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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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sen. Mir, dem eigenmächtigen Her-
ausgeber Jhres Manuscripts, wäre es
also zugekommen, den Mängeln abzu-
helfen, von denen ich selbst erwarte,
daß sie den Kunstrichtern, wo nicht an-
stößig seyn, doch den Wunsch, sie nicht
zu sehen, abdringen könnten. Doch,
indem ich von Kunstrichtern rede, den-
ke ich an Männern von feinem Ge-
schmack und reifem Urtheil; an Rich-
ter, welche von kleinen Flecken an ei-
nem schönen Werke nicht beleidiget
werden, und zu billig sind, von einer
freywillig hervorgekommenen Frucht
der bloßen Natur und von einer durch
die Kunst erzogenen, mühsam gepfle-
geten Frucht (wiewohl, was den Ge-
schmack anbetrifft, diese nicht selten jener
den Vorzug lassen muß) einerley Voll-
kommenheit zu fodern. Solche Ken-
ner werden vermuthlich, eben so wohl
wie ich, der Meynung seyn, daß eine
moralische Dichtung, bey welcher es

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ſen. Mir, dem eigenmaͤchtigen Her-
ausgeber Jhres Manuſcripts, waͤre es
alſo zugekommen, den Maͤngeln abzu-
helfen, von denen ich ſelbſt erwarte,
daß ſie den Kunſtrichtern, wo nicht an-
ſtoͤßig ſeyn, doch den Wunſch, ſie nicht
zu ſehen, abdringen koͤnnten. Doch,
indem ich von Kunſtrichtern rede, den-
ke ich an Maͤnnern von feinem Ge-
ſchmack und reifem Urtheil; an Rich-
ter, welche von kleinen Flecken an ei-
nem ſchoͤnen Werke nicht beleidiget
werden, und zu billig ſind, von einer
freywillig hervorgekommenen Frucht
der bloßen Natur und von einer durch
die Kunſt erzogenen, muͤhſam gepfle-
geten Frucht (wiewohl, was den Ge-
ſchmack anbetrifft, dieſe nicht ſelten jener
den Vorzug laſſen muß) einerley Voll-
kommenheit zu fodern. Solche Ken-
ner werden vermuthlich, eben ſo wohl
wie ich, der Meynung ſeyn, daß eine
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[XV/0019] ſen. Mir, dem eigenmaͤchtigen Her- ausgeber Jhres Manuſcripts, waͤre es alſo zugekommen, den Maͤngeln abzu- helfen, von denen ich ſelbſt erwarte, daß ſie den Kunſtrichtern, wo nicht an- ſtoͤßig ſeyn, doch den Wunſch, ſie nicht zu ſehen, abdringen koͤnnten. Doch, indem ich von Kunſtrichtern rede, den- ke ich an Maͤnnern von feinem Ge- ſchmack und reifem Urtheil; an Rich- ter, welche von kleinen Flecken an ei- nem ſchoͤnen Werke nicht beleidiget werden, und zu billig ſind, von einer freywillig hervorgekommenen Frucht der bloßen Natur und von einer durch die Kunſt erzogenen, muͤhſam gepfle- geten Frucht (wiewohl, was den Ge- ſchmack anbetrifft, dieſe nicht ſelten jener den Vorzug laſſen muß) einerley Voll- kommenheit zu fodern. Solche Ken- ner werden vermuthlich, eben ſo wohl wie ich, der Meynung ſeyn, daß eine moraliſche Dichtung, bey welcher es mehr

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/19>, abgerufen am 03.12.2024.