geschehen ist? Kurz, ich habe eine so gute Meynung von der seinen Empfin- dung der Kunstrichter, daß ich ihnen zutraue, sie werden die Mängel, wo- von die Rede ist, mit so vielen, und so vorzüglichen Schönheiten verwebt finden, daß sie es mir verdenken wür- den, wenn ich das Privilegium der Damen, welche keine Schriftstellerin- nen von Profession sind, zum Vor- theil meiner Freundin geltend machen wollte. Und sollten wir uns etwan vor dem feinen und verwöhnten Ge- schmacke der Weltleute mehr zu fürch- ten haben als vor den Kunstrichtern? Jn der That, die Singularität unsrer Heldin, ihr Enthusiasmus für das sittliche Schöne, ihre besondern Jdeen und Launen, ihre eine wenig eigensinni- ge Prädilection für die Milords und alles was ihnen gleich sieht und aus ihrem Lande kommt, und, was noch ärger ist als dies alles, der bestän- dige Contrast, den ihre Art zu em-
pfinden,
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geſchehen iſt? Kurz, ich habe eine ſo gute Meynung von der ſeinen Empfin- dung der Kunſtrichter, daß ich ihnen zutraue, ſie werden die Maͤngel, wo- von die Rede iſt, mit ſo vielen, und ſo vorzuͤglichen Schoͤnheiten verwebt finden, daß ſie es mir verdenken wuͤr- den, wenn ich das Privilegium der Damen, welche keine Schriftſtellerin- nen von Profeſſion ſind, zum Vor- theil meiner Freundin geltend machen wollte. Und ſollten wir uns etwan vor dem feinen und verwoͤhnten Ge- ſchmacke der Weltleute mehr zu fuͤrch- ten haben als vor den Kunſtrichtern? Jn der That, die Singularitaͤt unſrer Heldin, ihr Enthuſiasmus fuͤr das ſittliche Schoͤne, ihre beſondern Jdeen und Launen, ihre eine wenig eigenſinni- ge Praͤdilection fuͤr die Milords und alles was ihnen gleich ſieht und aus ihrem Lande kommt, und, was noch aͤrger iſt als dies alles, der beſtaͤn- dige Contraſt, den ihre Art zu em-
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[XIX/0023]
geſchehen iſt? Kurz, ich habe eine ſo
gute Meynung von der ſeinen Empfin-
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zutraue, ſie werden die Maͤngel, wo-
von die Rede iſt, mit ſo vielen, und
ſo vorzuͤglichen Schoͤnheiten verwebt
finden, daß ſie es mir verdenken wuͤr-
den, wenn ich das Privilegium der
Damen, welche keine Schriftſtellerin-
nen von Profeſſion ſind, zum Vor-
theil meiner Freundin geltend machen
wollte. Und ſollten wir uns etwan
vor dem feinen und verwoͤhnten Ge-
ſchmacke der Weltleute mehr zu fuͤrch-
ten haben als vor den Kunſtrichtern?
Jn der That, die Singularitaͤt unſrer
Heldin, ihr Enthuſiasmus fuͤr das
ſittliche Schoͤne, ihre beſondern Jdeen
und Launen, ihre eine wenig eigenſinni-
ge Praͤdilection fuͤr die Milords und
alles was ihnen gleich ſieht und aus
ihrem Lande kommt, und, was noch
aͤrger iſt als dies alles, der beſtaͤn-
dige Contraſt, den ihre Art zu em-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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