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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefes Pauli C. 1. v. 5. 6.
[Spaltenumbruch] der unrichtigen Lehre widersetzen soll, er ihn nicht
auf gewisse Glaubens-Articul, sondern nur auf
die Liebe gewiesen habe: so ist dagegen wohl zu
mercken:

a. Daß der Apostel des Glaubens zu zweymal
ausdrücklich dabey gedencket, nemlich erstlich
unmittelbar vorher, da er auf eine Erbauung
im Glauben
gehet: und denn am Ende die-
ses Orts, da er die Liebe aus einem ungefärb-
ten Glauben herleitet. Wird auch nun
gleich mit diesem Worte auf den Glauben des
Hertzens gesehen; so hat doch dieser die
Glaubens-Lehren, an welche er sich hält zum
Grunde.
b. Paulus führet auf eine solche Liebe, welche aus
einem reinen Hertzen gehet; die Reinigung
des Hertzens aber wird durch die Widerge-
burt und Rechtfertigung, da sich der Glaube
an Christum hält, erlanget: und also sind
auch damit zugleich die Haupt-Lehren ange-
wiesen.
c. Die Ephesier waren bereits zur Gnüge ange-
wiesen nach dem Lehr-Grunde in den nöthigen
Glaubens-Geheimnissen, da sich Paulus gan-
tze drey Jahre bey ihnen aufgehalten und ihnen
den gantzen Rath GOttes von ihrer Selig-
keit verkündiget hatte Apost. Gesch. 20, 27. 31.
Noch mehr war Timotheus darinnen bevesti-
get, daß also nicht nöthig war, diesem erst eine
Vorstellung davon zu thun; sondern nur zu
zeigen war, wohin aller Vortrag und alle An-
führung wider die irrige Lehrer, bey welcher ih-
rer Jrr-Lehre nichts weniger, als Liebe von
reinem Hertzen u. s. w. zu finden war, solte ge-
richtet werden.
d. Dabey unterläßt Paulus doch auch nicht
selbst in dieser Epistel hie und da gar nachdrück-
lich auf die vornehmsten Glaubens-Lehren zu
führen; z. E. wenn er Cap. 1, 10. von der
heylsamen Lehre überhaupt V. 10. von
dem gerrlichen Evangelio des seligen
GOttes
V. 15. von JEsu Christo, wie er
in die Welt gekommen ist, die Sünder selig
zu machen Cap. 2, 5. 6. von dem, wie JE-
sus Christus ist der Mittler zwischen GOTT
und Menschen, der sich selbst für uns alle zur
Erlösung dargegeben habe V. 12. von dem,
wie öffentlich soll gelehret werden, nur nicht
von den Weibern V. 13. 14. vom Sünden-
Fall unserer ersten Eltern Cap. 3, 9. von dem,
wie das Geheimniß des Glaubens im reinen
Gewissen zu bewahren sey V. 16. von dem
kündlich grossen Geheimniß der Menschwer-
dung Christi. Siehe auch Cap. 4, 6. 10. 12.
13. 16. 6, 3. 4. 12. 14. 15. 16.

13. Man siehet aber aus dieser vortreflichen
Stelle Pauli, wie es um die wahre Morale der
Christlichen Religion stehe, und wie viel sie vor
der Moral der Heyden, oder der, welche nur al-
lein aus dem bloß natürlichen Lichte kömmt, vor-
aus habe. Da sie nemlich hat zum Grunde den
ungefärbten Glauben; zur Ordnung ihrer
Ausübung die Reinigung des Hertzens; zur
Richtschnur und Direction ein richtiges und
gutes Gewissen, und zum Jnnhalt die Liebe mit
[Spaltenumbruch] allen ihren Pflichten gegen GOtt, uns selbst und
den Nächsten. Von welchen allen die Heydni-
sche, oder bloß natürliche Sitten-Lehre dem wah-
ren Verstande nach kaum einen Schatten hat.

V. 6.

Welcher (Stücke insgesamt, nemlich des
reinen Hertzens, des guten Gewissens und des
ungefärbten Glaubens, und der diesen Princi-
piis
gemässen Liebe) haben etliche (die weder
uns, noch der Gemeine unbekannt sind, also)
gefehlet (daß sie, asokhesantes, von dem rechten
Wege und rechten Zwecke abgewichen, und also
blinde und verführische Leiter der Blinden wor-
den, welche auch die Sehende mit sich in die Gru-
be führen wollen Matth. 15, 14. Cap. 23, 16. 24.
Röm. 2, 19. 21. Siehe auch von solcher asokhia
1 Tim. 6, 21. 2 Tim. 2, 18.) und sind umge-
wandt
(innerlich verkehret worden, und dahero
auch äusserlich mit Lehr und Leben, oder ihrem
Exempel auf schädliche Abwege gerathen, nem-
lich) zu unnützem Geschwätz (dazu die gantze
Theologie wird, wenn der Lehre und der Ap-
plication
nach, die Ausübung der Liebe nach
dem Grunde des reinen Hertzens, des guten Ge-
wissens, und des ungefärbten Glaubens dabey
nicht statt findet und recht getrieben wird.

