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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 1. v. 7. 8. 9. des ersten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] und unbefleckten Lammes. Siehe auch Off.
1, 5. c. 5, 9. 10. und sonderlich c. 7, 14. Diese
sinds, die kommen sind aus grossem Trüb-
sal, und haben ihre Kleider gewaschen,
und haben ihre Kleider helle gemacht im
Blute des Lammes.

b. Zur Wiederlegung des Jrrthums der So-
cinianer und einiger andern Leute, welche von
keiner solchen Reinigung des Bluts Christi
wissen wollen, die auf die Genugthuung und
Abthuung unserer Schuld und auf die daher
entstehende Vergebung der Sünden, und
wahre Rechtfertigung gehet.
c. Zur Warnung vor dem grossen Mißbrauche
itztgedachter Lehre; da man sich zwar die in
der Vergebung der Sünden bestehende Rei-
nigung zueignet; aber ohne die Ordnung des
Wandels im Lichte und also von der Sünden-
Herrschaft nicht gereiniget, oder befreyet seyn
will, und folglich das Evangelium von der
Gnade GOttes in CHristo auf Muthwillen
ziehet.
d. Zum Troste bey der Kleinmüthigkeit, bey
dem Gefühle der geistlichen Armuth, und bey
der Beängstigung, welche man von dieser und
jener Sünde insonderheit hat. Da es ja ein
Wort der Wahrheit ist, daß uns das Blut
Christi reiniget von aller, aller Sünde, und
also auch von derjenigen, worüber man am
meisten beunruhiget wird. Welchen Trost
man sich zur rechten Gewissens-Ruhe soviel
mehr appliciren kan, soviel weniger man sich
dem Wandel im Lichte entziehet, und soviel
mehr man sich denselben bey seiner Schwach-
heit angelegen seyn lässet.
V. 8.

So wir sagen, wir haben keine Sün-
de, so verführen wir uns selbst, und die
Wahrheit ist nicht in uns.

Anmerckungen.

1. Es finden sich bey der verderbten Natur
zweene Abwege von der rechten Heyls-Ord-
nung, als dem zum Leben verordneten richtigen
und schmalen Wege: der eine zur rechten, da man
die Gnade auf Muthwillen ziehet, und bey
aller beharrlichen Befleckung mit muthwilligen
Sünden sich auf die Reinigung des Bluts Chri-
sti verläßt: Der andere, da man in einen solchen
Pharisäischen Stoltz eingehet, daß man sein
sündliches Verderben in sich nicht erkennet, son-
dern es leugnet, oder doch für eine solche Kleinig-
keit hält, um welcher Willen man entweder der
Bekehrung, oder doch nach derselben der fernern
Reinigung nicht bedürfe. Nachdem der Apostel
vorher jenem Jrrthum widersprochen hat, so setzet
er sich itzo auch diesem entgegen.

2. Das Sagen verstehet er alhier nicht allein
von ausdrücklichen Worten, sondern auch, und
zwar fürnemlich von dem Sinn und den argen
Gedancken des Hertzens: als welches so stoltz ist,
daß es sich nicht gern vor GOtt demüthigen will,
und dabey ist es so verkehret, daß es meinet, frey-
er der Sünde dienen zu können, wenn man sie
[Spaltenumbruch] nicht für Sünde hält. Und also ist eine solche
Einbildung ein schändlicher Selbstbetrug. Bricht
sie aber auch in Worte aus, so werden dadurch
auch andere verleitet.

3. Das Sünde haben ist im Johannäi-
schen stilo wohl zu unterscheiden von Sünde
thun.
Das Sünde haben ist alhier soviel,
als von Natur ein Sünder seyn, und also der
Reinigung des Blutes Christi nöthig haben.
Sünde thun aber, nach c. 3, 8. so viel, als im
Mißbrauche der Gnade die Sünde über sich herr-
schen lassen. Ob nun gleich das haben keines
weges von allem thun frey ist; so ist es doch ein
solches thun nicht, da man ein Knecht der Sün-
den ist und sich derselben mit Leib und Seele er-
giebet.

