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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 4. v. 7-10.
[Spaltenumbruch]
a. Wer nicht Lieb hat, nemlich seinen Näch-
sten, folglich auch nicht in einer wohlgeordneten
Liebe gegen sich selbst und gegen GOtt stehet,
der ermangelt der Liebe also, daß sich dafür das
Gegentheil bey ihm befindet im Haß und des-
selben vielen Ausbrüchen.
b. Ein Liebloser kennet GOtt nicht, nemlich
auf eine geistliche, übernatürliche und lebendi-
ge Art, welche die wahre Erkenntniß an sich
hat. Jst er gleich kein Atheist; so ist doch sei-
ne Erkenntniß nur theils blos natürlich, theils
blos buchstäblich, welche er sich aus eignen
Natur-Kräften hat zu wege gebracht. Es ist
demnach unmöglich, daß ein beharrlich
Gottloser erleuchtet seyn und nach der
Wahrheit genennet werden könne. Wer sol-
ches vorgiebt, der scheuet sich nicht dem Apo-
stel des HErrn, und also Christo selbst, zu
widersprechen. Wolte man sagen, Johannes
rede alhier von der gläubigen und seligma-
chenden Erkenntniß, nicht aber von der wah-
ren: so wäre solches eine grosse Leichtsinnig-
keit, solchergestalt die Worte des Apostels zu
entkräften, und vorzugeben, als wenn auch
noch eine andere Erkenntniß, als die gläubige
und seligmachende, die wahre, oder wahrhafte
und ächte wäre. Man conferire hier-
bey was wir davon bereits bey dem andern
Capitel v. 3. u. f. betrachtet haben.
c. Den Erweis seines Satzes, daß ein Liebloser
GOTT nicht kenne, nimmt der Apostel da-
von her, da er spricht: Denn GOtt ist die
Liebe.
Wobey zu mercken ist:
a. Daß dieses daher von GOTT könne gesa-
get werden, weil alle Eigenschaften an ihm
wesentlich und unendlich sind.
b. Daß, GOtt wahrhaftig kennen, sey ihn
also kennen; daß man auch seinen Sinn an
sich nehme und ihm gleich gesinnet werde;
nemlich dadurch, daß, weil die wahre Er-
kenntniß Glaubens-voll ist, und wenn sie in
der Seelen aufgehet, die Liebe GOT-
TES, die er zu uns träget, in unser
Hertz ausgegossen wird durch den Heili-
gen Geist. Da sich nun GOTT solcher
gestalt als die Liebe erweiset: und uns zur
Liebe entzündet, so kennet der GOtt nicht,
wer nicht in der Liebe stehet. Denn solte ein
liebloser GOTT kennen, so müste theils
GOtt die Liebe nicht seyn, noch sich als die
Liebe in Mittheilung seines Sinnes zu erken-
nen geben, theils müste die Erkenntnß GOt-
tes ohne die gläubige und wahre Gemein-
schaft mit GOTT seyn können. Deren
keines seyn kan, sondern beydes wider die
Cathechetischen Wahrheiten der Apostoli-
schen Lehre lauft.
g. Daß GOtt die Liebe sey, das muß ja nicht
gemißbrauchet werden, weder zum Nach-
theil seiner Gerechtigkeit, daß man daher die
Nothwendigkeit der von dem menschlichen
Geschlechte geforderten und von CHristo ge-
leisteten Satisfaction leugnen wolte; noch
zur fleischlichen Sicherheit. Denn gleich-
wie er die Liebe ist, so ist er auch die Gerech-
[Spaltenumbruch] tigkeit, und nach derselben ein verzehrendes
Feuer. Hebr. 12, 29. 2 B. Mos. 24, 17. 5 B.
Mos. 4, 24. c. 9, 3.
d. Wenn wir eine Korn-Aehre im Felde, oder
eine Frucht auf dem Baume, oder eine wohl-
riechende Blume im Garten sehen, so mögen
wir wohl gedencken, als rufte sie uns zu:
GOtt ist die Liebe! und reitze uns zur
Gegenliebe. Doch ist dieser Erweis der Lie-
be GOttes im Reiche der Natur, so groß er
auch gleich ist, noch gering gegen den im Rei-
che der Gnaden, davon der Apostel also fort-
fähret:
V. 9. 10.

