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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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scheinen, während wir im übrigen den Studierenden volle
Freiheit lassen möchten. Wenn wir auch aus den mehr-
fach angegebenen Gründen auf die ethischen Fächer den
meisten Wert legen, so würde es doch durchaus nicht rat-
sam sein, Sprachen, Naturwissenschaften etc. auszuschließen,
nur würde sich der nötigen Gründlichkeit wegen und bei
der geringeren extensiven Kraft des weiblichen Geistes
möglichste Beschränkung empfehlen; für eine gewisse Breite
der Bildung mögen die Bedingungen, an die der Eintritt
in die Anstalt geknüpft wird, sorgen. Wir würden ferner
den Eintritt in dieselbe frühestens mit dem 20. Jahre
gestatten und einen dreijährigen Studienkursus, der aber
nicht nur Vorlesungen, sondern hauptsächlich Unterrichts-
stunden böte, und an den praktische Übungen anzuschließen
wären, für unerläßlich halten. Was die Art des Unter-
richts betrifft, so muß hier eine Andeutung genügen: er
wird hauptsächlich Anregung zu geben, Quellenkenntnis zu
vermitteln und das eigene Urteil der Studierenden zu
bilden und zu schärfen haben. Ein von den Lehrkräften
der Anstalt selbst abzunehmendes Examen1) würde den
Kursus beschließen, dessen glückliche Absolvierung sodann
die Berechtigung auf Anstellung in Oberklassen gäbe.
(Eine Art von Verpflichtung zu solcher Anstellung
müßte allerdings seitens der Behörde anerkannt werden;
die Berechtigung giebt ja das bisherige Zeugnis auch,
aber ohne jede praktische Folge.) Die Berechtigung zur
Leitung öffentlicher höherer Mädchenschulen würden wir
uns geknüpft denken an das Examen für Oberklassen mit

1) Cauer betont mit Recht, daß es sich bei einer solchen höheren
Prüfung "nicht sowohl um die Feststellung eines gewissen Quantums mit
dem Gedächtnis äußerlich angeeigneter Kenntnisse, als um die Ermittlung
des Grades innerer Durchbildung handeln würde, für welchen Zweck eine
nicht unter Clausur in wenigen Stunden, sondern in längerer häuslicher
Muße gefertigte selbständige Ausarbeitung und ein an deren Kritik an-
geknüpftes, in möglichst freien Formen sich bewegendes Colloquium ge-
eignete Mittel sein dürften." (a. a. D. S. 29 f.)

scheinen, während wir im übrigen den Studierenden volle
Freiheit lassen möchten. Wenn wir auch aus den mehr-
fach angegebenen Gründen auf die ethischen Fächer den
meisten Wert legen, so würde es doch durchaus nicht rat-
sam sein, Sprachen, Naturwissenschaften ꝛc. auszuschließen,
nur würde sich der nötigen Gründlichkeit wegen und bei
der geringeren extensiven Kraft des weiblichen Geistes
möglichste Beschränkung empfehlen; für eine gewisse Breite
der Bildung mögen die Bedingungen, an die der Eintritt
in die Anstalt geknüpft wird, sorgen. Wir würden ferner
den Eintritt in dieselbe frühestens mit dem 20. Jahre
gestatten und einen dreijährigen Studienkursus, der aber
nicht nur Vorlesungen, sondern hauptsächlich Unterrichts-
stunden böte, und an den praktische Übungen anzuschließen
wären, für unerläßlich halten. Was die Art des Unter-
richts betrifft, so muß hier eine Andeutung genügen: er
wird hauptsächlich Anregung zu geben, Quellenkenntnis zu
vermitteln und das eigene Urteil der Studierenden zu
bilden und zu schärfen haben. Ein von den Lehrkräften
der Anstalt selbst abzunehmendes Examen1) würde den
Kursus beschließen, dessen glückliche Absolvierung sodann
die Berechtigung auf Anstellung in Oberklassen gäbe.
(Eine Art von Verpflichtung zu solcher Anstellung
müßte allerdings seitens der Behörde anerkannt werden;
die Berechtigung giebt ja das bisherige Zeugnis auch,
aber ohne jede praktische Folge.) Die Berechtigung zur
Leitung öffentlicher höherer Mädchenschulen würden wir
uns geknüpft denken an das Examen für Oberklassen mit

1) Cauer betont mit Recht, daß es sich bei einer solchen höheren
Prüfung „nicht sowohl um die Feststellung eines gewissen Quantums mit
dem Gedächtnis äußerlich angeeigneter Kenntnisse, als um die Ermittlung
des Grades innerer Durchbildung handeln würde, für welchen Zweck eine
nicht unter Clausur in wenigen Stunden, sondern in längerer häuslicher
Muße gefertigte selbständige Ausarbeitung und ein an deren Kritik an-
geknüpftes, in möglichst freien Formen sich bewegendes Colloquium ge-
eignete Mittel sein dürften.“ (a. a. D. S. 29 f.)
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[61/0062] scheinen, während wir im übrigen den Studierenden volle Freiheit lassen möchten. Wenn wir auch aus den mehr- fach angegebenen Gründen auf die ethischen Fächer den meisten Wert legen, so würde es doch durchaus nicht rat- sam sein, Sprachen, Naturwissenschaften ꝛc. auszuschließen, nur würde sich der nötigen Gründlichkeit wegen und bei der geringeren extensiven Kraft des weiblichen Geistes möglichste Beschränkung empfehlen; für eine gewisse Breite der Bildung mögen die Bedingungen, an die der Eintritt in die Anstalt geknüpft wird, sorgen. Wir würden ferner den Eintritt in dieselbe frühestens mit dem 20. Jahre gestatten und einen dreijährigen Studienkursus, der aber nicht nur Vorlesungen, sondern hauptsächlich Unterrichts- stunden böte, und an den praktische Übungen anzuschließen wären, für unerläßlich halten. Was die Art des Unter- richts betrifft, so muß hier eine Andeutung genügen: er wird hauptsächlich Anregung zu geben, Quellenkenntnis zu vermitteln und das eigene Urteil der Studierenden zu bilden und zu schärfen haben. Ein von den Lehrkräften der Anstalt selbst abzunehmendes Examen 1) würde den Kursus beschließen, dessen glückliche Absolvierung sodann die Berechtigung auf Anstellung in Oberklassen gäbe. (Eine Art von Verpflichtung zu solcher Anstellung müßte allerdings seitens der Behörde anerkannt werden; die Berechtigung giebt ja das bisherige Zeugnis auch, aber ohne jede praktische Folge.) Die Berechtigung zur Leitung öffentlicher höherer Mädchenschulen würden wir uns geknüpft denken an das Examen für Oberklassen mit 1) Cauer betont mit Recht, daß es sich bei einer solchen höheren Prüfung „nicht sowohl um die Feststellung eines gewissen Quantums mit dem Gedächtnis äußerlich angeeigneter Kenntnisse, als um die Ermittlung des Grades innerer Durchbildung handeln würde, für welchen Zweck eine nicht unter Clausur in wenigen Stunden, sondern in längerer häuslicher Muße gefertigte selbständige Ausarbeitung und ein an deren Kritik an- geknüpftes, in möglichst freien Formen sich bewegendes Colloquium ge- eignete Mittel sein dürften.“ (a. a. D. S. 29 f.)

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/62>, abgerufen am 21.05.2024.