[Spaltenumbruch]
Luc. 2, 19. c. 8, 15. c. 11, 28. 2 Tim. 1, 13. 14. Sie- he auch Joh. 15, 7. Hebr. 4, 2. u. s. w.
6. Jst uns das Geheimniß von der Ein- wohnung GOttes unbegreiflich, so dürfen wir uns nur an sein in uns wohnendes Wort hal- ten. Da wir denn versichert seyn können, daß GOttes Wort nicht ohne GOTT selbst in uns ist.
7. Man muß sich aber hüten, daß man es bey der Einwohnung des Worts GOttes in uns, ja nicht allein auf das Gedächtniß und [Spaltenumbruch]
auf den buchstäblichen Begriff des blossen Ver- standes ankommen lasse. Denn ist es nicht also in uns, daß auch unser von Natur in Sünden zu allem guten todter Wille dadurch zum geistli- chen Leben, und dabey zur geistlichen Kraft des innerlichen und äusserlichen gottseligen Wan- dels vor GOtt und Menschen komme; so ist es so viel, als wäre es gar nicht in uns; sintemal auf solche Art dadurch auch nicht einmal der Verstand zum wahren geistlichen Licht kömmt. Ja es bringet eine so viel schwerere Verantwor- tung.
Das Andere Capitel, Darinnen Der Apostel, nach dem angepriesenen Glaubens-Grun- de der Versöhnung Christi/ auf derselben würdige Zueignung und Anwen- dung in der Heiligung dringet: und wie deßwegen zur Erweisung wahrer Liebe gegen GOTT und den Nächsten ermahnet/ von der Welt-Liebe aber abmahnet: also auch vor der/ dem gedachten Glaubens-Grunde von Christo entgegen stehenden/ Verführung getreulich warnet.
[Spaltenumbruch]
V. 1.
MEine Kindlein, solches (was vom Wandel im Lichte, und von der Gemeinschaft mit GOTT, auch von der Rei- nigung des Blutes Christi vorhergehet) schreibe ich euch (und also der durch mich zeigende Heil. Geist selbst Matth. 10, 40. Luc. 10, 16. 2 Cor. 5, 20.) auf daß ihr nicht sündiget, (sondern hingegen die euch an- gepriesene, offenstehende, auch bereits angenom- mene Evangelische Gnade und Gnaden-Gaben zur Heiligung getreulich anwendet) Und ob ie- mand sündiget (bey solchem Fleisse in der Hei- ligung, oder auch gesündiget zu haben in seiner ersten Bekehrung gläubig erkennet,) so haben wir einen Fürsprecher bey dem Vater, JE- sum Christum, der Gerecht ist (wie nach sei- ner Person, also auch nach seinem Mittler-Am- te, dadurch er uns die Gerechtigkeit zur Verge- bung unserer Ungerechtigkeit und Sünden er- worben hat.)
Anmerckungen.
1. Wir haben alhier zwey Stücke wohl zu erwegen: erstlich den Zweck Johannis, wozu das, was vorhergehet, geschrieben ist: her- nach in welchem Verstande Christus der Für- sprecher ist bey dem Vater; und zwar der Gerechte.
2. Was den Zweck des Apostels betrift, so gehet er mit diesem Briefe, und insonder- heit mit dem, was bereits im vorhergehenden Contexte vorgestellet ist, einem gedoppelten Abwege entgegen, dem einen zur Rechten, [Spaltenumbruch]
da man die Gnade auf Muthwillen ziehet, und sich bey seinem Sünden-Dienste nur immer ver- wegener Weise darauf verläßt: daher er saget: Kindlein solches schreibe ich euch, daß ihr nicht sündiget, oder in Finsterniß wandelt, c. 1, 6. Dem andern zur Lincken, da man bey der Erkenntniß seines sündlichen Elendes derge- stalt niedergeschlagen wird, daß man sich durch das Evangelium von Christo nicht aufrichten lässet: Dagegen er spricht; Und ob iemand sündiget, so haben wit u. f. Welche bey- den Abwege von der rechten Ordnung des Heyls gar gemein sind: und da der erste auf eine epi- curische, oder fleischliche Sicherheit führet, so bringet einen der andere auf eine gesetzliche Aengstlichkeit, und gleichsam in eine Wüste, darinnen lauter Hitze, Dürre, Unruhe, Angst und Noth für eine schmachtende und lechzende Seele ist. Und gleichwie es ein Character ist eines rechtschaffnen Lehrers, wenn er diese beyden Abwege recht entdecket, und die Seelen auf die Mittel-Straße führet: also ist es auch das rechte theion oder die recht göttliche und wahr- haftige Art des wahren Christenthums, wenn man auf dieser Mittel-Strasse einhergehet, und vor GOtt und Menschen innerlich und äusser- lich eines Theils nach dem Evangelio in Zuei- gnung der Gerechtigkeit Christi in aller kindli- chen und freudigen Zuversicht, andern Theils auch nach dem Gesetze in heiliger Furcht wan- delt.
