Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

sucht, wo man es nicht findet, und dar-
über das Leben vertändelt.

Mein Fräulein C* hat Lection im Eng-
lischen angenommen; ich denke, sie wird
es bald lernen. Sie weiß schon viele, lau-
ter zärtliche Redensarten, an denen ich
den Lehrmeister erkenne. Sie hat mit
uns gespeist. Jch klagte meine Tante,
über ihren Bücherraub, im Scherz an.
Das Fräulein stund ihr bey: Das ist gut
ausgedacht, sagte sie, wir wollen sehen,
was der Geist unsrer Sternheim macht,
wenn sie ohne Führer, ohne Ausleger,
mit uns lebt. Jch lachte mit, und sagte:
Jch verlasse mich auf den rechtschaffenen
Gelehrten, der einmal sagte: die Em-
pfindungen
der Frauenzimmer wären
oft richtiger als die Gedanken der Män-
ner.
*) -- Darauf erhielt ich die Er-
laubniß zu arbeiten. Jch sagte, es wäre
mir unmöglich am Putztisch immer zuzuse-
hen, Nachmittags allezeit zu spielen, oder

müßig
*) Eine Bemerkung, welche der Herausgeber
aus vieler Erfahrung an sich und andern von
Herzen unterschreibt.

ſucht, wo man es nicht findet, und dar-
uͤber das Leben vertaͤndelt.

Mein Fraͤulein C* hat Lection im Eng-
liſchen angenommen; ich denke, ſie wird
es bald lernen. Sie weiß ſchon viele, lau-
ter zaͤrtliche Redensarten, an denen ich
den Lehrmeiſter erkenne. Sie hat mit
uns geſpeiſt. Jch klagte meine Tante,
uͤber ihren Buͤcherraub, im Scherz an.
Das Fraͤulein ſtund ihr bey: Das iſt gut
ausgedacht, ſagte ſie, wir wollen ſehen,
was der Geiſt unſrer Sternheim macht,
wenn ſie ohne Fuͤhrer, ohne Ausleger,
mit uns lebt. Jch lachte mit, und ſagte:
Jch verlaſſe mich auf den rechtſchaffenen
Gelehrten, der einmal ſagte: die Em-
pfindungen
der Frauenzimmer waͤren
oft richtiger als die Gedanken der Maͤn-
ner.
*) — Darauf erhielt ich die Er-
laubniß zu arbeiten. Jch ſagte, es waͤre
mir unmoͤglich am Putztiſch immer zuzuſe-
hen, Nachmittags allezeit zu ſpielen, oder

muͤßig
*) Eine Bemerkung, welche der Herausgeber
aus vieler Erfahrung an ſich und andern von
Herzen unterſchreibt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0153" n="127"/>
&#x017F;ucht, wo man es nicht findet, und dar-<lb/>
u&#x0364;ber das Leben verta&#x0364;ndelt.</p><lb/>
          <p>Mein Fra&#x0364;ulein C* hat Lection im Eng-<lb/>
li&#x017F;chen angenommen; ich denke, &#x017F;ie wird<lb/>
es bald lernen. Sie weiß &#x017F;chon viele, lau-<lb/>
ter za&#x0364;rtliche Redensarten, an denen ich<lb/>
den Lehrmei&#x017F;ter erkenne. Sie hat mit<lb/>
uns ge&#x017F;pei&#x017F;t. Jch klagte meine Tante,<lb/>
u&#x0364;ber ihren Bu&#x0364;cherraub, im Scherz an.<lb/>
Das Fra&#x0364;ulein &#x017F;tund ihr bey: Das i&#x017F;t gut<lb/>
ausgedacht, &#x017F;agte &#x017F;ie, wir wollen &#x017F;ehen,<lb/>
was der Gei&#x017F;t un&#x017F;rer Sternheim macht,<lb/>
wenn &#x017F;ie ohne Fu&#x0364;hrer, ohne Ausleger,<lb/>
mit uns lebt. Jch lachte mit, und &#x017F;agte:<lb/>
Jch verla&#x017F;&#x017F;e mich auf den recht&#x017F;chaffenen<lb/>
Gelehrten, der einmal &#x017F;agte: die <hi rendition="#fr">Em-<lb/>
pfindungen</hi> der <hi rendition="#fr">Frauenzimmer</hi> wa&#x0364;ren<lb/>
oft richtiger als die <hi rendition="#fr">Gedanken</hi> der <hi rendition="#fr">Ma&#x0364;n-<lb/>
ner.</hi><note place="foot" n="*)">Eine Bemerkung, welche der Herausgeber<lb/>
aus vieler Erfahrung an &#x017F;ich und andern von<lb/>
Herzen unter&#x017F;chreibt.</note> &#x2014; Darauf erhielt ich die Er-<lb/>
laubniß zu arbeiten. Jch &#x017F;agte, es wa&#x0364;re<lb/>
mir unmo&#x0364;glich am Putzti&#x017F;ch immer zuzu&#x017F;e-<lb/>
hen, Nachmittags allezeit zu &#x017F;pielen, oder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mu&#x0364;ßig</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0153] ſucht, wo man es nicht findet, und dar- uͤber das Leben vertaͤndelt. Mein Fraͤulein C* hat Lection im Eng- liſchen angenommen; ich denke, ſie wird es bald lernen. Sie weiß ſchon viele, lau- ter zaͤrtliche Redensarten, an denen ich den Lehrmeiſter erkenne. Sie hat mit uns geſpeiſt. Jch klagte meine Tante, uͤber ihren Buͤcherraub, im Scherz an. Das Fraͤulein ſtund ihr bey: Das iſt gut ausgedacht, ſagte ſie, wir wollen ſehen, was der Geiſt unſrer Sternheim macht, wenn ſie ohne Fuͤhrer, ohne Ausleger, mit uns lebt. Jch lachte mit, und ſagte: Jch verlaſſe mich auf den rechtſchaffenen Gelehrten, der einmal ſagte: die Em- pfindungen der Frauenzimmer waͤren oft richtiger als die Gedanken der Maͤn- ner. *) — Darauf erhielt ich die Er- laubniß zu arbeiten. Jch ſagte, es waͤre mir unmoͤglich am Putztiſch immer zuzuſe- hen, Nachmittags allezeit zu ſpielen, oder muͤßig *) Eine Bemerkung, welche der Herausgeber aus vieler Erfahrung an ſich und andern von Herzen unterſchreibt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/153
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/153>, abgerufen am 23.11.2024.