unserer Hof- und Stadtvisiten thun kann. Mein Oncle hat eine Halbschwester in dem Damenstift zu G., die er wegen einem reichen Erbe, so ihr zugefallen ist, zum Besten seiner Kinder zu gewinnen sucht. Und aus dieser Ursache mußte mine Tan- te mit ihren beyden Söhnen die Reise zu ihr machen. Sie nahm mich mit, und verschaffte mir dadurch einen Theil des Vergnügens, für welches ich am em- pfindlichsten bin, abwechselnde Scenen der Natur und Kunst, in ihren mannichfalti- gen Abänderungen, zu betrachten. Wä- re es auch nichts als der Anblick der auf- und niedergehenden Sonne gewesen, so würde ich diese Ausflucht von D. geliebt haben; aber ich sah mehr. Der Weg, den wir zurück zu legen hatten, zeigte mir ein großes Stück unsers deutschen Bo- dens, und darinn manchmal ein rauhes stiefmütterliches Land; welches von sei- nen leidenden geduldigen Einwohnern mit abgezehrten Händen angebaut wurde.
Zärtliches Mitleiden, Wünsche und Se- gen, erfüllten mein Herz, als ich ihren
sauren
unſerer Hof- und Stadtviſiten thun kann. Mein Oncle hat eine Halbſchweſter in dem Damenſtift zu G., die er wegen einem reichen Erbe, ſo ihr zugefallen iſt, zum Beſten ſeiner Kinder zu gewinnen ſucht. Und aus dieſer Urſache mußte mine Tan- te mit ihren beyden Soͤhnen die Reiſe zu ihr machen. Sie nahm mich mit, und verſchaffte mir dadurch einen Theil des Vergnuͤgens, fuͤr welches ich am em- pfindlichſten bin, abwechſelnde Scenen der Natur und Kunſt, in ihren mannichfalti- gen Abaͤnderungen, zu betrachten. Waͤ- re es auch nichts als der Anblick der auf- und niedergehenden Sonne geweſen, ſo wuͤrde ich dieſe Ausflucht von D. geliebt haben; aber ich ſah mehr. Der Weg, den wir zuruͤck zu legen hatten, zeigte mir ein großes Stuͤck unſers deutſchen Bo- dens, und darinn manchmal ein rauhes ſtiefmuͤtterliches Land; welches von ſei- nen leidenden geduldigen Einwohnern mit abgezehrten Haͤnden angebaut wurde.
Zaͤrtliches Mitleiden, Wuͤnſche und Se- gen, erfuͤllten mein Herz, als ich ihren
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unſerer Hof- und Stadtviſiten thun kann.
Mein Oncle hat eine Halbſchweſter in dem
Damenſtift zu G., die er wegen einem
reichen Erbe, ſo ihr zugefallen iſt, zum
Beſten ſeiner Kinder zu gewinnen ſucht.
Und aus dieſer Urſache mußte mine Tan-
te mit ihren beyden Soͤhnen die Reiſe zu
ihr machen. Sie nahm mich mit, und
verſchaffte mir dadurch einen Theil des
Vergnuͤgens, fuͤr welches ich am em-
pfindlichſten bin, abwechſelnde Scenen der
Natur und Kunſt, in ihren mannichfalti-
gen Abaͤnderungen, zu betrachten. Waͤ-
re es auch nichts als der Anblick der auf-
und niedergehenden Sonne geweſen, ſo
wuͤrde ich dieſe Ausflucht von D. geliebt
haben; aber ich ſah mehr. Der Weg,
den wir zuruͤck zu legen hatten, zeigte mir
ein großes Stuͤck unſers deutſchen Bo-
dens, und darinn manchmal ein rauhes
ſtiefmuͤtterliches Land; welches von ſei-
nen leidenden geduldigen Einwohnern mit
abgezehrten Haͤnden angebaut wurde.
Zaͤrtliches Mitleiden, Wuͤnſche und Se-
gen, erfuͤllten mein Herz, als ich ihren
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/158>, abgerufen am 17.02.2025.
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