zwei Namen vor Allen hervor: in Frankreich der König aller Praktiker von Genie, Deschapelles, und in Oesterreich Johann Allgaier, letzterer auch als Theoretiker vielfach gepriesen. Deschapelles (geboren im März 1780, gestorben im October 1847) war in jeglicher Art von Spielen ein Genie, das vermöge einer starken Calculationskraft Studium und Uebung verschmähen durfte, um ohne Mühe die Meister- schaft zu erringen und trotz Jahre langer Nichtübung jene dennoch wieder glänzend zu bewähren. Ihm kann man in der ersten Zeit von englischer Seite nur den als Theoretiker hochverdienten Altmeister Lewis an Spielstärke gleichstellen. Später freilich überflügelte den französischen Meister sein eigener Schüler Charles Mahe de la Bourdonnais, welcher wohl vor Allen den ersten Rang der Meisterschaft noch jetzt unbestritten einnimmt. Leider ist dieser ausgezeichnetste Meister bereits im Jahre 1840 (am 13. Decbr. 43 Jahre alt) gestorben, nachdem er die wahrhaft klassische Epoche unseres Spieles begründet und zugleich dem segensreichen Institut periodischer Blätter Bahn gebrochen hatte. Tiefe Auffassung und durchgehende Klarheit der Combination zeichnen dieses Meisters praktische Leistungen aus; den Glanzpunkt bildet der (im Westminster Schachclub zu London 1834) mit dem Irländer Alexander Mac Donnel siegreich ausgefochtene grosse Wettkampf, welchem wir die sogenannten klassischen Partien unseres Spieles verdanken.
§. 414. Zehn Jahre später traten abermals Frankreich und England gegen einander in die Schranken. Im November und December 1843 paarten sich zu einem zähen Wettkampf von 21 Spielen um 2500 Francs der kräftige Meister Staunton und der gewandte Bauernkenner St. Amant. Das Spiel des ersteren, durchaus gesund und von tiefer Positionskennt- niss zeugend, begleitet von einer ausgezeichneten persönlichen Haltung und Steinführung, überwand damals die gewiss nicht minder elegante aber vielleicht durch Zufälligkeiten weniger sichere frazösische Partieführung. Leider konnten die wohl allzuhäufig grosse Aengstlichkeit verrathenden Partien nur wenig Anerkennung finden. Indess belebten sie doch das allgemeine Interesse am Spiel auf eine wunderbare Weise
zwei Namen vor Allen hervor: in Frankreich der König aller Praktiker von Genie, Deschapelles, und in Oesterreich Johann Allgaier, letzterer auch als Theoretiker vielfach gepriesen. Deschapelles (geboren im März 1780, gestorben im October 1847) war in jeglicher Art von Spielen ein Genie, das vermöge einer starken Calculationskraft Studium und Uebung verschmähen durfte, um ohne Mühe die Meister- schaft zu erringen und trotz Jahre langer Nichtübung jene dennoch wieder glänzend zu bewähren. Ihm kann man in der ersten Zeit von englischer Seite nur den als Theoretiker hochverdienten Altmeister Lewis an Spielstärke gleichstellen. Später freilich überflügelte den französischen Meister sein eigener Schüler Charles Mahé de la Bourdonnais, welcher wohl vor Allen den ersten Rang der Meisterschaft noch jetzt unbestritten einnimmt. Leider ist dieser ausgezeichnetste Meister bereits im Jahre 1840 (am 13. Decbr. 43 Jahre alt) gestorben, nachdem er die wahrhaft klassische Epoche unseres Spieles begründet und zugleich dem segensreichen Institut periodischer Blätter Bahn gebrochen hatte. Tiefe Auffassung und durchgehende Klarheit der Combination zeichnen dieses Meisters praktische Leistungen aus; den Glanzpunkt bildet der (im Westminster Schachclub zu London 1834) mit dem Irländer Alexander Mac Donnel siegreich ausgefochtene grosse Wettkampf, welchem wir die sogenannten klassischen Partien unseres Spieles verdanken.
§. 414. Zehn Jahre später traten abermals Frankreich und England gegen einander in die Schranken. Im November und December 1843 paarten sich zu einem zähen Wettkampf von 21 Spielen um 2500 Francs der kräftige Meister Staunton und der gewandte Bauernkenner St. Amant. Das Spiel des ersteren, durchaus gesund und von tiefer Positionskennt- niss zeugend, begleitet von einer ausgezeichneten persönlichen Haltung und Steinführung, überwand damals die gewiss nicht minder elegante aber vielleicht durch Zufälligkeiten weniger sichere frazösische Partieführung. Leider konnten die wohl allzuhäufig grosse Aengstlichkeit verrathenden Partien nur wenig Anerkennung finden. Indess belebten sie doch das allgemeine Interesse am Spiel auf eine wunderbare Weise
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zwei Namen vor Allen hervor: in Frankreich der König aller
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im October 1847) war in jeglicher Art von Spielen ein Genie,
das vermöge einer starken Calculationskraft Studium und
Uebung verschmähen durfte, um ohne Mühe die Meister-
schaft zu erringen und trotz Jahre langer Nichtübung jene
dennoch wieder glänzend zu bewähren. Ihm kann man in
der ersten Zeit von englischer Seite nur den als Theoretiker
hochverdienten Altmeister Lewis an Spielstärke gleichstellen.
Später freilich überflügelte den französischen Meister sein
eigener Schüler Charles Mahé de la Bourdonnais, welcher
wohl vor Allen den ersten Rang der Meisterschaft noch jetzt
unbestritten einnimmt. Leider ist dieser ausgezeichnetste
Meister bereits im Jahre 1840 (am 13. Decbr. 43 Jahre alt)
gestorben, nachdem er die wahrhaft klassische Epoche unseres
Spieles begründet und zugleich dem segensreichen Institut
periodischer Blätter Bahn gebrochen hatte. Tiefe Auffassung
und durchgehende Klarheit der Combination zeichnen dieses
Meisters praktische Leistungen aus; den Glanzpunkt bildet
der (im Westminster Schachclub zu London 1834) mit dem
Irländer Alexander Mac Donnel siegreich ausgefochtene
grosse Wettkampf, welchem wir die sogenannten klassischen
Partien unseres Spieles verdanken.
§. 414. Zehn Jahre später traten abermals Frankreich
und England gegen einander in die Schranken. Im November
und December 1843 paarten sich zu einem zähen Wettkampf von
21 Spielen um 2500 Francs der kräftige Meister Staunton
und der gewandte Bauernkenner St. Amant. Das Spiel
des ersteren, durchaus gesund und von tiefer Positionskennt-
niss zeugend, begleitet von einer ausgezeichneten persönlichen
Haltung und Steinführung, überwand damals die gewiss nicht
minder elegante aber vielleicht durch Zufälligkeiten weniger
sichere frazösische Partieführung. Leider konnten die wohl
allzuhäufig grosse Aengstlichkeit verrathenden Partien nur
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Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/249>, abgerufen am 23.11.2024.
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