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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefes Pauli Cap. 1. v. 4. 5.
[Spaltenumbruch] auf mehr, denn Besserung, hat die particula
comparativa
mehr vim negandi, und heißt
so viel als, und nicht, wie wir solcher Redens-
Arten mehr haben, als 2 Tim. 3, 4. mehr lie-
ben Wollust denn GOtt.
Siehe auch 1 Cor.
7, 9. Und wird mit der particula comparati-
va
gesehen auf die Einbildungen, welche man
sich dabey von der Erbauung gemacht hat, und
solche damit hinweg genommen. Und gesetzet
auch, es könte etwas einige Erbauung bringen;
wenn aber doch nur mehr Zerstreuung, Vereite-
lung und Gezänck daher entstehet, als Erbauung,
so hat man davon abzustehen.

5. So nützlich, auch nöthig, vielmal das
Fragen ist, um dadurch einen guten Unterricht
zu suchen; so eitel und unnützlich, auch sündlich
ist es hingegen, wenn es im Fürwitze mit ei-
telem Sinne getrieben und auf ein Gezäncke
hinaus geführet wird. Gleichwie sich nun ein
Lehrer vor solchen Materien, welche nur fürwi-
tzige Fragen erregen, zu hüten hat: also hat sich
auch ein Zuhörer vorzusehen, daß er nicht dar-
auf achte und falle, noch das, was er zur Er-
bauung anwenden solte, nur auf eitele Fragen
ziehe.

6. Die beste Erbauung ist, die da ist e en
pisei, die im Glauben geschiehet. Denn
was das Fundament einem Hause, und die Wur
tzel mit dem gesunden Stamme einem Baume ist,
das ist der Glaube dem Christenthum. Jemehr
man darinnen wächset, iemehr erwachsen auch
daraus die Pflichten des Christenthums in Aus-
übung der wohlgeordneten Liebe gegen GOtt,
uns selbst und den Nechsten. Siehe auch 1 Cor.
3. und Ep. Jud. v. 20. Da es heißt: Jhr aber,
meine Lieben, erbauet euch auf euren aller-
heiligsten Glauben durch den heiligen Geist,
und betet.

V. 5.

Denn (Gr. aber) die Haupt-Summa
des Gebots
(welches man gegen die irrige Lehre
zu treiben hat,) ist Liebe (welche alle Pflichten
gegen GOTT, uns selbst und den Nechsten in
sich fasset) aus reinem Hertzen (aus einem sol-
chen Hertzen, welches durch das Blut Christi in
der Rechtfertigung von der Schuld, und durch
die Kraft des heiligen Geistes von der Herr-
schaft der Sünden gereiniget ist) und vom gu-
ten Gewissen
(da man sich überzeuget findet,
daß man die in der Reinigung des Hertzens bey-
gelegte Gnade nicht von sich gestossen hat) und
von ungefärbtem Glauben
(Liebe, welche wie
aus der Quelle eines in der Wiedergeburt und
Rechtfertigung gereinigten Hertzens, also auch
darinn aus dem Grunde eines ungeheuchelten
Glaubens, der durch die Liebe thätig ist, Gal. 5,
6. fliesset.

Anmerckungen.

1. Telos, welches Lutherus gar recht über-
setzet hat, die Haupt-Summa, heißt sonst das
Ende. Da nun das Ende eines jeden Dinges
auf den Zweck oder auf das eigentliche Absehen
gehet, und wenn dieser erhalten werden soll,
die gantze Handlung darnach eingerichtet seyn,
[Spaltenumbruch] und ihre recht Haupt-Summa, oder ihren Haupt-
Jnnhalt haben muß; so kan telos alhier gar
wohl heissen eine solche Haupt-Summa, wohin
alles gerichtet, und worinn alles versasset seyn
soll.

2. Mit dem Wort paraggelia Gebot,
siehet der Apostel zurück auf das vorhergehende
Wort paraggeiles, gebötest; und wieder-
holet es v. 18. und also verstehet er damit nicht
das Gesetz GOttes, davon er hernach handelt,
sondern diejenige Instruction und Commis-
sion,
die er der reinen Lehre wegen wider die
irrige Lehrer Timotheo gegeben hatte.