3. Bey den Worten, daß wir Christum zum Fürsprecher bey dem Vater haben, ist folgendes zu mercken:
a. Der Vater stellet sich im Wercke unserer Se-
ligkeit
Cap. 2. v. 1. des erſten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch]
Luc. 2, 19. c. 8, 15. c. 11, 28. 2 Tim. 1, 13. 14. Sie- he auch Joh. 15, 7. Hebr. 4, 2. u. ſ. w.
6. Jſt uns das Geheimniß von der Ein- wohnung GOttes unbegreiflich, ſo duͤrfen wir uns nur an ſein in uns wohnendes Wort hal- ten. Da wir denn verſichert ſeyn koͤnnen, daß GOttes Wort nicht ohne GOTT ſelbſt in uns iſt.
7. Man muß ſich aber huͤten, daß man es bey der Einwohnung des Worts GOttes in uns, ja nicht allein auf das Gedaͤchtniß und [Spaltenumbruch]
auf den buchſtaͤblichen Begriff des bloſſen Ver- ſtandes ankommen laſſe. Denn iſt es nicht alſo in uns, daß auch unſer von Natur in Suͤnden zu allem guten todter Wille dadurch zum geiſtli- chen Leben, und dabey zur geiſtlichen Kraft des innerlichen und aͤuſſerlichen gottſeligen Wan- dels vor GOtt und Menſchen komme; ſo iſt es ſo viel, als waͤre es gar nicht in uns; ſintemal auf ſolche Art dadurch auch nicht einmal der Verſtand zum wahren geiſtlichen Licht koͤmmt. Ja es bringet eine ſo viel ſchwerere Verantwor- tung.
Das Andere Capitel, Darinnen Der Apoſtel, nach dem angeprieſenen Glaubens-Grun- de der Verſoͤhnung Chriſti/ auf derſelben wuͤrdige Zueignung und Anwen- dung in der Heiligung dringet: und wie deßwegen zur Erweiſung wahrer Liebe gegen GOTT und den Naͤchſten ermahnet/ von der Welt-Liebe aber abmahnet: alſo auch vor der/ dem gedachten Glaubens-Grunde von Chriſto entgegen ſtehenden/ Verfuͤhrung getreulich warnet.
[Spaltenumbruch]
V. 1.
MEine Kindlein, ſolches (was vom Wandel im Lichte, und von der Gemeinſchaft mit GOTT, auch von der Rei- nigung des Blutes Chriſti vorhergehet) ſchreibe ich euch (und alſo der durch mich zeigende Heil. Geiſt ſelbſt Matth. 10, 40. Luc. 10, 16. 2 Cor. 5, 20.) auf daß ihr nicht ſuͤndiget, (ſondern hingegen die euch an- geprieſene, offenſtehende, auch bereits angenom- mene Evangeliſche Gnade und Gnaden-Gaben zur Heiligung getreulich anwendet) Und ob ie- mand ſuͤndiget (bey ſolchem Fleiſſe in der Hei- ligung, oder auch geſuͤndiget zu haben in ſeiner erſten Bekehrung glaͤubig erkennet,) ſo haben wir einen Fuͤrſprecher bey dem Vater, JE- ſum Chriſtum, der Gerecht iſt (wie nach ſei- ner Perſon, alſo auch nach ſeinem Mittler-Am- te, dadurch er uns die Gerechtigkeit zur Verge- bung unſerer Ungerechtigkeit und Suͤnden er- worben hat.)
Anmerckungen.
1. Wir haben alhier zwey Stuͤcke wohl zu erwegen: erſtlich den Zweck Johannis, wozu das, was vorhergehet, geſchrieben iſt: her- nach in welchem Verſtande Chriſtus der Fuͤr- ſprecher iſt bey dem Vater; und zwar der Gerechte.
