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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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sehr eng damit zusammenhängt. Man wird den neuen
Lehrerinnen ein entsprechendes Gehalt geben müssen. Die
in Preußen herrschende Sitte, das Geschlecht, nicht die
Leistung im Lehrstand zu honorieren, rechtfertigt man
durch die größere Bedürfnislosigkeit des weiblichen Ge-
schlechts (im Königreich Sachsen liegen die Verhält-
nisse für die Lehrerinnen ungleich günstiger); diese Be-
dürfnislosigkeit ist bei der Lehrerin unter Umständen,
wenn es sich beispielsweise um den Ankauf von Büchern,
das Halten pädagogischer Journale etc. handelt, ein Feh-
ler, den man ihr oft genug zum Vorwurf macht, der
aber seinen Grund sehr häufig in zu geringem Einkommen
hat. In wie unendlich vielen Fällen liegt heutzutage
ferner auf der Lehrerin die Sorge für ihre Mutter oder
für unmündige Geschwister; die Zeit, wo Sohn oder
Bruder unbedingt, oft mit Aufopferung eigener Herzens-
wünsche, für diese eintrat, scheint vorüber zu sein, und so
sollte man die Bedürfnislosigkeit des weiblichen Geschlechts
nicht immer bei der Gehaltsabmessung in den Vordergrund
schieben; es ist genugsam durch "Entsagung gestählt", um
die größere Freiheit des Studiums und der Lebensführung

1) Die Veranlasserinnen der Petition glaubten diesen Punkt beson-
ders hervorheben zu sollen 1) weil sie sich alle in einer gesicherten Lebens-
stellung befinden und kein persönliches Interesse an demselben haben,
2) weil die Lehrerinnen in falschem Idealismus darauf gar kein Gewicht
legen. Es ist zwar sehr denkbar, daß dieser Punkt zu Angriffen aus-
genutzt werden wird, um so mehr als G. Kreyenberg die Mädchenlehrer
zu den "sonderbaren Käuzen" rechnet, die ihren materiellen Vorteil hinten-
ansetzen und sich "durch Entsagung stählen". Damit kontrastiert seltsam
ein Satz der Schmidtschen Encyclopädie. Es heißt hier (2. Aufl. Bd. I
S. 626, Titel: Besoldung) von der Berliner Konferenz von 1873, daß
ihre Mitglieder über nichts so schnell einstimmig gewesen seien,
als über die ihnen gebührende Besoldung
, und zwar wollten
sie dieselbe in voller Höhe der Gymnasialbesoldungen normiert wissen.
Wir verdenken ihnen ihr Verlangen auch durchaus nicht, nur ist es uns
unmöglich, eine Hintenansetzung materieller Vorteile darin zu sehen.

wähnen: die pekuniäre Seite1) und zwar, weil die ideale
sehr eng damit zusammenhängt. Man wird den neuen
Lehrerinnen ein entsprechendes Gehalt geben müssen. Die
in Preußen herrschende Sitte, das Geschlecht, nicht die
Leistung im Lehrstand zu honorieren, rechtfertigt man
durch die größere Bedürfnislosigkeit des weiblichen Ge-
schlechts (im Königreich Sachsen liegen die Verhält-
nisse für die Lehrerinnen ungleich günstiger); diese Be-
dürfnislosigkeit ist bei der Lehrerin unter Umständen,
wenn es sich beispielsweise um den Ankauf von Büchern,
das Halten pädagogischer Journale ꝛc. handelt, ein Feh-
ler, den man ihr oft genug zum Vorwurf macht, der
aber seinen Grund sehr häufig in zu geringem Einkommen
hat. In wie unendlich vielen Fällen liegt heutzutage
ferner auf der Lehrerin die Sorge für ihre Mutter oder
für unmündige Geschwister; die Zeit, wo Sohn oder
Bruder unbedingt, oft mit Aufopferung eigener Herzens-
wünsche, für diese eintrat, scheint vorüber zu sein, und so
sollte man die Bedürfnislosigkeit des weiblichen Geschlechts
nicht immer bei der Gehaltsabmessung in den Vordergrund
schieben; es ist genugsam durch „Entsagung gestählt“, um
die größere Freiheit des Studiums und der Lebensführung