3. Das Wort Liebe hat gar vieles in sich.
Denn es sind dem grossen Nachdrucke nach da-
bey folgende drey Puncte wohl zu betrachten:

a. Was sie in sich fasse? nemlich alle Pflichten
gegen GOtt, uns seibst und andere Menschen:
als welche alle in ihrem Grunde und in ihrer
eigentlichen Beschaffenheit nichts anders sind
als Liebe, und von ihrem Unterscheide der
Ausübung und der Sache, oder Person, wo-
mit man es zu thun hat, unterschiedliche Be-
nennungen der Tugenden haben. Daher un-
ser Heyland mit Recht saget, Matth. 22, 37-
40. daß in den zweyen Geboten von der Lie-
be GOttes und des Nechsten hange das Ge-
setz und die Propheten;
so fern sie nemlich
nicht auf das Evangelium gehen. Und Röm.
13, 10. Gal. 5, 14. heißt es, daß die Liebe
sey das Gesetzes Erfüllung.
b. Jhre Vortreflichkeit, oder ihr Vorzug
vor allen sonst herrlichen und ausserordentli-
chen Gaben; davon, wie auch von ihrer man-
cherley Art und Ausübung Paulus 1 Cor. 13.
handelt.
c. Jhre Dauerung, oder Beständigkeit:
sintemal sie währet in alle Ewigkeit. Denn
wenn der Glaube ins Schauen verwandelt
wird 2 Cor. 5, 7. und die Hoffnung aufhöret;
weil man das, was man siehet, nicht erst hof-
fen darf Röm. 8, 24. 25. so bleibet die Liebe
und kömmt erst zu ihrer rechten Vollkommen-
heit.

4. Durch das Wort Hertz wird in der
heiligen Schrift, nach der Hebräischen Mund-
Art, sonderlich der Wille des Menschen ver-
standen. Dieser ist nun mit einer gedoppelten
Sünden-Unreinigkeit behaftet: nemlich mit
der Sünden-Herrschaft, welche in der unor-
dentlichen und bösen Lust lieget und sich hervor-
thut; und mit der Sünden-Schuld. Und
folglich geschiehet die Reinigung des Her-
tzens
in Ansehung der Sünden-Herrschaft
durch die Wiedergeburt; in Ansehung der
Schuld aber durch die Rechtfertigung, da die
Schuld hinweg genommen wird durch Zuei-
gnung des Blutes oder des Versöhn-Opfers
Christi. Von welcher gedoppelten Reinigung
man unter andern sehe Ps. 51, 9. 12. Jes. 1, 16.
81. Ap. Ges. 15, 9. 1 Cor. 6, 11. Hebr. 9, 14. c. 10,
22. 23. 1 Joh. 1, 7. Offenb. 1, 7. c. 7, 14.

5. Wenn nun die Liebe aus dem reinen
Hertzen
hergeleitet wird, so wird sie damit
von der bloß natürlichen Liebe gar nachdrücklich

unter-

Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 4. 5.
[Spaltenumbruch] auf mehr, denn Beſſerung, hat die particula
comparativa
mehr vim negandi, und heißt
ſo viel als, und nicht, wie wir ſolcher Redens-
Arten mehr haben, als 2 Tim. 3, 4. mehr lie-
ben Wolluſt denn GOtt.
Siehe auch 1 Cor.
7, 9. Und wird mit der particula comparati-
va
geſehen auf die Einbildungen, welche man
ſich dabey von der Erbauung gemacht hat, und
ſolche damit hinweg genommen. Und geſetzet
auch, es koͤnte etwas einige Erbauung bringen;
wenn aber doch nur mehr Zerſtreuung, Vereite-
lung und Gezaͤnck daher entſtehet, als Erbauung,
ſo hat man davon abzuſtehen.

5. So nuͤtzlich, auch noͤthig, vielmal das
Fragen iſt, um dadurch einen guten Unterricht
zu ſuchen; ſo eitel und unnuͤtzlich, auch ſuͤndlich
iſt es hingegen, wenn es im Fuͤrwitze mit ei-
telem Sinne getrieben und auf ein Gezaͤncke
hinaus gefuͤhret wird. Gleichwie ſich nun ein
Lehrer vor ſolchen Materien, welche nur fuͤrwi-
tzige Fragen erregen, zu huͤten hat: alſo hat ſich
auch ein Zuhoͤrer vorzuſehen, daß er nicht dar-
auf achte und falle, noch das, was er zur Er-
bauung anwenden ſolte, nur auf eitele Fragen
ziehe.

