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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 1. v. 5. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] unterschieden, und angezeiget, daß sie eine sol-
che Frucht des heiligen Geistes sey, welche sich
nur bey einem wiedergebornen und gerechtfer-
tigten Menschen befinde.

6. Das Gewissen ist derjenige Zustand
der Seelen, nach welchem der Mensch sich des-
sen, was er nach dem Gesetze GOttes thun oder
lassen soll, und gethan oder gelassen habe, also
bewust ist, daß er darüber innerlich entweder be-
ruhiget, oder beunruhiget wird. Dieses Ge-
wissen
ist böse, wenn sich der Menschen einer
wider das erkannte Gesetz GOttes gethanen
bösen innerlichen oder äusserlichen Handelung
zu seiner Beunruhigung bewust ist: dergleichen
böses Gewissen sich bey allen unbekehrten Leu-
ten befindet. Gut aber ist es, wenn sich der
Mensch zu seiner Beruhigung bewust ist, daß er,
ob zwar in vieler Unvollkommenheit, doch in aller
Aufrichtigkeit, nach dem Gesetze GOttes gehan-
delt habe.

7. Nun stehet ein reines Hertz und ein
gutes Gewissen beysammen: sintemal sich kein
eigentlich gutes Gewissen findet, als nur bey
denen, welche eines zuvor beschriebenen reinen
Hertzens sind, oder deren Gewissen gereiniget
ist von den todten Wercken Hebr. 9, 14. Von
welchem guten Gewissen der bloß natürliche
Mensch in seinen, in ihrer Maße guten, oder rech-
ten, Handlungen nur einen Schatten hat.

8. Liebe von einem guten Gewissen ist
nun eine solche Ausübung aller Pflichten gegen
GOtt, uns selbst und den Nechsten, bey welcher
der Mensch, in der aufrichtigen Prüfung seiner
selbst, zu seiner Beruhigung und Zufriedenheit,
das Zeugniß in sich hat, daß er nach seiner Er-
känntniß, ob gleich schwächlich, doch getreulich
gehandelt habe. Man sehe sonst vom guten
Gewissen Ap. Ges. 23, 1. 1 Tim. 1, 19. 1 Pet. 3,
16. 21. Hebr. 10, 22.

9. Daß der Apostel die Liebe aus dem
Glauben
herleitet, damit zeiget er an, daß die
wahre Liebe, ob sie es gleich eigentlich mit den
Pflichten nach dem Gesetze zu thun hat, dennoch
Evangelischer Art seyn, das ist, die Evangeli-
schen Glaubens-Geheimniße und Glaubens-
Lehren und den an GOTT darauf gerichteten
wahren Glauben des Hertzens zum Grunde ha-
ben müsse: wie denn der Glaube ist die rechte
Quelle, die Mutter und Wurtzel der Liebe, der
sich durch die Liebe thätig erweiset, und ohne Lie-
be todt an sich selbst ist Gal. 5, 6. Jac. 2, 17.

10. Und ein solcher Glaube ist denn auch
ungefärbt, Gr. anupokritos, ohne Heuehe-
ley, ohne falschen Schein und Glantz, wie
angestrichene oder gefärbte Dinge haben,
die, was ihnen nicht wesentlich ist, von der
Farbe nur zum Schein haben. Da nun
ein gefärbter Schein-Gläube ist ein solcher,
welchem es an seinem wahren Ursprunge, an sei-
ner wahren Beschaffenheit, an seinen wahren
Handelungen und an seinen Früchten fehlet: so
ist ein ungefärbter Glaube nichts anders, als
ein wahrer, ächter, lebendiger, thätiger und also
auch seligmachender Glaube, der da hat: a sei-
nen wahren Ursprung in der Wiedergeburt,
[Spaltenumbruch] nach welchem er ist von GOtt gewircket Joh. 6,
29. Eph. 2, 8. b. Seine wahre Beschaffen-
heit,
nach welcher er ist ein geistliches Leben
und geistliches Licht in der Seele, und also ei-
ne rechte uposasis, selbstständige würckliche
Kraft. Hebr. 11, 1. die ihr rechtes ergon, oder
Realität hat. 1 Thess. 1, 3. c. Seine wahre
Handlung in dem zuversichtlichen Zutritt und
Zunahen zu GOTT, da er aus der Fülle
JESU empfähet Gnade um Gnade zur Necht-
fertigung und Heiligung Joh. 1, 16. Eph. 3, 12.
Hebr. 4, 16. c. 10, 22. 23. wie auch in den Früch-
ten, oder in Beweisung der Pflichten gegen GOtt,
uns selbst und den Nechsten.