4. Die Verführung seiner Selbst ist
bey Verleugnung der Sünde und frecher Ent-
schuldigung seines verderbten Zustandes sehr
groß, gefährlich und vielfach. Denn man
nimmt dabey seiner gar nicht wahr, kömmt zu kei-
ner Uberzeugung von seiner natürlichen Unwür-
digkeit und Armuth des Geistes, zu keiner Ubung
des Gebets, und Wahrnemung seiner selbst. Und
was das ärgste ist, so fällt man dadurch auf eine
Geringachtung der Gnade GOttes und des Ver-
dienstes Christi auch der kräftigen Wirckung des
Heiligen Geistes, in der verkehrten Meynung,
als bedürfe man alles dessen nicht.

5. Jn einem solchen Selbst-Verführer
ist demnach keine Wahrheit, oder kein recht-
schafnes Wesen Eph. 4, 21. sintemal er dabey
nicht einmal die Wahrheit der Evangelischen
Haupt-Lehre von der Nothwendigkeit der Rei-
nigung des Bluts CHristi der Bekenntniß nach
unverletzet stehen lässet.

6. Es ist demnach nichts sicherer und rich-
tiger, als in demüthiger Erkenntniß seiner Sün-
den die Wohlthat der Reinigung des Bluts Chri-
sti recht groß achten, sich aber auch aus desselben
Kraft des Wandels im Lichte befleißigen. Man
conferire hierbey 1 Kön. 8, 46. 2 Chron. 6, 36.
Job. 9, 2. Jac. 14. c. 3, 2. Hebr. 12, 1. u. s. w.

V. 9.

So wir aber unsere Sünde (mit einem
demüthigen und reuigen, auch gläubigen Her-
tzen, mit dem Verlangen, uns davon immer
mehr reinigen zu lassen; und mit dem ernstlichen
Vorsatze, uns davor immer mehr zu hüten) beken-
nen so ist er Treue
(wahrhaftig zur Erfüllung
seiner den bußfertigen Sündern gegebnen Ver-
heissung) und Gerecht (daß er das durchs
Blut Christi gebrachte Löse-Geld dem gläubigen
Sünder zurechnet) daß er uns die Sünde
vergiebet und reiniget uns von aller Un-
tugend.

Anmerckungen.

1. Die Lehre von der Erkenntniß und
Bekenntniß der Sünden ist vielem Mißverstan-
de und Mißbrauche unterworfen; sonderlich die-
sem, daß man es bey der blossen Bekenntniß läs-
set; ja diese auch wol aus blosser Gewohnheit
thut, sonderlich in der Evangelischen Kirche in

der
N n n n 3

Cap. 1. v. 7. 8. 9. des erſten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] und unbefleckten Lammes. Siehe auch Off.
1, 5. c. 5, 9. 10. und ſonderlich c. 7, 14. Dieſe
ſinds, die kommen ſind aus groſſem Truͤb-
ſal, und haben ihre Kleider gewaſchen,
und haben ihre Kleider helle gemacht im
Blute des Lammes.

b. Zur Wiederlegung des Jrrthums der So-
cinianer und einiger andern Leute, welche von
keiner ſolchen Reinigung des Bluts Chriſti
wiſſen wollen, die auf die Genugthuung und
Abthuung unſerer Schuld und auf die daher
entſtehende Vergebung der Suͤnden, und
wahre Rechtfertigung gehet.
c. Zur Warnung vor dem groſſen Mißbrauche
itztgedachter Lehre; da man ſich zwar die in
der Vergebung der Suͤnden beſtehende Rei-
nigung zueignet; aber ohne die Ordnung des
Wandels im Lichte und alſo von der Suͤnden-
Herrſchaft nicht gereiniget, oder befreyet ſeyn
will, und folglich das Evangelium von der
Gnade GOttes in CHriſto auf Muthwillen
ziehet.
d. Zum Troſte bey der Kleinmuͤthigkeit, bey
dem Gefuͤhle der geiſtlichen Armuth, und bey
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Wort der Wahrheit iſt, daß uns das Blut
Chriſti reiniget von aller, aller Suͤnde, und
alſo auch von derjenigen, woruͤber man am
meiſten beunruhiget wird. Welchen Troſt
man ſich zur rechten Gewiſſens-Ruhe ſoviel
mehr appliciren kan, ſoviel weniger man ſich
dem Wandel im Lichte entziehet, und ſoviel
mehr man ſich denſelben bey ſeiner Schwach-
heit angelegen ſeyn laͤſſet.
V. 8.