Anmerckungen.

1. Mataiotes, vanitas, Eitelkeit, wenn
von der Theologie die Rede ist, heißt alles, was
der wahren, reinen und gesunden Lehre und dero-
selben richtigen Application entgegen stehet,
und also in unrichtigen Sätzen und Jrrthümern,
wie auch in derselben Vermengung mit der
Wahrheit bestehet. Mataiologia, so Lutherus
gar gut durch loses Geschwätz übersetzet hat, ist
das Geschäfte, welches mit der theils an sich selbst
falschen, theils wahren, aber verfälschten und
auch übel applicirten, Lehre im Vortrage zur
Ausbreitung mit allem Fleisse getrieben wird.
Wozu sich die falschen Lehrer gemeiniglich der
affectirten Wohlredenheit gebrauchet haben:
daher ihnen Röm. 16, 18. eulogia und khresolo-
gia süsse Worte und prächtige Reden, zur
Verführung der unschuldigen Hertzen zugeschrie-
ben werden. Und 2 Pet. 2, 18. heißt es von ihnen,
daß sie sind uperogka mataiotet os phtheggo-
menoi, die da stoltze Worte reden, da nichts
dahinter ist.

2. Sind aber diese Leute zum losen Geschwä-
tze umgewandt, so sind sie nicht allein besser
angeführet worden, sondern sie haben auch an-
fangs was bessers erkant und angenommen; als
welches durch das umgewandt seyn angezeiget
wird. Wie denn auch der Apostel V. 19. bezeu-
get, daß sie ein gutes Gewissen von sich gestossen,
und daher am Glauben Schiffbruch gelitten.
Und Cap. 6, 10. heißt es vom Glauben irre ge-
gangen seyn,
und V. 21. durch das lose Ge-
schwätze und die falschberühmte Kunst des Glau-
bens gefehlet haben.
Da man nun so leicht
vom rechten Wege des Glaubens und des Lebens
abgebracht werden kan, so hat man sich davor wohl
in acht zu nehmen, und die Timotheos, die einem

noch

Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 5. 6.
[Spaltenumbruch] der unrichtigen Lehre widerſetzen ſoll, er ihn nicht
auf gewiſſe Glaubens-Articul, ſondern nur auf
die Liebe gewieſen habe: ſo iſt dagegen wohl zu
mercken:

a. Daß der Apoſtel des Glaubens zu zweymal
ausdruͤcklich dabey gedencket, nemlich erſtlich
unmittelbar vorher, da er auf eine Erbauung
im Glauben
gehet: und denn am Ende die-
ſes Orts, da er die Liebe aus einem ungefaͤrb-
ten Glauben herleitet. Wird auch nun
gleich mit dieſem Worte auf den Glauben des
Hertzens geſehen; ſo hat doch dieſer die
Glaubens-Lehren, an welche er ſich haͤlt zum
Grunde.
b. Paulus fuͤhret auf eine ſolche Liebe, welche aus
einem reinen Hertzen gehet; die Reinigung
des Hertzens aber wird durch die Widerge-
burt und Rechtfertigung, da ſich der Glaube
an Chriſtum haͤlt, erlanget: und alſo ſind
auch damit zugleich die Haupt-Lehren ange-
wieſen.
c. Die Epheſier waren bereits zur Gnuͤge ange-
wieſen nach dem Lehr-Grunde in den noͤthigen
Glaubens-Geheimniſſen, da ſich Paulus gan-
tze drey Jahre bey ihnen aufgehalten und ihnen
den gantzen Rath GOttes von ihrer Selig-
keit verkuͤndiget hatte Apoſt. Geſch. 20, 27. 31.
Noch mehr war Timotheus darinnen beveſti-
get, daß alſo nicht noͤthig war, dieſem erſt eine
Vorſtellung davon zu thun; ſondern nur zu
zeigen war, wohin aller Vortrag und alle An-
fuͤhrung wider die irrige Lehrer, bey welcher ih-
rer Jrr-Lehre nichts weniger, als Liebe von
reinem Hertzen u. ſ. w. zu finden war, ſolte ge-
richtet werden.
d. Dabey unterlaͤßt Paulus doch auch nicht
ſelbſt in dieſer Epiſtel hie und da gar nachdruͤck-
lich auf die vornehmſten Glaubens-Lehren zu
fuͤhren; z. E. wenn er Cap. 1, 10. von der
heylſamen Lehre uͤberhaupt V. 10. von
dem gerrlichen Evangelio des ſeligen
GOttes
V. 15. von JEſu Chriſto, wie er
in die Welt gekommen iſt, die Suͤnder ſelig
zu machen Cap. 2, 5. 6. von dem, wie JE-
ſus Chriſtus iſt der Mittler zwiſchen GOTT
und Menſchen, der ſich ſelbſt fuͤr uns alle zur
Erloͤſung dargegeben habe V. 12. von dem,
wie oͤffentlich ſoll gelehret werden, nur nicht
von den Weibern V. 13. 14. vom Suͤnden-
Fall unſerer erſten Eltern Cap. 3, 9. von dem,
wie das Geheimniß des Glaubens im reinen
Gewiſſen zu bewahren ſey V. 16. von dem
kuͤndlich groſſen Geheimniß der Menſchwer-
dung Chriſti. Siehe auch Cap. 4, 6. 10. 12.
13. 16. 6, 3. 4. 12. 14. 15. 16.

