Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

nem Vorhaben abzuschrecken. Nie-
mals, daß ich wüßte, hat mich das
Vorurtheil für diejenige, die ich liebe,
gegen ihre Mängel blind gemacht.
Sie kennen diese Eigenschaft an mir,
und sie sind eben so wenig fähig zu er-
warten, oder nur zu wünschen, daß
man ihnen schmeicheln soll, als ich ge-
neigt bin, gegen meine Empfindung
zu reden. Jhre Sternheim, so lie-
benswürdig sie ist, hat als ein Werk
des Geistes, als eine dichterische Com-
position, ja nur überhaupt als eine
deutsche Schrift betrachtet, Mängel,
welche den Auspfeiffern nicht verbor-
gen bleiben werden. Doch diese sind
es nicht, vor denen ich mich in Jhrem
Namen fürchte. Aber die Kunstrich-
ter auf der einen Stite, und auf der
andern die ekeln Kenner aus der Classe
der Weltleute, -- soll ich Jhnen ge-
stehen, meine Freundin, daß ich nicht
gänzlich ohne Sorgen bin, wenn ich

daran

nem Vorhaben abzuſchrecken. Nie-
mals, daß ich wuͤßte, hat mich das
Vorurtheil fuͤr diejenige, die ich liebe,
gegen ihre Maͤngel blind gemacht.
Sie kennen dieſe Eigenſchaft an mir,
und ſie ſind eben ſo wenig faͤhig zu er-
warten, oder nur zu wuͤnſchen, daß
man ihnen ſchmeicheln ſoll, als ich ge-
neigt bin, gegen meine Empfindung
zu reden. Jhre Sternheim, ſo lie-
benswuͤrdig ſie iſt, hat als ein Werk
des Geiſtes, als eine dichteriſche Com-
poſition, ja nur uͤberhaupt als eine
deutſche Schrift betrachtet, Maͤngel,
welche den Auspfeiffern nicht verbor-
gen bleiben werden. Doch dieſe ſind
es nicht, vor denen ich mich in Jhrem
Namen fuͤrchte. Aber die Kunſtrich-
ter auf der einen Stite, und auf der
andern die ekeln Kenner aus der Claſſe
der Weltleute, — ſoll ich Jhnen ge-
ſtehen, meine Freundin, daß ich nicht
gaͤnzlich ohne Sorgen bin, wenn ich

daran
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="dedication">
        <p><pb facs="#f0017" n="XIII"/>
nem Vorhaben abzu&#x017F;chrecken. Nie-<lb/>
mals, daß ich wu&#x0364;ßte, hat mich das<lb/>
Vorurtheil fu&#x0364;r diejenige, die ich liebe,<lb/>
gegen ihre Ma&#x0364;ngel blind gemacht.<lb/>
Sie kennen die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaft an mir,<lb/>
und &#x017F;ie &#x017F;ind eben &#x017F;o wenig fa&#x0364;hig zu er-<lb/>
warten, oder nur zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß<lb/>
man ihnen &#x017F;chmeicheln &#x017F;oll, als ich ge-<lb/>
neigt bin, gegen meine Empfindung<lb/>
zu reden. Jhre Sternheim, &#x017F;o lie-<lb/>
benswu&#x0364;rdig &#x017F;ie i&#x017F;t, hat als ein Werk<lb/>
des Gei&#x017F;tes, als eine dichteri&#x017F;che Com-<lb/>
po&#x017F;ition, ja nur u&#x0364;berhaupt als eine<lb/>
deut&#x017F;che Schrift betrachtet, Ma&#x0364;ngel,<lb/>
welche <hi rendition="#fr">den Auspfeiffern</hi> nicht verbor-<lb/>
gen bleiben werden. Doch die&#x017F;e &#x017F;ind<lb/>
es nicht, vor denen ich mich in Jhrem<lb/>
Namen fu&#x0364;rchte. Aber die Kun&#x017F;trich-<lb/>
ter auf der einen Stite, und auf der<lb/>
andern die ekeln Kenner aus der Cla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Weltleute, &#x2014; &#x017F;oll ich Jhnen ge-<lb/>
&#x017F;tehen, meine Freundin, daß ich nicht<lb/>
ga&#x0364;nzlich ohne Sorgen bin, wenn ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daran</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XIII/0017] nem Vorhaben abzuſchrecken. Nie- mals, daß ich wuͤßte, hat mich das Vorurtheil fuͤr diejenige, die ich liebe, gegen ihre Maͤngel blind gemacht. Sie kennen dieſe Eigenſchaft an mir, und ſie ſind eben ſo wenig faͤhig zu er- warten, oder nur zu wuͤnſchen, daß man ihnen ſchmeicheln ſoll, als ich ge- neigt bin, gegen meine Empfindung zu reden. Jhre Sternheim, ſo lie- benswuͤrdig ſie iſt, hat als ein Werk des Geiſtes, als eine dichteriſche Com- poſition, ja nur uͤberhaupt als eine deutſche Schrift betrachtet, Maͤngel, welche den Auspfeiffern nicht verbor- gen bleiben werden. Doch dieſe ſind es nicht, vor denen ich mich in Jhrem Namen fuͤrchte. Aber die Kunſtrich- ter auf der einen Stite, und auf der andern die ekeln Kenner aus der Claſſe der Weltleute, — ſoll ich Jhnen ge- ſtehen, meine Freundin, daß ich nicht gaͤnzlich ohne Sorgen bin, wenn ich daran

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/17
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/17>, abgerufen am 21.11.2024.