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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 1. v. 9. 10.
[Spaltenumbruch] der Beichte: Dabey aber in der Sünde immer
fortfähret. Welche Art der Bekenntniß eben so
wenig nütze ist, als die im Pabstthum, da man
angehalten wird allerhand geheime Sünden zu
entdecken, dabey aber auch nicht einmal auf die
Ordnung in welcher man zur wahren Reinigung
von Sünden gelanget, gewiesen wird.

2. Die alhier bezeugete Treue GOttes
gehet auf die Erfüllung der Verheissungen, welche
GOtt, ausser den so vielen Vorbildern in den
Levitischen Opfern, von der Vergebung der Sün-
den so gar oft und nachdrücklich gegeben hat:
z. E. 2 B. Mos. 34, 6. 7. Ps. 103, 3. 10. 11. 12. Jes.
1, 16-18. c. 43, 24. 25. c. 44, 22. Jer. 31, 34. Mich.
7, 19.

3. Die Gerechtigkeit solte wol scheinen
der Vergebung der Sünden mehr entgegen zu
stehen, als sie zu befordern; daher auch einige
das Wort gerecht durch gütig erklären und da-
zu den Ort Matth. 1, 19 vom Joseph anführen:
allein es läßt sich füglich davon verstehen, daß es
ein Beweis der Gerechtigkeit ist, wenn einer
würcklich leistet, was er verheifsen hat; als wel-
ches die Gerechtigkeit erfodert. Noch viel füg-
licher aber und am aller nachdrücklichsten läßt es
sich erklären, von der Gerechtigkeit GOttes, wel-
cher durch das reinigende Blut, oder durch den
Versöhnungs-Tod Christi ein Genügen gesche-
hen ist, und welche es daher also mit sich bringet,
daß, da CHristus die Sünden-Schuld auf sich
genommen und abgethan hat, nun keine eigene
Genugthuung von dem Sünder gefordert, son-
dern ihm das Löse-Geld Christi zur Vergebung
der Sünden zugerechnet werde. Wie es denn
auch vor menschlichen Gerichten eine Ungerech-
tigkeit seyn würde, wenn man die völlige Bezah-
lung von dem Bürgen eines Schuldners ange-
nommen hätte, und solche doch auch von diesem
selbst fordern wolte.

4. Wolte man aber die in diesem Verse ge-
meldete Reinigung von aller Untugend von der
Heiligung, wie GOTT solche in der Erneue-
rung durch seinen Heiligen Geist verrichtet, und
fortsetzet, verstehen, so liesse sich das Wort Ge-
recht
gar füglich von der wesentlichen Gerech-
tigkeit und Heiligkeit GOttes also erklären, daß
er vermöge derselben in uns durch die Heiligung
sein Ebenbild immer mehr anrichte nach dem Ge-
setze; gleichwie er uns nach dem Evangelio in ge-
treuer Erfüllung seiner Verheissung die Sünde
vergiebet. Der Leser erwehle selbst diejenige
Auslegung, davon er sich am meisten überzeuget
findet.

V. 10.

So wir sagen, wir haben nicht ge-
sündiget,
(haben zwar die Erb-Sünde, haben
aber keine wirckliche Sünden mehr, um welcher
willen wir der täglichen Demüthigung, und
Bekenntniß, auch Vergebung und Reinigung
nöthig hätten) so (sind wir zuvorderst recht arge
Lügner, und daher) machen wir (auch) ihn zum
Lügner
(als hätte er von unserm sündlichen
Zustande die Wahrheit in seinem Worte nicht
bezeuget, wenn er so vielfältig im Gesetze und in
[Spaltenumbruch] den Propheten davon redet) und sein Wort ist
nicht in uns
(weder das vom Gesetz zu unserer
Uberzeugung von Sünden und Demüthigung,
noch das vom Evangelio zu unserer Reinigung
und Aufrichtung; und da es nicht im Hertzen ist,
so ist es noch viel weniger in der Bekenntniß des
Mundes.)

Anmerckungen.

1. Nichts ist gemeiner, als daß der Mensch sei-
ne Sünden pfleget entweder gar zu leugnen, oder
sie doch zu entschuldigen und für lauter Kleinig-
keiten zu halten. Dadurch man sich aber nicht
allein an GOTT, der das menschliche Verder-
ben in seinem Worte so gar nachdrücklich aufge-
decket hat, schwerlich versündiget, und ihn gleich-
sam zum Lügner machet, sondern auch sich selbst
dergestalt im Lichten stehet, daß man an statt der
zu suchenden und zu erlangenden Vergebung seine
Sünden-Schuld nur noch immer mehr über sich
häufet.