13. Man ſiehet aber aus dieſer vortreflichen
Stelle Pauli, wie es um die wahre Morale der
Chriſtlichen Religion ſtehe, und wie viel ſie vor
der Moral der Heyden, oder der, welche nur al-
lein aus dem bloß natuͤrlichen Lichte koͤmmt, vor-
aus habe. Da ſie nemlich hat zum Grunde den
ungefaͤrbten Glauben; zur Ordnung ihrer
Ausuͤbung die Reinigung des Hertzens; zur
Richtſchnur und Direction ein richtiges und
gutes Gewiſſen, und zum Jnnhalt die Liebe mit
[Spaltenumbruch] allen ihren Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und
den Naͤchſten. Von welchen allen die Heydni-
ſche, oder bloß natuͤrliche Sitten-Lehre dem wah-
ren Verſtande nach kaum einen Schatten hat.

V. 6.

Welcher (Stuͤcke insgeſamt, nemlich des
reinen Hertzens, des guten Gewiſſens und des
ungefaͤrbten Glaubens, und der dieſen Princi-
piis
gemaͤſſen Liebe) haben etliche (die weder
uns, noch der Gemeine unbekannt ſind, alſo)
gefehlet (daß ſie, ἀςοχήσαντες, von dem rechten
Wege und rechten Zwecke abgewichen, und alſo
blinde und verfuͤhriſche Leiter der Blinden wor-
den, welche auch die Sehende mit ſich in die Gru-
be fuͤhren wollen Matth. 15, 14. Cap. 23, 16. 24.
Roͤm. 2, 19. 21. Siehe auch von ſolcher ἀςοχίᾳ
1 Tim. 6, 21. 2 Tim. 2, 18.) und ſind umge-
wandt
(innerlich verkehret worden, und dahero
auch aͤuſſerlich mit Lehr und Leben, oder ihrem
Exempel auf ſchaͤdliche Abwege gerathen, nem-
lich) zu unnuͤtzem Geſchwaͤtz (dazu die gantze
Theologie wird, wenn der Lehre und der Ap-
plication
nach, die Ausuͤbung der Liebe nach
dem Grunde des reinen Hertzens, des guten Ge-
wiſſens, und des ungefaͤrbten Glaubens dabey
nicht ſtatt findet und recht getrieben wird.

Anmerckungen.

1. Ματαιότης, vanitas, Eitelkeit, wenn
von der Theologie die Rede iſt, heißt alles, was
der wahren, reinen und geſunden Lehre und dero-
ſelben richtigen Application entgegen ſtehet,
und alſo in unrichtigen Saͤtzen und Jrrthuͤmern,
wie auch in derſelben Vermengung mit der
Wahrheit beſtehet. Ματαιολογία, ſo Lutherus
gar gut durch loſes Geſchwaͤtz uͤberſetzet hat, iſt
das Geſchaͤfte, welches mit der theils an ſich ſelbſt
falſchen, theils wahren, aber verfaͤlſchten und
auch uͤbel applicirten, Lehre im Vortrage zur
Ausbreitung mit allem Fleiſſe getrieben wird.
Wozu ſich die falſchen Lehrer gemeiniglich der
affectirten Wohlredenheit gebrauchet haben:
daher ihnen Roͤm. 16, 18. ἐυλογία und χρηςολο-
γία ſuͤſſe Worte und praͤchtige Reden, zur
Verfuͤhrung der unſchuldigen Hertzen zugeſchrie-
ben werden. Und 2 Pet. 2, 18. heißt es von ihnen,
daß ſie ſind ὑπέρογκα ματαιότητ ος ϕϑεγγό-
μενοι, die da ſtoltze Worte reden, da nichts
dahinter iſt.

