stimmen, die Tanzmusik mußte schweigen, und das Fräulein sang eine Arie; sie war in Cramoisi und schwarzen Taft gekleidet, ihre schönen Haare in fliegenden nachläs- sigen Locken verbreitet; ihre Brust ziem- lich, doch weniger als sonst verhüllt; überhaupt schien sie mit vielem Fleiß, auf eine Art gekleidet zu seyn, die alle reizenden Schönheiten ihrer Figur wechselsweise entwickelte; denn der weite Ermel war ge- wiß allein da, um während sie die Laute schlug, zurück zu fallen und ihren vollkom- men gebildeten Arm in sein ganzes Licht zu setzen. Die halbe Masque zeigte uns den schönsten Mund, und ihre Eigenliebe bemühete sich die Schönheit ihrer Stimme zu aller Zauberkraft der Kunst zu erhöhen.
Seymour in einem schwarzen Domino an ein Fenster gelehnt, sah sie mit convul- sivischen Bewegungen an. Der Fürst in einem venetianischen Mantel in seiner Loge, Begierde und Hoffnung in seinen Augen gezeichnet, klatschte fröhlich die Hände zusammen und kam, einen Menuet mit ihr zu tanzen, nachdem er vieles Lob von ih-
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ſtimmen, die Tanzmuſik mußte ſchweigen, und das Fraͤulein ſang eine Arie; ſie war in Cramoiſi und ſchwarzen Taft gekleidet, ihre ſchoͤnen Haare in fliegenden nachlaͤſ- ſigen Locken verbreitet; ihre Bruſt ziem- lich, doch weniger als ſonſt verhuͤllt; uͤberhaupt ſchien ſie mit vielem Fleiß, auf eine Art gekleidet zu ſeyn, die alle reizenden Schoͤnheiten ihrer Figur wechſelsweiſe entwickelte; denn der weite Ermel war ge- wiß allein da, um waͤhrend ſie die Laute ſchlug, zuruͤck zu fallen und ihren vollkom- men gebildeten Arm in ſein ganzes Licht zu ſetzen. Die halbe Masque zeigte uns den ſchoͤnſten Mund, und ihre Eigenliebe bemuͤhete ſich die Schoͤnheit ihrer Stimme zu aller Zauberkraft der Kunſt zu erhoͤhen.
Seymour in einem ſchwarzen Domino an ein Fenſter gelehnt, ſah ſie mit convul- ſiviſchen Bewegungen an. Der Fuͤrſt in einem venetianiſchen Mantel in ſeiner Loge, Begierde und Hoffnung in ſeinen Augen gezeichnet, klatſchte froͤhlich die Haͤnde zuſammen und kam, einen Menuet mit ihr zu tanzen, nachdem er vieles Lob von ih-
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ſtimmen, die Tanzmuſik mußte ſchweigen,
und das Fraͤulein ſang eine Arie; ſie war
in Cramoiſi und ſchwarzen Taft gekleidet,
ihre ſchoͤnen Haare in fliegenden nachlaͤſ-
ſigen Locken verbreitet; ihre Bruſt ziem-
lich, doch weniger als ſonſt verhuͤllt;
uͤberhaupt ſchien ſie mit vielem Fleiß, auf
eine Art gekleidet zu ſeyn, die alle reizenden
Schoͤnheiten ihrer Figur wechſelsweiſe
entwickelte; denn der weite Ermel war ge-
wiß allein da, um waͤhrend ſie die Laute
ſchlug, zuruͤck zu fallen und ihren vollkom-
men gebildeten Arm in ſein ganzes Licht
zu ſetzen. Die halbe Masque zeigte uns
den ſchoͤnſten Mund, und ihre Eigenliebe
bemuͤhete ſich die Schoͤnheit ihrer Stimme
zu aller Zauberkraft der Kunſt zu erhoͤhen.
Seymour in einem ſchwarzen Domino
an ein Fenſter gelehnt, ſah ſie mit convul-
ſiviſchen Bewegungen an. Der Fuͤrſt in
einem venetianiſchen Mantel in ſeiner Loge,
Begierde und Hoffnung in ſeinen Augen
gezeichnet, klatſchte froͤhlich die Haͤnde
zuſammen und kam, einen Menuet mit ihr
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/365>, abgerufen am 18.12.2024.
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