So wir ſagen, wir haben keine Suͤn-
de, ſo verfuͤhren wir uns ſelbſt, und die
Wahrheit iſt nicht in uns.

Anmerckungen.

1. Es finden ſich bey der verderbten Natur
zweene Abwege von der rechten Heyls-Ord-
nung, als dem zum Leben verordneten richtigen
und ſchmalen Wege: der eine zur rechten, da man
die Gnade auf Muthwillen ziehet, und bey
aller beharrlichen Befleckung mit muthwilligen
Suͤnden ſich auf die Reinigung des Bluts Chri-
ſti verlaͤßt: Der andere, da man in einen ſolchen
Phariſaͤiſchen Stoltz eingehet, daß man ſein
ſuͤndliches Verderben in ſich nicht erkennet, ſon-
dern es leugnet, oder doch fuͤr eine ſolche Kleinig-
keit haͤlt, um welcher Willen man entweder der
Bekehrung, oder doch nach derſelben der fernern
Reinigung nicht beduͤrfe. Nachdem der Apoſtel
vorher jenem Jrrthum widerſprochen hat, ſo ſetzet
er ſich itzo auch dieſem entgegen.

2. Das Sagen verſtehet er alhier nicht allein
von ausdruͤcklichen Worten, ſondern auch, und
zwar fuͤrnemlich von dem Sinn und den argen
Gedancken des Hertzens: als welches ſo ſtoltz iſt,
daß es ſich nicht gern vor GOtt demuͤthigen will,
und dabey iſt es ſo verkehret, daß es meinet, frey-
er der Suͤnde dienen zu koͤnnen, wenn man ſie
[Spaltenumbruch] nicht fuͤr Suͤnde haͤlt. Und alſo iſt eine ſolche
Einbildung ein ſchaͤndlicher Selbſtbetrug. Bricht
ſie aber auch in Worte aus, ſo werden dadurch
auch andere verleitet.

3. Das Suͤnde haben iſt im Johannaͤi-
ſchen ſtilo wohl zu unterſcheiden von Suͤnde
thun.
Das Suͤnde haben iſt alhier ſoviel,
als von Natur ein Suͤnder ſeyn, und alſo der
Reinigung des Blutes Chriſti noͤthig haben.
Suͤnde thun aber, nach c. 3, 8. ſo viel, als im
Mißbrauche der Gnade die Suͤnde uͤber ſich herr-
ſchen laſſen. Ob nun gleich das haben keines
weges von allem thun frey iſt; ſo iſt es doch ein
ſolches thun nicht, da man ein Knecht der Suͤn-
den iſt und ſich derſelben mit Leib und Seele er-
giebet.

4. Die Verfuͤhrung ſeiner Selbſt iſt
bey Verleugnung der Suͤnde und frecher Ent-
ſchuldigung ſeines verderbten Zuſtandes ſehr
groß, gefaͤhrlich und vielfach. Denn man
nimmt dabey ſeiner gar nicht wahr, koͤmmt zu kei-
ner Uberzeugung von ſeiner natuͤrlichen Unwuͤr-
digkeit und Armuth des Geiſtes, zu keiner Ubung
des Gebets, und Wahrnemung ſeiner ſelbſt. Und
was das aͤrgſte iſt, ſo faͤllt man dadurch auf eine
Geringachtung der Gnade GOttes und des Ver-
dienſtes Chriſti auch der kraͤftigen Wirckung des
Heiligen Geiſtes, in der verkehrten Meynung,
als beduͤrfe man alles deſſen nicht.

5. Jn einem ſolchen Selbſt-Verfuͤhrer
iſt demnach keine Wahrheit, oder kein recht-
ſchafnes Weſen Eph. 4, 21. ſintemal er dabey
nicht einmal die Wahrheit der Evangeliſchen
Haupt-Lehre von der Nothwendigkeit der Rei-
nigung des Bluts CHriſti der Bekenntniß nach
unverletzet ſtehen laͤſſet.

6. Es iſt demnach nichts ſicherer und rich-
tiger, als in demuͤthiger Erkenntniß ſeiner Suͤn-
den die Wohlthat der Reinigung des Bluts Chri-
ſti recht groß achten, ſich aber auch aus deſſelben
Kraft des Wandels im Lichte befleißigen. Man
conferire hierbey 1 Koͤn. 8, 46. 2 Chron. 6, 36.
Job. 9, 2. Jac. 14. c. 3, 2. Hebr. 12, 1. u. ſ. w.