2. Wenn ein rechtschaffner Knecht GOt-
tes einem ruchlosen, oder heuchlerischen Sünder
seinen sündlichen, ihme selbst verborgenen, Zu-
stand aufdecket, und dieser sich dagegen nur mit
lauter Entschuldigungen zu rechtfertigen suchet,
so machet er jenen dadurch dergestalt zum Lügner,
daß er sich damit zugleich an GOtt selbst schwer-
lich versündiget: als welcher sein Straf-Amt
durch ihn verrichtet. Es haben demnach solche
Menschen, wenn sie ihrer Sünden Wegen be-
strafet werden, diese Worte Johannis wohl
zu erwegen.

3. Das Wort GOttes muß nicht allein im
Buche, oder Buchstaben da stehen, sondern auch
seinem geistlichen Sinne und seiner lebendigen
Kraft nach in unserm Hertzen seyn: Dadurch
denn der Mensch gleichsam ein lebendiger Brief
GOttes wird. Daher heißt das Wort GOt-
tes logos emphutos, ein eingepflantztes Wort
Jac. 1, 21. welches in uns wohnet, Col. 3, 16.
Und in uns bleibet, gleichwie der gläubige Mensch
darinnen, als in seinem Elemente, darinnen er
seine Nahrung hat, bleibet Joh. 8, 31.

4. Daß das Wort GOttes in uns seyn
und bleiben soll, das ist eine von den Haupt-
Verheissungen und Vorzügen, welche auf die
Zeiten des neuen Testaments gehen, nach Jer.
31, 33. 34. Hebr. 8, 10. da es heißt: Das soll
der Bund seyn, den ich mit dem Hause
Jsrael machen will nach dieser Zeit, spricht
der HErr: Jch will mein Gesetz in ihr
Hertz geben, und in ihren Sinn schreiben.
Und sie sollen mein Volck seyn, so will ich
ihr GOtt seyn. - - Denn ich will ihnen ih-
re Missethat vergeben, und ihrer Sünde
nimmermehr gedencken.

5. Man hat demnach bey Anhörung, oder
Lesung und Betrachtung des göttlichen Worts
fleißig dahin zusehen, daß man es in aller Gläu-
bigen Willigkeit aufnehme, in sich wohl bewah-
re, daß es einem der Arge nicht raube, es wohl
in sich erwege, und seinen Wandel innerlich
und äusserlich vor GOtt und Menschen darnach
einrichte: nach der Anweisung Matth. 13, 3. u. f.

Luc.

Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 1. v. 9. 10.
[Spaltenumbruch] der Beichte: Dabey aber in der Suͤnde immer
fortfaͤhret. Welche Art der Bekenntniß eben ſo
wenig nuͤtze iſt, als die im Pabſtthum, da man
angehalten wird allerhand geheime Suͤnden zu
entdecken, dabey aber auch nicht einmal auf die
Ordnung in welcher man zur wahren Reinigung
von Suͤnden gelanget, gewieſen wird.

2. Die alhier bezeugete Treue GOttes
gehet auf die Erfuͤllung der Verheiſſungen, welche
GOtt, auſſer den ſo vielen Vorbildern in den
Levitiſchen Opfern, von der Vergebung der Suͤn-
den ſo gar oft und nachdruͤcklich gegeben hat:
z. E. 2 B. Moſ. 34, 6. 7. Pſ. 103, 3. 10. 11. 12. Jeſ.
1, 16-18. c. 43, 24. 25. c. 44, 22. Jer. 31, 34. Mich.
7, 19.

3. Die Gerechtigkeit ſolte wol ſcheinen
der Vergebung der Suͤnden mehr entgegen zu
ſtehen, als ſie zu befordern; daher auch einige
das Wort gerecht durch guͤtig erklaͤren und da-
zu den Ort Matth. 1, 19 vom Joſeph anfuͤhren:
allein es laͤßt ſich fuͤglich davon verſtehen, daß es
ein Beweis der Gerechtigkeit iſt, wenn einer
wuͤrcklich leiſtet, was er verheifſen hat; als wel-
ches die Gerechtigkeit erfodert. Noch viel fuͤg-
licher aber und am aller nachdruͤcklichſten laͤßt es
ſich erklaͤren, von der Gerechtigkeit GOttes, wel-
cher durch das reinigende Blut, oder durch den
Verſoͤhnungs-Tod Chriſti ein Genuͤgen geſche-
hen iſt, und welche es daher alſo mit ſich bringet,
daß, da CHriſtus die Suͤnden-Schuld auf ſich
genommen und abgethan hat, nun keine eigene
Genugthuung von dem Suͤnder gefordert, ſon-
dern ihm das Loͤſe-Geld Chriſti zur Vergebung
der Suͤnden zugerechnet werde. Wie es denn
auch vor menſchlichen Gerichten eine Ungerech-
tigkeit ſeyn wuͤrde, wenn man die voͤllige Bezah-
lung von dem Buͤrgen eines Schuldners ange-
nommen haͤtte, und ſolche doch auch von dieſem
ſelbſt fordern wolte.