6. Die beſte Erbauung iſt, die da iſt ἡ ἐν
πἵςει, die im Glauben geſchiehet. Denn
was das Fundament einem Hauſe, und die Wur
tzel mit dem geſunden Stamme einem Baume iſt,
das iſt der Glaube dem Chriſtenthum. Jemehr
man darinnen waͤchſet, iemehr erwachſen auch
daraus die Pflichten des Chriſtenthums in Aus-
uͤbung der wohlgeordneten Liebe gegen GOtt,
uns ſelbſt und den Nechſten. Siehe auch 1 Cor.
3. und Ep. Jud. v. 20. Da es heißt: Jhr aber,
meine Lieben, erbauet euch auf euren aller-
heiligſten Glauben durch den heiligen Geiſt,
und betet.

V. 5.

Denn (Gr. aber) die Haupt-Summa
des Gebots
(welches man gegen die irrige Lehre
zu treiben hat,) iſt Liebe (welche alle Pflichten
gegen GOTT, uns ſelbſt und den Nechſten in
ſich faſſet) aus reinem Hertzen (aus einem ſol-
chen Hertzen, welches durch das Blut Chriſti in
der Rechtfertigung von der Schuld, und durch
die Kraft des heiligen Geiſtes von der Herr-
ſchaft der Suͤnden gereiniget iſt) und vom gu-
ten Gewiſſen
(da man ſich uͤberzeuget findet,
daß man die in der Reinigung des Hertzens bey-
gelegte Gnade nicht von ſich geſtoſſen hat) und
von ungefaͤrbtem Glauben
(Liebe, welche wie
aus der Quelle eines in der Wiedergeburt und
Rechtfertigung gereinigten Hertzens, alſo auch
darinn aus dem Grunde eines ungeheuchelten
Glaubens, der durch die Liebe thaͤtig iſt, Gal. 5,
6. flieſſet.

Anmerckungen.

1. Τέλος, welches Lutherus gar recht uͤber-
ſetzet hat, die Haupt-Summa, heißt ſonſt das
Ende. Da nun das Ende eines jeden Dinges
auf den Zweck oder auf das eigentliche Abſehen
gehet, und wenn dieſer erhalten werden ſoll,
die gantze Handlung darnach eingerichtet ſeyn,
[Spaltenumbruch] und ihre recht Haupt-Summa, oder ihren Haupt-
Jnnhalt haben muß; ſo kan τέλος alhier gar
wohl heiſſen eine ſolche Haupt-Summa, wohin
alles gerichtet, und worinn alles verſaſſet ſeyn
ſoll.

2. Mit dem Wort ϖαραγγελία Gebot,
ſiehet der Apoſtel zuruͤck auf das vorhergehende
Wort ϖαραγγείλης, geboͤteſt; und wieder-
holet es v. 18. und alſo verſtehet er damit nicht
das Geſetz GOttes, davon er hernach handelt,
ſondern diejenige Inſtruction und Commis-
ſion,
die er der reinen Lehre wegen wider die
irrige Lehrer Timotheo gegeben hatte.

3. Das Wort Liebe hat gar vieles in ſich.
Denn es ſind dem groſſen Nachdrucke nach da-
bey folgende drey Puncte wohl zu betrachten:

a. Was ſie in ſich faſſe? nemlich alle Pflichten
gegen GOtt, uns ſeibſt und andere Menſchen:
als welche alle in ihrem Grunde und in ihrer
eigentlichen Beſchaffenheit nichts anders ſind
als Liebe, und von ihrem Unterſcheide der
Ausuͤbung und der Sache, oder Perſon, wo-
mit man es zu thun hat, unterſchiedliche Be-
nennungen der Tugenden haben. Daher un-
ſer Heyland mit Recht ſaget, Matth. 22, 37-
40. daß in den zweyen Geboten von der Lie-
be GOttes und des Nechſten hange das Ge-
ſetz und die Propheten;
ſo fern ſie nemlich
nicht auf das Evangelium gehen. Und Roͤm.
13, 10. Gal. 5, 14. heißt es, daß die Liebe
ſey das Geſetzes Erfuͤllung.
b. Jhre Vortreflichkeit, oder ihr Vorzug
vor allen ſonſt herrlichen und auſſerordentli-
chen Gaben; davon, wie auch von ihrer man-
cherley Art und Ausuͤbung Paulus 1 Cor. 13.
handelt.
c. Jhre Dauerung, oder Beſtaͤndigkeit:
ſintemal ſie waͤhret in alle Ewigkeit. Denn
wenn der Glaube ins Schauen verwandelt
wird 2 Cor. 5, 7. und die Hoffnung aufhoͤret;
weil man das, was man ſiehet, nicht erſt hof-
fen darf Roͤm. 8, 24. 25. ſo bleibet die Liebe
und koͤmmt erſt zu ihrer rechten Vollkommen-
heit.

