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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Stimme und Gesichtszüge des Fräuleins
von Sternheim wahrnahm. Sie schien
bewegt; ihre Antworten waren abgebro-
chen; ich redete aber mit Fräulein R. so
viel ich konnte gleichgültig fort, beobach-
tete aber die Sternheim genau. Jndem
brachte uns ein erhöheter Gang in dem
Garten auf einen Platz, wo man das freye
Feld entdeckte. Wir blieben stehen.
Das bezaubernde Fräulein von Sternheim
heftete ihre Blicke auf eine gewisse Gegend;
eine feine Röthe überzog ihr Gesicht und
ihre Brust, die von der Empfindung des
Vergnügens eine schnellere Bewegung zu
erhalten schien. Sehnsucht war in ih-
rem Gesicht verbreitet, und eine Minute
darauf stund eine Thräne in ihren Augen.
B* alles was ich jemals reizendes an an-
dern ihres Geschlechts gesehen, ist nichts
gegen den einnehmenden Ausdruck von
Empfindung, der über ihre ganze Person
ausgegossen war. Kaum konnte ich dem
glühenden Verlangen widerstehen, sie in
meine Arme zu schließen. Aber ganz zu
schweigen war mir unmöglich. Jch faßte

eine

Stimme und Geſichtszuͤge des Fraͤuleins
von Sternheim wahrnahm. Sie ſchien
bewegt; ihre Antworten waren abgebro-
chen; ich redete aber mit Fraͤulein R. ſo
viel ich konnte gleichguͤltig fort, beobach-
tete aber die Sternheim genau. Jndem
brachte uns ein erhoͤheter Gang in dem
Garten auf einen Platz, wo man das freye
Feld entdeckte. Wir blieben ſtehen.
Das bezaubernde Fraͤulein von Sternheim
heftete ihre Blicke auf eine gewiſſe Gegend;
eine feine Roͤthe uͤberzog ihr Geſicht und
ihre Bruſt, die von der Empfindung des
Vergnuͤgens eine ſchnellere Bewegung zu
erhalten ſchien. Sehnſucht war in ih-
rem Geſicht verbreitet, und eine Minute
darauf ſtund eine Thraͤne in ihren Augen.
B* alles was ich jemals reizendes an an-
dern ihres Geſchlechts geſehen, iſt nichts
gegen den einnehmenden Ausdruck von
Empfindung, der uͤber ihre ganze Perſon
ausgegoſſen war. Kaum konnte ich dem
gluͤhenden Verlangen widerſtehen, ſie in
meine Arme zu ſchließen. Aber ganz zu
ſchweigen war mir unmoͤglich. Jch faßte

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[207/0233] Stimme und Geſichtszuͤge des Fraͤuleins von Sternheim wahrnahm. Sie ſchien bewegt; ihre Antworten waren abgebro- chen; ich redete aber mit Fraͤulein R. ſo viel ich konnte gleichguͤltig fort, beobach- tete aber die Sternheim genau. Jndem brachte uns ein erhoͤheter Gang in dem Garten auf einen Platz, wo man das freye Feld entdeckte. Wir blieben ſtehen. Das bezaubernde Fraͤulein von Sternheim heftete ihre Blicke auf eine gewiſſe Gegend; eine feine Roͤthe uͤberzog ihr Geſicht und ihre Bruſt, die von der Empfindung des Vergnuͤgens eine ſchnellere Bewegung zu erhalten ſchien. Sehnſucht war in ih- rem Geſicht verbreitet, und eine Minute darauf ſtund eine Thraͤne in ihren Augen. B* alles was ich jemals reizendes an an- dern ihres Geſchlechts geſehen, iſt nichts gegen den einnehmenden Ausdruck von Empfindung, der uͤber ihre ganze Perſon ausgegoſſen war. Kaum konnte ich dem gluͤhenden Verlangen widerſtehen, ſie in meine Arme zu ſchließen. Aber ganz zu ſchweigen war mir unmoͤglich. Jch faßte eine

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/233>, abgerufen am 21.11.2024.