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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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Landtage der Bundesstaaten. Jm Frühling 1912 lagen
allein dem preußischen Landtage 19 derartige Petitionen
vor. Der "Allgemeine deutsche Frauenverein, Verband
für Frauenarbeit und Frauenrechte in der Gemeinde",
unter dem Vorsitz von Helene Lange - die praktischer
Weise auch noch immer an der Spitze des Allgemeinen
deutschen Lehrerinnenvereins steht - behandelt das Ge-
meindewahlrecht geradezu als sein Spezialgebiet und
empfiehlt sich damit noch trotz des Radikalismus seiner
Vorsitzenden den Regierungen als ein Verein mit "ge-
mäßigten" Zielen. Er begründete (1907 bezw. 1911)
die Zentralstelle für Gemeindeämter der Frau. Von dieser
schreibt das Jahrbuch der Frauenbewegung von 1913:
"Unter der Leitung von Frau Jenny Apolant wird hier
für das Gemeindewahlrecht der Frau und damit für ihre
politische Befreiung überhaupt wertvolle praktische und
theoretische Arbeit geleistet."

Unter den Frauenstimmrechtsvereinen hat der
Schlesische und der Westdeutsche Verein sich besonders
für das Gemeindewahlrecht eingesetzt und in den Städten
durch kommunalpolitische Ausschüsse, auf dem Lande durch
Landgemeindekommissionen zu wirken gesucht. Durch
Gemeindemappen für Landfrauen wird die Frauenstimm-
rechtsliteratur auch bis in die entlegensten Dörfer ver-
breitet. Die diesen Verbänden angeschlossenen Frauen
eignen sich besonders gut für die Propagierung dieser
anscheinend gemäßigten Bestrebungen, weil sie sich
größtenteils zur freikonservativen und nationalliberalen
Partei zählen, bei denen die Stimmung für die völlige
politische Gleichberechtigung der Frau erst noch geschaffen

Landtage der Bundesstaaten. Jm Frühling 1912 lagen
allein dem preußischen Landtage 19 derartige Petitionen
vor. Der „Allgemeine deutsche Frauenverein, Verband
für Frauenarbeit und Frauenrechte in der Gemeinde“,
unter dem Vorsitz von Helene Lange – die praktischer
Weise auch noch immer an der Spitze des Allgemeinen
deutschen Lehrerinnenvereins steht – behandelt das Ge-
meindewahlrecht geradezu als sein Spezialgebiet und
empfiehlt sich damit noch trotz des Radikalismus seiner
Vorsitzenden den Regierungen als ein Verein mit „ge-
mäßigten“ Zielen. Er begründete (1907 bezw. 1911)
die Zentralstelle für Gemeindeämter der Frau. Von dieser
schreibt das Jahrbuch der Frauenbewegung von 1913:
„Unter der Leitung von Frau Jenny Apolant wird hier
für das Gemeindewahlrecht der Frau und damit für ihre
politische Befreiung überhaupt wertvolle praktische und
theoretische Arbeit geleistet.“

Unter den Frauenstimmrechtsvereinen hat der
Schlesische und der Westdeutsche Verein sich besonders
für das Gemeindewahlrecht eingesetzt und in den Städten
durch kommunalpolitische Ausschüsse, auf dem Lande durch
Landgemeindekommissionen zu wirken gesucht. Durch
Gemeindemappen für Landfrauen wird die Frauenstimm-
rechtsliteratur auch bis in die entlegensten Dörfer ver-
breitet. Die diesen Verbänden angeschlossenen Frauen
eignen sich besonders gut für die Propagierung dieser
anscheinend gemäßigten Bestrebungen, weil sie sich
größtenteils zur freikonservativen und nationalliberalen
Partei zählen, bei denen die Stimmung für die völlige
politische Gleichberechtigung der Frau erst noch geschaffen

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[42/0044] Landtage der Bundesstaaten. Jm Frühling 1912 lagen allein dem preußischen Landtage 19 derartige Petitionen vor. Der „Allgemeine deutsche Frauenverein, Verband für Frauenarbeit und Frauenrechte in der Gemeinde“, unter dem Vorsitz von Helene Lange – die praktischer Weise auch noch immer an der Spitze des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins steht – behandelt das Ge- meindewahlrecht geradezu als sein Spezialgebiet und empfiehlt sich damit noch trotz des Radikalismus seiner Vorsitzenden den Regierungen als ein Verein mit „ge- mäßigten“ Zielen. Er begründete (1907 bezw. 1911) die Zentralstelle für Gemeindeämter der Frau. Von dieser schreibt das Jahrbuch der Frauenbewegung von 1913: „Unter der Leitung von Frau Jenny Apolant wird hier für das Gemeindewahlrecht der Frau und damit für ihre politische Befreiung überhaupt wertvolle praktische und theoretische Arbeit geleistet.“ Unter den Frauenstimmrechtsvereinen hat der Schlesische und der Westdeutsche Verein sich besonders für das Gemeindewahlrecht eingesetzt und in den Städten durch kommunalpolitische Ausschüsse, auf dem Lande durch Landgemeindekommissionen zu wirken gesucht. Durch Gemeindemappen für Landfrauen wird die Frauenstimm- rechtsliteratur auch bis in die entlegensten Dörfer ver- breitet. Die diesen Verbänden angeschlossenen Frauen eignen sich besonders gut für die Propagierung dieser anscheinend gemäßigten Bestrebungen, weil sie sich größtenteils zur freikonservativen und nationalliberalen Partei zählen, bei denen die Stimmung für die völlige politische Gleichberechtigung der Frau erst noch geschaffen

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/44>, abgerufen am 23.11.2024.