4. Durch das Wort Hertz wird in der
heiligen Schrift, nach der Hebraͤiſchen Mund-
Art, ſonderlich der Wille des Menſchen ver-
ſtanden. Dieſer iſt nun mit einer gedoppelten
Suͤnden-Unreinigkeit behaftet: nemlich mit
der Suͤnden-Herrſchaft, welche in der unor-
dentlichen und boͤſen Luſt lieget und ſich hervor-
thut; und mit der Suͤnden-Schuld. Und
folglich geſchiehet die Reinigung des Her-
tzens
in Anſehung der Suͤnden-Herrſchaft
durch die Wiedergeburt; in Anſehung der
Schuld aber durch die Rechtfertigung, da die
Schuld hinweg genommen wird durch Zuei-
gnung des Blutes oder des Verſoͤhn-Opfers
Chriſti. Von welcher gedoppelten Reinigung
man unter andern ſehe Pſ. 51, 9. 12. Jeſ. 1, 16.
81. Ap. Geſ. 15, 9. 1 Cor. 6, 11. Hebr. 9, 14. c. 10,
22. 23. 1 Joh. 1, 7. Offenb. 1, 7. c. 7, 14.

5. Wenn nun die Liebe aus dem reinen
Hertzen
hergeleitet wird, ſo wird ſie damit
von der bloß natuͤrlichen Liebe gar nachdruͤcklich

