"ters, du bist das glückseligste Geschöpf "auf der Erde, weil die Vorsicht die Tu- "genden deiner Aeltern in dir vereiniget "hat! Du bist nun dir selbst überlassen, "und fängst den Gebrauch deiner Unab- "hängigkeit mit Ausübung der Wohlthä- "tigkeit an deiner Großmutter an. Denn "es ist eine edlere Wohlthat, das Alter "zu beleben, und liebreich zu besorgen, "als den Armen Gold zu schenken."
Sie empfahl sie auch dem Grafen und der Gräfin von Löbau auf das eifrigste, als sie von ihnen noch vor ihrem Ende ei- nen Besuch erhielt. Diese beyden Perso- nen waren dem Ansehen nach, gegen das Fräulein sehr verbindlich, und wollten sie sogleich mit sich nehmen; aber sie bat sich aus, ihr Trauerjahr in unserm Hause zu halten.
Jn dieser Zeit bildete sich die vertraute Freundschaft, welche sie in der Folge alle- zeit mit meiner Schwester Emilia unter- hielt. Mit dieser gieng sie oft in die Kir- che zum Grabstein ihrer Aeltern, knieete da, betete, redete von ihnen. -- "Jch
"habe
„ters, du biſt das gluͤckſeligſte Geſchoͤpf „auf der Erde, weil die Vorſicht die Tu- „genden deiner Aeltern in dir vereiniget „hat! Du biſt nun dir ſelbſt uͤberlaſſen, „und faͤngſt den Gebrauch deiner Unab- „haͤngigkeit mit Ausuͤbung der Wohlthaͤ- „tigkeit an deiner Großmutter an. Denn „es iſt eine edlere Wohlthat, das Alter „zu beleben, und liebreich zu beſorgen, „als den Armen Gold zu ſchenken.“
Sie empfahl ſie auch dem Grafen und der Graͤfin von Loͤbau auf das eifrigſte, als ſie von ihnen noch vor ihrem Ende ei- nen Beſuch erhielt. Dieſe beyden Perſo- nen waren dem Anſehen nach, gegen das Fraͤulein ſehr verbindlich, und wollten ſie ſogleich mit ſich nehmen; aber ſie bat ſich aus, ihr Trauerjahr in unſerm Hauſe zu halten.
Jn dieſer Zeit bildete ſich die vertraute Freundſchaft, welche ſie in der Folge alle- zeit mit meiner Schweſter Emilia unter- hielt. Mit dieſer gieng ſie oft in die Kir- che zum Grabſtein ihrer Aeltern, knieete da, betete, redete von ihnen. — „Jch
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„ters, du biſt das gluͤckſeligſte Geſchoͤpf
„auf der Erde, weil die Vorſicht die Tu-
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„hat! Du biſt nun dir ſelbſt uͤberlaſſen,
„und faͤngſt den Gebrauch deiner Unab-
„haͤngigkeit mit Ausuͤbung der Wohlthaͤ-
„tigkeit an deiner Großmutter an. Denn
„es iſt eine edlere Wohlthat, das Alter
„zu beleben, und liebreich zu beſorgen,
„als den Armen Gold zu ſchenken.“
Sie empfahl ſie auch dem Grafen und
der Graͤfin von Loͤbau auf das eifrigſte,
als ſie von ihnen noch vor ihrem Ende ei-
nen Beſuch erhielt. Dieſe beyden Perſo-
nen waren dem Anſehen nach, gegen das
Fraͤulein ſehr verbindlich, und wollten ſie
ſogleich mit ſich nehmen; aber ſie bat ſich
aus, ihr Trauerjahr in unſerm Hauſe zu
halten.
Jn dieſer Zeit bildete ſich die vertraute
Freundſchaft, welche ſie in der Folge alle-
zeit mit meiner Schweſter Emilia unter-
hielt. Mit dieſer gieng ſie oft in die Kir-
che zum Grabſtein ihrer Aeltern, knieete
da, betete, redete von ihnen. — „Jch
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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