1) Die Veranlasserinnen der Petition glaubten diesen Punkt beson-
ders hervorheben zu sollen 1) weil sie sich alle in einer gesicherten Lebens-
stellung befinden und kein persönliches Interesse an demselben haben,
2) weil die Lehrerinnen in falschem Idealismus darauf gar kein Gewicht
legen. Es ist zwar sehr denkbar, daß dieser Punkt zu Angriffen aus-
genutzt werden wird, um so mehr als G. Kreyenberg die Mädchenlehrer
zu den „sonderbaren Käuzen“ rechnet, die ihren materiellen Vorteil hinten-
ansetzen und sich „durch Entsagung stählen“. Damit kontrastiert seltsam
ein Satz der Schmidtschen Encyclopädie. Es heißt hier (2. Aufl. Bd. I
S. 626, Titel: Besoldung) von der Berliner Konferenz von 1873, daß
ihre Mitglieder über nichts so schnell einstimmig gewesen seien,
als über die ihnen gebührende Besoldung
, und zwar wollten
sie dieselbe in voller Höhe der Gymnasialbesoldungen normiert wissen.
Wir verdenken ihnen ihr Verlangen auch durchaus nicht, nur ist es uns
unmöglich, eine Hintenansetzung materieller Vorteile darin zu sehen.
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[65/0066] wähnen: die pekuniäre Seite 1) und zwar, weil die ideale sehr eng damit zusammenhängt. Man wird den neuen Lehrerinnen ein entsprechendes Gehalt geben müssen. Die in Preußen herrschende Sitte, das Geschlecht, nicht die Leistung im Lehrstand zu honorieren, rechtfertigt man durch die größere Bedürfnislosigkeit des weiblichen Ge- schlechts (im Königreich Sachsen liegen die Verhält- nisse für die Lehrerinnen ungleich günstiger); diese Be- dürfnislosigkeit ist bei der Lehrerin unter Umständen, wenn es sich beispielsweise um den Ankauf von Büchern, das Halten pädagogischer Journale ꝛc. handelt, ein Feh- ler, den man ihr oft genug zum Vorwurf macht, der aber seinen Grund sehr häufig in zu geringem Einkommen hat. In wie unendlich vielen Fällen liegt heutzutage ferner auf der Lehrerin die Sorge für ihre Mutter oder für unmündige Geschwister; die Zeit, wo Sohn oder Bruder unbedingt, oft mit Aufopferung eigener Herzens- wünsche, für diese eintrat, scheint vorüber zu sein, und so sollte man die Bedürfnislosigkeit des weiblichen Geschlechts nicht immer bei der Gehaltsabmessung in den Vordergrund schieben; es ist genugsam durch „Entsagung gestählt“, um die größere Freiheit des Studiums und der Lebensführung 1) Die Veranlasserinnen der Petition glaubten diesen Punkt beson- ders hervorheben zu sollen 1) weil sie sich alle in einer gesicherten Lebens- stellung befinden und kein persönliches Interesse an demselben haben, 2) weil die Lehrerinnen in falschem Idealismus darauf gar kein Gewicht legen. Es ist zwar sehr denkbar, daß dieser Punkt zu Angriffen aus- genutzt werden wird, um so mehr als G. Kreyenberg die Mädchenlehrer zu den „sonderbaren Käuzen“ rechnet, die ihren materiellen Vorteil hinten- ansetzen und sich „durch Entsagung stählen“. Damit kontrastiert seltsam ein Satz der Schmidtschen Encyclopädie. Es heißt hier (2. Aufl. Bd. I S. 626, Titel: Besoldung) von der Berliner Konferenz von 1873, daß ihre Mitglieder über nichts so schnell einstimmig gewesen seien, als über die ihnen gebührende Besoldung, und zwar wollten sie dieselbe in voller Höhe der Gymnasialbesoldungen normiert wissen. Wir verdenken ihnen ihr Verlangen auch durchaus nicht, nur ist es uns unmöglich, eine Hintenansetzung materieller Vorteile darin zu sehen.

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/66>, abgerufen am 23.11.2024.