Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

Bild:
<< vorherige Seite

Dagegen haben die christlich gesinnten Mütter des
Volkes in ihrem Einfluß auf die Ehemänner und die
Kinder im Familienleben die beste Gelegenheit, der Kirche
zu dienen, indem sie ihre Kinder in christlichem Geiste
erziehen und in tätiger Gemeinschaft mit dem Geistlichen
durch ihr Beispiel die etwa der Kirche entfremdeten
Männer zurückgewinnen. Beharrlicher Fraueneinfluß ver-
mag so viel über die Männer, warum sollte er gerade
in diesen das stille, tiefe Frauengemüt bewegenden Aufgaben
der öffentlichen Tätigkeit der Frau, des Stimmzettels und
der Wahlagitation bedürfen? - Und in solchem Sinne
haben bis auf diesen Tag die christlich frommen deutschen
Frauen dem kirchlichen Leben große Dienste geleistet.
Aus ihren Kreisen stammt denn auch nicht der Wunsch
nach kirchlichen Wahlrechten. Die Erfahrung hat sie
gelehrt, daß bei den kirchlichen und Pfarrwahlen dasselbe
kleinliche Partei- und Jnteressenwesen den Ausschlag gibt,
das die politischen Wahlen vergiftet, und daß eine wirk-
liche Gesundung unseres Volkslebens auf kirchlich-religiöser
Grundlage um aus einer tiefgreifenden Erneuerung und
Umgestaltung der ganzen modernen grob-materiellen Welt-
anschauung und vor allem durch Verinnerlichung des
Familienlebens und durch eine straffere, ernstere Kinder-
zucht erreicht werden kann. Schon heute zeigt es sich,
daß das große Schicksal, von dem das deutsche Volk be-
troffen wurde, die im Grunde seines Gemütslebens schlum-
mernde Sehnsucht nach religiöser Wiedergeburt gewaltig
verstärkt hat, und manche deutsche Mutter erfährt es jetzt,
wo die Söhne vor dem Feinde stehen, mit stiller, herz-
licher Freude, wie es ihr leicht wird, den Vater und die

