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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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später darauf folgendem praktischen Tentamen, wie das
Recht zur Leitung niederer an Elementarlehrerinnen- und
Vorsteherinnenexamen.

Der Kostenpunkt.Wir wissen nun wohl, solche Hochschulen werden dem
Staate Geld kosten, aber wir glauben ein Recht zu haben,
auch einmal eine Ausgabe für uns zu beanspruchen, da die
Frauen für die Erhaltung des Nationalwohlstandes von
der größten Bedeutung sind und zum Teil als direkte Steuer-
zahler dem Staat bedeutende Summen einbringen. Für
uns ist bis jetzt wenig geschehen, obwohl man für sehr
viele Dinge Geld hat, die sich nicht entfernt an Wichtig-
keit mit dem messen können, was wir verlangen. Robert
von Mohl findet viel "pharisäische Selbstgenügsamkeit" in
der Zufriedenheit der deutschen Männer mit dem, was
für die Frauen geschieht; er gesteht offen ein, daß die
Deutschen "der allgemeinen und der besonderen Ausbildung
des Weibes keineswegs ihr volles Recht angedeihen lassen
und Forderungen in dieser Beziehung als übertrieben und
unerfüllbar betrachten, welche auch nicht entfernt mit denen
zu vergleichen sind, welche als ganz selbstverständlich für
die Männer gelten und längst erfüllt sind"1). Zu dieser
Art von Forderungen scheint uns die unsere zu gehören;
man hat bis jetzt von ihr als "übertrieben und unerfüllbar"
nichts wissen wollen. Wir könnten nun, um sie zu stützen,
auf die wirtschaftliche Seite unseres Gesuchs hinweisen,
auf den Umstand, daß durch Schaffung eines neuen Ar-
beitsgebiets für die Frauen ihrer socialen Notlage in etwas
abgeholfen werden könnte; aber die große Gleichgültig-
keit, mit der i. g. die Männer in Deutschland auf
die stets wachsende Notlage der Frauen blicken
,
läßt uns dies Argument als ziemlich wertlos erscheinen2).

1) a. a. D. S. 268, Anm.
2) Es scheint, als ob viele auf den Einwurf, daß die unverhei-
rateten Frauen doch auch leben müssen, im Hintergrund immer nur die
Antwort hätten: je n'en vois pas la necessite; andere suchen die Frauen-

später darauf folgendem praktischen Tentamen, wie das
Recht zur Leitung niederer an Elementarlehrerinnen- und
Vorsteherinnenexamen.

Der Kostenpunkt.Wir wissen nun wohl, solche Hochschulen werden dem
Staate Geld kosten, aber wir glauben ein Recht zu haben,
auch einmal eine Ausgabe für uns zu beanspruchen, da die
Frauen für die Erhaltung des Nationalwohlstandes von
der größten Bedeutung sind und zum Teil als direkte Steuer-
zahler dem Staat bedeutende Summen einbringen. Für
uns ist bis jetzt wenig geschehen, obwohl man für sehr
viele Dinge Geld hat, die sich nicht entfernt an Wichtig-
keit mit dem messen können, was wir verlangen. Robert
von Mohl findet viel „pharisäische Selbstgenügsamkeit“ in
der Zufriedenheit der deutschen Männer mit dem, was
für die Frauen geschieht; er gesteht offen ein, daß die
Deutschen „der allgemeinen und der besonderen Ausbildung
des Weibes keineswegs ihr volles Recht angedeihen lassen
und Forderungen in dieser Beziehung als übertrieben und
unerfüllbar betrachten, welche auch nicht entfernt mit denen
zu vergleichen sind, welche als ganz selbstverständlich für
die Männer gelten und längst erfüllt sind“1). Zu dieser
Art von Forderungen scheint uns die unsere zu gehören;
man hat bis jetzt von ihr als „übertrieben und unerfüllbar“
nichts wissen wollen. Wir könnten nun, um sie zu stützen,
auf die wirtschaftliche Seite unseres Gesuchs hinweisen,
auf den Umstand, daß durch Schaffung eines neuen Ar-
beitsgebiets für die Frauen ihrer socialen Notlage in etwas
abgeholfen werden könnte; aber die große Gleichgültig-
keit, mit der i. g. die Männer in Deutschland auf
die stets wachsende Notlage der Frauen blicken
,
läßt uns dies Argument als ziemlich wertlos erscheinen2).

1) a. a. D. S. 268, Anm.
2) Es scheint, als ob viele auf den Einwurf, daß die unverhei-
rateten Frauen doch auch leben müssen, im Hintergrund immer nur die
Antwort hätten: je n’en vois pas la nécessité; andere suchen die Frauen-
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[62/0063] später darauf folgendem praktischen Tentamen, wie das Recht zur Leitung niederer an Elementarlehrerinnen- und Vorsteherinnenexamen. Wir wissen nun wohl, solche Hochschulen werden dem Staate Geld kosten, aber wir glauben ein Recht zu haben, auch einmal eine Ausgabe für uns zu beanspruchen, da die Frauen für die Erhaltung des Nationalwohlstandes von der größten Bedeutung sind und zum Teil als direkte Steuer- zahler dem Staat bedeutende Summen einbringen. Für uns ist bis jetzt wenig geschehen, obwohl man für sehr viele Dinge Geld hat, die sich nicht entfernt an Wichtig- keit mit dem messen können, was wir verlangen. Robert von Mohl findet viel „pharisäische Selbstgenügsamkeit“ in der Zufriedenheit der deutschen Männer mit dem, was für die Frauen geschieht; er gesteht offen ein, daß die Deutschen „der allgemeinen und der besonderen Ausbildung des Weibes keineswegs ihr volles Recht angedeihen lassen und Forderungen in dieser Beziehung als übertrieben und unerfüllbar betrachten, welche auch nicht entfernt mit denen zu vergleichen sind, welche als ganz selbstverständlich für die Männer gelten und längst erfüllt sind“ 1). Zu dieser Art von Forderungen scheint uns die unsere zu gehören; man hat bis jetzt von ihr als „übertrieben und unerfüllbar“ nichts wissen wollen. Wir könnten nun, um sie zu stützen, auf die wirtschaftliche Seite unseres Gesuchs hinweisen, auf den Umstand, daß durch Schaffung eines neuen Ar- beitsgebiets für die Frauen ihrer socialen Notlage in etwas abgeholfen werden könnte; aber die große Gleichgültig- keit, mit der i. g. die Männer in Deutschland auf die stets wachsende Notlage der Frauen blicken, läßt uns dies Argument als ziemlich wertlos erscheinen 2). Der Kostenpunkt. 1) a. a. D. S. 268, Anm. 2) Es scheint, als ob viele auf den Einwurf, daß die unverhei- rateten Frauen doch auch leben müssen, im Hintergrund immer nur die Antwort hätten: je n’en vois pas la nécessité; andere suchen die Frauen-

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/63>, abgerufen am 09.11.2024.