4. Wolte man aber die in dieſem Verſe ge-
meldete Reinigung von aller Untugend von der
Heiligung, wie GOTT ſolche in der Erneue-
rung durch ſeinen Heiligen Geiſt verrichtet, und
fortſetzet, verſtehen, ſo lieſſe ſich das Wort Ge-
recht
gar fuͤglich von der weſentlichen Gerech-
tigkeit und Heiligkeit GOttes alſo erklaͤren, daß
er vermoͤge derſelben in uns durch die Heiligung
ſein Ebenbild immer mehr anrichte nach dem Ge-
ſetze; gleichwie er uns nach dem Evangelio in ge-
treuer Erfuͤllung ſeiner Verheiſſung die Suͤnde
vergiebet. Der Leſer erwehle ſelbſt diejenige
Auslegung, davon er ſich am meiſten uͤberzeuget
findet.

V. 10.

So wir ſagen, wir haben nicht ge-
ſuͤndiget,
(haben zwar die Erb-Suͤnde, haben
aber keine wirckliche Suͤnden mehr, um welcher
willen wir der taͤglichen Demuͤthigung, und
Bekenntniß, auch Vergebung und Reinigung
noͤthig haͤtten) ſo (ſind wir zuvorderſt recht arge
Luͤgner, und daher) machen wir (auch) ihn zum
Luͤgner
(als haͤtte er von unſerm ſuͤndlichen
Zuſtande die Wahrheit in ſeinem Worte nicht
bezeuget, wenn er ſo vielfaͤltig im Geſetze und in
[Spaltenumbruch] den Propheten davon redet) und ſein Wort iſt
nicht in uns
(weder das vom Geſetz zu unſerer
Uberzeugung von Suͤnden und Demuͤthigung,
noch das vom Evangelio zu unſerer Reinigung
und Aufrichtung; und da es nicht im Hertzen iſt,
ſo iſt es noch viel weniger in der Bekenntniß des
Mundes.)

Anmerckungen.

1. Nichts iſt gemeiner, als daß der Menſch ſei-
ne Suͤnden pfleget entweder gar zu leugnen, oder
ſie doch zu entſchuldigen und fuͤr lauter Kleinig-
keiten zu halten. Dadurch man ſich aber nicht
allein an GOTT, der das menſchliche Verder-
ben in ſeinem Worte ſo gar nachdruͤcklich aufge-
decket hat, ſchwerlich verſuͤndiget, und ihn gleich-
ſam zum Luͤgner machet, ſondern auch ſich ſelbſt
dergeſtalt im Lichten ſtehet, daß man an ſtatt der
zu ſuchenden und zu erlangenden Vergebung ſeine
Suͤnden-Schuld nur noch immer mehr uͤber ſich
haͤufet.

2. Wenn ein rechtſchaffner Knecht GOt-
tes einem ruchloſen, oder heuchleriſchen Suͤnder
ſeinen ſuͤndlichen, ihme ſelbſt verborgenen, Zu-
ſtand aufdecket, und dieſer ſich dagegen nur mit
lauter Entſchuldigungen zu rechtfertigen ſuchet,
ſo machet er jenen dadurch dergeſtalt zum Luͤgner,
daß er ſich damit zugleich an GOtt ſelbſt ſchwer-
lich verſuͤndiget: als welcher ſein Straf-Amt
durch ihn verrichtet. Es haben demnach ſolche
Menſchen, wenn ſie ihrer Suͤnden Wegen be-
ſtrafet werden, dieſe Worte Johannis wohl
zu erwegen.

3. Das Wort GOttes muß nicht allein im
Buche, oder Buchſtaben da ſtehen, ſondern auch
ſeinem geiſtlichen Sinne und ſeiner lebendigen
Kraft nach in unſerm Hertzen ſeyn: Dadurch
denn der Menſch gleichſam ein lebendiger Brief
GOttes wird. Daher heißt das Wort GOt-
tes λόγος ἔμφυτος, ein eingepflantztes Wort
Jac. 1, 21. welches in uns wohnet, Col. 3, 16.
Und in uns bleibet, gleichwie der glaͤubige Menſch
darinnen, als in ſeinem Elemente, darinnen er
ſeine Nahrung hat, bleibet Joh. 8, 31.