2. Was den Zweck des Apoſtels betrift, ſo gehet er mit dieſem Briefe, und inſonder- heit mit dem, was bereits im vorhergehenden Contexte vorgeſtellet iſt, einem gedoppelten Abwege entgegen, dem einen zur Rechten, [Spaltenumbruch]
da man die Gnade auf Muthwillen ziehet, und ſich bey ſeinem Suͤnden-Dienſte nur immer ver- wegener Weiſe darauf verlaͤßt: daher er ſaget: Kindlein ſolches ſchreibe ich euch, daß ihr nicht ſuͤndiget, oder in Finſterniß wandelt, c. 1, 6. Dem andern zur Lincken, da man bey der Erkenntniß ſeines ſuͤndlichen Elendes derge- ſtalt niedergeſchlagen wird, daß man ſich durch das Evangelium von Chriſto nicht aufrichten laͤſſet: Dagegen er ſpricht; Und ob iemand ſuͤndiget, ſo haben wit u. f. Welche bey- den Abwege von der rechten Ordnung des Heyls gar gemein ſind: und da der erſte auf eine epi- curiſche, oder fleiſchliche Sicherheit fuͤhret, ſo bringet einen der andere auf eine geſetzliche Aengſtlichkeit, und gleichſam in eine Wuͤſte, darinnen lauter Hitze, Duͤrre, Unruhe, Angſt und Noth fuͤr eine ſchmachtende und lechzende Seele iſt. Und gleichwie es ein Character iſt eines rechtſchaffnen Lehrers, wenn er dieſe beyden Abwege recht entdecket, und die Seelen auf die Mittel-Straße fuͤhret: alſo iſt es auch das rechte ϑεῖον oder die recht goͤttliche und wahr- haftige Art des wahren Chriſtenthums, wenn man auf dieſer Mittel-Straſſe einhergehet, und vor GOtt und Menſchen innerlich und aͤuſſer- lich eines Theils nach dem Evangelio in Zuei- gnung der Gerechtigkeit Chriſti in aller kindli- chen und freudigen Zuverſicht, andern Theils auch nach dem Geſetze in heiliger Furcht wan- delt.
3. Bey den Worten, daß wir Chriſtum zum Fuͤrſprecher bey dem Vater haben, iſt folgendes zu mercken:
a. Der Vater ſtellet ſich im Wercke unſerer Se-
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[655/0657]
Cap. 2. v. 1. des erſten Briefes Johannis.
Luc. 2, 19. c. 8, 15. c. 11, 28. 2 Tim. 1, 13. 14. Sie-
he auch Joh. 15, 7. Hebr. 4, 2. u. ſ. w.
6. Jſt uns das Geheimniß von der Ein-
wohnung GOttes unbegreiflich, ſo duͤrfen wir
uns nur an ſein in uns wohnendes Wort hal-
ten. Da wir denn verſichert ſeyn koͤnnen, daß
GOttes Wort nicht ohne GOTT ſelbſt in uns
iſt.
7. Man muß ſich aber huͤten, daß man es
bey der Einwohnung des Worts GOttes in
uns, ja nicht allein auf das Gedaͤchtniß und
auf den buchſtaͤblichen Begriff des bloſſen Ver-
ſtandes ankommen laſſe. Denn iſt es nicht alſo
in uns, daß auch unſer von Natur in Suͤnden
zu allem guten todter Wille dadurch zum geiſtli-
chen Leben, und dabey zur geiſtlichen Kraft des
innerlichen und aͤuſſerlichen gottſeligen Wan-
dels vor GOtt und Menſchen komme; ſo iſt es
ſo viel, als waͤre es gar nicht in uns; ſintemal
auf ſolche Art dadurch auch nicht einmal der
Verſtand zum wahren geiſtlichen Licht koͤmmt.
Ja es bringet eine ſo viel ſchwerere Verantwor-
tung.
Das Andere Capitel,
Darinnen
Der Apoſtel, nach dem angeprieſenen Glaubens-Grun-
de der Verſoͤhnung Chriſti/ auf derſelben wuͤrdige Zueignung und Anwen-
dung in der Heiligung dringet: und wie deßwegen zur Erweiſung wahrer
Liebe gegen GOTT und den Naͤchſten ermahnet/ von der Welt-Liebe aber
abmahnet: alſo auch vor der/ dem gedachten Glaubens-Grunde von
Chriſto entgegen ſtehenden/ Verfuͤhrung getreulich
warnet.