2. Sind aber dieſe Leute zum loſen Geſchwaͤ-
tze umgewandt, ſo ſind ſie nicht allein beſſer
angefuͤhret worden, ſondern ſie haben auch an-
fangs was beſſers erkant und angenommen; als
welches durch das umgewandt ſeyn angezeiget
wird. Wie denn auch der Apoſtel V. 19. bezeu-
get, daß ſie ein gutes Gewiſſen von ſich geſtoſſen,
und daher am Glauben Schiffbruch gelitten.
Und Cap. 6, 10. heißt es vom Glauben irre ge-
gangen ſeyn,
und V. 21. durch das loſe Ge-
ſchwaͤtze und die falſchberuͤhmte Kunſt des Glau-
bens gefehlet haben.
Da man nun ſo leicht
vom rechten Wege des Glaubens und des Lebens
abgebracht werden kan, ſo hat man ſich davor wohl
in acht zu nehmen, und die Timotheos, die einem

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[82/0084] Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 5. 6. der unrichtigen Lehre widerſetzen ſoll, er ihn nicht auf gewiſſe Glaubens-Articul, ſondern nur auf die Liebe gewieſen habe: ſo iſt dagegen wohl zu mercken: a. Daß der Apoſtel des Glaubens zu zweymal ausdruͤcklich dabey gedencket, nemlich erſtlich unmittelbar vorher, da er auf eine Erbauung im Glauben gehet: und denn am Ende die- ſes Orts, da er die Liebe aus einem ungefaͤrb- ten Glauben herleitet. Wird auch nun gleich mit dieſem Worte auf den Glauben des Hertzens geſehen; ſo hat doch dieſer die Glaubens-Lehren, an welche er ſich haͤlt zum Grunde. b. Paulus fuͤhret auf eine ſolche Liebe, welche aus einem reinen Hertzen gehet; die Reinigung des Hertzens aber wird durch die Widerge- burt und Rechtfertigung, da ſich der Glaube an Chriſtum haͤlt, erlanget: und alſo ſind auch damit zugleich die Haupt-Lehren ange- wieſen. c. Die Epheſier waren bereits zur Gnuͤge ange- wieſen nach dem Lehr-Grunde in den noͤthigen Glaubens-Geheimniſſen, da ſich Paulus gan- tze drey Jahre bey ihnen aufgehalten und ihnen den gantzen Rath GOttes von ihrer Selig- keit verkuͤndiget hatte Apoſt. Geſch. 20, 27. 31. Noch mehr war Timotheus darinnen beveſti- get, daß alſo nicht noͤthig war, dieſem erſt eine Vorſtellung davon zu thun; ſondern nur zu zeigen war, wohin aller Vortrag und alle An- fuͤhrung wider die irrige Lehrer, bey welcher ih- rer Jrr-Lehre nichts weniger, als Liebe von reinem Hertzen u. ſ. w. zu finden war, ſolte ge- richtet werden. d. Dabey unterlaͤßt Paulus doch auch nicht ſelbſt in dieſer Epiſtel hie und da gar nachdruͤck- lich auf die vornehmſten Glaubens-Lehren zu fuͤhren; z. E. wenn er Cap. 1, 10. von der heylſamen Lehre uͤberhaupt V. 10. von dem gerrlichen Evangelio des ſeligen GOttes V. 15. von JEſu Chriſto, wie er in die Welt gekommen iſt, die Suͤnder ſelig zu machen Cap. 2, 5. 6. von dem, wie JE- ſus Chriſtus iſt der Mittler zwiſchen GOTT und Menſchen, der ſich ſelbſt fuͤr uns alle zur Erloͤſung dargegeben habe V. 12. von dem, wie oͤffentlich ſoll gelehret werden, nur nicht von den Weibern V. 13. 14. vom Suͤnden- Fall unſerer erſten Eltern Cap. 3, 9. von dem, wie das Geheimniß des Glaubens im reinen Gewiſſen zu bewahren ſey V. 16. von dem kuͤndlich groſſen Geheimniß der Menſchwer- dung Chriſti. Siehe auch Cap. 4, 6. 10. 12. 13. 16. 6, 3. 4. 12. 14. 15. 16. 