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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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die Widerstandskraft des Körpers lähmen, dem Studium
zum Lehrerinnenexamen aufzubürden. Gegenüber den zahl-
losen Übertreibungen, die besonders auch die Presse über
den Gesundheitszustand der Lehramtskandidatinnen bringt,
ist es gut, ein paar Zahlen anzuführen, mit welchen die
Denkschrift des Vereins deutscher Lehrerinnen und Er-
zieherinnen ihnen entgegentritt. Es heißt hier (S. 31):
"Von etwa 320 Lehrerinnen, an deren Ausbildung der
Referent (Professor Dr. Christian Rauch) beteiligt gewesen ist,
haben 4 den Lehrkursus aus Gesundheitsrücksichten unter-
brechen oder gänzlich aufgeben müssen, also 1,25 %. Von
den übrigen zeigte nur ein verschwindend kleiner Teil im
äußeren Erscheinen und Befinden diejenigen Merkzeichen,
mit welchen jeder Mensch, auch der studierende Mann,
bei sitzender Lebensweise öfters behaftet ist. Weitaus die
größte Mehrzahl aber befand sich gerade so, wie alle an-
deren Mädchen dieses Alters, d. h. gesund und wohl.
Hiernach dürfte der Procentsatz der Invaliden bei der
weiblichen sich vorbildenden Jugend kaum größer sein, als
bei der männlichen"1). Ein Teil dieser Invaliden würde

1) Wir wissen nicht, aus welcher Quelle der Herr Abg. Dr. Reichen-
sperger f. Z. (Rede v. 5. Febr. 1884) die Notiz entnommen, daß von
40 Examinandinnen 39 krank geworden, -- er giebt als solche nur "ein
Mädchen" an; aktenmäßig belegen würde sie sich schwerlich lassen. Eine
solche Thatsache würde das größte Aufsehen in ganz Deutschland erregt
und sicher eine behördliche Untersuchung zur Folge gehabt haben. So
sehr wir uns mit ihm in Übereinstimmung wissen in Bezug auf den
Wunsch, nicht überwiegend männliche Lehrkräfte an den Mädchen-
schulen anzustellen ("ich halte dafür, daß es nicht rätlich ist, bei solchen
Mädchenschulen, namentlich an höheren Mädchenschulen, ohne Not männ-
liche Lehrkräfte anzustellen. Ich befinde mich da zum Glück -- ich brauche
es deshalb auch nicht weiter auszuführen -- in Übereinstimmung mit
einer früheren Äußerung eines geehrten Herrn Regierungskommissarius,
des Herrn Geheimenrats Schneider, welcher wörtlich sich da-
hin geäußert hat, daß "Erziehung und Unterricht der na-
türliche Beruf der Frau" sei, also gewiß der natürliche
Beruf, wenn es sich um Erziehung und Unterricht von
Mädchen handelt"
), so dankbar wir ihm für seine dahinzielenden

die Widerstandskraft des Körpers lähmen, dem Studium
zum Lehrerinnenexamen aufzubürden. Gegenüber den zahl-
losen Übertreibungen, die besonders auch die Presse über
den Gesundheitszustand der Lehramtskandidatinnen bringt,
ist es gut, ein paar Zahlen anzuführen, mit welchen die
Denkschrift des Vereins deutscher Lehrerinnen und Er-
zieherinnen ihnen entgegentritt. Es heißt hier (S. 31):
„Von etwa 320 Lehrerinnen, an deren Ausbildung der
Referent (Professor Dr. Christian Rauch) beteiligt gewesen ist,
haben 4 den Lehrkursus aus Gesundheitsrücksichten unter-
brechen oder gänzlich aufgeben müssen, also 1,25 %. Von
den übrigen zeigte nur ein verschwindend kleiner Teil im
äußeren Erscheinen und Befinden diejenigen Merkzeichen,
mit welchen jeder Mensch, auch der studierende Mann,
bei sitzender Lebensweise öfters behaftet ist. Weitaus die
größte Mehrzahl aber befand sich gerade so, wie alle an-
deren Mädchen dieses Alters, d. h. gesund und wohl.
Hiernach dürfte der Procentsatz der Invaliden bei der
weiblichen sich vorbildenden Jugend kaum größer sein, als
bei der männlichen“1). Ein Teil dieser Invaliden würde