4. Daß das Wort GOttes in uns ſeyn
und bleiben ſoll, das iſt eine von den Haupt-
Verheiſſungen und Vorzuͤgen, welche auf die
Zeiten des neuen Teſtaments gehen, nach Jer.
31, 33. 34. Hebr. 8, 10. da es heißt: Das ſoll
der Bund ſeyn, den ich mit dem Hauſe
Jſrael machen will nach dieſer Zeit, ſpricht
der HErr: Jch will mein Geſetz in ihr
Hertz geben, und in ihren Sinn ſchreiben.
Und ſie ſollen mein Volck ſeyn, ſo will ich
ihr GOtt ſeyn. ‒ ‒ Denn ich will ihnen ih-
re Miſſethat vergeben, und ihrer Suͤnde
nimmermehr gedencken.

5. Man hat demnach bey Anhoͤrung, oder
Leſung und Betrachtung des goͤttlichen Worts
fleißig dahin zuſehen, daß man es in aller Glaͤu-
bigen Willigkeit aufnehme, in ſich wohl bewah-
re, daß es einem der Arge nicht raube, es wohl
in ſich erwege, und ſeinen Wandel innerlich
und aͤuſſerlich vor GOtt und Menſchen darnach
einrichte: nach der Anweiſung Matth. 13, 3. u. f.

