eine ihrer Hände mit einem Arme, der vor Begierde zitterte, und sagte ihr auf englisch: ich weis nicht mehr was; aber die Wuth der Liebe muß aus mir gespro- chen haben; denn ein ängstlicher Schre- cken nahm sie ein und entfärbte sie bis zur Todtenblässe. Da war's Zeit mich zu erholen, und ich befließ mich den gan- zen übrigen Abend recht ehrerbietig und gelassen zu seyn. Mein Täubchen ist noch nicht kirre genug, um das Feuer meiner Leidenschaft in der Nähe zu sehen. Dieses loderte die ganze Nacht durch in meiner Seele; keinen Augen- blick schlief ich; immer sah' ich das Fräulein vor mir und meine Hand schloß sie zwanzigmal mit der nehmlichen Heftigkeit zu, mit welcher ich die ihrige gefaßt hatte. Rasend dachte ich, Sehn- sucht und Liebe in ihr gesehen zu haben, die einen Abwesenden zum Gegenstand hatten: aber ich schwur mir, sie mit oder ohne ihre Neigung zu besitzen. Wenn sie Liebe, feurige Liebe für mich be- kommt, so kann es seyn, daß sie mich fes-
selt;
eine ihrer Haͤnde mit einem Arme, der vor Begierde zitterte, und ſagte ihr auf engliſch: ich weis nicht mehr was; aber die Wuth der Liebe muß aus mir geſpro- chen haben; denn ein aͤngſtlicher Schre- cken nahm ſie ein und entfaͤrbte ſie bis zur Todtenblaͤſſe. Da war’s Zeit mich zu erholen, und ich befließ mich den gan- zen uͤbrigen Abend recht ehrerbietig und gelaſſen zu ſeyn. Mein Taͤubchen iſt noch nicht kirre genug, um das Feuer meiner Leidenſchaft in der Naͤhe zu ſehen. Dieſes loderte die ganze Nacht durch in meiner Seele; keinen Augen- blick ſchlief ich; immer ſah’ ich das Fraͤulein vor mir und meine Hand ſchloß ſie zwanzigmal mit der nehmlichen Heftigkeit zu, mit welcher ich die ihrige gefaßt hatte. Raſend dachte ich, Sehn- ſucht und Liebe in ihr geſehen zu haben, die einen Abweſenden zum Gegenſtand hatten: aber ich ſchwur mir, ſie mit oder ohne ihre Neigung zu beſitzen. Wenn ſie Liebe, feurige Liebe fuͤr mich be- kommt, ſo kann es ſeyn, daß ſie mich feſ-
ſelt;
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eine ihrer Haͤnde mit einem Arme, der
vor Begierde zitterte, und ſagte ihr auf
engliſch: ich weis nicht mehr was; aber
die Wuth der Liebe muß aus mir geſpro-
chen haben; denn ein aͤngſtlicher Schre-
cken nahm ſie ein und entfaͤrbte ſie bis
zur Todtenblaͤſſe. Da war’s Zeit mich
zu erholen, und ich befließ mich den gan-
zen uͤbrigen Abend recht ehrerbietig und
gelaſſen zu ſeyn. Mein Taͤubchen iſt
noch nicht kirre genug, um das Feuer
meiner Leidenſchaft in der Naͤhe zu
ſehen. Dieſes loderte die ganze Nacht
durch in meiner Seele; keinen Augen-
blick ſchlief ich; immer ſah’ ich das
Fraͤulein vor mir und meine Hand
ſchloß ſie zwanzigmal mit der nehmlichen
Heftigkeit zu, mit welcher ich die ihrige
gefaßt hatte. Raſend dachte ich, Sehn-
ſucht und Liebe in ihr geſehen zu haben,
die einen Abweſenden zum Gegenſtand
hatten: aber ich ſchwur mir, ſie mit
oder ohne ihre Neigung zu beſitzen.
Wenn ſie Liebe, feurige Liebe fuͤr mich be-
kommt, ſo kann es ſeyn, daß ſie mich feſ-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/234>, abgerufen am 24.11.2024.
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