V. 9.

So wir aber unſere Suͤnde (mit einem
demuͤthigen und reuigen, auch glaͤubigen Her-
tzen, mit dem Verlangen, uns davon immer
mehr reinigen zu laſſen; und mit dem ernſtlichen
Vorſatze, uns davor immeꝛ mehr zu huͤten) beken-
nen ſo iſt er Treue
(wahrhaftig zur Erfuͤllung
ſeiner den bußfertigen Suͤndern gegebnen Ver-
heiſſung) und Gerecht (daß er das durchs
Blut Chriſti gebrachte Loͤſe-Geld dem glaͤubigen
Suͤnder zurechnet) daß er uns die Suͤnde
vergiebet und reiniget uns von aller Un-
tugend.

Anmerckungen.

1. Die Lehre von der Erkenntniß und
Bekenntniß der Suͤnden iſt vielem Mißverſtan-
de und Mißbrauche unterworfen; ſonderlich die-
ſem, daß man es bey der bloſſen Bekenntniß laͤſ-
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N n n n 3
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[653/0655] Cap. 1. v. 7. 8. 9. des erſten Briefes Johannis. und unbefleckten Lammes. Siehe auch Off. 1, 5. c. 5, 9. 10. und ſonderlich c. 7, 14. Dieſe ſinds, die kommen ſind aus groſſem Truͤb- ſal, und haben ihre Kleider gewaſchen, und haben ihre Kleider helle gemacht im Blute des Lammes. b. Zur Wiederlegung des Jrrthums der So- cinianer und einiger andern Leute, welche von keiner ſolchen Reinigung des Bluts Chriſti wiſſen wollen, die auf die Genugthuung und Abthuung unſerer Schuld und auf die daher entſtehende Vergebung der Suͤnden, und wahre Rechtfertigung gehet. c. Zur Warnung vor dem groſſen Mißbrauche itztgedachter Lehre; da man ſich zwar die in der Vergebung der Suͤnden beſtehende Rei- nigung zueignet; aber ohne die Ordnung des Wandels im Lichte und alſo von der Suͤnden- Herrſchaft nicht gereiniget, oder befreyet ſeyn will, und folglich das Evangelium von der Gnade GOttes in CHriſto auf Muthwillen ziehet. d. Zum Troſte bey der Kleinmuͤthigkeit, bey dem Gefuͤhle der geiſtlichen Armuth, und bey der Beaͤngſtigung, welche man von dieſer und jener Suͤnde inſonderheit hat. Da es ja ein Wort der Wahrheit iſt, daß uns das Blut Chriſti reiniget von aller, aller Suͤnde, und alſo auch von derjenigen, woruͤber man am meiſten beunruhiget wird. Welchen Troſt man ſich zur rechten Gewiſſens-Ruhe ſoviel mehr appliciren kan, ſoviel weniger man ſich dem Wandel im Lichte entziehet, und ſoviel mehr man ſich denſelben bey ſeiner Schwach- heit angelegen ſeyn laͤſſet. V. 8. So wir ſagen, wir haben keine Suͤn- de, ſo verfuͤhren wir uns ſelbſt, und die Wahrheit iſt nicht in uns. Anmerckungen. 1. Es finden ſich bey der verderbten Natur zweene Abwege von der rechten Heyls-Ord- nung, als dem zum Leben verordneten richtigen und ſchmalen Wege: der eine zur rechten, da man die Gnade auf Muthwillen ziehet, und bey aller beharrlichen Befleckung mit muthwilligen Suͤnden ſich auf die Reinigung des Bluts Chri- ſti verlaͤßt: Der andere, da man in einen ſolchen Phariſaͤiſchen Stoltz eingehet, daß man ſein ſuͤndliches Verderben in ſich nicht erkennet, ſon- dern es leugnet, oder doch fuͤr eine ſolche Kleinig- keit haͤlt, um welcher Willen man entweder der Bekehrung, oder doch nach derſelben der fernern Reinigung nicht beduͤrfe. Nachdem der Apoſtel vorher jenem Jrrthum widerſprochen hat, ſo ſetzet er ſich itzo auch dieſem entgegen. 