Dagegen haben die christlich gesinnten Mütter des
Volkes in ihrem Einfluß auf die Ehemänner und die
Kinder im Familienleben die beste Gelegenheit, der Kirche
zu dienen, indem sie ihre Kinder in christlichem Geiste
erziehen und in tätiger Gemeinschaft mit dem Geistlichen
durch ihr Beispiel die etwa der Kirche entfremdeten
Männer zurückgewinnen. Beharrlicher Fraueneinfluß ver-
mag so viel über die Männer, warum sollte er gerade
in diesen das stille, tiefe Frauengemüt bewegenden Aufgaben
der öffentlichen Tätigkeit der Frau, des Stimmzettels und
der Wahlagitation bedürfen? – Und in solchem Sinne
haben bis auf diesen Tag die christlich frommen deutschen
Frauen dem kirchlichen Leben große Dienste geleistet.
Aus ihren Kreisen stammt denn auch nicht der Wunsch
nach kirchlichen Wahlrechten. Die Erfahrung hat sie
gelehrt, daß bei den kirchlichen und Pfarrwahlen dasselbe
kleinliche Partei- und Jnteressenwesen den Ausschlag gibt,
das die politischen Wahlen vergiftet, und daß eine wirk-
liche Gesundung unseres Volkslebens auf kirchlich-religiöser
Grundlage um aus einer tiefgreifenden Erneuerung und
Umgestaltung der ganzen modernen grob-materiellen Welt-
anschauung und vor allem durch Verinnerlichung des
Familienlebens und durch eine straffere, ernstere Kinder-
zucht erreicht werden kann. Schon heute zeigt es sich,
daß das große Schicksal, von dem das deutsche Volk be-
troffen wurde, die im Grunde seines Gemütslebens schlum-
mernde Sehnsucht nach religiöser Wiedergeburt gewaltig
verstärkt hat, und manche deutsche Mutter erfährt es jetzt,
wo die Söhne vor dem Feinde stehen, mit stiller, herz-
licher Freude, wie es ihr leicht wird, den Vater und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0031" n="29"/>
            <p>Dagegen haben die christlich gesinnten Mütter des<lb/>
Volkes in ihrem Einfluß auf die Ehemänner und die<lb/>
Kinder im Familienleben die beste Gelegenheit, der Kirche<lb/>
zu dienen, indem sie ihre Kinder in christlichem Geiste<lb/>
erziehen und in tätiger Gemeinschaft mit dem Geistlichen<lb/>
durch ihr Beispiel die etwa der Kirche entfremdeten<lb/>
Männer zurückgewinnen. Beharrlicher Fraueneinfluß ver-<lb/>
mag so viel über die Männer, warum sollte er gerade<lb/>
in diesen das stille, tiefe Frauengemüt bewegenden Aufgaben<lb/>
der öffentlichen Tätigkeit der Frau, des Stimmzettels und<lb/>
der Wahlagitation bedürfen? &#x2013; Und in solchem Sinne<lb/>
haben bis auf diesen Tag die christlich frommen deutschen<lb/>
Frauen dem kirchlichen Leben große Dienste geleistet.<lb/>
Aus ihren Kreisen stammt denn auch nicht der Wunsch<lb/>
nach kirchlichen Wahlrechten. Die Erfahrung hat sie<lb/>
gelehrt, daß bei den kirchlichen und Pfarrwahlen dasselbe<lb/>
kleinliche Partei- und Jnteressenwesen den Ausschlag gibt,<lb/>
das die politischen Wahlen vergiftet, und daß eine wirk-<lb/>
liche Gesundung unseres Volkslebens auf kirchlich-religiöser<lb/>
Grundlage um aus einer tiefgreifenden Erneuerung und<lb/>
Umgestaltung der ganzen modernen grob-materiellen Welt-<lb/>
anschauung und vor allem durch Verinnerlichung des<lb/>
Familienlebens und durch eine straffere, ernstere Kinder-<lb/>
zucht erreicht werden kann. Schon heute zeigt es sich,<lb/>
daß das große Schicksal, von dem das deutsche Volk be-<lb/>
troffen wurde, die im Grunde seines Gemütslebens schlum-<lb/>
mernde Sehnsucht nach religiöser Wiedergeburt gewaltig<lb/>
verstärkt hat, und manche deutsche Mutter erfährt es jetzt,<lb/>
wo die Söhne vor dem Feinde stehen, mit stiller, herz-<lb/>
licher Freude, wie es ihr leicht wird, den Vater und die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0031] Dagegen haben die christlich gesinnten Mütter des Volkes in ihrem Einfluß auf die Ehemänner und die Kinder im Familienleben die beste Gelegenheit, der Kirche zu dienen, indem sie ihre Kinder in christlichem Geiste erziehen und in tätiger Gemeinschaft mit dem Geistlichen durch ihr Beispiel die etwa der Kirche entfremdeten Männer zurückgewinnen. Beharrlicher Fraueneinfluß ver- mag so viel über die Männer, warum sollte er gerade in diesen das stille, tiefe Frauengemüt bewegenden Aufgaben der öffentlichen Tätigkeit der Frau, des Stimmzettels und der Wahlagitation bedürfen? – Und in solchem Sinne haben bis auf diesen Tag die christlich frommen deutschen Frauen dem kirchlichen Leben große Dienste geleistet. Aus ihren Kreisen stammt denn auch nicht der Wunsch nach kirchlichen Wahlrechten. Die Erfahrung hat sie gelehrt, daß bei den kirchlichen und Pfarrwahlen dasselbe kleinliche Partei- und Jnteressenwesen den Ausschlag gibt, das die politischen Wahlen vergiftet, und daß eine wirk- liche Gesundung unseres Volkslebens auf kirchlich-religiöser Grundlage um aus einer tiefgreifenden Erneuerung und Umgestaltung der ganzen modernen grob-materiellen Welt- anschauung und vor allem durch Verinnerlichung des Familienlebens und durch eine straffere, ernstere Kinder- zucht erreicht werden kann. Schon heute zeigt es sich, daß das große Schicksal, von dem das deutsche Volk be- troffen wurde, die im Grunde seines Gemütslebens schlum- mernde Sehnsucht nach religiöser Wiedergeburt gewaltig verstärkt hat, und manche deutsche Mutter erfährt es jetzt, wo die Söhne vor dem Feinde stehen, mit stiller, herz- licher Freude, wie es ihr leicht wird, den Vater und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-13T13:51:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-13T13:51:38Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/31
Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/31>, abgerufen am 29.04.2024.