Daran ist erschienen die Liebe GOt-
tes gegen uns daß GOtt seinen eingebor-
nen Sohn gesandt hat in die Welt, daß
wir durch ihn leben sollen.
Darinn stehet
die Liebe, (Joh. 3, 16. Röm. 5, 6. u. f.) nicht
daß wir geliebet haben, sondern daß er
uns geliebet hat und gesandt seinen Sohn
zur Versöhnung für unsere Sünde.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel gesaget hatte, daß
GOtt die Liebe sey, zuvorderst wesentlich; so be-
zeuget er darauf, wie thätig er seine Liebe in dem
grossen Wercke der Sendung seines Sohnes zur
Erlösung erwiesen habe. Wir finden der Ord-
nung nach alhier drey Stücke, erstlich die Liebe
GOttes
an sich selbst; hernach derselben Er-
weis
in der Sendung des Sohnes; und denn
dieses Erweises und der Erlösung Zweck.

2. Von der Liebe GOttes an sich selbst
ist folgendes zu mercken:

a. Das Wort GOtt gehet vorher nach dem
Wesen GOttes auf die heilige Dreyeinigkeit:
hier aber auf die Person des Vaters; sintemal
dabey der Sendung des Sohnes gedacht
wird.
b. Diese Liebe heißt auch sonst die Gnade, die
Barmhertzigkeit, die Leutseligkeit und Freund-
lichkeit.
c. Diese Liebe ist gantz unverdienet, da uns GOtt
nach unserm Verdienste vielmehr hassen solte.
Darum der Apostel saget: Darinn stehet
die Liebe, nicht daß wir GOtt geliebet
haben,
Siehe Röm. 5, 6-10.
d. Diese Liebe ist erschienen, und in Christo
gleichsam sichtbar gemacht: und also hat sie
sich auch thätig erwiesen.
e. Sie ist erschienen gegen uns, daß sie sich auch
offenbaret hat en umin, unter und in uns: un-
ter uns
durch die daher entstehende würdige
Application, davon es Röm. 5, 5. heißt:
Die Liebe GOttes ist ausgegossen in un-
sern Hertzen durch den Heiligen Geist.

Und: Schmecket und sehet, daß der HErr
freundlich ist.
Ps. 34, 9. 1 Pet. 2, 3.

3. Von dem so herrlichen Erweise der Liebe
GOttes in der Sendung des Sohnes ist auch
unterschiedliches insonderheit zu erwegen:

a. Der Sendende ist GOtt der Vater, und mit
ihm auch der Heilige Geist; als von und mit
wel-
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 7-10.
[Spaltenumbruch]
a. Wer nicht Lieb hat, nemlich ſeinen Naͤch-
ſten, folglich auch nicht in einer wohlgeordneten
Liebe gegen ſich ſelbſt und gegen GOtt ſtehet,
der ermangelt der Liebe alſo, daß ſich dafuͤr das
Gegentheil bey ihm befindet im Haß und deſ-
ſelben vielen Ausbruͤchen.
b. Ein Liebloſer kennet GOtt nicht, nemlich
auf eine geiſtliche, uͤbernatuͤrliche und lebendi-
ge Art, welche die wahre Erkenntniß an ſich
hat. Jſt er gleich kein Atheiſt; ſo iſt doch ſei-
ne Erkenntniß nur theils blos natuͤrlich, theils
blos buchſtaͤblich, welche er ſich aus eignen
Natur-Kraͤften hat zu wege gebracht. Es iſt
demnach unmoͤglich, daß ein beharrlich
Gottloſer erleuchtet ſeyn und nach der
Wahrheit genennet werden koͤnne. Wer ſol-
ches vorgiebt, der ſcheuet ſich nicht dem Apo-
ſtel des HErrn, und alſo Chriſto ſelbſt, zu
widerſprechen. Wolte man ſagen, Johannes
rede alhier von der glaͤubigen und ſeligma-
chenden Erkenntniß, nicht aber von der wah-
ren: ſo waͤre ſolches eine groſſe Leichtſinnig-
keit, ſolchergeſtalt die Worte des Apoſtels zu
entkraͤften, und vorzugeben, als wenn auch
noch eine andere Erkenntniß, als die glaͤubige
und ſeligmachende, die wahre, oder wahrhafte
und aͤchte waͤre. Man conferire hier-
bey was wir davon bereits bey dem andern
Capitel v. 3. u. f. betrachtet haben.
c. Den Erweis ſeines Satzes, daß ein Liebloſer
GOTT nicht kenne, nimmt der Apoſtel da-
von her, da er ſpricht: Denn GOtt iſt die
Liebe.
Wobey zu mercken iſt:
α. Daß dieſes daher von GOTT koͤnne geſa-
get werden, weil alle Eigenſchaften an ihm
weſentlich und unendlich ſind.
β. Daß, GOtt wahrhaftig kennen, ſey ihn
alſo kennen; daß man auch ſeinen Sinn an
ſich nehme und ihm gleich geſinnet werde;
nemlich dadurch, daß, weil die wahre Er-
kenntniß Glaubens-voll iſt, und wenn ſie in
der Seelen aufgehet, die Liebe GOT-
TES, die er zu uns traͤget, in unſer
Hertz ausgegoſſen wird durch den Heili-
gen Geiſt. Da ſich nun GOTT ſolcher
geſtalt als die Liebe erweiſet: und uns zur
Liebe entzuͤndet, ſo kennet der GOtt nicht,
wer nicht in der Liebe ſtehet. Denn ſolte ein
liebloſer GOTT kennen, ſo muͤſte theils
GOtt die Liebe nicht ſeyn, noch ſich als die
Liebe in Mittheilung ſeines Sinnes zu erken-
nen geben, theils muͤſte die Erkenntnß GOt-
tes ohne die glaͤubige und wahre Gemein-
ſchaft mit GOTT ſeyn koͤnnen. Deren
keines ſeyn kan, ſondern beydes wider die
Cathechetiſchen Wahrheiten der Apoſtoli-
ſchen Lehre lauft.
γ. Daß GOtt die Liebe ſey, das muß ja nicht
gemißbrauchet werden, weder zum Nach-
theil ſeiner Gerechtigkeit, daß man daher die
Nothwendigkeit der von dem menſchlichen
Geſchlechte geforderten und von CHriſto ge-
leiſteten Satisfaction leugnen wolte; noch
zur fleiſchlichen Sicherheit. Denn gleich-
wie er die Liebe iſt, ſo iſt er auch die Gerech-
[Spaltenumbruch] tigkeit, und nach derſelben ein verzehrendes
Feuer. Hebr. 12, 29. 2 B. Moſ. 24, 17. 5 B.
Moſ. 4, 24. c. 9, 3.
δ. Wenn wir eine Korn-Aehre im Felde, oder
eine Frucht auf dem Baume, oder eine wohl-
riechende Blume im Garten ſehen, ſo moͤgen
wir wohl gedencken, als rufte ſie uns zu:
GOtt iſt die Liebe! und reitze uns zur
Gegenliebe. Doch iſt dieſer Erweis der Lie-
be GOttes im Reiche der Natur, ſo groß er
auch gleich iſt, noch gering gegen den im Rei-
che der Gnaden, davon der Apoſtel alſo fort-
faͤhret:
V. 9. 10.

Daran iſt erſchienen die Liebe GOt-
tes gegen uns daß GOtt ſeinen eingebor-
nen Sohn geſandt hat in die Welt, daß
wir durch ihn leben ſollen.
Darinn ſtehet
die Liebe, (Joh. 3, 16. Roͤm. 5, 6. u. f.) nicht
daß wir geliebet haben, ſondern daß er
uns geliebet hat und geſandt ſeinen Sohn
zur Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel geſaget hatte, daß
GOtt die Liebe ſey, zuvorderſt weſentlich; ſo be-
zeuget er darauf, wie thaͤtig er ſeine Liebe in dem
groſſen Wercke der Sendung ſeines Sohnes zur
Erloͤſung erwieſen habe. Wir finden der Ord-
nung nach alhier drey Stuͤcke, erſtlich die Liebe
GOttes
an ſich ſelbſt; hernach derſelben Er-
weis
in der Sendung des Sohnes; und denn
dieſes Erweiſes und der Erloͤſung Zweck.

