anzeige,
GOtt habe zu dem Ende die Welt in sechs Tagen
erschaffen und in ihrer Vollkommenheit darge-
stellet, am siebenden aber geruhet, weil er damit
das Geheimniß von dem künftigen gantzen Zeit-
Laufe dieser sichtbaren Welt habe wollen anzei-
gen, nemlich also, daß ein ieder Tag von der Schö-
pfung tausend Jahre nach der Daurung vorstelle,
und daher der siebende Tag, als der geheiligte
Ruhe-Tag, einen solchen Sabbatischen Zustand
der Kirche repraesentire, welcher nach sechs tau-
send Jahren der Welt-Daurung eintreten und
aus dem siebenden tausenden der Jahre bestehen
werde?

5. Und hierbey ist denn ferner insonderheit
zu erwegen:

a. Ob nicht diese Auslegung gar genau überein-
komme mit der aus einer reinen prophetischen
Qvelle hergeflossenen Tradition der alten ju-
dischen Kirche, auch mit der Erkenntniß und
Bekenntniß der Christen und Märthrer in den
ersten Seculis? Davon man unter andern
den gelehrten Herrn Campegium Vitringam
in seiner Anacrisi über die Offenbarung Jo-
hannis im Ansange des 20ten Capitels nach-
schlagen kan. Daher auch Cornelius a Lapi-
de
bey diesem Orte Petri saget: Haec opinio
solidiora habet fundamenta, ideoque mul-
torum est patrum & doctorum: unde
probabilis est, nec temeritatis argui
potest.
b. Ob
L l l l 2

Cap. 3. v. 7. 8. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] λόγῳ, durch eben daſſelbe Wort, nemlich da-
durch die Welt erſchaffen iſt. Es ſcheinet doch
aber das Wort ἀυτοῦ, weil vorher gehet τῷ τοῦ
Θεοῦ λόγῳ, ſo ſich in den bewaͤhrteſten codicibus
befindet, ſich beſſer zu ſchicken; wiewol das ἀυτῷ
mit jenem faſt gleichen Verſtand giebet.

3. Da die gantze Welt verderben ſoll, ſo iſt es
nicht allein unchriſtlich, ſondern auch unvernuͤnf-
tig, ſein Hertz daran zu hengen. Darum Jo-
hannes den Grund zur Verleugnung der Welt
von ihrer Unbeſtaͤndigkeit hernimt, wenn er Ep.
1, c. 2, 17 ſpricht: Die Welt vergehet mit ih-
rer Luſt: Wer aber den Willen GOttes
thut, der bleibet in Ewigkeit.

4. Das Gerichts-Feuer wird der HERR
ſelbſt anzuͤnden, wenn er wird offenbaret werden
vom Himmel, ſamt den Engeln ſeiner Kraft, und
mit Feuer-Flammen, Rache zu geben uͤber die,
ſo nicht gehorſam ſind dem Evangelio unſers
HErrn JEſu Chriſti 2 Theſſ. 1, 8. Dieſe ſind
die gottloſen Menſchen innerhalb und auſſer-
halb der aͤuſſerlichen Kirche auf Erden.

V. 8.

Eines aber ſey auch unverhalten, ihr
lieben, daß ein Tag vor dem HErrn iſt
wie tauſend Jahr, und tauſend Jahr, wie
ein Tag.

Anmerckungen.

1. Da der Apoſtel die Glaͤubigen in dieſem
Briefe nicht etwa nur auf die gegenwaͤrtige Ma-
terie, ſondern auf den gantzen Rath GOttes von
unſerer Seligkeit weiſet und dazu ihren lautern
Sinn erwecket; ſo ſiehet man wohl, daß das
eins alhier ſoviel ſey, als etwas wichtiges, das
man vor andern beſonders zu mercken habe. Jn
welchem Verſtande auch Paulus Phil. 3, 14
ſpricht: Eins aber ſage ich. u. f. Und alſo iſt
das eins alhier ſoviel, als das πρῶτον, zuvorderſt
c. 3. 3. in dieſem andern Briefe Petri. Daß es
in ſolchem Nachdrucke ſtehe, das zeuget auch das
dazu geſetzte Wort τοῦτο an, nach welchem es bil-
lig ſolte uͤberſetzet ſeyn: dieſes eins aber. Und
daß der Apoſtel damit etwas ſonderbares ſagen
wolle, gibt er auch mit den Worten, es ſey euch
unverhalten, ihr Lieben,
deutlich zuerkennen;
als womit er anzeiget, er fuͤhre ſie auf die Betrach-
tung einer wichtigen, und dabey geheimen Sache
und Wahrheit: gleichwie er Roͤm. 11, 25. von
der noch zukuͤnftigen Bekehrung der gantzen Ju-
diſchen Nation ſaget: Jch will euch nicht
verhalten, lieben Bruͤder, dieſes Geheim-
niß,
u. f.

