ich seit drey Monaten durchwandre, zwey angenehme Quellen und ein Stück urba- res Erdreich angetroffen, wobey ich mich eine Zeitlang aufhalten werde, um bey dem ersten meinen Geist und mein Herz zu erfrischen, und für die Anpflanzung und Cultur guter Früchte bey dem letztern zu sorgen. Doch ich will ohne Gleichniß reden. Sie wissen, daß die Erziehung, die ich genossen, meine Empfindungen und Vorstellungen von Vergnügen, mehr auf das Einfache und Nützliche lenkte, als auf das Künstliche und nur allein Be- lustigende. Jch sah die Zärtlichkeit mei- ner Mama niemals in Bewegung, als bey Erzählung einer edeln großmüthigen Handlung, oder einer, so von der Ausü- bung der Pflichten und der Menschenliebe und andern Tugenden gemacht wurde. Niemals drückte sie mich mit mehr Liebe an ihr Herz, als wenn ich etwas sagte, oder etwas für einen Freund des Hauses, für einen Bedienten oder Unterthanen un- ternahm, so die Kennzeichen der Wohl- thätigkeit und Freude über anderer Ver-
gnügen
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ich ſeit drey Monaten durchwandre, zwey angenehme Quellen und ein Stuͤck urba- res Erdreich angetroffen, wobey ich mich eine Zeitlang aufhalten werde, um bey dem erſten meinen Geiſt und mein Herz zu erfriſchen, und fuͤr die Anpflanzung und Cultur guter Fruͤchte bey dem letztern zu ſorgen. Doch ich will ohne Gleichniß reden. Sie wiſſen, daß die Erziehung, die ich genoſſen, meine Empfindungen und Vorſtellungen von Vergnuͤgen, mehr auf das Einfache und Nuͤtzliche lenkte, als auf das Kuͤnſtliche und nur allein Be- luſtigende. Jch ſah die Zaͤrtlichkeit mei- ner Mama niemals in Bewegung, als bey Erzaͤhlung einer edeln großmuͤthigen Handlung, oder einer, ſo von der Ausuͤ- bung der Pflichten und der Menſchenliebe und andern Tugenden gemacht wurde. Niemals druͤckte ſie mich mit mehr Liebe an ihr Herz, als wenn ich etwas ſagte, oder etwas fuͤr einen Freund des Hauſes, fuͤr einen Bedienten oder Unterthanen un- ternahm, ſo die Kennzeichen der Wohl- thaͤtigkeit und Freude uͤber anderer Ver-
gnuͤgen
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ich ſeit drey Monaten durchwandre, zwey
angenehme Quellen und ein Stuͤck urba-
res Erdreich angetroffen, wobey ich mich
eine Zeitlang aufhalten werde, um bey
dem erſten meinen Geiſt und mein Herz
zu erfriſchen, und fuͤr die Anpflanzung
und Cultur guter Fruͤchte bey dem letztern
zu ſorgen. Doch ich will ohne Gleichniß
reden. Sie wiſſen, daß die Erziehung,
die ich genoſſen, meine Empfindungen
und Vorſtellungen von Vergnuͤgen, mehr
auf das Einfache und Nuͤtzliche lenkte,
als auf das Kuͤnſtliche und nur allein Be-
luſtigende. Jch ſah die Zaͤrtlichkeit mei-
ner Mama niemals in Bewegung, als
bey Erzaͤhlung einer edeln großmuͤthigen
Handlung, oder einer, ſo von der Ausuͤ-
bung der Pflichten und der Menſchenliebe
und andern Tugenden gemacht wurde.
Niemals druͤckte ſie mich mit mehr Liebe
an ihr Herz, als wenn ich etwas ſagte,
oder etwas fuͤr einen Freund des Hauſes,
fuͤr einen Bedienten oder Unterthanen un-
ternahm, ſo die Kennzeichen der Wohl-
thaͤtigkeit und Freude uͤber anderer Ver-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/205>, abgerufen am 24.11.2024.
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