V. 1.
MEine Kindlein, ſolches (was
vom Wandel im Lichte, und
von der Gemeinſchaft mit
GOTT, auch von der Rei-
nigung des Blutes Chriſti
vorhergehet) ſchreibe ich euch (und alſo der
durch mich zeigende Heil. Geiſt ſelbſt Matth. 10,
40. Luc. 10, 16. 2 Cor. 5, 20.) auf daß ihr
nicht ſuͤndiget, (ſondern hingegen die euch an-
geprieſene, offenſtehende, auch bereits angenom-
mene Evangeliſche Gnade und Gnaden-Gaben
zur Heiligung getreulich anwendet) Und ob ie-
mand ſuͤndiget (bey ſolchem Fleiſſe in der Hei-
ligung, oder auch geſuͤndiget zu haben in ſeiner
erſten Bekehrung glaͤubig erkennet,) ſo haben
wir einen Fuͤrſprecher bey dem Vater, JE-
ſum Chriſtum, der Gerecht iſt (wie nach ſei-
ner Perſon, alſo auch nach ſeinem Mittler-Am-
te, dadurch er uns die Gerechtigkeit zur Verge-
bung unſerer Ungerechtigkeit und Suͤnden er-
worben hat.)
Anmerckungen.
1. Wir haben alhier zwey Stuͤcke wohl zu
erwegen: erſtlich den Zweck Johannis, wozu
das, was vorhergehet, geſchrieben iſt: her-
nach in welchem Verſtande Chriſtus der Fuͤr-
ſprecher iſt bey dem Vater; und zwar der
Gerechte.
2. Was den Zweck des Apoſtels betrift,
ſo gehet er mit dieſem Briefe, und inſonder-
heit mit dem, was bereits im vorhergehenden
Contexte vorgeſtellet iſt, einem gedoppelten
Abwege entgegen, dem einen zur Rechten,
da man die Gnade auf Muthwillen ziehet, und
ſich bey ſeinem Suͤnden-Dienſte nur immer ver-
wegener Weiſe darauf verlaͤßt: daher er ſaget:
Kindlein ſolches ſchreibe ich euch, daß ihr
nicht ſuͤndiget, oder in Finſterniß wandelt, c. 1,
6. Dem andern zur Lincken, da man bey der
Erkenntniß ſeines ſuͤndlichen Elendes derge-
ſtalt niedergeſchlagen wird, daß man ſich durch
das Evangelium von Chriſto nicht aufrichten
laͤſſet: Dagegen er ſpricht; Und ob iemand
ſuͤndiget, ſo haben wit u. f. Welche bey-
den Abwege von der rechten Ordnung des Heyls
gar gemein ſind: und da der erſte auf eine epi-
curiſche, oder fleiſchliche Sicherheit fuͤhret, ſo
bringet einen der andere auf eine geſetzliche
Aengſtlichkeit, und gleichſam in eine Wuͤſte,
darinnen lauter Hitze, Duͤrre, Unruhe, Angſt und
Noth fuͤr eine ſchmachtende und lechzende Seele
iſt. Und gleichwie es ein Character iſt eines
rechtſchaffnen Lehrers, wenn er dieſe beyden
Abwege recht entdecket, und die Seelen auf
die Mittel-Straße fuͤhret: alſo iſt es auch das
rechte ϑεῖον oder die recht goͤttliche und wahr-
haftige Art des wahren Chriſtenthums, wenn
man auf dieſer Mittel-Straſſe einhergehet, und
vor GOtt und Menſchen innerlich und aͤuſſer-
lich eines Theils nach dem Evangelio in Zuei-
gnung der Gerechtigkeit Chriſti in aller kindli-
chen und freudigen Zuverſicht, andern Theils
auch nach dem Geſetze in heiliger Furcht wan-
delt.
3. Bey den Worten, daß wir Chriſtum
zum Fuͤrſprecher bey dem Vater haben, iſt
folgendes zu mercken:
a. Der Vater ſtellet ſich im Wercke unſerer Se-
ligkeit
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/657>, abgerufen am 27.11.2024.
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