11. Gleichwie die bisher erklärten Worte
dieses Textes an sich selbst von grossem Nach-
druck sind; so führen sie auch ein gresses Ge-
wicht mit sich in ihrer Structur und Ordnung.
Denn da sehen wir erstlich den Grund, wor-
auf bey der Application des erworbenen Heyls
alles ankömmt, nemlich auf die Wiederge-
burt
und Rechtfertigung, dadurch wir zur
Reinigung und Reinigkeit des Hertzens gelan-
gen. Und auf diesen Grund wird das gantze
durch das Wort Liebe angezeigete, oder in der
Liebe bestehende thätige Christenthum gebauet.
Nun aber kömmt es bey diesem in dem Wercke
der Erncuerung, sonderlich auf diese zwey
Haupt-Stücke an; nemlich darauf, daß der
Mensch in derselben Ausübung sich getreu und
aufrichtig erweise nach der empfangenen Gna-
de; nicht weniger auch darauf, daß, wenn
er bey solcher seiner Treue und Aufrichtigkeit ei-
nes Theils seine geistliche Stärcke und Wer-
cke, andern theils aber auch seine noch ankle-
bende gresse Unvollkommenheit siehet und er-
kennet, er sich weder durch jenes erhebe und et-
was sich selbst zu schreibe, noch durch dieses den
Muth sincken, und niederschlagen lasse, son-
dern wie getreulich, also auch demüthig und zu-
versichtlich vor GOTT wandele, und in dem
Wege der Erneuerung einher gehe. Und dazu
dienet ihm das gute Gewissen und der unge-
färbte Glaube.
Denn das gute Gewissen
stehet mit seiner Bewahrung der Untreu und
dem Mißbrauche des Evangelii zur fleischlichen
Sicherheit entgegen: Und der ungefärbte
Glaube
erhält das Hertz wie in der Niedrig-
keit, da man sich selbst nichts, sondern al-
les GOTT zuschreibet; also auch in der
kindlichen und zuversichtlichen Freudigkeit bey
aller noch übrigen Schwachheit, in der Ver-
sicherung, daß man bey derselben an GOTT
in Christo doch einen gnädigen Vater, Ver-
gebung der Sünden und Leben und Seligkeit
habe. Es hat demnach dieser Apostolische Text
sowol besonders in allen und ieden Worten, als
auch in derselben Structur und Ordnung eine
grosse Fülle und ist von grossem Nachdrucke.

12. Will nun iemand sagen, es komme bey
der Christlichen Religion nur allein an auf die
Liebe und dero thätigen Ausübung, nicht aber auf
die Glaubens-Lehren; als darum es stehen mö-
ge, wie es wolle; sintemal Paulus, als er dem
Timotheo eine Instruction gegeben, wie er sich

der
L

Cap. 1. v. 5. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] unterſchieden, und angezeiget, daß ſie eine ſol-
che Frucht des heiligen Geiſtes ſey, welche ſich
nur bey einem wiedergebornen und gerechtfer-
tigten Menſchen befinde.