2. Das Sagen verſtehet er alhier nicht allein von ausdruͤcklichen Worten, ſondern auch, und zwar fuͤrnemlich von dem Sinn und den argen Gedancken des Hertzens: als welches ſo ſtoltz iſt, daß es ſich nicht gern vor GOtt demuͤthigen will, und dabey iſt es ſo verkehret, daß es meinet, frey- er der Suͤnde dienen zu koͤnnen, wenn man ſie nicht fuͤr Suͤnde haͤlt. Und alſo iſt eine ſolche Einbildung ein ſchaͤndlicher Selbſtbetrug. Bricht ſie aber auch in Worte aus, ſo werden dadurch auch andere verleitet. 3. Das Suͤnde haben iſt im Johannaͤi- ſchen ſtilo wohl zu unterſcheiden von Suͤnde thun. Das Suͤnde haben iſt alhier ſoviel, als von Natur ein Suͤnder ſeyn, und alſo der Reinigung des Blutes Chriſti noͤthig haben. Suͤnde thun aber, nach c. 3, 8. ſo viel, als im Mißbrauche der Gnade die Suͤnde uͤber ſich herr- ſchen laſſen. Ob nun gleich das haben keines weges von allem thun frey iſt; ſo iſt es doch ein ſolches thun nicht, da man ein Knecht der Suͤn- den iſt und ſich derſelben mit Leib und Seele er- giebet. 4. Die Verfuͤhrung ſeiner Selbſt iſt bey Verleugnung der Suͤnde und frecher Ent- ſchuldigung ſeines verderbten Zuſtandes ſehr groß, gefaͤhrlich und vielfach. Denn man nimmt dabey ſeiner gar nicht wahr, koͤmmt zu kei- ner Uberzeugung von ſeiner natuͤrlichen Unwuͤr- digkeit und Armuth des Geiſtes, zu keiner Ubung des Gebets, und Wahrnemung ſeiner ſelbſt. Und was das aͤrgſte iſt, ſo faͤllt man dadurch auf eine Geringachtung der Gnade GOttes und des Ver- dienſtes Chriſti auch der kraͤftigen Wirckung des Heiligen Geiſtes, in der verkehrten Meynung, als beduͤrfe man alles deſſen nicht. 5. Jn einem ſolchen Selbſt-Verfuͤhrer iſt demnach keine Wahrheit, oder kein recht- ſchafnes Weſen Eph. 4, 21. ſintemal er dabey nicht einmal die Wahrheit der Evangeliſchen Haupt-Lehre von der Nothwendigkeit der Rei- nigung des Bluts CHriſti der Bekenntniß nach unverletzet ſtehen laͤſſet. 6. Es iſt demnach nichts ſicherer und rich- tiger, als in demuͤthiger Erkenntniß ſeiner Suͤn- den die Wohlthat der Reinigung des Bluts Chri- ſti recht groß achten, ſich aber auch aus deſſelben Kraft des Wandels im Lichte befleißigen. Man conferire hierbey 1 Koͤn. 8, 46. 2 Chron. 6, 36. Job. 9, 2. Jac. 14. c. 3, 2. Hebr. 12, 1. u. ſ. w. V. 9. So wir aber unſere Suͤnde (mit einem demuͤthigen und reuigen, auch glaͤubigen Her- tzen, mit dem Verlangen, uns davon immer mehr reinigen zu laſſen; und mit dem ernſtlichen Vorſatze, uns davor immeꝛ mehr zu huͤten) beken- nen ſo iſt er Treue (wahrhaftig zur Erfuͤllung ſeiner den bußfertigen Suͤndern gegebnen Ver- heiſſung) und Gerecht (daß er das durchs Blut Chriſti gebrachte Loͤſe-Geld dem glaͤubigen Suͤnder zurechnet) daß er uns die Suͤnde vergiebet und reiniget uns von aller Un- tugend. Anmerckungen. 1. Die Lehre von der Erkenntniß und Bekenntniß der Suͤnden iſt vielem Mißverſtan- de und Mißbrauche unterworfen; ſonderlich die- ſem, daß man es bey der bloſſen Bekenntniß laͤſ- ſet; ja dieſe auch wol aus bloſſer Gewohnheit thut, ſonderlich in der Evangeliſchen Kirche in der N n n n 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/655>, abgerufen am 23.11.2024.