13. Man ſiehet aber aus dieſer vortreflichen Stelle Pauli, wie es um die wahre Morale der Chriſtlichen Religion ſtehe, und wie viel ſie vor der Moral der Heyden, oder der, welche nur al- lein aus dem bloß natuͤrlichen Lichte koͤmmt, vor- aus habe. Da ſie nemlich hat zum Grunde den ungefaͤrbten Glauben; zur Ordnung ihrer Ausuͤbung die Reinigung des Hertzens; zur Richtſchnur und Direction ein richtiges und gutes Gewiſſen, und zum Jnnhalt die Liebe mit allen ihren Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt und den Naͤchſten. Von welchen allen die Heydni- ſche, oder bloß natuͤrliche Sitten-Lehre dem wah- ren Verſtande nach kaum einen Schatten hat. V. 6. Welcher (Stuͤcke insgeſamt, nemlich des reinen Hertzens, des guten Gewiſſens und des ungefaͤrbten Glaubens, und der dieſen Princi- piis gemaͤſſen Liebe) haben etliche (die weder uns, noch der Gemeine unbekannt ſind, alſo) gefehlet (daß ſie, ἀςοχήσαντες, von dem rechten Wege und rechten Zwecke abgewichen, und alſo blinde und verfuͤhriſche Leiter der Blinden wor- den, welche auch die Sehende mit ſich in die Gru- be fuͤhren wollen Matth. 15, 14. Cap. 23, 16. 24. Roͤm. 2, 19. 21. Siehe auch von ſolcher ἀςοχίᾳ 1 Tim. 6, 21. 2 Tim. 2, 18.) und ſind umge- wandt (innerlich verkehret worden, und dahero auch aͤuſſerlich mit Lehr und Leben, oder ihrem Exempel auf ſchaͤdliche Abwege gerathen, nem- lich) zu unnuͤtzem Geſchwaͤtz (dazu die gantze Theologie wird, wenn der Lehre und der Ap- plication nach, die Ausuͤbung der Liebe nach dem Grunde des reinen Hertzens, des guten Ge- wiſſens, und des ungefaͤrbten Glaubens dabey nicht ſtatt findet und recht getrieben wird. Anmerckungen. 1. Ματαιότης, vanitas, Eitelkeit, wenn von der Theologie die Rede iſt, heißt alles, was der wahren, reinen und geſunden Lehre und dero- ſelben richtigen Application entgegen ſtehet, und alſo in unrichtigen Saͤtzen und Jrrthuͤmern, wie auch in derſelben Vermengung mit der Wahrheit beſtehet. Ματαιολογία, ſo Lutherus gar gut durch loſes Geſchwaͤtz uͤberſetzet hat, iſt das Geſchaͤfte, welches mit der theils an ſich ſelbſt falſchen, theils wahren, aber verfaͤlſchten und auch uͤbel applicirten, Lehre im Vortrage zur Ausbreitung mit allem Fleiſſe getrieben wird. Wozu ſich die falſchen Lehrer gemeiniglich der affectirten Wohlredenheit gebrauchet haben: daher ihnen Roͤm. 16, 18. ἐυλογία und χρηςολο- γία ſuͤſſe Worte und praͤchtige Reden, zur Verfuͤhrung der unſchuldigen Hertzen zugeſchrie- ben werden. Und 2 Pet. 2, 18. heißt es von ihnen, daß ſie ſind ὑπέρογκα ματαιότητ ος ϕϑεγγό- μενοι, die da ſtoltze Worte reden, da nichts dahinter iſt. 2. Sind aber dieſe Leute zum loſen Geſchwaͤ- tze umgewandt, ſo ſind ſie nicht allein beſſer angefuͤhret worden, ſondern ſie haben auch an- fangs was beſſers erkant und angenommen; als welches durch das umgewandt ſeyn angezeiget wird. Wie denn auch der Apoſtel V. 19. bezeu- get, daß ſie ein gutes Gewiſſen von ſich geſtoſſen, und daher am Glauben Schiffbruch gelitten. Und Cap. 6, 10. heißt es vom Glauben irre ge- gangen ſeyn, und V. 21. durch das loſe Ge- ſchwaͤtze und die falſchberuͤhmte Kunſt des Glau- bens gefehlet haben. Da man nun ſo leicht vom rechten Wege des Glaubens und des Lebens abgebracht werden kan, ſo hat man ſich davor wohl in acht zu nehmen, und die Timotheos, die einem noch

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/84>, abgerufen am 23.11.2024.