6. Das Gewiſſen iſt derjenige Zuſtand
der Seelen, nach welchem der Menſch ſich deſ-
ſen, was er nach dem Geſetze GOttes thun oder
laſſen ſoll, und gethan oder gelaſſen habe, alſo
bewuſt iſt, daß er daruͤber innerlich entweder be-
ruhiget, oder beunruhiget wird. Dieſes Ge-
wiſſen
iſt boͤſe, wenn ſich der Menſchen einer
wider das erkannte Geſetz GOttes gethanen
boͤſen innerlichen oder aͤuſſerlichen Handelung
zu ſeiner Beunruhigung bewuſt iſt: dergleichen
boͤſes Gewiſſen ſich bey allen unbekehrten Leu-
ten befindet. Gut aber iſt es, wenn ſich der
Menſch zu ſeiner Beruhigung bewuſt iſt, daß er,
ob zwar in vieler Unvollkommenheit, doch in aller
Aufrichtigkeit, nach dem Geſetze GOttes gehan-
delt habe.

7. Nun ſtehet ein reines Hertz und ein
gutes Gewiſſen beyſammen: ſintemal ſich kein
eigentlich gutes Gewiſſen findet, als nur bey
denen, welche eines zuvor beſchriebenen reinen
Hertzens ſind, oder deren Gewiſſen gereiniget
iſt von den todten Wercken Hebr. 9, 14. Von
welchem guten Gewiſſen der bloß natuͤrliche
Menſch in ſeinen, in ihrer Maße guten, oder rech-
ten, Handlungen nur einen Schatten hat.

8. Liebe von einem guten Gewiſſen iſt
nun eine ſolche Ausuͤbung aller Pflichten gegen
GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten, bey welcher
der Menſch, in der aufrichtigen Pruͤfung ſeiner
ſelbſt, zu ſeiner Beruhigung und Zufriedenheit,
das Zeugniß in ſich hat, daß er nach ſeiner Er-
kaͤnntniß, ob gleich ſchwaͤchlich, doch getreulich
gehandelt habe. Man ſehe ſonſt vom guten
Gewiſſen Ap. Geſ. 23, 1. 1 Tim. 1, 19. 1 Pet. 3,
16. 21. Hebr. 10, 22.

9. Daß der Apoſtel die Liebe aus dem
Glauben
herleitet, damit zeiget er an, daß die
wahre Liebe, ob ſie es gleich eigentlich mit den
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Evangeliſcher Art ſeyn, das iſt, die Evangeli-
ſchen Glaubens-Geheimniße und Glaubens-
Lehren und den an GOTT darauf gerichteten
wahren Glauben des Hertzens zum Grunde ha-
ben muͤſſe: wie denn der Glaube iſt die rechte
Quelle, die Mutter und Wurtzel der Liebe, der
ſich durch die Liebe thaͤtig erweiſet, und ohne Lie-
be todt an ſich ſelbſt iſt Gal. 5, 6. Jac. 2, 17.

10. Und ein ſolcher Glaube iſt denn auch
ungefaͤrbt, Gr. ἀνυπόκριτος, ohne Heuehe-
ley, ohne falſchen Schein und Glantz, wie
angeſtrichene oder gefaͤrbte Dinge haben,
die, was ihnen nicht weſentlich iſt, von der
Farbe nur zum Schein haben. Da nun
ein gefaͤrbter Schein-Glaͤube iſt ein ſolcher,
welchem es an ſeinem wahren Urſprunge, an ſei-
ner wahren Beſchaffenheit, an ſeinen wahren
Handelungen und an ſeinen Fruͤchten fehlet: ſo
iſt ein ungefaͤrbter Glaube nichts anders, als
ein wahrer, aͤchter, lebendiger, thaͤtiger und alſo
auch ſeligmachender Glaube, der da hat: a ſei-
nen wahren Urſprung in der Wiedergeburt,
[Spaltenumbruch] nach welchem er iſt von GOtt gewircket Joh. 6,
29. Eph. 2, 8. b. Seine wahre Beſchaffen-
heit,
nach welcher er iſt ein geiſtliches Leben
und geiſtliches Licht in der Seele, und alſo ei-
ne rechte ὑπόςασις, ſelbſtſtaͤndige wuͤrckliche
Kraft. Hebr. 11, 1. die ihr rechtes ἔργον, oder
Realitaͤt hat. 1 Theſſ. 1, 3. c. Seine wahre
Handlung in dem zuverſichtlichen Zutritt und
Zunahen zu GOTT, da er aus der Fuͤlle
JESU empfaͤhet Gnade um Gnade zur Necht-
fertigung und Heiligung Joh. 1, 16. Eph. 3, 12.
Hebr. 4, 16. c. 10, 22. 23. wie auch in den Fruͤch-
ten, oder in Beweiſung der Pflichten gegen GOtt,
uns ſelbſt und den Nechſten.