2. Die Worte, welche auf die bezeichnete ſo
wichtige Sache gehen, ſind wohl ohn Zweifel ge-
nommen aus dem 90 Pſ. v. 4. 5. da es heißt: Tau-
ſend Jahr ſind vor dir, wie ein Tag
u. f.
und kan der Verſtand davon gar fuͤglich dieſer
ſeyn, ſonderlich im Pſalm, daß bey GOTT kein
ſolcher Unterſcheid der Zeit ſey, wie bey uns Men-
ſchen, nach welchem uns etwas kurtz und lang
werde, ſondern tauſend Jahre waͤren bey ihm,
nach dem zur Ewigkeit ſich ſchickenden Urtheil, ſo
kurtz, als ein Tag.

[Spaltenumbruch]

3. Daß aber Petrus mit dieſen Worten
nichts mehrers, ja auch nicht etwas anders und
viel wichtigers anzeige, iſt nicht vermuthlich, aus
folgenden Gruͤnden:

a. Weil dieſes, daß GOtt in der Ewigkeit von
dem Unterſcheide der Zeit anders urtheile, als
wir, auch ihm kurtz ſey, was uns lange zu ſeyn
duͤncket, iſt eine auch aus dem Lichte der Natur
leichtlich zu erkennende Sache: und alſo iſt ſie
von der Wichtigkeit nicht, daß Petrus davon
haͤtte ſagen duͤrfen: Dieſes eins aber ſey
euch unverhalten, ihr Lieben.
b. Dieweil ſich die erſten Worte: ein Tag vor
dem HErrn iſt wie tauſend Jahr,
zu ſol-
chem Verſtande nicht ſchicken. Denn ob es
ſich gleich nicht unfuͤglich ſagen laͤſſet, daß tau-
ſend Jahre bey GOtt ſeyn wie ein Tag (wie-
wol man ſolches nicht allein von tauſend, ſon-
dern auch von viel hundert tauſend Jahren ſa-
gen kan:) ſo laͤßt ſich doch hingegen von ihm
nicht ſagen, daß ein Tag vor ihm ſey wie tau-
ſend Jahre, nemlich ſo lang als dieſe: welches
doch der Verſtand ſeyn muͤſte, wenn die letztern
Worte alſo, wie zuvor angezeiget iſt, und ſie
gemeiniglich ausgeleget werden, zu verſtehen
waͤren. Wenn aber tauſend Jahr im Ur-
theile GOttes ſo kurtz ſind, als ein Tag; wie
kan denn hingegen nach demſelben ein Tag ſo
lang ſeyn, als tauſend Jahre ſind?

4. Man kan demnach hieraus leichtlich er-
kennen, daß Petrus mit dieſen Worten auf et-
was richtigers, mehrers und wichtigers geſehen
habe. Und da gebe ich dem Chriſtlichen Leſer zu
erwegen anheim, ob er nicht damit dergeſtalt auf
die Zeit der Schoͤpfung zuruͤck ſehe, daß er anzeige,
GOtt habe zu dem Ende die Welt in ſechs Tagen
erſchaffen und in ihrer Vollkommenheit darge-
ſtellet, am ſiebenden aber geruhet, weil er damit
das Geheimniß von dem kuͤnftigen gantzen Zeit-
Laufe dieſer ſichtbaren Welt habe wollen anzei-
gen, nemlich alſo, daß ein ieder Tag von der Schoͤ-
pfung tauſend Jahre nach der Daurung vorſtelle,
und daher der ſiebende Tag, als der geheiligte
Ruhe-Tag, einen ſolchen Sabbatiſchen Zuſtand
der Kirche repræſentire, welcher nach ſechs tau-
ſend Jahren der Welt-Daurung eintreten und
aus dem ſiebenden tauſenden der Jahre beſtehen
werde?