Luc.
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[654/0656] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 1. v. 9. 10. der Beichte: Dabey aber in der Suͤnde immer fortfaͤhret. Welche Art der Bekenntniß eben ſo wenig nuͤtze iſt, als die im Pabſtthum, da man angehalten wird allerhand geheime Suͤnden zu entdecken, dabey aber auch nicht einmal auf die Ordnung in welcher man zur wahren Reinigung von Suͤnden gelanget, gewieſen wird. 2. Die alhier bezeugete Treue GOttes gehet auf die Erfuͤllung der Verheiſſungen, welche GOtt, auſſer den ſo vielen Vorbildern in den Levitiſchen Opfern, von der Vergebung der Suͤn- den ſo gar oft und nachdruͤcklich gegeben hat: z. E. 2 B. Moſ. 34, 6. 7. Pſ. 103, 3. 10. 11. 12. Jeſ. 1, 16-18. c. 43, 24. 25. c. 44, 22. Jer. 31, 34. Mich. 7, 19. 3. Die Gerechtigkeit ſolte wol ſcheinen der Vergebung der Suͤnden mehr entgegen zu ſtehen, als ſie zu befordern; daher auch einige das Wort gerecht durch guͤtig erklaͤren und da- zu den Ort Matth. 1, 19 vom Joſeph anfuͤhren: allein es laͤßt ſich fuͤglich davon verſtehen, daß es ein Beweis der Gerechtigkeit iſt, wenn einer wuͤrcklich leiſtet, was er verheifſen hat; als wel- ches die Gerechtigkeit erfodert. Noch viel fuͤg- licher aber und am aller nachdruͤcklichſten laͤßt es ſich erklaͤren, von der Gerechtigkeit GOttes, wel- cher durch das reinigende Blut, oder durch den Verſoͤhnungs-Tod Chriſti ein Genuͤgen geſche- hen iſt, und welche es daher alſo mit ſich bringet, daß, da CHriſtus die Suͤnden-Schuld auf ſich genommen und abgethan hat, nun keine eigene Genugthuung von dem Suͤnder gefordert, ſon- dern ihm das Loͤſe-Geld Chriſti zur Vergebung der Suͤnden zugerechnet werde. Wie es denn auch vor menſchlichen Gerichten eine Ungerech- tigkeit ſeyn wuͤrde, wenn man die voͤllige Bezah- lung von dem Buͤrgen eines Schuldners ange- nommen haͤtte, und ſolche doch auch von dieſem ſelbſt fordern wolte. 4. Wolte man aber die in dieſem Verſe ge- meldete Reinigung von aller Untugend von der Heiligung, wie GOTT ſolche in der Erneue- rung durch ſeinen Heiligen Geiſt verrichtet, und fortſetzet, verſtehen, ſo lieſſe ſich das Wort Ge- recht gar fuͤglich von der weſentlichen Gerech- tigkeit und Heiligkeit GOttes alſo erklaͤren, daß er vermoͤge derſelben in uns durch die Heiligung ſein Ebenbild immer mehr anrichte nach dem Ge- ſetze; gleichwie er uns nach dem Evangelio in ge- treuer Erfuͤllung ſeiner Verheiſſung die Suͤnde vergiebet. Der Leſer erwehle ſelbſt diejenige Auslegung, davon er ſich am meiſten uͤberzeuget findet. V. 10. So wir ſagen, wir haben nicht ge- ſuͤndiget, (haben zwar die Erb-Suͤnde, haben aber keine wirckliche Suͤnden mehr, um welcher willen wir der taͤglichen Demuͤthigung, und Bekenntniß, auch Vergebung und Reinigung noͤthig haͤtten) ſo (ſind wir zuvorderſt recht arge Luͤgner, und daher) machen wir (auch) ihn zum Luͤgner (als haͤtte er von unſerm ſuͤndlichen Zuſtande die Wahrheit in ſeinem Worte nicht bezeuget, wenn er ſo vielfaͤltig im Geſetze und in den Propheten davon redet) und ſein Wort iſt nicht in uns (weder das vom Geſetz zu unſerer Uberzeugung von Suͤnden und Demuͤthigung, noch das vom Evangelio zu unſerer Reinigung und Aufrichtung; und da es nicht im Hertzen iſt, ſo iſt es noch viel weniger in der Bekenntniß des Mundes.) Anmerckungen. 1. Nichts iſt gemeiner, als daß der Menſch ſei- ne Suͤnden pfleget entweder gar zu leugnen, oder ſie doch zu entſchuldigen und fuͤr lauter Kleinig- keiten zu halten. Dadurch man ſich aber nicht allein an GOTT, der das menſchliche Verder- ben in ſeinem Worte ſo gar nachdruͤcklich aufge- decket hat, ſchwerlich verſuͤndiget, und ihn gleich- ſam zum Luͤgner machet, ſondern auch ſich ſelbſt dergeſtalt im Lichten ſtehet, daß man an ſtatt der zu ſuchenden und zu erlangenden Vergebung ſeine Suͤnden-Schuld nur noch immer mehr uͤber ſich haͤufet. 2. Wenn ein rechtſchaffner Knecht GOt- tes einem ruchloſen, oder heuchleriſchen Suͤnder ſeinen ſuͤndlichen, ihme ſelbſt verborgenen, Zu- ſtand aufdecket, und dieſer ſich dagegen nur mit lauter Entſchuldigungen zu rechtfertigen ſuchet, ſo machet er jenen dadurch dergeſtalt zum Luͤgner, daß er ſich damit zugleich an GOtt ſelbſt ſchwer- lich verſuͤndiget: als welcher ſein Straf-Amt durch ihn verrichtet. Es haben demnach ſolche Menſchen, wenn ſie ihrer Suͤnden Wegen be- ſtrafet werden, dieſe Worte Johannis wohl zu erwegen. 3. Das Wort GOttes muß nicht allein im Buche, oder Buchſtaben da ſtehen, ſondern auch ſeinem geiſtlichen Sinne und ſeiner lebendigen Kraft nach in unſerm Hertzen ſeyn: Dadurch denn der Menſch gleichſam ein lebendiger Brief GOttes wird. Daher heißt das Wort GOt- tes λόγος ἔμφυτος, ein eingepflantztes Wort Jac. 1, 21. welches in uns wohnet, Col. 3, 16. Und in uns bleibet, gleichwie der glaͤubige Menſch darinnen, als in ſeinem Elemente, darinnen er ſeine Nahrung hat, bleibet Joh. 8, 31. 4. Daß das Wort GOttes in uns ſeyn und bleiben ſoll, das iſt eine von den Haupt- Verheiſſungen und Vorzuͤgen, welche auf die Zeiten des neuen Teſtaments gehen, nach Jer. 31, 33. 34. Hebr. 8, 10. da es heißt: Das ſoll der Bund ſeyn, den ich mit dem Hauſe Jſrael machen will nach dieſer Zeit, ſpricht der HErr: Jch will mein Geſetz in ihr Hertz geben, und in ihren Sinn ſchreiben. Und ſie ſollen mein Volck ſeyn, ſo will ich ihr GOtt ſeyn. ‒ ‒ Denn ich will ihnen ih- re Miſſethat vergeben, und ihrer Suͤnde nimmermehr gedencken. 5. Man hat demnach bey Anhoͤrung, oder Leſung und Betrachtung des goͤttlichen Worts fleißig dahin zuſehen, daß man es in aller Glaͤu- bigen Willigkeit aufnehme, in ſich wohl bewah- re, daß es einem der Arge nicht raube, es wohl in ſich erwege, und ſeinen Wandel innerlich und aͤuſſerlich vor GOtt und Menſchen darnach einrichte: nach der Anweiſung Matth. 13, 3. u. f. Luc.

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/656>, abgerufen am 23.11.2024.