11. Gleichwie die bisher erklaͤrten Worte
dieſes Textes an ſich ſelbſt von groſſem Nach-
druck ſind; ſo fuͤhren ſie auch ein greſſes Ge-
wicht mit ſich in ihrer Structur und Ordnung.
Denn da ſehen wir erſtlich den Grund, wor-
auf bey der Application des erworbenen Heyls
alles ankoͤmmt, nemlich auf die Wiederge-
burt
und Rechtfertigung, dadurch wir zur
Reinigung und Reinigkeit des Hertzens gelan-
gen. Und auf dieſen Grund wird das gantze
durch das Wort Liebe angezeigete, oder in der
Liebe beſtehende thaͤtige Chriſtenthum gebauet.
Nun aber koͤmmt es bey dieſem in dem Wercke
der Erncuerung, ſonderlich auf dieſe zwey
Haupt-Stuͤcke an; nemlich darauf, daß der
Menſch in derſelben Ausuͤbung ſich getreu und
aufrichtig erweiſe nach der empfangenen Gna-
de; nicht weniger auch darauf, daß, wenn
er bey ſolcher ſeiner Treue und Aufrichtigkeit ei-
nes Theils ſeine geiſtliche Staͤrcke und Wer-
cke, andern theils aber auch ſeine noch ankle-
bende greſſe Unvollkommenheit ſiehet und er-
kennet, er ſich weder durch jenes erhebe und et-
was ſich ſelbſt zu ſchreibe, noch durch dieſes den
Muth ſincken, und niederſchlagen laſſe, ſon-
dern wie getreulich, alſo auch demuͤthig und zu-
verſichtlich vor GOTT wandele, und in dem
Wege der Erneuerung einher gehe. Und dazu
dienet ihm das gute Gewiſſen und der unge-
faͤrbte Glaube.
Denn das gute Gewiſſen
ſtehet mit ſeiner Bewahrung der Untreu und
dem Mißbrauche des Evangelii zur fleiſchlichen
Sicherheit entgegen: Und der ungefaͤrbte
Glaube
erhaͤlt das Hertz wie in der Niedrig-
keit, da man ſich ſelbſt nichts, ſondern al-
les GOTT zuſchreibet; alſo auch in der
kindlichen und zuverſichtlichen Freudigkeit bey
aller noch uͤbrigen Schwachheit, in der Ver-
ſicherung, daß man bey derſelben an GOTT
in Chriſto doch einen gnaͤdigen Vater, Ver-
gebung der Suͤnden und Leben und Seligkeit
habe. Es hat demnach dieſer Apoſtoliſche Text
ſowol beſonders in allen und ieden Worten, als
auch in derſelben Structur und Ordnung eine
groſſe Fuͤlle und iſt von groſſem Nachdrucke.