5. Und hierbey iſt denn ferner inſonderheit
zu erwegen:

a. Ob nicht dieſe Auslegung gar genau uͤberein-
komme mit der aus einer reinen prophetiſchen
Qvelle hergefloſſenen Tradition der alten ju-
diſchen Kirche, auch mit der Erkenntniß und
Bekenntniß der Chriſten und Maͤrthrer in den
erſten Seculis? Davon man unter andern
den gelehrten Herrn Campegium Vitringam
in ſeiner Anacriſi uͤber die Offenbarung Jo-
hannis im Anſange des 20ten Capitels nach-
ſchlagen kan. Daher auch Cornelius a Lapi-
de
bey dieſem Orte Petri ſaget: Hæc opinio
ſolidiora habet fundamenta, ideoque mul-
torum eſt patrum & doctorum: unde
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poteſt.
b. Ob
L l l l 2
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[635/0637] Cap. 3. v. 7. 8. des andern Briefes Petri. λόγῳ, durch eben daſſelbe Wort, nemlich da- durch die Welt erſchaffen iſt. Es ſcheinet doch aber das Wort ἀυτοῦ, weil vorher gehet τῷ τοῦ Θεοῦ λόγῳ, ſo ſich in den bewaͤhrteſten codicibus befindet, ſich beſſer zu ſchicken; wiewol das ἀυτῷ mit jenem faſt gleichen Verſtand giebet. 3. Da die gantze Welt verderben ſoll, ſo iſt es nicht allein unchriſtlich, ſondern auch unvernuͤnf- tig, ſein Hertz daran zu hengen. Darum Jo- hannes den Grund zur Verleugnung der Welt von ihrer Unbeſtaͤndigkeit hernimt, wenn er Ep. 1, c. 2, 17 ſpricht: Die Welt vergehet mit ih- rer Luſt: Wer aber den Willen GOttes thut, der bleibet in Ewigkeit. 4. Das Gerichts-Feuer wird der HERR ſelbſt anzuͤnden, wenn er wird offenbaret werden vom Himmel, ſamt den Engeln ſeiner Kraft, und mit Feuer-Flammen, Rache zu geben uͤber die, ſo nicht gehorſam ſind dem Evangelio unſers HErrn JEſu Chriſti 2 Theſſ. 1, 8. Dieſe ſind die gottloſen Menſchen innerhalb und auſſer- halb der aͤuſſerlichen Kirche auf Erden. V. 8. Eines aber ſey auch unverhalten, ihr lieben, daß ein Tag vor dem HErrn iſt wie tauſend Jahr, und tauſend Jahr, wie ein Tag. Anmerckungen. 1. Da der Apoſtel die Glaͤubigen in dieſem Briefe nicht etwa nur auf die gegenwaͤrtige Ma- terie, ſondern auf den gantzen Rath GOttes von unſerer Seligkeit weiſet und dazu ihren lautern Sinn erwecket; ſo ſiehet man wohl, daß das eins alhier ſoviel ſey, als etwas wichtiges, das man vor andern beſonders zu mercken habe. Jn welchem Verſtande auch Paulus Phil. 3, 14 ſpricht: Eins aber ſage ich. u. f. Und alſo iſt das eins alhier ſoviel, als das πρῶτον, zuvorderſt c. 3. 3. in dieſem andern Briefe Petri. Daß es in ſolchem Nachdrucke ſtehe, das zeuget auch das dazu geſetzte Wort τοῦτο an, nach welchem es bil- lig ſolte uͤberſetzet ſeyn: dieſes eins aber. Und daß der Apoſtel damit etwas ſonderbares ſagen wolle, gibt er auch mit den Worten, es ſey euch unverhalten, ihr Lieben, deutlich zuerkennen; als womit er anzeiget, er fuͤhre ſie auf die Betrach- tung einer wichtigen, und dabey geheimen Sache und Wahrheit: gleichwie er Roͤm. 11, 25. von der noch zukuͤnftigen Bekehrung der gantzen Ju- diſchen Nation ſaget: Jch will euch nicht verhalten, lieben Bruͤder, dieſes Geheim- niß, u. f. 2. Die Worte, welche auf die bezeichnete ſo wichtige Sache gehen, ſind wohl ohn Zweifel ge- nommen aus dem 90 Pſ. v. 4. 