wollte auch nicht unbescheiden mit ihr han- deln; sie solle mich für ihre Freundin an- sehen, die nichts anders wünsche, als ihr an einem fremden Orte nützlich zu seyn. Eine Menge Thränen hinderten sie zu reden, dabey sah sie mich mit einem von Hoffnung und Jammer bezeichneten Gesichte an.
Jch reichte ihr wehmüthig die Hand. Sie leiden für Sie und Jhre Kinder unter einem harten Schicksal, sagte ich; ich bin reich und unabhängig, mein Herz kennt die Pflichten, welche Menschlichkeit und Religion den Begüterten auflegen; gön- nen Sie mir das Vergnügen diese Pflich- ten zu erfüllen, und Jhren Kummer zu erleichtern. Jndem ich dieses sagte, nahm ich von meinem Gelde, bat sie, es anzu- nehmen, und mir den Ort ihres Aufent- halts zu sagen. Die gute Frau rütsche von ihrem Stuhle auf die Erde, und rief mit äußerster Bewegung aus:
O Gott, was für ein edles Herz läßt du mich antreffen!
Die
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wollte auch nicht unbeſcheiden mit ihr han- deln; ſie ſolle mich fuͤr ihre Freundin an- ſehen, die nichts anders wuͤnſche, als ihr an einem fremden Orte nuͤtzlich zu ſeyn. Eine Menge Thraͤnen hinderten ſie zu reden, dabey ſah ſie mich mit einem von Hoffnung und Jammer bezeichneten Geſichte an.
Jch reichte ihr wehmuͤthig die Hand. Sie leiden fuͤr Sie und Jhre Kinder unter einem harten Schickſal, ſagte ich; ich bin reich und unabhaͤngig, mein Herz kennt die Pflichten, welche Menſchlichkeit und Religion den Beguͤterten auflegen; goͤn- nen Sie mir das Vergnuͤgen dieſe Pflich- ten zu erfuͤllen, und Jhren Kummer zu erleichtern. Jndem ich dieſes ſagte, nahm ich von meinem Gelde, bat ſie, es anzu- nehmen, und mir den Ort ihres Aufent- halts zu ſagen. Die gute Frau ruͤtſche von ihrem Stuhle auf die Erde, und rief mit aͤußerſter Bewegung aus:
O Gott, was fuͤr ein edles Herz laͤßt du mich antreffen!
Die
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wollte auch nicht unbeſcheiden mit ihr han-
deln; ſie ſolle mich fuͤr ihre Freundin an-
ſehen, die nichts anders wuͤnſche, als
ihr an einem fremden Orte nuͤtzlich zu
ſeyn. Eine Menge Thraͤnen hinderten ſie
zu reden, dabey ſah ſie mich mit einem
von Hoffnung und Jammer bezeichneten
Geſichte an.
Jch reichte ihr wehmuͤthig die Hand.
Sie leiden fuͤr Sie und Jhre Kinder unter
einem harten Schickſal, ſagte ich; ich bin
reich und unabhaͤngig, mein Herz kennt
die Pflichten, welche Menſchlichkeit und
Religion den Beguͤterten auflegen; goͤn-
nen Sie mir das Vergnuͤgen dieſe Pflich-
ten zu erfuͤllen, und Jhren Kummer zu
erleichtern. Jndem ich dieſes ſagte, nahm
ich von meinem Gelde, bat ſie, es anzu-
nehmen, und mir den Ort ihres Aufent-
halts zu ſagen. Die gute Frau ruͤtſche
von ihrem Stuhle auf die Erde, und rief
mit aͤußerſter Bewegung aus:
O Gott, was fuͤr ein edles Herz laͤßt
du mich antreffen!
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/225>, abgerufen am 24.11.2024.
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