12. Will nun iemand ſagen, es komme bey
der Chriſtlichen Religion nur allein an auf die
Liebe und dero thaͤtigen Ausuͤbung, nicht aber auf
die Glaubens-Lehren; als darum es ſtehen moͤ-
ge, wie es wolle; ſintemal Paulus, als er dem
Timotheo eine Inſtruction gegeben, wie er ſich

der
L
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[81/0083] Cap. 1. v. 5. an den Timotheum. unterſchieden, und angezeiget, daß ſie eine ſol- che Frucht des heiligen Geiſtes ſey, welche ſich nur bey einem wiedergebornen und gerechtfer- tigten Menſchen befinde. 6. Das Gewiſſen iſt derjenige Zuſtand der Seelen, nach welchem der Menſch ſich deſ- ſen, was er nach dem Geſetze GOttes thun oder laſſen ſoll, und gethan oder gelaſſen habe, alſo bewuſt iſt, daß er daruͤber innerlich entweder be- ruhiget, oder beunruhiget wird. Dieſes Ge- wiſſen iſt boͤſe, wenn ſich der Menſchen einer wider das erkannte Geſetz GOttes gethanen boͤſen innerlichen oder aͤuſſerlichen Handelung zu ſeiner Beunruhigung bewuſt iſt: dergleichen boͤſes Gewiſſen ſich bey allen unbekehrten Leu- ten befindet. Gut aber iſt es, wenn ſich der Menſch zu ſeiner Beruhigung bewuſt iſt, daß er, ob zwar in vieler Unvollkommenheit, doch in aller Aufrichtigkeit, nach dem Geſetze GOttes gehan- delt habe. 7. Nun ſtehet ein reines Hertz und ein gutes Gewiſſen beyſammen: ſintemal ſich kein eigentlich gutes Gewiſſen findet, als nur bey denen, welche eines zuvor beſchriebenen reinen Hertzens ſind, oder deren Gewiſſen gereiniget iſt von den todten Wercken Hebr. 9, 14. Von welchem guten Gewiſſen der bloß natuͤrliche Menſch in ſeinen, in ihrer Maße guten, oder rech- ten, Handlungen nur einen Schatten hat. 8. Liebe von einem guten Gewiſſen iſt nun eine ſolche Ausuͤbung aller Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten, bey welcher der Menſch, in der aufrichtigen Pruͤfung ſeiner ſelbſt, zu ſeiner Beruhigung und Zufriedenheit, das Zeugniß in ſich hat, daß er nach ſeiner Er- kaͤnntniß, ob gleich ſchwaͤchlich, doch getreulich gehandelt habe. Man ſehe ſonſt vom guten Gewiſſen Ap. Geſ. 23, 1. 1 Tim. 1, 19. 1 Pet. 3, 16. 21. Hebr. 10, 22. 9. Daß der Apoſtel die Liebe aus dem Glauben herleitet, damit zeiget er an, daß die wahre Liebe, ob ſie es gleich eigentlich mit den Pflichten nach dem Geſetze zu thun hat, dennoch Evangeliſcher Art ſeyn, das iſt, die Evangeli- ſchen Glaubens-Geheimniße und Glaubens- Lehren und den an GOTT darauf gerichteten wahren Glauben des Hertzens zum Grunde ha- ben muͤſſe: wie denn der Glaube iſt die rechte Quelle, die Mutter und Wurtzel der Liebe, der ſich durch die Liebe thaͤtig erweiſet, und ohne Lie- be todt an ſich ſelbſt iſt Gal. 5, 6. Jac. 2, 17. 10. Und ein ſolcher Glaube iſt denn auch ungefaͤrbt, Gr. ἀνυπόκριτος, ohne Heuehe- ley, ohne falſchen Schein und Glantz, wie angeſtrichene oder gefaͤrbte Dinge haben, die, was ihnen nicht weſentlich iſt, von der Farbe nur zum Schein haben. Da nun ein gefaͤrbter Schein-Glaͤube iſt ein ſolcher, welchem es an ſeinem wahren Urſprunge, an ſei- ner wahren Beſchaffenheit, an ſeinen wahren Handelungen und an ſeinen Fruͤchten fehlet: ſo iſt ein ungefaͤrbter Glaube nichts anders, als ein wahrer, aͤchter, lebendiger, thaͤtiger und alſo auch ſeligmachender Glaube, der da hat: a ſei- nen wahren Urſprung in der Wiedergeburt, nach welchem er iſt von GOtt gewircket Joh. 6, 29. Eph. 2, 8. b. Seine wahre Beſchaffen- heit, nach welcher er iſt ein geiſtliches Leben und geiſtliches Licht in der Seele, und alſo ei- ne rechte ὑπόςασις, ſelbſtſtaͤndige wuͤrckliche Kraft. Hebr. 11, 1. die ihr rechtes ἔργον, oder Realitaͤt hat. 1 Theſſ. 