2. Von der Liebe GOttes an ſich ſelbſt
iſt folgendes zu mercken:

a. Das Wort GOtt gehet vorher nach dem
Weſen GOttes auf die heilige Dreyeinigkeit:
hier aber auf die Perſon des Vaters; ſintemal
dabey der Sendung des Sohnes gedacht
wird.
b. Dieſe Liebe heißt auch ſonſt die Gnade, die
Barmhertzigkeit, die Leutſeligkeit und Freund-
lichkeit.
c. Dieſe Liebe iſt gantz unverdienet, da uns GOtt
nach unſerm Verdienſte vielmehr haſſen ſolte.
Darum der Apoſtel ſaget: Darinn ſtehet
die Liebe, nicht daß wir GOtt geliebet
haben,
Siehe Roͤm. 5, 6-10.
d. Dieſe Liebe iſt erſchienen, und in Chriſto
gleichſam ſichtbar gemacht: und alſo hat ſie
ſich auch thaͤtig erwieſen.
e. Sie iſt erſchienen gegen uns, daß ſie ſich auch
offenbaret hat ἐν ὑμῖν, unter und in uns: un-
ter uns
durch die daher entſtehende wuͤrdige
Application, davon es Roͤm. 5, 5. heißt:
Die Liebe GOttes iſt ausgegoſſen in un-
ſern Hertzen durch den Heiligen Geiſt.

Und: Schmecket und ſehet, daß der HErr
freundlich iſt.
Pſ. 34, 9. 1 Pet. 2, 3.

3. Von dem ſo herrlichen Erweiſe der Liebe
GOttes in der Sendung des Sohnes iſt auch
unterſchiedliches inſonderheit zu erwegen:

a. Der Sendende iſt GOtt der Vater, und mit
ihm auch der Heilige Geiſt; als von und mit
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[712/0712] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 7-10. a. Wer nicht Lieb hat, nemlich ſeinen Naͤch- ſten, folglich auch nicht in einer wohlgeordneten Liebe gegen ſich ſelbſt und gegen GOtt ſtehet, der ermangelt der Liebe alſo, daß ſich dafuͤr das Gegentheil bey ihm befindet im Haß und deſ- ſelben vielen Ausbruͤchen. b. Ein Liebloſer kennet GOtt nicht, nemlich auf eine geiſtliche, uͤbernatuͤrliche und lebendi- ge Art, welche die wahre Erkenntniß an ſich hat. Jſt er gleich kein Atheiſt; ſo iſt doch ſei- ne Erkenntniß nur theils blos natuͤrlich, theils blos buchſtaͤblich, welche er ſich aus eignen Natur-Kraͤften hat zu wege gebracht. Es iſt demnach unmoͤglich, daß ein beharrlich Gottloſer erleuchtet ſeyn und nach der Wahrheit genennet werden koͤnne. Wer ſol- ches vorgiebt, der ſcheuet ſich nicht dem Apo- ſtel des HErrn, und alſo Chriſto ſelbſt, zu widerſprechen. Wolte man ſagen, Johannes rede alhier von der glaͤubigen und ſeligma- chenden Erkenntniß, nicht aber von der wah- ren: ſo waͤre ſolches eine groſſe Leichtſinnig- keit, ſolchergeſtalt die Worte des Apoſtels zu entkraͤften, und vorzugeben, als wenn auch noch eine andere Erkenntniß, als die glaͤubige und ſeligmachende, die wahre, oder wahrhafte und aͤchte waͤre. Man conferire hier- bey was wir davon bereits bey dem andern Capitel v. 3. u. f. betrachtet haben. c. Den Erweis ſeines Satzes, daß ein Liebloſer GOTT nicht kenne, nimmt der Apoſtel da- von her, da er ſpricht: Denn GOtt iſt die Liebe. Wobey zu mercken iſt: α. Daß dieſes daher von GOTT koͤnne geſa- get werden, weil alle Eigenſchaften an ihm weſentlich und unendlich ſind. β. Daß, GOtt wahrhaftig kennen, ſey ihn alſo kennen; daß man auch ſeinen Sinn an ſich nehme und ihm gleich geſinnet werde; nemlich dadurch, daß, weil die wahre Er- kenntniß Glaubens-voll iſt, und wenn ſie in der Seelen aufgehet, die Liebe GOT- TES, die er zu uns traͤget, in unſer Hertz ausgegoſſen wird durch den Heili- gen Geiſt. Da ſich nun GOTT ſolcher geſtalt als die Liebe erweiſet: und uns zur Liebe entzuͤndet, ſo kennet der GOtt nicht, wer nicht in der Liebe ſtehet. Denn ſolte ein liebloſer GOTT kennen, ſo muͤſte theils GOtt die Liebe nicht ſeyn, noch ſich als die Liebe in Mittheilung ſeines Sinnes zu erken- nen geben, theils muͤſte die Erkenntnß GOt- tes ohne die glaͤubige und wahre Gemein- ſchaft mit GOTT ſeyn koͤnnen. Deren keines ſeyn kan, ſondern beydes wider die Cathechetiſchen Wahrheiten der Apoſtoli- ſchen Lehre lauft. γ. Daß GOtt die Liebe ſey, das muß ja nicht gemißbrauchet werden, weder zum Nach- theil ſeiner Gerechtigkeit, daß man daher die Nothwendigkeit der von dem menſchlichen Geſchlechte geforderten und von CHriſto ge- leiſteten Satisfaction leugnen wolte; noch zur fleiſchlichen Sicherheit. Denn gleich- wie er die Liebe iſt, ſo iſt er auch die Gerech- tigkeit, und nach derſelben ein verzehrendes Feuer. Hebr. 12, 29. 2 B. Moſ. 24, 17. 5 B. Moſ. 4, 24. c. 9, 3. δ. Wenn wir eine Korn-Aehre im Felde, oder eine Frucht auf dem Baume, oder eine wohl- riechende Blume im Garten ſehen, ſo moͤgen wir wohl gedencken, als rufte ſie uns zu: GOtt iſt die Liebe! und reitze uns zur Gegenliebe. Doch iſt dieſer Erweis der Lie- be GOttes im Reiche der Natur, ſo groß er auch gleich iſt, noch gering gegen den im Rei- che der Gnaden, davon der Apoſtel alſo fort- faͤhret: V. 9. 10. Daran iſt erſchienen die Liebe GOt- tes gegen uns daß GOtt ſeinen eingebor- nen Sohn geſandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben ſollen. Darinn ſtehet die Liebe, (Joh. 3, 16. Roͤm. 5, 6. u. f.) nicht daß wir geliebet haben, ſondern daß er uns geliebet hat und geſandt ſeinen Sohn zur Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde. Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel geſaget hatte, daß GOtt die Liebe ſey, zuvorderſt weſentlich; ſo be- zeuget er darauf, wie thaͤtig er ſeine Liebe in dem groſſen Wercke der Sendung ſeines Sohnes zur Erloͤſung erwieſen habe. Wir finden der Ord- nung nach alhier drey Stuͤcke, erſtlich die Liebe GOttes an ſich ſelbſt; hernach derſelben Er- weis in der Sendung des Sohnes; und denn dieſes Erweiſes und der Erloͤſung Zweck. 2. Von der Liebe GOttes an ſich ſelbſt iſt folgendes zu mercken: a. Das Wort GOtt gehet vorher nach dem Weſen GOttes auf die heilige Dreyeinigkeit: hier aber auf die Perſon des Vaters; ſintemal dabey der Sendung des Sohnes gedacht wird. b. Dieſe Liebe heißt auch ſonſt die Gnade, die Barmhertzigkeit, die Leutſeligkeit und Freund- lichkeit. c. Dieſe Liebe iſt gantz unverdienet, da uns GOtt nach unſerm Verdienſte vielmehr haſſen ſolte. Darum der Apoſtel ſaget: Darinn ſtehet die Liebe, nicht daß wir GOtt geliebet haben, Siehe Roͤm. 5, 6-10. d. Dieſe Liebe iſt erſchienen, und in Chriſto gleichſam ſichtbar gemacht: und alſo hat ſie ſich auch thaͤtig erwieſen. e. Sie iſt erſchienen gegen uns, daß ſie ſich auch offenbaret hat ἐν ὑμῖν, unter und in uns: un- ter uns durch die daher entſtehende wuͤrdige Application, davon es Roͤm. 5, 5. heißt: Die Liebe GOttes iſt ausgegoſſen in un- ſern Hertzen durch den Heiligen Geiſt. Und: Schmecket und ſehet, daß der HErr freundlich iſt. Pſ. 34, 9. 1 Pet. 2, 3. 3. Von dem ſo herrlichen Erweiſe der Liebe GOttes in der Sendung des Sohnes iſt auch unterſchiedliches inſonderheit zu erwegen: a. Der Sendende iſt GOtt der Vater, und mit ihm auch der Heilige Geiſt; als von und mit wel-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/712>, abgerufen am 24.11.2024.