Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

Bild:
<< vorherige Seite

rinnen der Frauenbewegung den Versuch, die Notwendigkeit
der Politisierung der Frau mit der völligen Umwälzung
im Frauenerwerbsleben zu begründen. Dieser Versuch ist
vollkommen mißlungen, und es ist, prozentual berechnet,
statt der behaupteten "ungeheuren Zunahme" der haupt-
beruflichen weiblichen Erwerbstätigen, sogar eine
geringe Abnahme festzustellen. Die großen Differenzen
zwischen den statistischen Ergebnissen von 1895 und 1907
erklären sich ungezwungen durch einen völlig veränderten
Zählungsmodus, der die mithelfenden Angehörigen alle
miterfaßte. Daß diese Erklärung zutrifft, ergibt sich be-
sonders deutlich aus den statistischen Angaben, welche die
Landbevölkerung betreffen.

Wer da weiß, in welch' geringem Grade die Arbeits-
verhältnisse auf dem Lande sich im Laufe von 12 Jahren
verändern, dem muß es geradezu wunderbar erscheinen,
daß im Jahre 1895 1 020 453, im Jahre 1907 aber
2 840 841 mithelfende weibliche Angehörige in den land-
wirtschaftlichen Betrieben angegeben werden, was einer
Zunahme von 178,4 % entsprechen würde. Diese an-
scheinende Revolution ist ein statistisches Phan-
tom, und sie erklärt sich, ohne die geringste
Veränderung in der Betätigung der weiblichen
Landbewohner, einfach aus der veränderten
Zähl-Anweisung unserer Staats-Statistiker
,
die eine genauere Erfassung aller dieser mithelfenden An-
gehörigen wünschten und damit den Frauenrechtlerinnen
einen ungeheuren Dienst leisteten.

Als man mit dieser Motivierung der Politisierung
der Frau keinen rechten Glauben mehr fand, begann man

rinnen der Frauenbewegung den Versuch, die Notwendigkeit
der Politisierung der Frau mit der völligen Umwälzung
im Frauenerwerbsleben zu begründen. Dieser Versuch ist
vollkommen mißlungen, und es ist, prozentual berechnet,
statt der behaupteten „ungeheuren Zunahme“ der haupt-
beruflichen weiblichen Erwerbstätigen, sogar eine
geringe Abnahme festzustellen. Die großen Differenzen
zwischen den statistischen Ergebnissen von 1895 und 1907
erklären sich ungezwungen durch einen völlig veränderten
Zählungsmodus, der die mithelfenden Angehörigen alle
miterfaßte. Daß diese Erklärung zutrifft, ergibt sich be-
sonders deutlich aus den statistischen Angaben, welche die
Landbevölkerung betreffen.

Wer da weiß, in welch' geringem Grade die Arbeits-
verhältnisse auf dem Lande sich im Laufe von 12 Jahren
verändern, dem muß es geradezu wunderbar erscheinen,
daß im Jahre 1895 1 020 453, im Jahre 1907 aber
2 840 841 mithelfende weibliche Angehörige in den land-
wirtschaftlichen Betrieben angegeben werden, was einer
Zunahme von 178,4 % entsprechen würde. Diese an-
scheinende Revolution ist ein statistisches Phan-
tom, und sie erklärt sich, ohne die geringste
Veränderung in der Betätigung der weiblichen
Landbewohner, einfach aus der veränderten
Zähl-Anweisung unserer Staats-Statistiker
,
die eine genauere Erfassung aller dieser mithelfenden An-
gehörigen wünschten und damit den Frauenrechtlerinnen
einen ungeheuren Dienst leisteten.

