einer Sache reden höre, um welche man sich selbst zu betrügen sucht.
Meine Liebe, Jhre Ernsthaftigkeit setzt mich in Erstaunen, und dennoch höre ich Sie mit Vergnügen. Sie sind in Wahr- heit, wie die Prinzessin sagte, eine aus- serordentliche Person.
Jch weis nicht, Emilia, wie mir war. -- Jch merkte wohl, daß dieser Ton meiner Gedanken gar nicht der wäre, der sich in diese Gesellschaft schickte; aber ich konnte mir nicht helfen. Es hatte mich eine Bangigkeit befallen, eine Be- gierde weit weg zu seyn, eine innerliche Unruh; ich hätte sogar weinen mögen, ohne eine bestimmte Ursache angeben zu können.
Milord G. näherte sich schleichend sei- nem Neffen, faßte ihn beym Arm, und sagte: Seymour, Sie sind wie das Kind, das am Rande des Brunnens sicher schläft. Sehen Sie um sich. (Jndem er auf uns beyde wies) Bin ich nicht das Glück, das sie erweckt?
Sie
einer Sache reden hoͤre, um welche man ſich ſelbſt zu betruͤgen ſucht.
Meine Liebe, Jhre Ernſthaftigkeit ſetzt mich in Erſtaunen, und dennoch hoͤre ich Sie mit Vergnuͤgen. Sie ſind in Wahr- heit, wie die Prinzeſſin ſagte, eine auſ- ſerordentliche Perſon.
Jch weis nicht, Emilia, wie mir war. — Jch merkte wohl, daß dieſer Ton meiner Gedanken gar nicht der waͤre, der ſich in dieſe Geſellſchaft ſchickte; aber ich konnte mir nicht helfen. Es hatte mich eine Bangigkeit befallen, eine Be- gierde weit weg zu ſeyn, eine innerliche Unruh; ich haͤtte ſogar weinen moͤgen, ohne eine beſtimmte Urſache angeben zu koͤnnen.
Milord G. naͤherte ſich ſchleichend ſei- nem Neffen, faßte ihn beym Arm, und ſagte: Seymour, Sie ſind wie das Kind, das am Rande des Brunnens ſicher ſchlaͤft. Sehen Sie um ſich. (Jndem er auf uns beyde wies) Bin ich nicht das Gluͤck, das ſie erweckt?
Sie
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einer Sache reden hoͤre, um welche man
ſich ſelbſt zu betruͤgen ſucht.
Meine Liebe, Jhre Ernſthaftigkeit ſetzt
mich in Erſtaunen, und dennoch hoͤre ich
Sie mit Vergnuͤgen. Sie ſind in Wahr-
heit, wie die Prinzeſſin ſagte, eine auſ-
ſerordentliche Perſon.
Jch weis nicht, Emilia, wie mir
war. — Jch merkte wohl, daß dieſer
Ton meiner Gedanken gar nicht der waͤre,
der ſich in dieſe Geſellſchaft ſchickte; aber
ich konnte mir nicht helfen. Es hatte
mich eine Bangigkeit befallen, eine Be-
gierde weit weg zu ſeyn, eine innerliche
Unruh; ich haͤtte ſogar weinen moͤgen,
ohne eine beſtimmte Urſache angeben zu
koͤnnen.
Milord G. naͤherte ſich ſchleichend ſei-
nem Neffen, faßte ihn beym Arm, und
ſagte: Seymour, Sie ſind wie das Kind,
das am Rande des Brunnens ſicher
ſchlaͤft. Sehen Sie um ſich. (Jndem
er auf uns beyde wies) Bin ich nicht das
Gluͤck, das ſie erweckt?
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/137>, abgerufen am 27.11.2024.
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