unter-
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[80/0082] Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 1. v. 4. 5. auf mehr, denn Beſſerung, hat die particula comparativa mehr vim negandi, und heißt ſo viel als, und nicht, wie wir ſolcher Redens- Arten mehr haben, als 2 Tim. 3, 4. mehr lie- ben Wolluſt denn GOtt. Siehe auch 1 Cor. 7, 9. Und wird mit der particula comparati- va geſehen auf die Einbildungen, welche man ſich dabey von der Erbauung gemacht hat, und ſolche damit hinweg genommen. Und geſetzet auch, es koͤnte etwas einige Erbauung bringen; wenn aber doch nur mehr Zerſtreuung, Vereite- lung und Gezaͤnck daher entſtehet, als Erbauung, ſo hat man davon abzuſtehen. 5. So nuͤtzlich, auch noͤthig, vielmal das Fragen iſt, um dadurch einen guten Unterricht zu ſuchen; ſo eitel und unnuͤtzlich, auch ſuͤndlich iſt es hingegen, wenn es im Fuͤrwitze mit ei- telem Sinne getrieben und auf ein Gezaͤncke hinaus gefuͤhret wird. Gleichwie ſich nun ein Lehrer vor ſolchen Materien, welche nur fuͤrwi- tzige Fragen erregen, zu huͤten hat: alſo hat ſich auch ein Zuhoͤrer vorzuſehen, daß er nicht dar- auf achte und falle, noch das, was er zur Er- bauung anwenden ſolte, nur auf eitele Fragen ziehe. 6. Die beſte Erbauung iſt, die da iſt ἡ ἐν πἵςει, die im Glauben geſchiehet. Denn was das Fundament einem Hauſe, und die Wur tzel mit dem geſunden Stamme einem Baume iſt, das iſt der Glaube dem Chriſtenthum. Jemehr man darinnen waͤchſet, iemehr erwachſen auch daraus die Pflichten des Chriſtenthums in Aus- uͤbung der wohlgeordneten Liebe gegen GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten. Siehe auch 1 Cor. 3. und Ep. Jud. v. 20. Da es heißt: Jhr aber, meine Lieben, erbauet euch auf euren aller- heiligſten Glauben durch den heiligen Geiſt, und betet. V. 5. Denn (Gr. aber) die Haupt-Summa des Gebots (welches man gegen die irrige Lehre zu treiben hat,) iſt Liebe (welche alle Pflichten gegen GOTT, uns ſelbſt und den Nechſten in ſich faſſet) aus reinem Hertzen (aus einem ſol- chen Hertzen, welches durch das Blut Chriſti in der Rechtfertigung von der Schuld, und durch die Kraft des heiligen Geiſtes von der Herr- ſchaft der Suͤnden gereiniget iſt) und vom gu- ten Gewiſſen (da man ſich uͤberzeuget findet, daß man die in der Reinigung des Hertzens bey- gelegte Gnade nicht von ſich geſtoſſen hat) und von ungefaͤrbtem Glauben (Liebe, welche wie aus der Quelle eines in der Wiedergeburt und Rechtfertigung gereinigten Hertzens, alſo auch darinn aus dem Grunde eines ungeheuchelten Glaubens, der durch die Liebe thaͤtig iſt, Gal. 5, 6. flieſſet. Anmerckungen. 1. Τέλος, welches Lutherus gar recht uͤber- ſetzet hat, die Haupt-Summa, heißt ſonſt das Ende. Da nun das Ende eines jeden Dinges auf den Zweck oder auf das eigentliche Abſehen gehet, und wenn dieſer erhalten werden ſoll, die gantze Handlung darnach eingerichtet ſeyn, und ihre recht Haupt-Summa, oder ihren Haupt- Jnnhalt haben muß; ſo kan τέλος alhier gar wohl heiſſen eine ſolche Haupt-Summa, wohin alles gerichtet, und worinn alles verſaſſet ſeyn ſoll. 2. Mit dem Wort ϖαραγγελία Gebot, ſiehet der Apoſtel zuruͤck auf das vorhergehende Wort ϖαραγγείλης, geboͤteſt; und wieder- holet es v. 18. und alſo verſtehet er damit nicht das Geſetz GOttes, davon er hernach handelt, ſondern diejenige Inſtruction und Commis- ſion, die er der reinen Lehre wegen wider die irrige Lehrer Timotheo gegeben hatte. 3. Das Wort Liebe hat gar vieles in ſich. Denn es ſind dem groſſen Nachdrucke nach da- bey folgende drey Puncte wohl zu betrachten: a. Was ſie in ſich faſſe? nemlich alle Pflichten gegen GOtt, uns ſeibſt und andere Menſchen: als welche alle in ihrem Grunde und in ihrer eigentlichen Beſchaffenheit nichts anders ſind als Liebe, und von ihrem Unterſcheide der Ausuͤbung und der Sache, oder Perſon, wo- mit man es zu thun hat, unterſchiedliche Be- nennungen der Tugenden haben. Daher un- ſer Heyland mit Recht ſaget, Matth. 22, 37- 40. daß in den zweyen Geboten von der Lie- be GOttes und des Nechſten hange das Ge- ſetz und die Propheten; ſo fern ſie nemlich nicht auf das Evangelium gehen. Und Roͤm. 13, 10. Gal. 5, 14. heißt es, daß die Liebe ſey das Geſetzes Erfuͤllung. b. Jhre Vortreflichkeit, oder ihr Vorzug vor allen ſonſt herrlichen und auſſerordentli- chen Gaben; davon, wie auch von ihrer man- cherley Art und Ausuͤbung Paulus 1 Cor. 13. handelt. c. Jhre Dauerung, oder Beſtaͤndigkeit: ſintemal ſie waͤhret in alle Ewigkeit. Denn wenn der Glaube ins Schauen verwandelt wird 2 Cor. 5, 7. und die Hoffnung aufhoͤret; weil man das, was man ſiehet, nicht erſt hof- fen darf Roͤm. 8, 24. 25. ſo bleibet die Liebe und koͤmmt erſt zu ihrer rechten Vollkommen- heit. 4. Durch das Wort Hertz wird in der heiligen Schrift, nach der Hebraͤiſchen Mund- Art, ſonderlich der Wille des Menſchen ver- ſtanden. Dieſer iſt nun mit einer gedoppelten Suͤnden-Unreinigkeit behaftet: nemlich mit der Suͤnden-Herrſchaft, welche in der unor- dentlichen und boͤſen Luſt lieget und ſich hervor- thut; und mit der Suͤnden-Schuld. Und folglich geſchiehet die Reinigung des Her- tzens in Anſehung der Suͤnden-Herrſchaft durch die Wiedergeburt; in Anſehung der Schuld aber durch die Rechtfertigung, da die Schuld hinweg genommen wird durch Zuei- gnung des Blutes oder des Verſoͤhn-Opfers Chriſti. Von welcher gedoppelten Reinigung man unter andern ſehe Pſ. 51, 9. 12. Jeſ. 1, 16. 81. Ap. Geſ. 15, 9. 1 Cor. 6, 11. Hebr. 9, 14. c. 10, 22. 23. 1 Joh. 1, 7. Offenb. 1, 7. c. 7, 14. 5. Wenn nun die Liebe aus dem reinen Hertzen hergeleitet wird, ſo wird ſie damit von der bloß natuͤrlichen Liebe gar nachdruͤcklich unter-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/82>, abgerufen am 27.11.2024.