1) Wir wissen nicht, aus welcher Quelle der Herr Abg. Dr. Reichen-
sperger f. Z. (Rede v. 5. Febr. 1884) die Notiz entnommen, daß von
40 Examinandinnen 39 krank geworden, — er giebt als solche nur „ein
Mädchen“ an; aktenmäßig belegen würde sie sich schwerlich lassen. Eine
solche Thatsache würde das größte Aufsehen in ganz Deutschland erregt
und sicher eine behördliche Untersuchung zur Folge gehabt haben. So
sehr wir uns mit ihm in Übereinstimmung wissen in Bezug auf den
Wunsch, nicht überwiegend männliche Lehrkräfte an den Mädchen-
schulen anzustellen („ich halte dafür, daß es nicht rätlich ist, bei solchen
Mädchenschulen, namentlich an höheren Mädchenschulen, ohne Not männ-
liche Lehrkräfte anzustellen. Ich befinde mich da zum Glück — ich brauche
es deshalb auch nicht weiter auszuführen — in Übereinstimmung mit
einer früheren Äußerung eines geehrten Herrn Regierungskommissarius,
des Herrn Geheimenrats Schneider, welcher wörtlich sich da-
hin geäußert hat, daß „Erziehung und Unterricht der na-
türliche Beruf der Frau“ sei, also gewiß der natürliche
Beruf, wenn es sich um Erziehung und Unterricht von
Mädchen handelt“
), so dankbar wir ihm für seine dahinzielenden
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[53/0054] die Widerstandskraft des Körpers lähmen, dem Studium zum Lehrerinnenexamen aufzubürden. Gegenüber den zahl- losen Übertreibungen, die besonders auch die Presse über den Gesundheitszustand der Lehramtskandidatinnen bringt, ist es gut, ein paar Zahlen anzuführen, mit welchen die Denkschrift des Vereins deutscher Lehrerinnen und Er- zieherinnen ihnen entgegentritt. Es heißt hier (S. 31): „Von etwa 320 Lehrerinnen, an deren Ausbildung der Referent (Professor Dr. Christian Rauch) beteiligt gewesen ist, haben 4 den Lehrkursus aus Gesundheitsrücksichten unter- brechen oder gänzlich aufgeben müssen, also 1,25 %. Von den übrigen zeigte nur ein verschwindend kleiner Teil im äußeren Erscheinen und Befinden diejenigen Merkzeichen, mit welchen jeder Mensch, auch der studierende Mann, bei sitzender Lebensweise öfters behaftet ist. Weitaus die größte Mehrzahl aber befand sich gerade so, wie alle an- deren Mädchen dieses Alters, d. h. gesund und wohl. Hiernach dürfte der Procentsatz der Invaliden bei der weiblichen sich vorbildenden Jugend kaum größer sein, als bei der männlichen“ 1). Ein Teil dieser Invaliden würde 1) Wir wissen nicht, aus welcher Quelle der Herr Abg. Dr. Reichen- sperger f. Z. (Rede v. 5. Febr. 1884) die Notiz entnommen, daß von 40 Examinandinnen 39 krank geworden, — er giebt als solche nur „ein Mädchen“ an; aktenmäßig belegen würde sie sich schwerlich lassen. Eine solche Thatsache würde das größte Aufsehen in ganz Deutschland erregt und sicher eine behördliche Untersuchung zur Folge gehabt haben. So sehr wir uns mit ihm in Übereinstimmung wissen in Bezug auf den Wunsch, nicht überwiegend männliche Lehrkräfte an den Mädchen- schulen anzustellen („ich halte dafür, daß es nicht rätlich ist, bei solchen Mädchenschulen, namentlich an höheren Mädchenschulen, ohne Not männ- liche Lehrkräfte anzustellen. Ich befinde mich da zum Glück — ich brauche es deshalb auch nicht weiter auszuführen — in Übereinstimmung mit einer früheren Äußerung eines geehrten Herrn Regierungskommissarius, des Herrn Geheimenrats Schneider, welcher wörtlich sich da- hin geäußert hat, daß „Erziehung und Unterricht der na- türliche Beruf der Frau“ sei, also gewiß der natürliche Beruf, wenn es sich um Erziehung und Unterricht von Mädchen handelt“), so dankbar wir ihm für seine dahinzielenden

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/54>, abgerufen am 21.05.2024.