1, 3. c. Seine wahre Handlung in dem zuverſichtlichen Zutritt und Zunahen zu GOTT, da er aus der Fuͤlle JESU empfaͤhet Gnade um Gnade zur Necht- fertigung und Heiligung Joh. 1, 16. Eph. 3, 12. Hebr. 4, 16. c. 10, 22. 23. wie auch in den Fruͤch- ten, oder in Beweiſung der Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und den Nechſten. 11. Gleichwie die bisher erklaͤrten Worte dieſes Textes an ſich ſelbſt von groſſem Nach- druck ſind; ſo fuͤhren ſie auch ein greſſes Ge- wicht mit ſich in ihrer Structur und Ordnung. Denn da ſehen wir erſtlich den Grund, wor- auf bey der Application des erworbenen Heyls alles ankoͤmmt, nemlich auf die Wiederge- burt und Rechtfertigung, dadurch wir zur Reinigung und Reinigkeit des Hertzens gelan- gen. Und auf dieſen Grund wird das gantze durch das Wort Liebe angezeigete, oder in der Liebe beſtehende thaͤtige Chriſtenthum gebauet. Nun aber koͤmmt es bey dieſem in dem Wercke der Erncuerung, ſonderlich auf dieſe zwey Haupt-Stuͤcke an; nemlich darauf, daß der Menſch in derſelben Ausuͤbung ſich getreu und aufrichtig erweiſe nach der empfangenen Gna- de; nicht weniger auch darauf, daß, wenn er bey ſolcher ſeiner Treue und Aufrichtigkeit ei- nes Theils ſeine geiſtliche Staͤrcke und Wer- cke, andern theils aber auch ſeine noch ankle- bende greſſe Unvollkommenheit ſiehet und er- kennet, er ſich weder durch jenes erhebe und et- was ſich ſelbſt zu ſchreibe, noch durch dieſes den Muth ſincken, und niederſchlagen laſſe, ſon- dern wie getreulich, alſo auch demuͤthig und zu- verſichtlich vor GOTT wandele, und in dem Wege der Erneuerung einher gehe. Und dazu dienet ihm das gute Gewiſſen und der unge- faͤrbte Glaube. Denn das gute Gewiſſen ſtehet mit ſeiner Bewahrung der Untreu und dem Mißbrauche des Evangelii zur fleiſchlichen Sicherheit entgegen: Und der ungefaͤrbte Glaube erhaͤlt das Hertz wie in der Niedrig- keit, da man ſich ſelbſt nichts, ſondern al- les GOTT zuſchreibet; alſo auch in der kindlichen und zuverſichtlichen Freudigkeit bey aller noch uͤbrigen Schwachheit, in der Ver- ſicherung, daß man bey derſelben an GOTT in Chriſto doch einen gnaͤdigen Vater, Ver- gebung der Suͤnden und Leben und Seligkeit habe. Es hat demnach dieſer Apoſtoliſche Text ſowol beſonders in allen und ieden Worten, als auch in derſelben Structur und Ordnung eine groſſe Fuͤlle und iſt von groſſem Nachdrucke. 12. Will nun iemand ſagen, es komme bey der Chriſtlichen Religion nur allein an auf die Liebe und dero thaͤtigen Ausuͤbung, nicht aber auf die Glaubens-Lehren; als darum es ſtehen moͤ- ge, wie es wolle; ſintemal Paulus, als er dem Timotheo eine Inſtruction gegeben, wie er ſich der L

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/83>, abgerufen am 27.11.2024.