5. da es heißt: Tau- ſend Jahr ſind vor dir, wie ein Tag u. f. und kan der Verſtand davon gar fuͤglich dieſer ſeyn, ſonderlich im Pſalm, daß bey GOTT kein ſolcher Unterſcheid der Zeit ſey, wie bey uns Men- ſchen, nach welchem uns etwas kurtz und lang werde, ſondern tauſend Jahre waͤren bey ihm, nach dem zur Ewigkeit ſich ſchickenden Urtheil, ſo kurtz, als ein Tag. 3. Daß aber Petrus mit dieſen Worten nichts mehrers, ja auch nicht etwas anders und viel wichtigers anzeige, iſt nicht vermuthlich, aus folgenden Gruͤnden: a. Weil dieſes, daß GOtt in der Ewigkeit von dem Unterſcheide der Zeit anders urtheile, als wir, auch ihm kurtz ſey, was uns lange zu ſeyn duͤncket, iſt eine auch aus dem Lichte der Natur leichtlich zu erkennende Sache: und alſo iſt ſie von der Wichtigkeit nicht, daß Petrus davon haͤtte ſagen duͤrfen: Dieſes eins aber ſey euch unverhalten, ihr Lieben. b. Dieweil ſich die erſten Worte: ein Tag vor dem HErrn iſt wie tauſend Jahr, zu ſol- chem Verſtande nicht ſchicken. Denn ob es ſich gleich nicht unfuͤglich ſagen laͤſſet, daß tau- ſend Jahre bey GOtt ſeyn wie ein Tag (wie- wol man ſolches nicht allein von tauſend, ſon- dern auch von viel hundert tauſend Jahren ſa- gen kan:) ſo laͤßt ſich doch hingegen von ihm nicht ſagen, daß ein Tag vor ihm ſey wie tau- ſend Jahre, nemlich ſo lang als dieſe: welches doch der Verſtand ſeyn muͤſte, wenn die letztern Worte alſo, wie zuvor angezeiget iſt, und ſie gemeiniglich ausgeleget werden, zu verſtehen waͤren. Wenn aber tauſend Jahr im Ur- theile GOttes ſo kurtz ſind, als ein Tag; wie kan denn hingegen nach demſelben ein Tag ſo lang ſeyn, als tauſend Jahre ſind? 4. Man kan demnach hieraus leichtlich er- kennen, daß Petrus mit dieſen Worten auf et- was richtigers, mehrers und wichtigers geſehen habe. Und da gebe ich dem Chriſtlichen Leſer zu erwegen anheim, ob er nicht damit dergeſtalt auf die Zeit der Schoͤpfung zuruͤck ſehe, daß er anzeige, GOtt habe zu dem Ende die Welt in ſechs Tagen erſchaffen und in ihrer Vollkommenheit darge- ſtellet, am ſiebenden aber geruhet, weil er damit das Geheimniß von dem kuͤnftigen gantzen Zeit- Laufe dieſer ſichtbaren Welt habe wollen anzei- gen, nemlich alſo, daß ein ieder Tag von der Schoͤ- pfung tauſend Jahre nach der Daurung vorſtelle, und daher der ſiebende Tag, als der geheiligte Ruhe-Tag, einen ſolchen Sabbatiſchen Zuſtand der Kirche repræſentire, welcher nach ſechs tau- ſend Jahren der Welt-Daurung eintreten und aus dem ſiebenden tauſenden der Jahre beſtehen werde? 5. Und hierbey iſt denn ferner inſonderheit zu erwegen: a. Ob nicht dieſe Auslegung gar genau uͤberein- komme mit der aus einer reinen prophetiſchen Qvelle hergefloſſenen Tradition der alten ju- diſchen Kirche, auch mit der Erkenntniß und Bekenntniß der Chriſten und Maͤrthrer in den erſten Seculis? Davon man unter andern den gelehrten Herrn Campegium Vitringam in ſeiner Anacriſi uͤber die Offenbarung Jo- hannis im Anſange des 20ten Capitels nach- ſchlagen kan. Daher auch Cornelius a Lapi- de bey dieſem Orte Petri ſaget: Hæc opinio ſolidiora habet fundamenta, ideoque mul- torum eſt patrum & doctorum: unde probabilis eſt, nec temeritatis argui poteſt. b. Ob L l l l 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/637>, abgerufen am 22.11.2024.