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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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braucht und verlangt dafür die Einsetzung der ganzen
Kraft dieses Beamten. Einer unverheirateten Ober-
lehrerin ein Wohnungsgeld von 1300 M. geben heißt
nur um der scheinbaren Gerechtigkeit willen den alten
preußischen Grundsatz von der Bezahlung seiner Beamten
durchbrechen; denn niemand wird beweisen können, daß
zu der Lebenshaltung einer unverheirateten Lehrerin eine
Wohnung zu 1300 M. Mietspreis nötig ist.

Noch stehen die Frauenrechtlerinnen mit der Forde-
rung nach gleicher Erwerbsmöglichkeit mitten im Kampfe,
noch ist ihnen nicht überall der Sieg sicher, noch läßt
sich vieles verhindern, was unseren Staat der völligen
Feminisierung preisgeben würde. Aber mit bewunderns-
werter Zähigkeit und Ausdauer laufen die Frauenrechtle-
rinnen Sturm gegen die Schranken, die ihnen noch gesetzt
sind, so kämpfen sie erbittert um die Zulassung zu den
richterlichen Ämtern (wodurch sie sich besonders den Weg
in die Verwaltungen bahnen möchten!), so kämpfen sie
um das geistliche Amt, allerdings nicht so erbittert, da
viele von ihnen unserer Landeskirche fernstehen, ein großer
Prozentsatz auch unserem Bekenntnis garnicht angehört.

Selbst Gertrud Bäumer gesteht zu, daß die moderne
Entwicklung der Frauenbewegung wirtschaftliche Schäden
im Gefolge hat; aber sie sagt nichts über die viel größe-
ren gesundheitlichen und sittlichen Schäden, denen das
junge weibliche Geschlecht durch die Folgen der Frauen-
bewegung ausgesetzt ist. Viel mehr noch als die Forde-
rung der gleichen Bildung schneidet die Forderung der
gleichen Lebensform in die Familie ein. Das erwerbende
Mädchen, selbst wenn es im Elternhause wohnt, löst sich

braucht und verlangt dafür die Einsetzung der ganzen
Kraft dieses Beamten. Einer unverheirateten Ober-
lehrerin ein Wohnungsgeld von 1300 M. geben heißt
nur um der scheinbaren Gerechtigkeit willen den alten
preußischen Grundsatz von der Bezahlung seiner Beamten
durchbrechen; denn niemand wird beweisen können, daß
zu der Lebenshaltung einer unverheirateten Lehrerin eine
Wohnung zu 1300 M. Mietspreis nötig ist.

Noch stehen die Frauenrechtlerinnen mit der Forde-
rung nach gleicher Erwerbsmöglichkeit mitten im Kampfe,
noch ist ihnen nicht überall der Sieg sicher, noch läßt
sich vieles verhindern, was unseren Staat der völligen
Feminisierung preisgeben würde. Aber mit bewunderns-
werter Zähigkeit und Ausdauer laufen die Frauenrechtle-
rinnen Sturm gegen die Schranken, die ihnen noch gesetzt
sind, so kämpfen sie erbittert um die Zulassung zu den
richterlichen Ämtern (wodurch sie sich besonders den Weg
in die Verwaltungen bahnen möchten!), so kämpfen sie
um das geistliche Amt, allerdings nicht so erbittert, da
viele von ihnen unserer Landeskirche fernstehen, ein großer
Prozentsatz auch unserem Bekenntnis garnicht angehört.

Selbst Gertrud Bäumer gesteht zu, daß die moderne
Entwicklung der Frauenbewegung wirtschaftliche Schäden
im Gefolge hat; aber sie sagt nichts über die viel größe-
ren gesundheitlichen und sittlichen Schäden, denen das
junge weibliche Geschlecht durch die Folgen der Frauen-
bewegung ausgesetzt ist. Viel mehr noch als die Forde-
rung der gleichen Bildung schneidet die Forderung der
gleichen Lebensform in die Familie ein. Das erwerbende
Mädchen, selbst wenn es im Elternhause wohnt, löst sich

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[148/0150] braucht und verlangt dafür die Einsetzung der ganzen Kraft dieses Beamten. Einer unverheirateten Ober- lehrerin ein Wohnungsgeld von 1300 M. geben heißt nur um der scheinbaren Gerechtigkeit willen den alten preußischen Grundsatz von der Bezahlung seiner Beamten durchbrechen; denn niemand wird beweisen können, daß zu der Lebenshaltung einer unverheirateten Lehrerin eine Wohnung zu 1300 M. Mietspreis nötig ist. Noch stehen die Frauenrechtlerinnen mit der Forde- rung nach gleicher Erwerbsmöglichkeit mitten im Kampfe, noch ist ihnen nicht überall der Sieg sicher, noch läßt sich vieles verhindern, was unseren Staat der völligen Feminisierung preisgeben würde. Aber mit bewunderns- werter Zähigkeit und Ausdauer laufen die Frauenrechtle- rinnen Sturm gegen die Schranken, die ihnen noch gesetzt sind, so kämpfen sie erbittert um die Zulassung zu den richterlichen Ämtern (wodurch sie sich besonders den Weg in die Verwaltungen bahnen möchten!), so kämpfen sie um das geistliche Amt, allerdings nicht so erbittert, da viele von ihnen unserer Landeskirche fernstehen, ein großer Prozentsatz auch unserem Bekenntnis garnicht angehört. Selbst Gertrud Bäumer gesteht zu, daß die moderne Entwicklung der Frauenbewegung wirtschaftliche Schäden im Gefolge hat; aber sie sagt nichts über die viel größe- ren gesundheitlichen und sittlichen Schäden, denen das junge weibliche Geschlecht durch die Folgen der Frauen- bewegung ausgesetzt ist. Viel mehr noch als die Forde- rung der gleichen Bildung schneidet die Forderung der gleichen Lebensform in die Familie ein. Das erwerbende Mädchen, selbst wenn es im Elternhause wohnt, löst sich

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/150>, abgerufen am 23.11.2024.