Als man mit dieser Motivierung der Politisierung
der Frau keinen rechten Glauben mehr fand, begann man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0019" n="17"/>
rinnen der Frauenbewegung den Versuch, die Notwendigkeit<lb/>
der Politisierung der Frau mit der völligen Umwälzung<lb/>
im Frauenerwerbsleben zu begründen. Dieser Versuch ist<lb/>
vollkommen mißlungen, und es ist, prozentual berechnet,<lb/>
statt der behaupteten &#x201E;ungeheuren Zunahme&#x201C; der haupt-<lb/>
beruflichen <hi rendition="#g">weiblichen Erwerbstätigen</hi>, sogar eine<lb/>
geringe <hi rendition="#g">Abnahme</hi> festzustellen. Die großen Differenzen<lb/>
zwischen den statistischen Ergebnissen von 1895 und 1907<lb/>
erklären sich ungezwungen durch einen völlig veränderten<lb/>
Zählungsmodus, der die mithelfenden Angehörigen <hi rendition="#g">alle</hi><lb/>
miterfaßte. Daß diese Erklärung zutrifft, ergibt sich be-<lb/>
sonders deutlich aus den statistischen Angaben, welche die<lb/>
Landbevölkerung betreffen.</p><lb/>
            <p>Wer da weiß, in welch' geringem Grade die Arbeits-<lb/>
verhältnisse auf dem Lande sich im Laufe von 12 Jahren<lb/>
verändern, dem muß es geradezu wunderbar erscheinen,<lb/>
daß im Jahre 1895 1 020 453, im Jahre 1907 aber<lb/>
2 840 841 mithelfende weibliche Angehörige in den land-<lb/>
wirtschaftlichen Betrieben angegeben werden, was einer<lb/>
Zunahme von 178,4 % entsprechen würde. <hi rendition="#g">Diese an-<lb/>
scheinende Revolution ist ein statistisches Phan-<lb/>
tom, und sie erklärt sich, ohne die geringste<lb/>
Veränderung in der Betätigung der weiblichen<lb/>
Landbewohner, einfach aus der veränderten<lb/>
Zähl-Anweisung unserer Staats-Statistiker</hi>,<lb/>
die eine genauere Erfassung aller dieser mithelfenden An-<lb/>
gehörigen wünschten und damit den Frauenrechtlerinnen<lb/>
einen ungeheuren Dienst leisteten.</p><lb/>
            <p>Als man mit dieser Motivierung der Politisierung<lb/>
der Frau keinen rechten Glauben mehr fand, begann man<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0019] rinnen der Frauenbewegung den Versuch, die Notwendigkeit der Politisierung der Frau mit der völligen Umwälzung im Frauenerwerbsleben zu begründen. Dieser Versuch ist vollkommen mißlungen, und es ist, prozentual berechnet, statt der behaupteten „ungeheuren Zunahme“ der haupt- beruflichen weiblichen Erwerbstätigen, sogar eine geringe Abnahme festzustellen. Die großen Differenzen zwischen den statistischen Ergebnissen von 1895 und 1907 erklären sich ungezwungen durch einen völlig veränderten Zählungsmodus, der die mithelfenden Angehörigen alle miterfaßte. Daß diese Erklärung zutrifft, ergibt sich be- sonders deutlich aus den statistischen Angaben, welche die Landbevölkerung betreffen. Wer da weiß, in welch' geringem Grade die Arbeits- verhältnisse auf dem Lande sich im Laufe von 12 Jahren verändern, dem muß es geradezu wunderbar erscheinen, daß im Jahre 1895 1 020 453, im Jahre 1907 aber 2 840 841 mithelfende weibliche Angehörige in den land- wirtschaftlichen Betrieben angegeben werden, was einer Zunahme von 178,4 % entsprechen würde. Diese an- scheinende Revolution ist ein statistisches Phan- tom, und sie erklärt sich, ohne die geringste Veränderung in der Betätigung der weiblichen Landbewohner, einfach aus der veränderten Zähl-Anweisung unserer Staats-Statistiker, die eine genauere Erfassung aller dieser mithelfenden An- gehörigen wünschten und damit den Frauenrechtlerinnen einen ungeheuren Dienst leisteten. Als man mit dieser Motivierung der Politisierung der Frau keinen rechten Glauben mehr fand, begann man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-13T13:51:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-13T13:51:38Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/19
Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/19>, abgerufen am 03.12.2024.